Skip to main content

Full text of "Compendium der Augenheilkunde"

See other formats


\r 


..x. 


4r 


«ö  J[ 


ijÄ**^" 


-r 


AT* 


-£ 


O^vAxrf 


COMPENDIÜM 


DER 


AUGESHEILKUNDE. 


VON 


DR-  IGNAZ  MEYR, 

DOCENTEN    DER    AUGENHEILKUNDE    UND    ASSISTENTEN    DER    AUGENKLINIK    AN 
DER    UNIVERSITÄT    ZU    WIEN. 


WIEN,  1852. 

WILHELM  BRAUMÜLLER, 

K.    K.    HOFBUCHHÄNDLER. 


r£ 


ld  potissimum  agens,  ut  omissis  hypothesibu*. 
in  praxi  nihil  adstruat,  quod  raultiplici  experientia 
non  sit  roboratum. 

Act.  Erud.  Lips.  1722. 


DEM 

HOCHWOHLGEBORNEN  HERRN  HERRN 

WILHELM  edlen  von  WELL, 

DER    ARZNEIKUNDE    DOCTOR,    K.    K.    WIRKLICHEM    MINISTERIALRATES    IM    MINISTERIUM    DES 
CULTUS     UND    UNTERRICHTES,     EMERITIRTEM    RECTOR    MAGN1FICUS    DER    WIENER    UNIVERSI- 
TAET    UND    PRAESES    DER    MEDICINISCHEN    FACULTAET ,      MEHRERER    AERZTLICHEN    UND    GE- 
LEHRTEN   GESELLSCHAFTEN    MITGLIEDE    ETC.    ETC. 

ALS 

SCHWACHEN  BEWEIS  DER  TIEFSTEN  VEREHRUNG 

GEWIDMET 

VOM 

VERFASSER. 


VORWORT. 


Wem  die  Literatur  der  Augenheilkunde  in  der  letzteren  Zeit 
nicht  fremd  geblieben  ist,  der  wird  nicht  verkennen,  dass  dieser 
Zweig  der  Heilkunde  in  steter  Fortbildung  begriffen  ist.  Unsere 
Zeit,  welche  die  streng  anatomische  Richtung  als  nothwendige  Ent- 
wicklungsphase  der  Wissenschaft  anerkennt,  emancipirte  sich  von 
manchen  früher  geltenden  pathologischen  Lehrsätzen,  und  wendete 
sich  der  unmittelbaren  Beobachtung  zu.  Auch  die  Augenheilkunde 
schlug  diese  Richtung  mit  Vortheil  ein,  und  suchte,  gestützt  auf  die 
Grundsätze  der  Physik  und  Physiologie,  über  die  pathologischen 
Vorgänge  so  viel  als  möglich  ins  Klare  zu  kommen.  Eine  Reihe 
werthvoller  Schriften  und  gediegener  Aufsätze  aus  dem  Gebiete  der 
Ophthalmiatrie  ist  durch  die  Bestrebungen  ausgezeichneter  Fach- 
männer hervorgegangen,  man  gewann  eine  klarere  Einsicht  in  das 
Wesen  der  Krankheitsprocesse,  und  manche  Capitel  der  Augenheil- 
kunde erlitten  wohl  eine  fast  gänzliche  Umstaltung. 

Die  vorurtheilsfreie  Beobachtung  am  Krankenbette  ist  unent- 
behrlich,   um    richtige   Begriffe   über   die   Krankheiten   zu   erlangen; 


VI 

jede  anderweitige  Belehrung  genügt  nicht.  Dessenungeachtet  ist 
eine  Darstellung  der  Grundlehren  dieses  Zweiges  der  Heilkunde, 
eine  Anleitung  zur  genauen  Auffassung  und  richtigen  Beurtheilung 
der  Krankheilserscheinungen,  eine  möglichst  naturgetreue  Schilde- 
rung der  einzelnen  Krankheitsformen  für  den  Studierenden  ein  Be- 
dürfniss.  Da  jedoch  die  meisten  Werke  über  die  gesammte  Augen- 
heilkunde theils  zu  voluminös,  theils  für  minder  Bemittelte  auch  zu 
kostspielig  sind ,  so  ist  das  Bedürfniss  eines  Buches ,  welches  die 
sämmtlichen  Grundlehren  dieser  Wissenschaft  in  gedrängter  Weise 
behandelt,  zur  Zeit  noch  fühlbar.  Dieser  Umstand  war  es  vorzüg- 
lich, welcher  die  erste  Idee  zur  Abfassung  des  vorliegenden  Com- 
pendiums  in  mir  weckte.  Besonders  waren  es  jedoch  mehrseitige 
freundliche  Ermunterungen,  welche  mich  zur  Bearbeitung  desselben 
ermuthigten.  Ich  hatte  dabei  vorzüglich  die  Bedürfnisse  des  Studie- 
renden ,  so  wie  des  praktischen  Arztes ,  denen  es  wohl  meistens  an 
Zeit  gebricht,  sich  durch  voluminöse  Werke  durchzuarbeiten,  und 
die  zerstreuten  Aufsätze  zu  ihrer  Belehrung  zu  benützen,  vor 
Augen. 

Eine  mehr  als  sechsjährige  Dienstleistung  an  einer  der  gröss- 
ten  Augenheilanstalten  Europas  setzte  mich  in  den  Stand,  Erfah- 
rungen zu  sammeln  über  Entstehung,  Verlauf  und  Behandlung  der 
verschiedenen  Augenkrankheiten,  und  die  Beobachtungen  älterer 
Schriftsteller,  so  wie  die  der  Neuzeit  aufmerksam  zu  prüfen. 

So  sehr  es  daher  meine  angelegentlichste  Sorge  war,  die 
neuesten  Leistungen  in  der  Augenheilkunde  gewissenhaft  zu  be- 
nützen, und  nichts  von  dem  zu  übergehen,  was  sich  durch  that- 
sächliche  Beobachtung  als  wahr  bewies,  so  uneiiässlich  erschien  es 
mir  bei  der  practischen  Tendenz,  welche  dieses  Buch  haben  soll, 
die  ewig  wahren  Bemerkungen  älterer,  erfahrner  Augenärzte,  Erfah- 
rungen, deren  unwiderstehliche  Stärke  jedem  Beobachter  klar  wer- 


VII 

den  muss,  nicht  zu  übergehen.  Unbegründete  Meinungen  und  theo- 
retische Präsumtionen  konnten,  als  dem  Zwecke  des  Buches  zuwi- 
der, nicht  aufgenommen  werden ;  aus  gleichem  Grunde  mussten  weit- 
läufige Citate  und  Anführung  von  Autoren -Namen  wegbleiben.  Da- 
gegen glaubte  ich  eine  kurzgefasste  Anatomie  und  Physiologie  des 
Auges  und  seiner  Nebentheile  vorausschicken  zu  müssen,  da  sie 
zur  besseren  Auffassung  der  pathologischen  Vorgänge  unumgänglich 
nothwendig  und  eine  Wiederholung  derselben  für  so  Manchen  er- 
wünscht und  von  Vortheil  ist. 

Was  die  befolgte  Eintheilung  betrifft,  so  weiss  ich  gar  wohl, 
dass  sie  nicht  allen  Anforderungen  entsprechen  kann.  Ich  bin 
jedoch  der  Meinung,  dass  jede  der  gewohnten  Einteilungen  manche 
Einwürfe  zulässt.  Es  leitete  mich  demnach  dabei  die  Rücksicht, 
dass  die  Krankheitsbilder  vollständig  und  fasslich  entworfen,  die 
einzelnen  neben  einander  bestehenden  und  sich  aus  einander  ent- 
wickelnden Krankheitsprocesse  nicht  zu  sehr  zersplittert,  und  viele 
Wiederholungen  so  viel  als  thunlich  vermieden  wurden.  Zu  viele 
Unterabtheilungen  verwirren  den  Anfänger,  so  wie  andererseits  der 
Mangel  einer  jeden  systematischen  Darstellung  ihm  das  Studium 
bedeutend  erschweren  kann. 

Im  ersten  Abschnitte,  der  den  Verletzungen  des  Sehorgans 
und  seiner  Nebentheile  gewidmet  ist,  werden  wohl  manche  dadurch 
producirte  krankhafte  Zustände  angeführt,  deren  ausführliche  Erör- 
terung erst  in  späteren  Abschnitten  zu  finden  ist.  Dem  Abschnitte 
über  die  Entzündungen  wurden  auch  einzelne  Krankheitsformen  an- 
gereiht, welche  zwar  den  Krankheiten  der  dritten  Classe  (denen 
der  Form  und  Bildung)  angehören,  die  jedoch,  da  sie  meistens  im 
Gefolge  von  Entzündungen  auftreten,  nicht  füglich  von  denselben 
getrennt  werden  konnten.  Im  vierten  Abschnitte  werden  die  Ner- 
venkrankheiten nach  den  verschiedenen  dem  Sehorgane  angehörigen 


VIII 

Nervengruppen  abgehandelt.  Für  Jene,  welche  weitere  Belehrung 
suchen  und  andere  Werke  einsehen  wollen,  ist  eine  kurze  Angabe 
der  besseren  Schriften  über  Augenheilkunde  zuletzt  beigefügt. 

Weit  entfernt,  in  überschätzender  Selbstgenügsamkeit  die  Män- 
gel und  die  Dürftigkeit  dieser  Schrift  zu  verkennen,  war  es  vorzüg- 
lich mein  Bestreben,  die  Sache  fasslich  und  klar  darzustellen,  und 
durch  überflüssigen  Wortreichthum  nicht  zu  ermüden.  Sollte  mir 
diess  gelungen  sein,  und  das  Werkchen  bei  dem  ärztlichen  Publi- 
cum einigen  Anklang  finden,  so  fühle  ich  mich  für  die  darauf  ver- 
wendete Mühe  reichlich  belohnt. 


Meyr. 


INHALTSÜBERSICHT. 


Einleitung    ........ 

Erster  Abschnitt;  Traumen    . 

Die  fremden  Körper  im  Auge 

Zweiter  Abschnitt;  Phlogosen 

I.  Entzündungen  der  Augenlider 

II.  Entzündungen  des  Augapfels 

1.  Entzündung  der  Bindehaut 

2.  Entzündung  der  Hornhaut 

3.  Entzündung  der  Iris 

4.  Entzündung  des  Ciliarkörpers    . 

5.  Entzündung  der  Choroidea 

6.  Entzündung  des  ganzen  Augapfels 

III.  Entzündung  der  Thränenorgane 

IV.  Entzündungen  der  Gebilde  der  Orbita 
V.  Von  dem  Einflüsse  der  constitutionellen  Erkrankungen  (Dyscra 

sien)  auf  die  Augenentzündungen 
VI.  Geschwüre  der  Hornhaut  und  deren  Folgen 
Dritter  Abschnitt;   Krankheiten  der  Form  und  Bildung 
I.  Angeborne  Missbildungen    . 

II.  Trübungen  durchsichtiger  Gebilde 

A.  Trübungen  der  Hornhaut 

B.  Trübung  des  Krystallkörpers;  der  graue  Staar 

III.  Synechien  und  Atresien 

1.  Verwachsungen  der  Augenlider 

2.  Die    Atresie    der    Pupille    und    die    künstliche    Pupillen 
bildung 

3.  Verengerungen    und    Verwachsungen    an    den    Thränen 
organen       


Seite 

1 

22 

33 

40 

47 

55 

55 

76 

89 

98 

99 

110 

112 

115 

118 
131 
142 
143 
151 

156 
197 
198 

200 

206 


Seite 

IV.  Ectopien 215 

1.  Ectropium 

— 

2.  Entropium           .... 

222 

3.  Trichiasis 

225 

V.  Pseudoplasmen 

228 

A.  Gutartige  Aftergebilde 

229 

1.  An  den  Augenlidern 

— 

2.  Am  Augapfel 

233 

3.  An  den  Gebilden  der  Orbita 

236 

B.  Bösartige  Aftergebilde 

244 

1.  Augenlidkrebs 

245 

2.  Augapfelkrebs 

247 

Vierter  Abschnitt;  Neurosen 

259 

A.  Krankheiten  der  Empfindungsnerven  . 

269 

1.  Hyperaesthesie  des  N.  quintus 

270 

2.  Anaesthesie  des  N.  quintus 

273 

B.  Krankheiten  des  Sehnerven 

274 

1.  Hyperacsthesia  optica 

— 

2.  Anaesthesia  optica,  Amaurose,  der 

schwarze 

Staar 

276 

C.  Krankheiten  der  Bewegungsnerven 

302 

I.  Krämpfe 

— 

II.  Lähmungen 

313 

Literatur      ........ 

324 

Einleitung. 


Die  Wichligkeil  des  Sehorgans  für  das  geistige  und  körperliche  Leben 
der  Menschen,  die  hohe  Stelle,  die  es  unler  den  Sinnesorganen  einnimmt, 
machten  seit  den  ältesten  Zeilen  die  Erkrankungen  desselben  und  ihre  Be- 
handlung zum  Gegenstände  eifriger  Forschung,  und  müssen  zum  Studium 
dieses  Zweiges  der  Heilkunde  fort  und  fort  anregen.  Erfreulich  sind  die 
Forlschritte,  welche  dieses  Fach  im  Laufe  dieses  Jahrhunderies  durch  die 
Bestrebungen  ausgezeichneter  Männer  gemacht  hat.  Vor  Allem  gebührt 
Deutschland  die  Anerkennung,  dass  es  im  19.  Jahrhunderte  den  Grund  für 
den  Aufschwung  der  Augenheilkunde  legte.  Alle  Zweige  der  medicinischen 
Wissenschaft  waren  fruchtbringend  für  das  Gedeihen  der  Augenheilkunde, 
insbesondere  trugen  die  genauere  anatomische  und  physiologische  Kennt- 
niss  des  Auges  und  die  Untersuchung  der  einzelnen  Gewebe  zum  Aufblühen 
derselben  bei.  Obwohl  nun  seiner  Wichtigkeit  wegen  dieses  Fach  speciell 
betrieben  wird,  so  kann  es  doch  nicht  aus  dem  Ganzen  herausgerissen, 
nicht  gelrennt  von  den  übrigen  Zweigen  der  Heilkunde  fruchtbringend  cul- 
livirt  werden,  da  zum  Studium  und  zur  Ausübung  desselben  eine  umfassende 
Kennlniss  der  Gesammlmedicin  nolhwendig  ist. 

Die  Erkenntnisse,  welche  wir  dem  Gesichtssinne  verdanken,  sind 
von  doppelter  Art:  Ein  Theil  unserer  optischen  Erfahrungen  geht  nicht  nur 
vom  reinen  Empfinden  aus,  sondern  bedarf  absolut  nichts  als  ein  Sehorgan; 
andere  können  nur  durch  Mitwirkung  anderweitiger  Funktionen  und  Organe 
gewonnen  werden.  Zu  den  ersleren,  welche  man  unvermittelte  Gesichts- 
empfindungen nennt,  gehören  die  Licht-  und  Fa  rbe  nempfin  düngen. 
Sie  entstehen  nicht  bloss  in  Gegenwart  leuchtender  Objecle,  sondern  unter 
dem  Einflüsse  der  verschiedensten  Reize,  welche  das  Sehorgan  IrefFen.  Ein 
Druck  auf  den  Augapfel,  die  Wirkung  derEleclricilät,  Entzündung  der  Netz- 
haut, so  wie  Congestion  nach  dem  Gehirne  können  sie  erzeugen,  woraus  her- 
vorgeht, dass  Licht  und  Farben  lediglich  Produkte  der  organischen  Thälig- 

M  e  \  i-  .  Augenheilkunde, 


keit  unserer  Augen  sind.  So  wie  zum  subjectivcn  Sehen  die  Gegenwart 
eines  leuchtenden  Objecles  entbehrlich  ist,  so  ist  in  solchen  Fällen  nicht 
einmal  die  Mitwirkung-  des  äusseren  Au$e&  nolhwendig.  Es  ist  somit  klar, 
dass  die  spezifische  Energie  nicht  dem  Sehnerven,  sondern  dem  innern  Seh- 
organe (im  Gehirne)  zugeschrieben  werden  muss,  und  dass  der  wesentlichste 
Theil  des  Gesichtssinnes  im  Gehirn  liegt. 

Während  Lichtempfindungen  auch  ohne  Gegenwart  von  Augen  ent- 
stehen können,  bedarf  jedoch  das  gegenständliche  Sehen  das  Vorhanden- 
sein eines  optischen  Apparates. 

Diesen  optischen  Apparat  bildet  das  Auge,  welches  so  gebaut  ist,  dass 
von  dem  Gegenstande  ein  kleines,  verkehrtes  Bild  von  grosser  Deutlich- 
keit auf  der  Netzhaut  erscheint.  Der  Augapfel  stellt  eine  sphäroidische, 
häutige  Kapsel  dar,  welche  aus  mehreren  übereinander  gelagerten  Mem- 
branen zusammengesetzt  ist,  und  brechende  Medien  (den  dioptrischen 
Apparat),  so  wie  den  lichlempfindenden  Apparat  (die  Netzhaut)  in  sich 
einschliesst. 

Die  Form  des  Augapfels  wird  durch  die  Sclerotica  erhallen,  eine 
dichte  fibröse  Haut  von  weisslichglänzendem  Ansehen.  Sie  besteht  aus  sehr 
feinen,  weissen,  festen  Fasern,  welche  in  unregelmässiger  Ordnung  mtt 
einander  verwebt  sind,  so  zwar,  dass  von  aussen  nach  innen  das  Gewebe 
immer  dichter  und  gleichförmiger  wird.  Unter  den  Sehnen  der  gera- 
den Augenmuskeln  ist  sie  am  dünnsten.  Bei  Individuen,  welche  eine  zar- 
tere und  dünnere  Sclera  haben,  hat  sie  eine  bläuliche  Färbung,  weil  die 
Aderhaut  durchschimmert.  An  der  innern  Fläche  der  Sclera  sind,  beson- 
ders bei  dunkeläugigen  Menschen,  in  ihr  Gewebe  Pigmentzellen  eingela- 
gert, welche  ihr  ein  bräunliches  Ansehen  geben.  Am  hintern  Ende,  etwas 
näher  der  Nasenseite,  ist  die  Sclera  von  dem  Sehnerven  durchbohrt,  in 
dessen  fibröse  Scheide  sie  sich  fortsetzt.  Nach  vorne  besitzt  sie  eine 
grössere  Oeffnung,  welche  von  einer  durchsichtigen,  stärker  gewölbten 
Haut  ausgefüllt  wird.  Diese,  die  Hornhaut  (Cornea),  ist  nicht  bei  Allen 
von  gleicher  Dicke;  sie  ist  beim  Erwachsenen  in  der  Mitte  etwas  dünner, 
beim  Foelus  und  neugebornen  Kinde  jedoch  in  der  Mitte  sehr  dick.  Sie  be- 
steht aus  folgenden  Schichten  :  1.  Aus  einer  Epithelialschichle,  welche  eine 
unmittelbare  Fortsetzung  des  Epithels  der  Conjunctiva  und  aus  geschichte- 
ten Pflaslerzellen  gebildet  ist;  2.  aus  der  Fasersubslanz.  Sie  ist  die  mäch- 
tigste Schichte  und  besteht  aus  sehr  feinen  glatten  Fasern,  welche  in  den 
einzelnen  Bündeln  regelmässig  neben  einander  liegen.  Die  einzelnen  Bün- 
del durchkreuzen  sich  jedoch  in  verschiedenen  Richtungen  und  bilden  ein 
geschichtetes  Mallcnwerk.  Die  Durchsichtigkeil  dieser  Loge  wird  durch  eine 
Veränderung  ihrer  relativen  Lage,   so  wie  durch  grössere  Spannung  leicht 


gestört.  3.  Aus  der  glasartig' ein  Lamelle  der  Cornea  (Membr.  Desce- 
met, auch  hintere  elastische  Lamelle  genannt).  Sie  ist  farblos,  gleichmässig 
durchsichtig-,  elastisch  und  zeigt  nur  eine  der  Oberfläche  parallele  Streifung. 
Am  Rande  der  Cornea  endet  sie  mit  verflochtenen  Fasern,  welche  sich 
grösslenlheils  nach  rückwärts  zum  äussern  Theilc  des  Ciliarkörpers  wenden 
und  Iheils  an  demselben,  theils  an  der  Iris  befestigen.  Das  Epithel  der  in- 
nern  Cornealfläche  ist  sehr  dünn  und  setzt  sich  auf  die  vordere  Fläche  der 
Blendung  fort. 

Die  vordere  Fläche  der  Cornea  ist  sphärisch,  die  hintere  elliptisch 
gekrümmt.  Nach  rückwärts  gehl  das  Gewebe  der  Cornea  allmälig  in  das 
der  Sclerotica  über,  wo  sich  die  Faserbündel  beider  in  einander  zu 
schieben  scheinen.  Nahe  an  der  innern  Fläche  der  Cornea,  zwischen  ihr 
und  der  Sclerotica,  ist  ein  kreisförmiger  Canal,  der  namentlich  bei  Erhenk- 
len  häufig  mit  Blut  gefüllt  ist  und  Canalis  Fonlanae  s.  Schlemmii  genannt 
wird.  In  ihm  verläuft  der  Venenkreis  des  Ciliarbandes  (Sinus  venosusHovii). 
An  seiner  innern  Wand  setzt  sich  der  Muse,  ciliaris  an. 

Die  Sclerotica  hat  wenige  Gefässe,  welche  sich  von  den  Gefässen  der 
Augenmuskeln  abzweigen  und  ein  weitmaschiges  Netz  bilden.  Sie  besitzt 
sehr  zarte  Nerven,  welche  von  den  Ciliarnerven  herkommen.  Die  Nerven 
der  Cornea  stammen  auch  von  den  Ciliarnerven  und  verlheilen  sich  in  der 
Substantia  propria  corneae.  Im  Foclus  ist  die  Cornea  mit  einem  vollständi- 
gen Netze  von  Gefässen  versehen,  welche  von  den  Gefässen  der  Conjunctiva 
bulbi  herstammen,  nach  der  Geburt  jedoch  von  der  Mitle  nach  dem  Rande  zu 
obliteriren,  so  dass  sie  im  gesunden  Auge  des  Erwachsenen  denselben  nur  um 
% —  1'"'  überragen.  Den  vordem  Theil  der  Sclerotica  rings  um  die  Cornea 
deckt  eine  verschiebbare,  gefässreiche  Haut,  welche  sich  in  den  äussern 
und  innern  Augenwinkel,  in  die  obere  und  untere  Augenlidfalte  und  auf 
die  hintere  Fläche  der  Augenlider  fortsetzt,  an  deren  freiem  Rande  sie  in 
die  allgemeine  Decke  übergeht.  Diese  Membrane,  welche  desshalb  die 
Bindehaut  (Conjunctiva)  genannt  wird,  besieht  aus  Bindegewebe,  wel- 
ches an  der  Nasen-  und  Schläfenseite  am  Rande  der  Cornea  aufhört,  nach 
oben  und  unten  jedoch  denselben  etwas  überschreitet  (Limbus  conjunctivae, 
Bindehautfalz),  Sie  ist  ferner  von  einem  ziemlich  dicken  Pflasterepithelium 
besetzt,  welches  sich  in  das  Hornhautepilhel  fortsetzt. 

Unter  der  Sclerotica  befindet  sich  eine  sehr  gefässreiche  Haut,  welche, 
da  sie  braun  gefärbt  ist,  zugleich  als  dunkler  Beleg  des  kaloptrischen  Appa- 
rates einen  grossen  Theil  der  einfallenden  Lichtstrahlen  absorbirt  und  nach 
vorne  zwischen  Cornea  und  Sclerotica  in  eine  bewegliche  Blendung 
übergeht,  die  im  humor  aqueus  vor  der  Linse  liegt.,  und  deren  cen 
trales    Loch     die    Pupille     darstellt.      Die     gefässreiche     an     der    innern 

1* 


Fläche  der  Sclerotica  liegende  Haut  heisst  die  Choroidea,  die  Blen- 
dung- wird  die  Iris  genannt  und  beide  Häute  als  Ganzes  betrachtet 
erhielten  auch  den  Namen  tunica  uvea.  Die  Choroidea  besteht  zum  grüsslen 
Theile  aus  einem  dichten  Netze  zarler  Blutgefässe,  welche  in  einem  aus 
Bindegewebe  bestehenden  Stroma  eingebettet  sind.  An  ihrer  innern  Seite 
ist  sie  mit  unregelmässig  gestalteten  Zellen  .bedeckt,  welche  unmessbar 
kleine  Körnchen  einer  schwarzen  Substanz  enthalten.  Die  arteriellen  Ge- 
fässe  der  Choroidea  kommen  von  den  hintern  kürzern  Ciliararterien  (Aeslen 
der  Art.  ophlhalmica),  welche  die  Sclerotica  im  hintern  Umkreise  durch- 
bohren und  sich  gabelförmig  theilend  von  hinten  nach  vorne  laufen.  Sie 
bilden  ein  Capillargefässnetz,  welches  der  Aderhaut  nach  innen  aufliegt. 
Die  äussern  Zweige  gehen,  ohne  in  Capillaren  letzter  Ordnung  zu  zerfallen, 
in  Venen  über,  welche  durch  vielfältige  Theilung  Bügen  und  Wirbel  bilden 
und  meistens  6,  zuweilen  5  oder  4  an  Zahl  in  der  Gegend  des  Aequa- 
lors  des  Auges  ziemlich  symmetrisch  um  die  Achse  vertheill  in  die  Scle- 
rotica eintreten  (vasa  vorticosa).  Die  vordem  Aeste  gelangen  an  die 
Wurzeln  der  Ciliarfortsätze  und  zur  Blendung,  welche  Gebilde  sie  mil  Ge- 
fässen  versorgen. 

Ungefähr  2  Linien  vom  Rande  der  Cornea  nimmt  die  Aderhaut  an 
Dicke  zu  und  gehl  in  einen  gefalteten  Körper  über,  den  man  Ciliarkör- 
per  (Corpus  ciliare)  nennt.  Der  innere  Theil  desselben  bildet  60 — 70  lei- 
stenartige Forlsätze  (processus  ciliares),  welche  um  die  Linse  herum  liegen 
und  mit  einer  dicken  Lage  von  Pigment  bedeckt  sind.  Der  Abdruck  des 
Ciliarkörpers  auf  den  Glaskörper  wird  als  Corona  ciliaris  beschrieben.  Der 
äussere  Theil  des  Ciliarkörpers  stellt  einen  dichten,  weissgraulichen  Ring 
dar  (das  Ciliarband,  lig.  ciliare),  durch  welches  die  Cornea  und  Scle- 
rotica nach  vorne  und  die  Iris  und  Choroidea  nach  rückwärts  in  fester  Ver- 
bindung erhalten  werden.  Er  besteht  aus  zahlreichen  Nerven  und  aus 
Fasern,  welche  die  Charactere  der  organischen  Muskelfasern  haben,  von 
hinten  nach  vorne  verlaufen  und  neben  einander  liegen.  Er  heftet  sich 
an  die  innere  Wand  des  Canalis  Schlemmii,  mit  welcher  er  oft  so  fest 
verbunden  ist,  dass  sie  beim  Ablösen  der  Sclerotica  an  ihm  hängen  bleibt. 
Dieser  Theil  wird  daher  auch  Musculus  ciliaris  oder  M.  tensor  choroideae 
(Aderhautspanner)  genannt,  weil  er  die  Choroidea  mit  der  Relina  um  den 
Glaskörper  anspannt. 

Die  Blendung  (Iris)  ist  eine  verschieden  gefärbte,  ringförmige, 
(lache  Membrane,  welche  mit  ihrem  äussern  Rande  fest  an  den  Ciliarmuskel 
geheftet  ist,  mil  ihrem  inneren  (dem  Püpillarrande)  das  Sehloch  (pupilla) 
bildet.  Sie  besieht  nus  Fasern,  zahlreichen  Gefässen  und  Nerven.  Ein  Theil 
der  Fia&errt;  welche  den  organischen  Muskelfasern  gleichen,  umgibt  in  Form 


eines  Ringes  die  Pupille.  Ein  anderer  Theil  entspringt  von  der  innern 
Fläche  der  glasartigen  Lamelle  der  Hornhaut,  welche  hier  durch  das  kamni- 
förmige  Band  (Ursprünge  der  Längenbündel)  mit  der  Iris  zusammenhängt; 
letztere  haben  einen  radienfürmigen  Verlauf,  vereinigen  sich  geflechtarligund 
sind  contractu  ;  durch  ihre  Zusammenziehung  erweitert  sich  die  Pupille,  wäh- 
rend sie  erstere  bei  ihrer  Conlraclion  verengern.  Die  hintere  Fläche  der  Iris  ist 
von  einer  Pigmentschicht  bedeckt,  über  welcher  sich  ein  durchsichtiges,  was- 
scrhelles  Häulchen  befindet.  Ausser  den  Gcfässen,  welche  von  den  kürzern 
Ciliargefässen  in  die  Iris  eintreten,  erhält  sie  noch  arterielles  Blut  von  den 
hinlern  langen  Ciliararlerien,  welche  meistens  2  an  Zahl  an  der  Nasen-  und 
Schläfenseile  zur  Iris  laufen,  sich  daselbst  in  2  Haupläsle  spalten,  die  sich 
nach  entgegengesetzten  Seilen  wenden  und  durch  zahlreiche  Nebenäsle 
einen  Kranz  von  Gefässen  (Circulus  arleriosus  iridis  major)  bilden,  und  aus 
den  vordem  Ciliararlerien,  welche  grösstenteils  von  den  Muskelarlerien 
herstammen,  die  Sclerotica  im  Umkreise  der  Cornea  durchbohren  und  Iheils 
in  den  circulus  arleriosus  iridis  major  eintreten,  theils  in  der  Blendung  ge- 
schlängelt nach  dem  Pupillarrande  verlaufen,  vor  demselben  jedoch  durch 
anastomosirende  Aesle  einen  zweiten  Kranz  von  Gefässen  bilden,  den  cir- 
culus arter.  iridis  minor.  Die  Venen  der  Iris  sammeln  sich  theils  in  den 
vasis  vorlicosis,  Iheils  in  den  hinlern  langen  Ciliarvenen,  theils  verlaufen 
sie  zu  den  Venen  der  geraden  Augenmuskeln.  Die  Nerven  der  Iris  und 
Choroidea  heissen  Ciliarnerven.  Sie  entspringen  vom  Ganglion  ciliare,  zum 
Thcile  auch  vom  Ramus  nasociliaris  des  N.  ophlhalmicus.  Die  längsten  der- 
selben, 2  an  Zahl,  verlaufen  an  der  Nasen-  und  Schläfenseite  als  Nervi 
ciliares  longi  zwischen  Choroidea  und  Sclerotica  nach  vorne  zum  Muse. 
ciliaris,  in  welchem  sie  sich  zum  Theile  verzweigen,  zum  Thcile  die  Iris 
und  auch  die  Cornea  mit  Nervenzweigen  versorgen. 

Unter  der  Choroidea  befindet  sich  eine  sehr  zarte,  grauliche,  durch- 
scheinende Membrane,  die  Netzhaut  (Betina).  Sie  beginnt  nach  rück- 
wärts an  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven  und  endigt  nach  vorne  in  einer 
Entfernung  von  etwa  7mm  von  der  Grenze  zwischen  Choroidea  und  Blen- 
dung mil  einem  gezackten  Rande  (ora  serrala  retinae).  Die  Schichten  der 
Retina  sind:  1.  die  Jacob'sche  Haut,  aus  durchsichtigen  Cylindern  oder 
Stäbchen  bestehend,  welche  senkrecht  auf  den  üefer  liegenden  Schichten 
der  Netzhaut  aufsitzen.  2.  Eine  Schicht  kleiner  Kugeln  (Feltkügelchen 
oder  Ganglienkugeln).  3.  Eine  Schicht  Nervenfasern,  welche  von  der  Ein- 
trittsstelle des  Sehnerven  an  sich  radienförmig  ausbreiten  und  parallel  nach 
vorn  verlaufen.  Nirgends  sieht  man  freie  Faserenden,  Einige  haben  Schlin- 
gen wahrgenommen.  4.  Die  innerste  Schicht  der  Relina  besteht  wieder 
aus  Kugeln,  welche  von  einigen  für  Ncrvenelemenle,  von  Andern  für  Epi- 


6 

thelium  gehalten  werden.  Nach  innen  zu  ist  die  Netzhaut  von  einer  glas- 
hellen Membrane  überzogen,  welche  sich  über  die  ora  serrata  hinaus 
fortsetzt,  die  Oberfläche  der  Slrahlenforlsälze  bis  zur  hinteren  Seite 
der  Blendung  überzieht,  und  Membrana  limitans,  auch  lamina  vasculosa 
retinae  genannt  wird.  Genau  im  Achsenpunkle  der  Netzhaut,  wo  die 
Empfindung  am  schärfsten  ist,  findet  sich  ein  gelber  Fleck,  welcher  von 
einer  Falte  wulstartig  umgeben,  aber  nicht  perforirt  ist.  Die  Nervenhaut 
hat  ihr  eigenes  Gefässsystem ,  welches  von  der  Arieria  centralis  retinae 
herstammt,  welche  die  Mitte  des  Sehnerven  durchbohrt,  Sie  bildet  durch 
Verästlung  ein  ziemlich  engmaschiges  Capillargefässnetz. 

Der  Kryst  allkör p  er  ist  hinter  der  Pupille  in  einer  tellerförmigen 
Verliefung  des  Glaskörpers  gelagert  und  besieht  aus  der  Linse  und  Kapsel. 
Die  Linse  bildet  einen  biconvexen,  in  der  Jugend  farblos  durchsichtigen,  im 
Alter  weingelben  Körper.  Ihre  vordere  Fläche  ist  elliptisch,  die  hinlere 
stärker  gewölbte  parabolisch  gekrümmt ;  sie  wird  bei  zunehmendem  Alter 
etwas  flacher  und  consistenter.  Sie  besteht  aus  glashellen  Fasern  mit  sechs- 
eckigem Durchschnitt,  welche  Schichten  bilden,  die  an  der  Oberfläche  der- 
selben parallel  verlaufen,  so  dass  sie,  wie  die  Häute  einer  Zwiebel,  in  ein- 
ander eingeschachtelt  erscheinen.  Die  Verbindung  ist  an  der  Oberfläche 
locker,  in  den  liefern  Schichten  fester  und  inniger,  so  dass  die  Linse  an 
Dichte  gegen  den  Kern  hin  zunimmt.  Durch  den  geordneten  Verlauf  bil- 
den die  Fasern  der  Linse  Curven,  welche  mit  ihren  Scheiteln  gegen  die 
Pole  der  Linse  hin  gerichtet  sind.  Sie  zeigt  daher  an  der  Oberfläche  häufig 
drei  feine  Linien  und  zerfällt  durch  Macerirung  in  3  Sector-ähnliche  Stücke, 
welche  durch  abermalige  Theilung  vervielfältigt  werden  können.  Die  Linse 
ist  unlöslich  im  kochenden  Wasser,  Weingeist  und  Säuren;  sie  enthält  ausser 
dem  Eiweiss  noch  eine  dem  Casein  ähnliche  Substanz  (das  Globulin  oder 
Krystallin).  Die  Kapsel  ist  eine  sehr  feine,  glashelle,  elastische  und  brüchige 
Haut,  welche  für  Flüssigkeilen  sehr  permeabel  ist.  Ihre  vordere  Fläche  ist 
4 — 5mal  dicker  als  die  hintere.  Zwischen  der  Kapsel  und  der  Linse  befin- 
det sich  eine  Lage  von  sehr  dünnen  und  transparenten  ungleich  grossen 
und  gekernten  Zellen.  Durch  sie,  welche  nach  dem  Tode  die  Morgagnische 
Feuchtigkeit  darstellen,  geht  die  Ernährung  der  Linse  wahrscheinlich 
vor  sich. 

Der  Raum  zwischen  der  Cornea  und  Iris  heisst  die  vordere,  der  zwi- 
schen Iris  und  Linsenkapsel  die  hintere  Au  gen  kämm  er.  Sie  sind  von 
der  wässrigen  Feuchtigkeit  ausgefüllt,  welche  wahrscheinlich  von 
der  Iris  und  den  Ciliargefässen  abgesondert  wird  und  durch  die  Cornea 
zum  Theil  verdunstet.  Sie  enthält  ausser  dem  Wasser  eine  Spur  von 
Eiweiss,  von  salzsaurem  Natron  und  Exlraetivstoff. 


Der  Glaskörper,  welcher  die  Retina  ausgedehnt  erhält,  und  von 
welchem  die  Grosse  und  Consislenz  des  Auges  abhängt,  besieht  aus  einer 
zähen  Flüssigkeit,  welche  in  viele  mit  einander  zusammenhängende  Zel- 
len eingeschlossen  ist.  Letztere  werden  durch  vielfällige  Einstülpungen 
einer  sehr  zarten  Membrane  gebildet,  die  den  Glaskörper  umhüllt  und  Glas- 
haut (Hyaloidea)  genannt  wird.  An  der  Eintrittsstelle  des  Sehnerven  be- 
steht eine  innigere  Verbindung  zwischen  dem  Glaskörper  und  der  Retina, 
was  im  Embryonalzustandc  mittelst  Gefässen  geschieht.  An  der  Ora  serrala 
verdickt  sich  die  Hyaloidea  und  läuft  gegen  die  Wurzeln  der  Ciliarforlsälzc 
hin;  sie  theilt  sich  daselbst  in  eine  vordere  stärkere  und  eine  hinlere 
schwächere  Lamelle.  Die  vordere  stärkere  ist  die  Zonula  Zinnii,  legt  sich 
gleich  in  Falten  und  heftet  sich  ringsum  an  die  Linsenkapsel  an  ihrer  vor- 
dem Fläche  nahe  am  Rande  an,  daher  sie  auch  das  Aufhängeband  der  Linse 
(Lig.  Suspensorium  lentis)  genannt  wird.  Die  hintere  schwächere  Lamelle 
gehl  an  der  Stelle,  wo  sie  das  lig.  suspens.  lentis  verlässt,  gegen  die  hintere 
Fläche  der  Linse  und  überzieht  die  tellerförmige  Grube.  Es  entsteht  so 
durch  das  Auseinanderweichen  der  beiden  Lamellen  rings  um  den  Rand  der 
Linsenkapsel  ein  kleiner  freier  Raum,  welcher  der  Petit'sche  Canal  genannt 
wird,  dessen  innere  Wand  somit  der  Rand  der  Linscnkapsel  bildet. 

Zum  Schulze  des  Auges  dienen  die  Augenlider,  die  Thränenorgane 
und  die  Augenhöhlen. 

Die  Augenlider  sind  zwei  bewegliche  durch  Fallung  des  Integu- 
mentes  gebildete  und  durch  Knorpel  gestützte  Deckel,  welche  sich  vor 
dem  Auge  öffnen  und  schliessen,  dasselbe  schützen  und  durch  die  blin- 
zelnde Bewegung  dessen  Glanz  und  Durchsichtigkeit  erhallen.  Der  freie 
Rand  eines  jeden  Lides  zeigt  eine  vordere  scharfe  Kante,  wo  die  Wimper- 
haare sitzen  und  eine  hinlere  abgerundete,  an  welcher  sich  die  Meibomischen 
Drüsen  münden.  Die  Wimpern  (Cilien)  sind  kurze,  steife,  am  obern  Augen- 
lide nach  oben,  am  untern  nach  unten  gekrümmte  Haare  von  2 — 4  Linien 
Länge.  Ihre  Wurzeln  liegen  zwischen  dem  Lidknorpel  und  den  tiefen  Fa- 
sern des  Sphincter  palpebrarum  in  V2  "' —  1  langen  Bälgen,  welche  die 
Ausführungsgänge  kleiner  nebenan  liegenden  Talgdrüsen  (Kaarzwiebcl- 
oder  Zeis'sche  Drüsen)  aufnehmen.  Die  zwischen  den  Augenlidern  befind- 
liche Spalte  bildet  mit  ihren  beiden  Enden  die  Augenwinkel,  von  welchen 
der  äussere  spitzig  zuläuft,  der  innere  wie  ausgeschweift  erscheint. 

Die  Gewebe,  welche  die  Augenlider  zusammensetzen,  sind:  1.  die 
laxe,  dünne  allgemeine  Decke,  welche  leicht  in  Falten  hebbar  ist.  2.  Eine 
fettlose  Schichte  Unlerhaulzellgewebe,  sehr  zu  Infiltrationen  geneigt.  3.  Der 
Sphincter  palpebrarum,  ein  dünnes  gelbröthliches  Muskelstratum,  welches 
von  der  äussern  Fläche  des  lig.  palp.  int.  entspringt.    4.  Eine  dünne  Zell- 


8 

gewebschichte.  5.  Der  Tarsus,  ein  Faserknorpel ,  welcher  die  Form  und 
Festigkeit  des  Lides  bestimmt.  Der  Knorpel  des  obern  Lides  ist  fester  und 
grösser,  der  des  untern  niedriger,  dünner  und  weicher.  Die  Knorpel  wer- 
den an  den  Orbitalrand  durch  fibröse  Häute  befestigt  (Ligam.  tarsi  sup.  und 
inf.)  und  am  innern  Augenwinkel  durch  das  Ligam.  canthi  int.  an  den  Stirn- 
fortsalz des  Oberkiefers,  am  äussern  Augenwinkel  durch  das  schwächere 
Ligam.  canthi  ext.  an  den  Augenhöhlenrand  des  Jochbeins  befestigt.  Im 
Knorpel  sind  die  Meibomischen  Drüsen  eingelagert  (am  obern  Lide  30 — 40, 
am  untern  25  —  35),  dünne,  durch  die  Haut  gelblich  durchschimmernde 
Drüsenschläuche,  an  denen  rundliche  Acini  aufsitzen,  und  welche  ein 
schmieriges  Secret  (Sebum  palpebrale  s.  Lema)  liefern.  An  den  obern  Rand 
des  Knorpels  heftet  sich  am  obern  Augenlide  der  Aufheber  dieses  Lides  an, 
welcher  aus  der  Orbita  hervorkommt.  Die  hintere  Fläche  beider  Lider  wird 
von  der  Bindehaut  ausgekleidet. 

Die  Thränendrüse,  welche  aus  rundlichen,  durch  kurzen  Zellstoff 
fest  verbundenen  Drüsenkörnern  besteht,  ist  tief  in  der  Grube  des  Jochfort- 
satzes vom  Stirnbeine  eingelagert.  Ihre  Ausführungsgänge  durchbohren 
die  Bindehaut  des  obern  Lides  an  der  Umbeugungsstelle.  Die  an  die  vor- 
dere Fläche  des  Augapfels  ergossene  Thränenflüssigkeit  wird  bei  jedem 
Blinzein  in  einem  kleinen,  dreieckigen  Raum  gesammelt,  welcher  nur 
im  Momente  des  Conlacles  beider  Lidränder  exislirt ,  durch  die  hinlern, 
etwas  abgerundeten  Lidkanlen  erzeugt  wird  und  Thränenbach  hcissl.  Der 
im  innern  Augenwinkel  zwischen  der  Bucht  des  Winkels,  der  Membrana 
semilunaris  und  der  Caruncula  lacrymalis  befindliche  Raum  ist  der  Thrä- 
nensee.  Er  sammelt  die  Thränen  und  lässt  sie,  wenn  sie  im  Ueberschusse 
zuströmen,  über  die  Wangen  abfliessen.  Arn  innern  Ende  der  hintern 
Kante  des  Lidrandes  liegen  kleine,  mit  wulstigen  Rändern  umgebene  Oeff- 
nungen,  Thränenpunkle,  welche  die  Mündungen  kleiner  Kanälchen  sind, 
die  Anfangs  die  Weite  des  Thränenpunkles  haben,  dann  sich  erweitern, 
in  Kreisbogen  gegen  den  innern  Augenwinkel  gehen  und  in  die  äussere 
Wand  des  Thränensackes,  1V2'"  unter  seinem  obern  blindsackförmigen 
Ende  einmünden  (Thränenkanälchen).  Der  Thränensack  liegt  in  der  fossa 
lacrymalis,  ist  5 — 6"'  hoch,  2 — 3'"  breit,  wird  vom  Lig.  palp.  int.  ge- 
kreuzt und  an  seiner  äussern  Fläche  von  einer  fibrösen  Haut  überzogen. 
Nach  abwärts  geht  er  in  den  häutigen  Thränennasengang  über,  welcher  in 
dem  knöchernen  Canalis  lacrymo-nasalis  eingeschlossen,  6 — 8'"  lang  und 
nach  vorne  etwas  convex  ist;  dessen  Mündung  ist  vom  vordem  Rande  des 
Stirnforlsatzes  vom  Oberkiefer  7  —  9'"  entfernt  und  befindet  sich  im 
untern  Nasengange,  wo  sich  eine  kleine  Duplicalur  der  Schleimhaut  als 
Klappe  auffinden  lässt.     Thränensack  und  Thränennasengang  heisst  man 


9 

zusammen  auch  Thränenschlauch.  Die  Thränenwege  werden  von  einer 
Schleimhaut  ausgekleidet,  welche  mit  einem  Flimrnerepilhelium  bedeckt  ist. 
Ueber  die  äussere  Fläche  des  Thränensackes  geht  ein  Muskel  (M.  Horneri), 
welcher  an  der  Crisla  des  Thränenbeins  entspringt  (einzelne  Bündel  dessel- 
ben auch  von  der  äussern  Fläche  des  Thränensackes)  und  sich  in  zwei 
Bündel  theilt,  welche  die  Thränenkanäle  einhüllen  und  in  die  am  Lidrande 
verlaufenden  Fasern  des  Sphincter  übergehen.  Dieser  wird  somit  bei  jedem 
Lidschlage  die  Wand  des  Thränensackes  heben  und  sein  Cavum  vergrössern, 
wodurch  eine  Saugbewegung  entsteht,  indem  sich  die  Thränenkanälchen  in 
den  Thränensee  eintauchen  und  die  Flüssigkeil  einschlürfen.  Die  Klappe  am 
untern  Ende  des  Thränenschlauches  sperrt  diesen  gegen  die  Nasenhöhle  ab: 
der  Alhmungsprocess  scheint  zur  Ableitung  der  Thränen  mitzuwirken. 

Die  Augenhöhle  n  stellen  liegende  hohle,  vierseilige  Pyramiden 
dar,  die  mit  ihren  innern  Flächen  ziemlich  parallel  liegen.  Die  äussere  vom 
Jochbeine  und  grossen  Keilbeinflügel  gebildete  Wand  ist  die  stärkste,  die 
obere  vom  Augenhöhlenlheile  des  Stirnbeins  und  kleinen  Flügel  des  Keil- 
beins gebildete  die  grüssle,  die  innere  vom  Process.  front,  des  Oberkiefers, 
vom  Thränenbeine  und  der  Papierplalte  des  Siebbeins  gebildete  die  kleinste 
und  schwächste,  die  unlere  Wand  wird  vom  Oberkiefer  und  zum  Thcile 
vom  Gaumenbeine  gebildet.  Die  Winkel  der  Orbila  sind  abgerundet  und 
werden,  der  äussere  obere  durch  die  Fissura  orbitalis  sup.,  der  äussere 
untere  durch  die  Fissura  orbit.  inf.  gespalten.  Durch  erstere,  so  wie  durch 
das  Sehloch  und  die  vordem  Siebbeinslöcher  steht  die  Orbila  mit  der  Schä- 
delhöhle, durch  die  hinlern  Siebbeinslöcher  und  den  Thränenschlauch  mit 
der  Nasenhöhle,  durch  die  untere  Augengrubenspalle  mit  der  Flügelgau- 
mengrube in  Verbindung.  In  der  Augenhöhle  befindet  sich  nebst  dem  Aug- 
apfel die  Thränendrüse,  die  dem  Augapfel  angehörigen  Muskeln  nebst  dem 
Levalor  palpebrae  sup.,  zahlreiche  Nerven  und  'ein  sehr  fettreiches  Zell- 
gewebe. Sie  wird  von  der  Beinhaut  allseilig  ausgekleidet,  welche  Perior- 
bita genannt  wird. 

Sechs  Muskeln,  vier  gerade  und  zwei  schiefe,  dienen  zur  Bewe- 
gung des  Augapfels.  Die  geraden  verlaufen  in  der  Orbila  oben,  unten, 
aussen  und  innen,  entspringen  sämmllich  von  einem  fibrösen  Bande  in  der 
Umgebung  des  Sehloches  und  werden  in  ihrem  Verlauf  nach  vorne  zu  seh- 
nig. Sie  inseriren  sich  an  der  Sclerolica  und  zwar  der  innere  2'",  der 
untere  3'",  der  obere  und  äussere  3%  '"  vom  Hornhaulrande  entfernt.  Der 
obere  schiefe  Augenmuskel  hat  denselben  Ursprung,  wie  die  geraden,  ver- 
läuft im  inneren  oberen  Winkel  der  Orbila  nach  vorwärts  und  nachdem  er 
sich  um  die  Rolle  herumgeschlungen,  geht  seine  dünne  Sehne  nach  rück- 
und  auswärts.    Der  untere  schiefe  Augenmuskel  entspringt  am  Oberkiefer- 


10 

bein,  verläuft  die   unlere    Peripherie  des  Bulbus  umgreifend   nach  aussen 
und  inserirl  sich  zwischen  dem  Reetus  ext.  und  süperior. 

Die  Hauplbewegungen  des  Auges  kommen  um  3  Axen  zu  Stande; 
der  äussere  und  innere  gerade  Augenmuskel  bewegen  das  Auge  um  eine 
Axe,  welche  von  oben  nach  unten  durch  den  Bulbus  gehl,  der  obere  und 
unlere  um  seine  Queraxe,  und  die  schiefen  Augenmuskeln  haben  eine  solche 
Lage,  dass  in  Folge  der  Thätigkeil  des  obern  schiefen  der  Bulbus  wie  ein 
rollendes  Rad  dem  Auge  der  andern  Seite  zurollt,  die  Contraclion  des 
untern  schiefen  eine  entgegengesetzte  Bewegung  erzeugt;  sie  erhallen 
also  die  verlicalen  Durchmesser  der  Augen  bei  seklicher  Neigung  des 
Kopfes  stets  parallel.  Die  Bewegungen  des  Auges  geschehen  um  einen 
unbeweglichen  Punkt  und  dieser  Drehpunkt  liegt  ungefähr  5 '",6  hinler 
dem  vordersten  Punkte  der  Hornhaut.  Der  Zweck,  welcher  die  Augenbe- 
wegungen beherrscht,  ist  dieser,  correspondirende  Theile  der  Netzhäute 
dem  Gesichlsobjecte  gegenüber  zu  stellen,  wras  nur  dann  geschieht,  wenn 
das  Objecl  im  Kreuzungspunkle  der  Sehaxen  liegt.  Daher  combiniren  sich 
von  den  Muskeln  der  beiden  Augen  auch  nur  solche,  welche  eine  Kreuzung 
der  Sehaxen  in  einem  Punkte  zu  Stande  bringen.  Was  die  Obliqui  betrifft, 
so  rotirt  bei  stallfindendem  Parallelismus  der  Augenaxen  und  bei  seillicher 
Neigung  des  Hauptes  das  eine  Auge  nach  aussen,  das  andere  nach  innen, 
es  combiniren  sich  also  die  ungleichnamigen  Muskeln  ;  dagegen  verbinden 
sich  beim  Sehen  nach  oben  und  innen  oder  nach  unten  und  innen  die 
gleichnamigen  schiefen  Muskeln,  im  ersten  Falle  die  beiden  untern,  im 
zweiten  die  obern.  Die  4  geraden  Augenmuskeln  gehorchen  der  Willkür, 
die  beiden  schiefen  nicht,  daher  auch  die  Stellung  der  Blendungsbilder  den 
Bewegungen  letzterer,  welche  unwillkürlich  vor  sich  gehen,  folgt. 

Die  Entstehung  der  Bilder  auf  der  Netzhaut  ist  eine  Hauptbedingung 
des  Sehens.  Der  Gang  der  Lichtstrahlen  im  Auge  erfolgt  desshalb  auf  eine 
Weise,  dass  ein  vollkommen  deutliches  verkleinertes,  jedoch  verkehrtes 
Bild  auf  der  Netzhaut  erscheint. 

Das  Licht,  welches  von  einem  Gegenstände  als  kegelförmig  divergi- 
rendes  in  das  Auge  fällt,  wird  durch  dessen  brechende  Medien  als  kegel- 
förmig convergirendes  wieder  in  einem  Punkte  der  Netzhaut  gesammelt. 
Die  Hornhaut  mit  dem  Humor  aqueus  bedingt  schon  eine  bedeutende 
Brechung  der  Lichtsirahlen  nach  der  Axe  zu,  welche  durch  die  Krystall 
linse  noch  verstärkt  wird.  Die  durch  Linsen  erzeugten  Bilder  leiden  jedoch 
gewöhnlich  an  zwei  Unvollkommenheiten,  die  in  der  sphärischen  und  chro- 
matischen Abweichung  ihren  Grund  haben.  Die  Aufhebung  der  sphärischen 
Abweichung  im  Auge  wird  bedingt:  a.  Durch  den  geschichteten  Bau  der 
Linse,  welcher  die  brechende  Kraft  derselben  bedeutend  erhöht.    Die  hintere 


11 

Linsenfläche  ist  parabolisch,  die  vordere  elliptisch;  die  aussein  Schichten 
derselben  sind  weniger  dicht,  brechen  das  Licht  weniger  stark,  als  der 
innere  Kern  und  die  Randstrahlen  werden  desshalb  um  so  weniger  gebro- 
chen, je  mehr  seitlich  sie  einfallen,  b.  Durch  die  Iris,  welche  eine  verän- 
derliche Blendung  bildet,  die  sicli  allen  verschiedenen  Erfordernissen  anzu- 
passen vermag  und  der  Pupille  stets  diejenige  Weite  gibt,  welche  zur  Her- 
stellung eines  scharfen  Bildes  erforderlich  ist.  Die  Bedingungen,  von 
welchen  die  Weile  der  Pupille  abhängt,  sind  Lichtreiz  und  Augenslellung. 
Die  Bewegung  der  Pupille  erfolgt  unwillkürlich  auf  refleclorischem  Wege. 
Das  Licht  dient  als  Reiz,  die  cenlripetalen  Fasern  des  Sehnerven  erregen 
durch  das  Mittelglied  des  Gehirnes  die  cenlrifugalen  Fasern  des  Oculomo- 
lorius,  und  weiter  erregen  diese  durch  das  Mittelglied  des  Ciliarknotens  die 
motorischen  Nerven  der  Iris.  Der  Sympathicus  hat  auf  die  Iris  einen  grossen 
Einfluss  und  zwar  scheint  von  ihm  ein  expandirendes  Princip  auszugehen, 
daher  bei  Reizung  des  Sympathicus  die  Pupille  meistens  weil  ist.  Was  den 
Einfluss  der  Augenslellung  betrifft,  so  verengert  sich  die  Sehe  im  gleichen 
Masse,  als  der  Kreuzungspunkl  der  optisches  Axen  (durch  die  Contraction 
der  innern  Augenmuskeln)  dem  Auge  genähert  wird. 

Uebrigens  ist  die  Vereinigung  des  Lichtes  im  Auge  nicht  eine  voll- 
kommene. Slurm  entwickelte  den  Gang  des  Lichtes  durch  Medien  mit 
ellipsoidischen  Oberflächen,  wie  solche  dem  Auge  zukommen.  Berück- 
sichtigt man  nur  die  grössle  und  die  kleinste  Krümmungsoberfläche  des 
Ellipsoids,  so  liegen  die  Lichtstrahlen  in  zwei  Ebenen,  welche  sich  recht- 
winklig schneiden.  Ist,  wie  im  Auge,  die  verticale  Ebene  des  Ellipsoids 
die  kleinere,  so  werden  die  in  ihre  Ebene  fallenden  Strahlen  zeiliger  ver- 
einigt, als  die  Strahlen,  welche  in  der  Ebene  der  grössern  horizontalen  Axe 
liegen.  Die  Brennpunkte  liegen  also  in  der  optischen  Axe  hinter  einander, 
und  zwischen  beiden  erfährt  das  Licht  die  grösste  Concentration.  Hiemil  ent- 
steht, statt  des  punktförmigen  Focus,  ein  in  die  Länge  gezogener  Lichtraum. 

Obwohl  in  der  Regel  die  Gesichlsobjecle  ohne  farbige  Ränder  er- 
scheinen, so  ist  doch  das  Auge  nicht  ganz  achromatisch,  indem  das  Auf- 
treten farbiger  Säume  unter  gewissen  Umständen  beobachtet  wird.  Die 
Farbenzerstreuung  wird  jedoch  durch  eine  gewisse  Compensation  der  bre- 
chenden Mittel  unter  einander  sehr  gering,  und  in  der  günstigsten  Focal- 
weile  gar  nicht  beachtet.  Auch  scheint  hierbei  die  eine  Hälfte  der  Linse 
eine  compensirende  Kraft  der  andern  gegenüber  auszuüben. 

Eine  fernere  unerlässliche  Bedingung  zum  Sehen  ist  die  Empfind- 
lichkeit der  Netzhaut  und  des  Sehnerven,  wovon  die  Schärfe  des  Gesichtes 
abhängt.  Es  ist  bekannt,  dass  in  den  seitlichen  Theilen  des  Gesichtsfeldes 
ungleich  weniger  genau  gesehen  wird,  als  in  den  mittleren.    Die  deutlich- 


12 

sten  Bilder  gestalten  die  Axenslrahlen  ,  welche  den  gelben  Fleck  und  des- 
sen nächste  Umgebung  treffen.  Es  gibt  eine  Stelle  in  der  Netzhaut,  welche 
für  die  Lichtstrahlen  vollkommen  unempfindlich  ist ;  eine  genaue  Bestim- 
mung dieses  Punktes  lehrt,  dass  er  dem  Eintritte  der  Arieria  centralis  reti- 
nae entspricht.  Mariotte  halle  schon  durch  Versuche  diese  Stelle  ermittelt. 
Um  sich  von  der  Thalsache  zu  überzeugen,  bedarf  es  nur  zweier  Punkte, 
die  man  auf  einen  weissen  Bogen  in  einer  horizontalen  Entfernung  von 
2  —  3  Zollen  aufträgt.  Betrachtet  man  diese  Punkte  mit  einem  Auge, 
während  man  das  andere  zuhält,  aus  der  Entfernung  von  5  —  8  Zollen, 
und  fixirt  man  den  nach  innen  gelegenen  Punkt,  so  wird  man  bald  nach 
einigem  Suchen  und  Verändern  der  Kopfslellung  einen  Moment  finden,  wo 
der  äussere  Punkt  durchaus  nicht  mehr  gesehen  wird. 

Von  dem  beobachteten  Gegenstande  muss  eine  hinreichende  Lichl- 
menge  in  das  Auge  kommen,  damit  das  Bild  auf  der  Netzhaut  die  gehörige 
Helligkeit  habe.  Durch  die  Erweiterung  und  Zusammenziehung  der  Pupille  wer- 
den wir  in  den  Stand  gesetzt,  auch  noch  bei  schwachem  und  ohne  Nachtheil 
selbst  bei  starkem  Lichte  zu  sehen ;  doch  hat  dieses  seine  Gränzen.  Die  Grämen 
der  Helligkeit ,  innerhalb  welcher  wir  sehen ,  liegen  sehr  weil  auseinander. 

Das  Netzhautbildchen  muss  eine  gewisse  Grösse  haben;  es  wird  die- 
ses um  so  kleiner,  je  kleiner  der  Sehwinkel  wird ,  unter  welchem  die 
äussersten  Strahlen  im  Kreuzungspunkle  zusammentreffen.  Die  Bestim- 
mung des  kleinsten  Sehwinkels,  unter  welchem  ein  Gegenstand  noch  wahr- 
genommen werden  kann,  unterliegt  jedoch  manchen  Schwierigkeiten ;  er 
hängt  auch  von  der  Farbe  und  der  Lichtstärke  ab.  Man  hat  gefunden,  dass 
Striche,  die  nur  0,007  Millimeter  von  einander  entfernt,  scharf  auf  Glas  ein- 
gerissen sind,  bei  günstiger  Beleuchtung  und  gehöriger  Sehweite  noch  voll- 
kommen deutlich  unterschieden  werden  können,  was  bei  einer  Sehweile  von 
248'"  im  gegebenen  Falle  ein  Nelzhautbildchen  von  etwa  V200000  p-  Zoll 
geben  würde,  woraus  sich  ein  Sehwinkel  von  elwa  2 — 3  Sekunden  ergibt. 

Jeder  Lichleindruck  braucht  sowohl  zur  völligen  Entwicklung  als 
zum  Verschwinden  eine  gewisse  Zeit.  Folgen  die  Eindrücke  schnell  auf 
einander,  so  dass  der  erste  noch  dauert,  wenn  der  zweite  beginnt,  so 
schmelzen  sie  in  einander  und  es  gewinnt  den  Anschein ,  als  wenn  das 
Auge  nur  einen  einzigen  continuirlichen  Eindruck  erhielte.  Wenn  der  Ein- 
druck allzuschnell  vorübergeht,  so  wird  er  gar  nicht  wahrgenommen.  Man 
hat  berechnet,  dass  die  Dauer  eines  Netzhaulbildchens  etwa  2  —  3  Terlien 
betrage.  Die  Eindrücke  der  Farben  bestimmen  auch  die  Netzhaut  zu  Reac- 
lionen,  die  man  als  farbige  Nachbilder  bezeichnet,  und  die  sich  nach  dem 
Gesetze  der  Regenbogenfarben  ergänzen.  Betrachtet  man  z.  B.  einen  hell- 
rolhen  Gegenstand  lange  auf  weissem  Grunde,  bis  das  Auge  ermüdet  und 


13 

blickt  man  weg",  so  erscheint  das  Ergänzungsbild  in  grüner  Farbe.  So 
beobachtet  man  auch,  wenn  man  einen  scharf  beleuchteten  weissen  Gegen- 
stand lange  betrachtet  hat,  und  dann  das  Auge  schliessl ,  ein  Abklingen 
der  Farben;  doch  hängt  die  Reihenfolge  der  Farben  von  individuellen  Ver- 
hältnissen ab,  und  ist  nicht  bei  Jedem  dieselbe. 

Zur  Deutlichkeit  des  Nelzhautbildes  ist  erforderlich,  dass  die  Vereini- 
gungsweile der  von  den  Punkten  eines  Gegenstandes  kommenden  Licht- 
strahlen genau  auf  die  Netzhaut  falle,  was  bei  einer  unveränderlichen  Ein- 
richtung des  Auges  nur  bei  einem  bestimmten  Abstände  des  Gegenstandes 
vom  Auge  möglich  wäre.  Da  wir  aber  Gegenstände  der  verschiedensten 
Entfernungen  in  der  Zeitfolge  gleich  deutlich  sehen  können;  und  da  diess 
gleichzeitig  nicht  möglich  ist,  so  muss  das  Auge  das  Vermögen  besitzen, 
sich  der  Entfernung  entsprechend  einzurichten  (Accomodalionsvermögen). 
Verschiedene  Individuen  besitzen  es  in  sehr  verschiedenem  Masse.  Mehrere 
Erklärungsweisen,  worauf  dieses  Vermögen  beruhe,  sind  vollkommen  un- 
haltbar. Hieher  gehören  die  Hypothesen,  dass  durch  die  Wirkung  der 
geraden  Augenmuskeln  das  Auge  retrahirl  oder  in  der  Richtung  des  Quer- 
und  Höhendurchmessers  zusammengepresst  würde,  dass  die  Convexilät  der 
Hornhaut  oder  selbst  der  Kryslalllinse  sich  ändere,  dass  die  Accomodalion 
nur  von  der  Bewegung  der  Pupille  abhänge.  Die  wahrscheinlichste  Annahme 
bleibt  noch  die,  dass  die  Kryslalllinse  im  Innern  des  Auges  etwas  weniges 
vor-  und  rückwärts  bewegt  werden  könne.  Die  Möglichkeit  einer  solchen 
Bewegung  ist  durch  die  Art  und  Weise  gegeben,  in  welcher  die  Linse  an 
der  ihr  angewiesenen  Stelle  im  Auge  befestigt  ist.  Da  ferner  das  Licht 
nicht  in  einem  absoluten  Brennpunkte,  sondern  in  einem  mehr  oder  weniger 
in  die  Länge  gezogenen  Räume  die  höchste  Concentralion  erfährt,  so 
bedarf  es  aus  diesem  Grunde  auch  nur  einer  sehr  geringen  Bewegung  der 
Linse,  um  das  Accomodationsbedürfniss  vollständig  zu  decken. 

Das  Einfachsehen  mit  beiden  Augen  beruht  darauf,  dass  sich  immer 
je  zwei  Punkte  beider  Netzhäute  zur  Produclion  Eines  Punktes  in  dem 
Einen  Gesichtsfelde  vereinigen.  Jene  Punkte  der  Netzhaut,  welche  sich 
zu  einer  Empfindung  vereinigen,  nennt  man  identische,  und  solche,  welche 
diess  nicht  thun,  differenle.  Fällt  nun  das  Licht  eines  leuchtenden  Punktes 
der  Aussenwelt  auf  identische  Punkte  der  Netzhaut,  so  muss  er  einfach 
erscheinen ,  fällt  es  dagegen  auf  differentc  Punkte ,  so  muss  er  unvermeid- 
lich doppelt  gesehen  werden.  Identisch  sind  alle  Punkte  der  beiden  Netz- 
häute, welche  sich  einander  decken  würden  ,  wenn  man  die  Augen  beider 
Seiten  nach  der  Mittellinie  hin  übereinander  schieben  würde,  oder  welche 
unter  gleichen  Längen-  und  Breilegraden  liegen.  Zunächst  lehrt  die  Er- 
fahrung, dass  jeder  Punkt  einfach  erscheint,  welcher  fixirl  wird.     Fixiren 


14 

isl  aber  nichts  anders,  als  die  Augen  so  stellen,  dass  der  betrachtete  Punkt 
in  die  Kreuzungsstelle  der  optischen  Axen  zu  liegen  kommt.  Es  lässt  sich 
erweisen,  dass  Objecle  nur  dann  einfach  erscheinen  können,  wenn  sie  in 
einer  Kreislinie  liegen ,  welche  durch  die  Kreuzungspunkle  der  Richlungs- 
linien  beider  Augen  und  den  Schneidepunkt  der  Augenaxe  geführt  ist  (Ho- 
ropter). Indem  die  Doppelbilder  stets  undeutlich  sind,  so  haben  wir  Ursache, 
sie  zu  vermeiden,  und  das  Auge  lernt  durch  Uebung  die  geeigneten  Stellun- 
gen anzunehmen,  um  die  Netzhautbilder  auf  identische  Stellen  zu  bringen. 

Die  Wahrnehmung  der  Grösse  kann  zwar  ein  Produkt  der  reinen 
Empfindung  sein,  indem  die  empfindende  Fläche  selbst  in  ihrer  wahren 
Grösse  erkannt  wird ;  die  meisten  und  klarsten  Vorstellungen  über  die 
Grösse  der  Dinge  werden  jedoch  auf  complicirleremWege  unter  Mitwirkung 
der  Muskelthätigkeit  gewonnen.  Wir  empfinden  nämlich  die  Grösse  der 
Augenbewegung,  wenn  wir  den  Blick  über  die  ganze  Dimension  eines 
Gegenstandes  hinstreichen  lassen.  Bei  diesen  Sehbewegungen  bestimmt 
die  Grösse  des  Gesichtswinkels  natürlich  die  Grösse  der  Empfindung.  Ob- 
jeete,  welche  unter  gleichen  Gesichtswinkeln  liegen,  sind  für  die  Empfin- 
dung gleich  gross,  obschon  sie  in  der  Wirklichkeit  von  überaus  verschie- 
dener Grösse  sein  können. 

Die  Erkenntnisse  über  die  Richtung  der  Gesichtsobjecte  erhalten  wir 
nur  durch  Vermittlung  der  Muskelgefühle  und  zwar  vorzugsweise  der  der 
Augenmuskeln.  Der  reine  Sehact  nimmt  von  der  Richtung  der  Dinge 
keine  Notiz.  Wir  fühlen  nämlich,  wohin  wir  die  Augen  richten,  und  indem 
wir  den  Gegenstand  nur  dann  sehen,  wenn  wir  die  Augen  nach  der  ent- 
sprechenden Seite  richten,  so  schliessen  wir,  dass  sich  das  Object,  von 
welchem  die  Empfindung  ausgeht,  auf  der  Seile  befinde,  nach  welcher  wir 
uns  wenden  müssen.  Wir  sehen  desshalb  die  Gegenstände  nicht  verkehrt, 
ungeachtet  das  Nelzhaulbildchen  ein  verkehrtes  ist,  weil  wir  nicht  das 
Nelzhaulbildchen,  sondern  nur  mittelst  desselben  sehen.  Wir  haben  keine 
Erkenntniss  vom  Aufrechten  oder  Verkehrten ,  als  die  auf  Erfahrung  ge- 
gründet isl;  so  lange  aber  die  Ordnung  sämnillicher  Theile  erhallen  wird, 
ist  die  Lage  des  Nelzhaulbildchens  gleichgültig.  Auch  zu  den  Anschauun- 
gen der  Tiefe  gelangen  wir  erst  durch  die  Erziehung  des  Gesichtssinnes, 
und  wir  schätzen  auf  ähnliche  Weise  auch  die  Entfernung  der-Gegenstände. 
Das  Nahesehen  ist  namentlich  mit  starker  Convergenz  der  Augenaxen  ver- 
bunden, das  Fernsehen  mit  geringer,  und  da  wir  die  jedesmalige  Stellung 
unserer  Augen  durch  das  Muskelgefühl  wahrnehmen,  so  können  wir  da- 
durch Erfahrungen  sammeln,  zunächst  über  eigene  Thätigkeiten ,  dann 
auch  über  äussere  Verhältnisse,  welche  jene  Thäligkeilen  bedingen.  Auch 
die  Accomodalionsveränderungen  können  bei  Betrachtung  verschieden  enl- 


15 

fernler  Gegenstände  specifisch  verschiedene  Gefühle  erregen.  Beide  Arien 
von  Gefühlen  leiten  uns  bei  der  Beurlheilung  slereomelrischer  Verhältnisse. 
Da  jedoch  das  Auge  das  Slcreometrische  sehr  schnell  erkennt,  so  kann 
man  annehmen,  dass  die  Wahrnehmung  desselben  nicht  immer  auf  Bewe- 
gungen beruht,  die  wir  machen,  sondern  bisweilen  auf  solchen,  die  wir 
gemacht  haben  ,  also  auf  Bewegungserinnerungen. 

Bei  den  nun  betrachteten  vermittelten  Gesichlsempfindungen  können 
daher  in  ungeübten  Augen  sehr  leicht  Täuschungen  vorfallen. 

Es  versieht  sich  von  selbst,  dass  nicht  nur  von  den  äussern  Objcclen, 
sondern  auch  von  den  im  Auge  selbst  befindlichen  Gegenständen  Bilder 
auf  der  Netzhaut  entworfen  und  empfunden  werden  ,  die  freilich  meist  un- 
deutlich und  vage  sein  müssen,  da  die  Gegenstände  nicht  in  gehöriger 
Sehweite  liegen.  Sind  die  verschiedenen  vor  der  Netzhaut  gelegenen 
Theile,  welche  Lichtstrahlen  durchlassen  können  ,  vollkommen  durchsichtig 
und  klar,  so  können  sie  keine  Bilder  entstehen  lassen,  während  jeder  trübe 
oder  undurchsichtige  Körper  wahrgenommen  werden  muss.  Die  meisten 
Leute  haben  kleine  Unvollkommenheilen  in  den  durchsichtigen  Medien  des 
Auges,  welche  beim  aufmerksamen  Schauen  in  den  Himmel  oder  beim 
Spähen  durch  Microscope  und  Fernröhre  sich  störend  in  die  Sehaxen  stellen, 
meist  durch  einen  Ruck  enlfernt  werden  können,  zuweilen  aber  für  das 
Sehen  sehr  lästig  werden.  Diese  Körper  haben  oft  die  Gestalt  von  Perlschnü- 
ren,  Rosenkränzen,  geschlängelten  Fäden  u.  dgl.  Nicht  zu  verwechseln  mit 
ihnen  sinddie  wirklichen  subjeeliven  Gesichlsempfindungen,  welche  von  Rei- 
zungen und  partiellen  Lähmungen  der  Netzhäute  und  Sehnerven  ausgehen. 

Alle  Gewebe,  welche  an  der  Zusammensetzung  des  Körpers  im  All- 
gemeinen Theil  haben  ,  finden  wir  in  der  Structur  des  Auges  und  seiner 
Schulz-  und  Hülfsorgane  repraesenlirl.  Ausgerüstet  mit  zahlreichen  Ge- 
fässen  und  Nerven  sowohl  des  animalen  als  des  vegetativen  Lebens  isl 
daher  dieses  zarte  Organ  den  mannigfaltigsten  Erkrankungen  ausgesetzt. 
Zahlreich  sind  die  Ursachen,  welche  bei  der  während  des  wachen  Zustandes 
unausgesetzten  Function  des  Sehorgans,  theils  zur  Erkrankung  desselben 
disponiren  ,  theils  auf  die  Verrichtungen  des  Auges  und  seiner  einzelnen 
Theile  hemmend  und  störend  einwirken.  Licht,  Luft,  Temperalurverän- 
derungen ,  Witterungswechsel,  mechanische  oder  chemische  Beleidigung 
des  Auges,  unzweckmässiger  Gebrauch  desselben  können  in  verschiedener 
Weise  demselben  nachtheilig  werden. 

Die  innige  Beziehung,  in  welcher  das  Auge  zu  den  übrigen  Organen 
und  Systemen  des  Körpers  sieht,  ist  gleichfalls  eine  Hauptquelle  der  Er- 
krankungen desselben,  und  macht  es  erklärlich,  dass  es  an  verschiedenen 
Krankheilen  des  Tolalorganismus  Theil  nimmt.     Zunächst  ist  der  Consens 


16 

beider  Augen  unter  einander,  welcher  durch  die  gleiche  Function,  vorzugs- 
weise jedoch  durch  das  Gehirn  und  die  Verbindung  der  Nerven  (Chiasma) 
vermittelt  wird,  in  vielen  Fällen  die  Ursache,  dass  die  Affeclion  des  einen 
Auges  eine  gleiche  des  andern  in  demselben  oder  in  minderem  Grade  nach 
sich  zieht.  Durch  die  Vermittlung  des  Gehirns,  so  wie  durch  mancherlei 
Nervenverbindungen  wird  die  Verwandtschaft  klar,  welche  zwischen  dem 
Gesichts-  und  den  übrigen  Sinnesorganen  besteht;  insbesondere  steht  der 
Geruchsinn  durch  den  innigen  Verband  der  Häute  (conjuncliva  und  mcm- 
brana  mucosa  narium)  und  durch  Nerven  (N.  nasociliaris  vom  5.  Paare) 
mit  dem  Auge  in  näherer  Beziehung,  worin  sowohl  physiologische  Vor- 
gänge, als  pathologische  Thatsachen  ihre  Deutung  finden.  Ohnehin  gehö- 
ren die  Thränen  ableitenden  Organe,  als  adnexer  Theil  des  Auges,  zum 
Theile  der  Nasenhöhle  an.  Mit  dem  Gehirne  steht  das  Auge  durch  ver- 
schiedene Gefässe  und  Nerven  im  innigen  Zusammenhange.  So  erstrecken 
sich  auch  die  Hirnhäute  zum  Theil  durch  die  verschiedenen  OeiTnungen  in 
die  Orbila,  woraus  man  die  besondere  Mitleidenschaft  dieser  Theile  bei 
Augenleiden,  und  umgekehrt  entnehmen  kann.  Die  Eingeweide  der  Brust- 
höhle, des  Unterleibes  und  die  Organe  des  Beckens  stehen  gleichfalls  in 
Beziehung  mit  dem  Auge ,  welche  vorzugsweise  durch  den  sympathischen 
Nerven,  welcher  seine  Zweige  vermittelst  des  Augenknotens  dem  Seh- 
organe zusendet,  vermittelt  wird.  So  können  Leiden  verschiedener  Ein- 
geweide zu  AugenaiTectionen  Veranlassung  geben,  welche  wiederum  durch 
Beseitigung  der  ersteren  sich  heben  lassen.  Ansehnlich  und  durch  Con- 
liguilät  vermittelt  ist  die  Verbindung  zwischen  dem  Auge  und  der  äussern 
Haut,  so  dass  Krankheilen  der  letztem  nicht  selten  auf  das  Auge  über- 
gehen, andererseits  Hautreize  bei  Augenleiden  einen  günstigen  Erfolg 
haben  können.  Durch  das  Gefäss-  und  Nervensystem  endlich  ist  das 
Auge  so  sehr  an  den  Gesammlorganismus  gekellet,  dass  es  an  den  consli- 
lulionellen  Erkrankungen  sehr  oft  den  innigsten  Anlheil  nimmt. 

Wie  wichtig  demnach  bei  der  Erkennlniss  und  Behandlung  der  Augen- 
krankheilen  eine  sorgfällige  Würdigung  dieser  sympathischen  und  antagoni- 
stischen Verhältnisse  sei,  ist  theils  aus  dem  Angeführten  klar,  theils liefert  die 
Erfahrung  dafür  täglich  die  sprechendsten  Belege.  Desshalb  darfauch  dem  wis- 
senschaftlich gebildeten  Augenärzte  kein  Zweig  der  Heilkunde  fremd  bleiben. 

Die  erste  und  wichtigste  Bedingung  zur  erfolgreichen  Behandlung  der 
Augenkrankheiten  ist  die  möglichst  genaue  Auffassung  des  pathologischen 
Zustandes.  Diese  kann  aber  nur  durch  eine  zweckmässige  Untersuchung  des 
Auges  gewonnen  werden.  Bei  dem  Au  gen  kranke  nex  amen  beobachte 
man  eine  gewisse  Ordnung,  weil  man  sich  dadurch  dasselbe  erleichtert, 
und  nicht  leicht  Gefahr  läuft,  etwas  Wesentliches  zu  übergehen. 


17 

Zuerst  wird  das  erkrankte  Auge,  oder  wenn  beide  erkrankt  sind, 
das  mehr  leidende  untersucht.  Man  sucht  zuerst  die  objecliven  Erschei- 
nungen aufzufassen,  weil  diese  den  sichersten  Anhaltspunkt  gewähren  und 
zugleich  dem  Arzte  Andeutungen  geben,  was  bei  dem  Examen  der  sub- 
jecliven  Phaenomene  vorzugsweise  erforscht  werden  soll,  wodurch  das  Exa- 
men oft  abgekürzt  wird,  und  der  Arzt  an  Vertrauen  des  Kranken  gewinnt. 

I.   Beim   objectiven  Examen   kommen  zur  Untersuchung: 

1.  Die  Umgeb  un  gen  des  Augapfels.  Hier  sind  zu  betrach- 
ten die  Augenbrauen  in  Beziehung  auf  Quantität  und  Qualität  der 
Haare,  und  die  unterliegende  Haut  (Beweglichkeit,  verschiedene  Eruptio- 
nen ,  Narben  daselbst). 

An  den  Augenlidern  ist  zu  beobachten  ihre  Grösse  und  Ausdeh- 
nung, ihre  Oberfläche,  der  Grad  der  Spannung,  ihre  Farbe,  ihre  Stellung, 
und  ihre  Beweglichkeit,  welche  entweder  abnorm  erhöht  oder  verändert, 
oder  ganz  aufgehoben  sein  kann.  Insbesondere  ist  auf  die  Beschaffenheit 
der  Lidränder,  ihrer  vordem  und  hintern  Kante,  auf  die  Beschaffenheit  und 
Stellung  der  Wimpern,  auf  die  Anwesenheit  von  sogenannten  Pseudocilien, 
auf  die  Grösse  und  Form  der  Lidspalte  Rücksicht  zu  nehmen. 

Die  Bindehaut  der  Augenlider  untersucht  man  durch  Abziehen  des 
untern  Augenlides,  die  des  Augapfels  durch  massiges  Entfernen  beider 
Lider  und  dadurch  bewirkte  Enlblössung  des  Bulbus.  Man  beachtet  ihre 
Grösse  und  Ausdehnung  (Schwellung  oder  Schrumpfung  und  Verkürzung) 
ihre  Farbe  (die  Intensität,  .Arl,  Ausbreitung  und  den  Sitz  derselben  in  der 
Bindehaut  selbst  oder  im  subconjunclivalen  Gewebe)  ihre  Verbindung  und 
die  Secretion  derselben,  welche  entweder  vermehrt  oder  vermindert  oder 
qualitativ  verändert  ist.  Das  Secret  beobachtet  man  theils  in  den  Binde- 
haulfalten,  theils  an  den  Augenlidrändern  und  Augenwinkeln  und  an  der 
Oberfläche  des  Bulbus.  Man  richte  ferner  seine  Aufmerksamkeit  auf  die 
mögliche  Anwesenheil  fremder  Körper,  auf  die  halbmondförmige  Haut 
und  Thränenkarunkel. 

Die  Bindehaut  des  obern  Augenlides  wird  nur  in  einzelnen  Krank- 
heilsfällen, oder  wenn  man  einen  fremden  Körper  daselbst  vermulhet,  Ge- 
genstand der  besondern  Untersuchung.  Zu  diesem  Behufe  muss  das  obere 
Lid  umgestülpt  werden.  Das  Verfahren  besteht  darin,  dass  man  mit  dem 
Daumen  und  Zeigefinger  der  linken  Hand  das  vorher  vom  Schleime  gerei- 
nigte Lid  an  den  Wimpern  erfasst,  etwas  vom  Bulbus  abzieht,  und  indem 
man  den  Kranken  nach  abwärts  sehen  heisst,  ein  dünnes  rundes  Stäbchen 
(AugenlidslüJper)  oder  in  Ermanglung  dessen  eine  Bleifeder  oder  Sonde 
an  die  äussere  Fläche  des  Lides  unter  dem  Supraorhilalrande  massig  an- 
drückt und  das  Lid  schnell  nach  aussen  umwendet.  Die  ümslülpung  dos 
M  •' v  r .  Augenheilkunde.  9 


18 

obern  Augenlides  gelingt  auch  bloss  mit  den  Fingern,  wenn  man  mittelst 
des  Zeigefingers  einen  gelinden  Druck  nach  abwärts  ausübt.  Die  Repo- 
sition gelingt  meistens  von  selbst,  wenn  der  Kranke  nach  aufwärts  blickt. 
Ohne  Nolh  und  insbesondere  bei  schmerzhaften  Krankheiten  des  Auges  ver- 
meide man  die  Umstülpung  des  obern  Lides,  da  sie  immer  mit  einer 
Pieizung  verbunden  ist. 

Von  den  Thränenorganen  hat  man  an  der  Thränendrüse  ihre 
Grösse,  Oberfläche,  Consistenz  und  Verrichtung  zu  erforschen,  wobei  übri- 
gens auch  entsprechende  Veränderungen  am  Augapfel  (Stellung  und  Be- 
weglichkeit) und  an  der  Orbila  Aufschluss  geben.  Die  Thränenableitenden 
Organe,  die  Thränenkanälchen,  der  Thränensack  und  der  Thränennasen- 
kanal  werden  in  einzelnen  Fällen  Gegenstand  besonderer  Untersuchung, 
wenn  Krankheiten  derselben  sich  durch  gestörte  Verrichtung  oder  objective 
krankhafte  Symptome  an  denselben  sich  kundgeben.  In  welcher  Weise 
und  mittelst  welcher  Hülfsmittel  diese  Untersuchung  zu  pflegen  ist,  wird 
am  passendsten  bei  der  Lehre  über  die  Krankheilen  dieser  Organe  erörtert. 

Die  Augenhöhle  wird  in  Beziehung  auf  ihre  Grösse  und  Form 
durch  Besichtigung  und  Befühlung  untersucht.  Abweichungen  in  der  Stel- 
lung, Lage  und  Beweglichkeit  des  Augapfels  geben  nebslbei,  so  wie  über 
Abnormitäten  der  Gebilde  hinter  dem  Bulbus  in  manchen  Fällen  näheren 
Aufschluss. 

2-  Der  Augapfel  selbst  kommt  sowohl  in  seiner  Totalität  als  in 
seinen  einzelnen  Theilen  zur  Betrachtung.  Im  Allgemeinen  erforscht  man 
dessen  Grösse,  Gestalt,  Lage,  Richtung,  Beweglichkeil  und  Consistenz ;  letz- 
tere durch  gelinde  Betastung  desselben,  was  jedoch  bei  schmerzhaften 
Krankheiten,  z.  B.  Entzündungen,  nicht  gestattet  und  auch  nicht  nöthig 
ist,  da  nur  in  einzelnen  Fällen  die  Consistenz  des  Bulbus  eine  nähere  Er- 
forschung erheischt. 

Von  den  einzelnen  Theilen  des  Augapfels  werden  genau  untersucht : 

a.  Die  Hör  nhaut  in  Beziehung  auf  ihre  Grösse,  Wölbung,  Oberfläche, 
Durchsichtigkeit,  Verbindung  und  Beschaffenheit  ihres  Randes. 

b.  Die  vordere  Kammer  in  Bezug  auf  ihre  Geräumigkeit,  das  Kam- 
merwasser in  Beziehung  auf  Quantität  und  Qualität  (Beimischung  fremd- 
artiger Bestandteile).  Die  Geräumigkeit  der  vordem  Kammer  wird  bei  der 
Betrachtung  des  Auges  von  der  Seile  deutlicher  erkannt. 

c.  Die  Iris  in  Bezug  auf  ihre  Grösse  (Ausdehnung),  Wölbung,  Ober- 
fläche, Slruclur,  Farbe,  Verbindung  Und  Beweglichkeit.  Hinsichtlich  der 
Farbenveränderung  gewährt  oft  die  Betrachtung  des  andern  etwa  gesunden 
Auges  und  der  Vergleich  der  Farbe  der  Iris  mit  der  des  erkrankten  einen 
Anhaltspunkt    Fälle,   wo   die  Farbe  der  Iris  in  beiden  Augen  von  Natur 


19 

aus  verschieden  ist,  gehören  zu  den  Seilenheilen ;  dagegen  sind  die  Fälle 
häufiger,  wo  die  Iris  mit  dunklern  Flecken,  Punkten  oder  Streifen  (stärkere 
Pigmentablagerung)  in  übrigens  gesunden  Augen  besetzt  ist.  Gewöhnlich 
hat  der  Pupillarrand  der  Iris  von  Natur  aus  eine  andere  Färbung,  als  deren 
Ciliarlheil.  Die  Structur  der  Iris  ist  entweder  deutlich  zu  erkennen,  oder 
verwaschen.  Zur  Ermittlung'  der  Beweglichkeit  lasse  man  das  nicht  zu 
untersuchende  Auge  mit  der  Hand  oder  einem  Tuche  verdecken,  stelle  sich 
so  vor  den  Kranken,  dass  das  Licht  auf  sein  Auge  einfällt,  beschatte  nun 
dasselbe  mit  der  flachen  Hand,  und  indem  man  dieselbe  schnell  wegzieht, 
lasse  man  das  Licht  wieder  einfallen;  oder  man  lasse  das  Auge 
schliessen,  bedecke  es  mit  dem  Daumen  und  öffne  es  plötzlich  dem  Lichte, 
nachdem  man  es  früher  massig  mit  dem  Finger  gerieben  hat;  dabei  beachte 
man,  ob  die  Iris  beweglich  ist  oder  nicht,  und  im  ersteren  Falle,  ob  deren 
Bewegung  prompt,  hinreichend  und  gleichmässig  vor  sich  gehe  oder  nicht. 
Ausser  dieser  physiologischen  Bewegung  der  Iris  gibt  es  noch  abnorme 
Bewegungen  derselben,  nämlich  eine  den  Lichleinflusse  nicht  adäquate 
abwechselnde  Conlraclion  und  Dilatation  der  Pupille  (Hyppus)  und  ein  Flot- 
tiren (Wanken)  der  Iris  von  vorne  nach  rückwärts  (Iridodonesis). 

d.  An  der  Pupille  hat  man  deren  Grösse,  Gestalt,  ihre  Stellung 
und  Farbe  zu  untersuchen.  Hinsichtlich  der  Grösse  ist  das  Sehloch  normal, 
erweitert  oder  verengert  und  zwar  conslant  oder  nur  temporär;  dabei  ist 
der  Einfluss  des  andern  Auges  zu  berücksichtigen,  In  Betreff  der  Gestall 
kann  die  Pupille  rund,  oval,  eckig,  unregelmässig,  verzogen,  spallförmig 
sein.  Die  Pupille  kann  auch  ganz  geschlossen  sein.  Ihre  Stellung  ist  ent- 
weder normal,  oder  der  Mitte  des  Auges  entrückt  (excentrisch).  Die  Farbe 
der  Pupille  isl  im  Normalzustande  die  rein  schwarze;  jedoch  ist  sie  öfters 
getrübt;  man  hat  dabei  den  Sitz  der  Trübung,  ob  in  oder  hinler  der  Pupille, 
ihre  Ausbreitung,  Form  u.  s.  w.  genau  zu  erforschen.  Man  bedient  sich 
zur  genaueren  Untersuchung  dieser  Symptome  häufig  einer  einfachen  6  bis 
lOfach  vergrössernden  oder  einer  Rohrlupe.  Mit  der  genauen  Untersuchung 
der  Pupille  und  der  hinter  ihr  gelegenen  Organe  hat  man  sich  auch  über 
die  Beschaffenheit  des  Krystallkörpers  und  des  Glaskörpers  Aufschluss  ver- 
schafft. Bei  erslerem  erforscht  man  dessen  Oberfläche,  Durchsichtigkeit, 
Stellung,  Verbindung  und  gelangt  durch  Schlüsse  zur  Ermittlung  seiner 
Grösse  und  Consistenz,  was  in  der  Lehre  über  den  grauen  Staar  nähere 
Erörterung  findet.  Am  Glaskörper  hat  man  dessen  Quantität  und  Consistenz 
zu  ermitteln,  worüber  schon  die  Form  des  Augapfels  und  dessen  Be- 
lastung Aufschluss  gibt.    Endlich  isl 

e.  an  der  Sclerotica  ihre  Grösse,  Ausdehnung,  Oberfläche, 
Farbe  und  Verbindung  zu  bemerken,  woraus  man  sowohl  auf- krankhafte 

r 


20 

Zustände    dieser  Membran,    als   auch   der    darunter  liegenden   Gefässhaut 
schliessen  kann. 

II.  Die  sub  j  ecti  ven  Sy  mp  t  ome  am  erkrankten  Auge  beziehen 
sich  1.  auf  das  Gemeingefühl.  Man  bemerke  abnorme  Gefühle,  Wärme, 
Kälte,  Nässe,  Trockenheit,  Muskelkraft-  oder  Schwächegefühl,  Ameisen- 
kriechen,  Pelzigsein  etc.  am  Augapfel  oder  in  den  Umgebungen  desselben; 
bei  den  eigentlichen  Schmerzen  beachte  man  deren  Art  (brennend,  stechend, 
drückend,  reissend,  tobend),  ihren  fixen  oder  wandelbaren  Sitz  und  ihre 
Ausstrahlung  in  verschiedene  Bezirke,  deren  Intensität,  Dauer  und  perio- 
disches Auftreten,  so  wie  auch  die  Zeit  der  Exacerbation. 

2.  Auf  das  Sehgefühl.  In  dieser  Beziehung  erforsche  man,  ob 
dasselbe  normal  oder  vermindert  (und  in  welchem  Grade),  oder  ob  es  ganz 
aufgehoben  sei.  Man  halte  dem  Kranken  zu  diesem  Behufe  grössere  oder 
kleinere  Objecte  vor.  Um  zu  erkennen,  ob  noch  Lichlempfindungsvermögen 
vorhanden  sei,  lässl  man  das  nicht  untersuchte  Auge  zuhalten,  führt  die 
flache  Hand  in  angemessener  Entfernung  vor  das  erkrankte  und  lässt  den 
Kranken  angeben,  ob  er  die  dadurch  bewirkte  Verdunklung  deutlich  aus- 
nehmen könne  oder  nicht.  Man  bemerke  ferner,  ob  der  Kranke  im  hellen 
Lichte  oder  im  gemässigten  (Schatten,  Dämmerung)  die  Gegenstände  besser 
unterscheide,  unter  welchen  Umständen  das  Sehvermögen  sich  verbessere 
oder  verschlimmere.  Die  verschiedene  Sehfähigkeit  ist  auch  durch  Augen- 
gläser verschiedener  Beschaffenheit  und  Farbe  zu  ermitteln.  Die  qualitati- 
ven Veränderungen  des  Sehgefühls  müssen  ebenfalls  genau  beachtet  wer- 
den, ob  demnach  Nebel-,  Mücken-,  Funkensehen,  und  unter  welchen  Ver- 
hältnissen sie  vorhanden  sind,  ob  der  Kranke  die  Gegenstände  einfach, 
doppelt  (mit  einem  oder  beiden  Augen)  oder  nur  zur  Hälfte  sieht,  in  wel- 
chem Abslande  er  die  Gegenstände  scharf  und  deutlich  sieht,  ob  er  die 
Farben  deutlich  unterscheidet,  wie  lange  das  Auge  bei  der  Betrachtung  der 
Gegenstände  ausharren  kann  u.  s.  w.  Man  erinnere  sich,  dass  besonders 
hinsichtlich  der  zuletzt  genannten  Erscheinungen  eine  Täuschung  von  Seite 
des  Kranken  und  zwar  absichtlich  oder  unabsichtlich  Statt  finden  kann, 
wesshalb  man  die  subjectiv  aufgefassten  Symptome  mit  dem  objectiven  Be 
funde  so  viel  wie  möglich  in  Einklang  bringen  muss. 

In  einzelnen  Fällen  ist  die  objective  Untersuchung  des  Auges  durch 
heftige  Lichtscheu,  Lidkrampf,  insbesondere  bei  Kindern  sehr  erschwerl. 
Die  Augenlider  in  solchen  Fällen  gewaltsam  zu  eröffnen,  ist  kaum  anzu- 
rathen,  da  man  dadurch  oft  schaden  kann.  Man  begnüge  sich  also  mit  dem, 
was  man  vor  der  Hand  erforschen  kann,  und  vervollständige  in  einem 
günsligeren  Zeitpunkte,  etwa  Abends  bei  eingetretener  Remission  oder 
nach   etwas  beschwichtigtem  Reizungszustande  das  Examen.     Das  Augen- 


21 

exarnen  stelle  man,  wenn  es  niehl  besondere  Um  blande,  z.B.  voigenommene 
Operationen  oder  übermässige  Lichtscheu  hindern,  in  einem  massig  erleuch- 
teten Zimmer  an,  welches  das  Licht  bloss  von  einer  Seite  bekommt. 

Man  untersucht  hierauf  das  andere  Auge  und  bemerkt,  ob  dasselbe 
ganz  gesund,  oder  ob  es  mit  demselben  krankhaften  Zustande,  und  in  wel- 
chem Grade  oder  mit  einem  andern  Gebrechen  behaftet  sei. 

Hierauf  folgt  die  genaue  Erforschung  des  übrigen  Orga- 
nismus nach  seinen  einzelnen  Organen  und  Systemen,  wobei 
man  auf  das  Alter,  Geschlecht,  den  Habitus  und  die  Constitution  des  Kör- 
pers Rücksicht  nehmen  muss. 

Hat  man  auf  diese  Weise  den  gegenwärtigen  Zustand  (status  praesens) 
aufgefasst,  so  gehe  man  zum  anamnestischen  Examen  über.  Diess  besteht 
in  der  Erforschung  der  disponirenden  und  excitirenden  Ursachen,  des  bis- 
herigen Krankheilsverlaufes,  der  angewendeten  Mittel  u.  s.  w.  Aufschluss 
geben  hierbei  vorausgegangene  Krankheilen  der  Augen  sowohl,  als  des 
übrigen  Körpers,  die  Beschäftigung,  der  Aufenthalt,  die  Lebensweise  und 
Gewohnheiten  des  Kranken,  auf  welche  Momente  man  daher  seine  Aufmerk- 
samkeit zu  richten  hat. 

Die  Augenkrankheiten  können  am  füglichsten  in  vier  Hauptklassen 
abgetheilt  werden,  von  denen  die  erste  die  Verletzungen,  die  zweite  die 
Entzündungen,  die  dritte  die  Krankheiten  der  Form  und  Bildung  und  die 
vierte  die  Nervenkrankheiten  des  Augapfels  und  seiner  Nebentheile  enthält. 


ERSTER  ABSCHNITT. 


Traumen. 

Wegen  der  hohen  Wichtigkeil  des  Auges  und  wegen  der  besondern 
Rücksichten,  die  bei  der  Behandlung  nothig  sind,  verdienen  die  Verletzun- 
gen dieses  Organs  eine  besondere  Aufmerksamkeit.  Diese  können  nun  ent- 
weder die  Nebengebilde  des  Auges  oder  den  ganzen  Augapfel  oder  einzelne 
Theile  desselben  treffen  und  haben  nach  der  Wichtigkeit  des  getroffenen 
Gebildes,  nach  dem  Grade  und  der  Art  der  Verletzung  mancherlei  Folgen. 

An  den  Augenbrauen  und  Lidern  kommen  durch  scharfe  und 
selbst  durch  etwas  stumpfe  Werkzeuge,  wenn  sie  mit  einiger  Gewall  wir- 
ken, senkrechte  oder  horizontale  reine  Schnittwunden,  oder  nach  starker 
Quetschung  gerissene  Wunden  zu  Stande.  Es  ist  bei  derlei  Verwun- 
dungen nothig,  dass  man1  nach  allenfalls  gestillter  Blutung  die  Wund- 
ränder einander  möglichst  nahe  bringt  und  durch  blutige  Hefte  vereinigt, 
ausser,  es  wäre  die  Wunde  sehr  klein.  Das  Anlegen  der  Heftpflaster  ist 
wegen  der  Beweglichkeil  und  Unebenheit  der  Theile  nicht  recht  slallhafl. 
Wenn  nach  senkrechten  Wunden  der  Augenlider  die  Vereinigung  nicht 
gut  gelingt,  kann  eine  bleibende  V  förmige  Spalte  (Colobom)  die  Folge 
davon  sein.  Auswärts-  oder  Einwärlsslülpung  der  Lider  erfolgt  dann,  wenn 
durch  die  Verletzung  oder  durch  die  nachfolgende  Eiterung  ein  beträcht- 
licher Theil  der  äussern  oder  innern  Platte  eines  Augenlides  verloren  ging. 
Es  gill  daher  bei  der  Behandlung  solcher  Verletzungen,  insbesondere  nach 
Quetschungen,  die  Regel,  die  eingetretene  Eiterung  so  vielmals  möglich  zu 
beschränken  und  eine  ziemlich  breite  Narbe  zu  erzielen.  Aus  Mangel  einer 
gehörigen  Aufmerksamkeit  bei  der  Heilung  solcher  Wunden  kann  das  obere 
Augenlid  herunlersinken  und  liefer  nach  unten  anheilen,  so  dass  die  Lid- 
spalte eine  schiefe  Richlung  bekommt  und  verengert  wird.  Nach  tiefern 
Wunden    oder   nach  Quetschungen  kann  in  Folge  der  Verwundung  oder 


Paralyse  des  Levators  eine  Blepharoplosis  eintreten.  Auch  schwellen  bis- 
weilen die  Lider  durch  seröse  Infiltration  bedeutend  an,  wodurch  ihre  Be- 
weglichkeil für  einige  Zeil  vermindert  wird.  Insektenstiche  verursachen 
häufig  eine  erysipelatöse  Entzündung  und,  wenn  der  Stachel  zurückbleibt, 
selbst  die  Gefahr  des  Brandes,  daher  man  den  Stachel  sorgfältig  ausziehen 
muss.    Man  wendet  hierauf  mit  Vorlheil  Ueberschläge  mit  Aqua  Goulardi  an. 

Der  lockere  Zellstoff  der  Lider  und  der  Augenbrauengegend  begün- 
stigt nach  Verletzungen,  besonders  nach  Quetschungen,  den  Blutauslritt 
unter  die  Haut  (Ecchymosis palpebrarum).  Diese  zeigt  sich  als  dunkelblaue, 
livide,  mehr  oder  weniger  ausgebreitete  Färbung  der  Haut  an  diesen  Thei- 
len.  Sie  tritt  auch  zuweilen  nach  Blutegelbissen  ein.  Ist  die  Masse  des 
ausgetretenen  Blutes  bedeutend,  so  werden  die  Lider  so  ausgedehnt,  dass 
die  Lidspalte  dadurch  geschlossen  ist.  Die  Ecchymosen  der  Augenlider 
treten  auch  symptomatisch  bei  Erschütterungen  und  Fracluren  der  Schädel- 
knocheri  ein,  und  sind  dann  von  grösserer  Bedeutung.  Auch  nach  Exslir- 
palion  des  Augapfels  infillrirl  sich  öfters  das  ergossene  Blut  in  das  Zell- 
gewebe der  Lider;  ich  beobachtete  in  einem  solchen  Falle  eine  consensuelle 
Ecchymose  an  den  Lidern  des  andern  Auges.  Die  Ecchymosen  der  Lider 
sind,  wenn  nicht  die  Ursache  derselben  gleichzeitig  andere  nachteilige 
Folgen  herbeiführte,  gefahrlos.  Das  ergossene  Blut  wird  unter  den  charac- 
terislischen  Farbenveränderungen  langsam  resorbirt.  Man  kann  zur  Be- 
schleunigung der  Resorption  die  sogenannten  Discutienlia  in  Anwendung 
bringen,  z.  B.  Lösungen  von  Salmiak  oder  den  Liquor  acetalis  ammoniae 
allein  oder  in  Verbindung  mit  Rosenwasser;  auch  dient  dazu  eine  Ammo- 
niaksalbe, der  Spirit.  saponatus,  die  Tinctura  arnicae ;  in  den  meisten  Fäl- 
len genügt  die  blosse  Fomenlation  mit  Aqua  saturnina.  Wenn  eine  beträcht- 
liche Menge  Blutes  ergossen  ist  und  eine  Anschwellung  bewirkt,  kann  man 
diese  öffnen  und  das  ergossene  Blut  entleeren,  wobei  man  jedoch  den  Lufl- 
einlrill  möglichst  vermeiden'soll.  Blutextravasate  in  den  Lidern  oder  an  den 
Rändern  der  Orbita  können  zur  Bildung  von  Cysten  Veranlassung  geben. 

Wunden  der  Augenbrauen-  und  der  benachbarten 
Stirngegend  können  jedoch  viel  schwerere  Folgen  nach  sich  ziehen. 
Ein  gewaltsamer  Schlag  in  dieser  Gegend  kann  durch  Erschütterung  des 
Augapfels  selbst  Erblindung  herbeiführen.  Es  können  Knochenbrüche, 
die  sich  bis  in  die  Schädelbasis  hinein  erstrecken,  Erschütterungen  und 
Verletzungen  der  vordem  Gehirnlappen  die  Folge  solcher  Verwundungen 
sein,  und  es  verdienen  derlei  schwere  Gehirnzufälle  bei  der  Behandlung 
die  vorzüglichste  Aufmerksamkeit,  da  sie  häufig  mit  Lebensgefahr  verbun- 
den sind.  Nebslbei  muss  man  sehen,  sobald  es  die  Umstände  erlauben, 
wie  es  mit  dem  Zustande  des  Sehvermögens  steht. 


24 

Es  wurden  feiner  Fülle  erwähnt,  in  welchen  die  Verwundung  bloss 
die  Weichtheile  der  Augenbrauengegend  belraf,  wo  weder  Erschüllerung 
des  Augapfels  noch  Knochenbruch  Statt  fand  und  doch  anaurolische  Ge- 
sichtsschwäche oder  lolale  Blindheit  früher  oder  spater  folgte.  Hippocrates 
machte  schon  diese  Beobachtung,  welche  seit  der  Zeit  mehrere  Schriftsteller 
wiederholten.  Man  hat  diese  besondere  Art  von  Amblyopien  und  Amau- 
rosen vorzüglich  von  der  Durchtrennung,  Verwundung  oder  Zerrung 
des  Supraorbilalnerven  hergeleitet,  um  so  mehr,  als  die  Durchschnei- 
dung dieses  Nerven  bei  Thieren  auch  Zerstörung  des  Augapfels  und 
Blindheil  zur  Folge  hat.  Da  der  Nervus  supraorbilalis  eigentlich  mit  dem 
directen  Sehen,  als  Empfindung  von  Licht  und  Farben,  nichts  zu  thun  hat, 
so  ist  nicht  leicht  erklärlich  und  auch  noch  nicht  durch  directe  Beobach- 
tungen erwiesen,  dass  Verwundung  dieses  Nerven  oder  Zerrung  desselben 
durch  eine  harte  Narbe  Amaurose  veranlassen  könne.  Allerdings  kommen 
Fälle  von  Blindheit  oder  Gesichtsschwäche  nach  Verwundungen  der  Augen- 
brauengegend vor;  es  ist  jedoch  in  der  Nosogenie  dieser  Fälle  noch  die 
häutig  dabei  stattfindende  Erschütterung  des  Augapfels  oder  selbst  des  Ge- 
hirns und  derEinfluss  des  Nervus  ophlhalinicus  auf  die  Ernährung  des  Auges 
in  Anschlag  zu  bringen.  Daher  entwickelt  sich  öfters  nach  derlei  Ver- 
letzungen eine  schleichende  Entzündung  des  Augapfels,  welche  allmälig  zur 
Atrophie  führt ;  daher  tritt  die  Amblyopie  öfters  erst  einige  Zeit  nach  der 
Verletzung  ein,  wenn  schon  Störungen  der  Ernährungsthätigkeit  im  Aug- 
apfel Statt  gefunden  haben. 

Eine  bedeutende  Quetschung  der  Umgebung  der  Orbita  kann  auch 
eine  verminderte  Empfindlichkeil  der  Haut  durch  Atleclion  des  fünften  Ner- 
ven zurücklassen.  Oerlliche  Anwendung  von  Reizmitteln  (Tinct.  Arnicae, 
Spir.  Anthos  etc.)  und  der  galvanischen  Electricilät  vermag  diesen  Zu- 
stand zu  heben. 

Die  Thränenkanälchen  und  der  T  h  r  ä  n  e  n  s  a  c  k  sind  so  klein 
und  durch  ihre  Lage  im  innern  Augenwinkel  so  geschützt,  dass  Verwun- 
dungen derselben  zu  den  Seltenheiten  gehören.  Sollten  solche  jedoch  be- 
stehen, so  kann  man  nichts  mehr  thun,  als  die  Theile  in  Ruhe  erhalten 
und  Anliphlogistica  örtlich  in  Anwendung  bringen.  Die  Puncta  lacry- 
malia  und  die  Thränenkanälchen  können  in  Folge  von  Verwundung  ver- 
wachsen, ohne  dass  desshalb  Thränenlräufeln  entstünde.  Durch  gewaltsame 
Einwirkung,  z.  B.  durch  einen  Schlag,  kann  der  Thränensack  auch  bersten 
und  sodann  beim  Schnäuzen,  Niesen,  Husten  u.  dgl.  Lufteintritt  in  das 
benachbarte  Zellgewebe  (Emphysem  der  Lider)  erfolgen,  welche  Erscheinung 
sich  jedoch  in  einigen  Tagen  wieder  verliert. 

Sehr  wichtig  sind  ferner  Wunden,  welche  in  die  Orbita  eindringen, 


25 

wegen  der  hohen  Dignilät  der  in  derselben  gelegenen  Gebilde  und  Einwir- 
kung derselben  auf  den  Augapfel.  Sie  sind  meistens  Stichwunden,  weil 
siechende  Instrumente  am  leichleslen  in  die  Orbita  eindringen,  am  Aug- 
apfel vorbeigleiten  und  so  wichtige  Gebilde  verletzen.  Die  Folgen  sind 
nach  der  Richtung,  nach  der  Tiefe  der  Wunde  und  nach  der  Verschieden- 
heit der  getroffenen  Theile  sehr  verschieden.  Sie  haben  sehr  häufig  den 
Austritt  von  Blut  in  das  Zellgewebe  der  Orbila,  bisweilen  eine  Entzündung 
desselben  mit  nachfolgender  Eiterung  (Orbitalempyem),  oder  eine  Periorbi- 
tis  mit  Necrose  und  Caries  der  Orbita,  wenn  sich  die  Verletzung  bis  auf 
die  Wandung  der  Augenhohle  erstreckt,  zur  Folge.  Die  wichtigsten  Folgen 
der  Orbilalverletzungen  sind:  1.  Schiefstehen  des  Augapfels  (luscitas)  in 
Folge  von  Durchlrennung  einzelner  Muskeln  oder  motorischer  Nerven 
2-  Gesichtsschwäche  oder  gänzliche  Blindheit  durch  Verletzung  von  Ner- 
ven, z.  B.  des  Ganglion  ciliare  oder  selbst  des  N.  opticus,  oder  durch  be- 
deutende Quetschung  und  Erschütlerung  des  Bulbus.  3.  Eiterung  in  der 
Orbila  und  Caries  der  Wandungen  derselben.  4.  Vorfall  des  Augapfels 
(Ophlhalmoptosis)  *).  Die  Veranlassung  zu  letzterem  können  geben:  a.  Zu- 
rückgebliebene Stücke  des  verletzenden  Instrumentes.  Es  sind  schon  Fälle 
vorgekommen,  wo  Stücke  eines  abgebrochenen  Pfeifenrohres  diesen  Zufall 
herbeiführten,  b.  Ansammlung  von  ausgetretenem  Blute,  welches  sich 
durch  die  enge  Stichwunde  nicht  entleeren  kann.  Der  Vorfall  tritt  hier 
etwas  später  ein.  c.  Entzündungsgeschwulst  der  Gebilde  in  der  Augen- 
höhle; daselbst  eingetretene  Eileransammlung,  losgetrennte  Knochenstücke, 
d.  Zerreissung,  Verletzung  oder  blosse  Lähmung  der  Augenmuskeln.  In 
manchen  Fällen  tritt  der  Bulbus  nach  Beseitigung  der  Ursachen  wieder 
zurück  und  das  Sehvermögen,  welches  durch  die  Zerrung  des  Sehnerven 
aufgehoben  war,  kann  wieder  erhalten  werden.  Die  Verwundungen  der 
Orbila  durch  stumpfe  oder  spitzige  Instrumente  können  aber  noch  viel  ge- 
fährlicher werden  durch  gleichzeitige  Verletzung  des  Gehirns.  Das  In- 
strument kann  durch  die  obere  oder  innere  Wand  der  Augenhöhle,  oder 
ohne  Bruch  auch  durch  das  Sehloch  oder  die  obere  Augengrubenspalte 
ins  Gehirn  eindringen  und  gefährliche  Zufälle  herbeiführen.  In  manchen 
Fällen  hatte  die  äussere  Wunde  nur  ein  unbedeutendes  Ansehen,  die  Ver- 
letzten befanden  sich  wohl,  machten  noch  ziemlich  weile  Märsche,  nahmen 
mit  Appetit  Speisen  und  Getränke  zu  sich,  und  wurden  dann  plötzlich  von 


*)  Am  äussern  Augenwinkel  lässt  sich  der  Finger  zwischen  Knochen  und 
Augapfel  einbohren  u.id  es  sind  Beispiele  bekannt ,  dass  in  der  Wuth  des 
Faustkampfes  das  Auge  von  hier  aus  ganz  oder  theilweise  aus  der  Orbita  ge- 
drückt wurde. 


26 

Convulsionen  befallen,  welche  in  kurzer  Zeit  den  Tod  herbeiführten,  und 
die  durch  Entzündung-  und  Suppuralion  im  Gehirne  bedingt  waren  +).  Es 
ist  daher  hinsichtlich  der  Prognose  solcher  Verletzungen  die  grösste  Vor- 
sicht nölhig ;  der  Verletzte  werde  sorgfältig  überwacht,  beobachte  die 
grösslmöglichste  Ruhe  und  antiphlogistische  Diät;  man  sorge  für  freie  Stuhl- 
enlleerung  und  sei  auf  die  geringsten  Anzeichen  einer  Gefahr  bedacht,  um 
schnell  Hülfe  leisten  zu  können. 

Ist  Ophthalmoptosis  die  Folge  einer  Orbilalwunde,  so  untei suche  man, 
ob  nicht  ein  fremder  Körper  dieselbe  bedinge,  welcher  dann  sofort  extrahirt 
werden  muss.  Aber  auch  dabei  ist  grosse  Vorsicht  nölhig,  indem  nach  der 
Entfernung  derselben  schon  grosse  Gefahren  eintraten,  z.  B.  Convulsionen. 
Ist  Ansammlung  von  Blut  oder  Eiler  die  Ursache  des  Prolapsus  bulbi,  so 
entleere  man  diesen  Sloff  durch  einen  zweckmässigen  Einstich  und  geeig- 
nete Lage  des  Kranken.  Ist  nach  Zerreissung  oder  bedeutender  Ausdeh- 
nung der  Augenmuskeln  Vorfall  des  Bulbus  entstanden,  so  soll  man  den- 
selben jederzeit  reponiren ;  denn  es  sind  Fälle  bekannt,  wo  derselbe  nur 
noch  in  geringer  Verbindung  mit  den  benachbarten  Theilen  stand,  und  doch 
die  Anheilung  und  Wiederherstellung  des  Sehvermögens  erfolgte.  Findet 
aber  dieser  günstige  Ausgang  nicht  Statt,  so  ist  der  Kranke  später  nicht 
übler  daran,  als  wenn  man  gleich  Anfangs  den  Bulbus  durch  Abschneiden 
entfernt  hätte. 

Fissuren  und  Fracturen  der  Orbita  können  durch  eingedrun- 
gene Instrumente,  oder  auch  durch  blosse  gewaltsame  Erschütterung  erfol- 
gen, sind  jedoch  wegen  der  tieferen  Lage  und  Unzugängiichkeit  der  ge- 
brochenen Knochen  schwer  zu  erkennen.  Schusswunden  oder  eingedrun- 
gene stumpfe  Körper  (z.  B.  ein  Bleislift)  können  einen  Bruch  der  Orbita 
herbeiführen.     Crepilalion    ist    nicht   immer    wahrzunehmen.     Gewöhnlich 


*)  Ein  Knabe  wurde  durch  ein  Blasrohr  beim  Schicssen  nach  der  Scheibe 
verletzt.  Der  ungewöhnlich  lange  Bolzen  war  durch  das  obere  Augenlid  ge- 
drungen und  sogleich  mit  einiger  Gewalt  entfernt  worden.  Die  Verletzung  war 
dem  Anscheine  nach  unbedeutend,  das  Sehvermögen  nicht  gestört.  Die  Wunde 
schloss  sich,  es  wurde  nichts  angewendet  und  der  Knabe  schien  gesund.  Vier- 
zehn Tage  darauf  starb  derselbe  convulsivisch  nach  kurzein  soporösen  Zustande. 
Die  Section  zeigte  das  obere  Gewölbe  der  Augenhöhle  von  der  Spitze  des  Bol- 
zen durchbohrt  und  Eiter  an  der  Basis  cranii.  —  Der  von  Fabricius  berichtete 
Fall  ist  diesem  ähnlich.  Der  durch  den  Beschlag  eines  Parapluis  in  der  Orbita 
verletzte  Kranke  starb  erst  am  58.  Tage  unter  allgemeinen  Krämpfen,  während 
in  der  Zwischenzeit  ausser  langsamen  Puls  und  schwerer  Sprache  kein  auffallen- 
des Symptom  beobachtet  wurde.  Die  Section  zeigte  Bruch  des  Siebbeins  und 
des  Processus  clinoideus  des  Keilbeins  und  Abscess  im  Vorderlappen  des  Gehirns. 


.       27 

zeigt  sich  eine  Ecchymose  des  obern  Augenlides,  welche  erst  später  ein- 
tritt. Die  Folgen  einer  Fractur  der  Orbila  können  dieselben  sein,  die  wir  als 
Folgen  von  Orbitalverletzungen  bezeichneten.  Die  gebrochenen  Knochen 
der  Orbiia  sind  der  Vereinigung  fähig;  man  suche  daher  verschobene  Frag- 
mente, wo  möglich  in  die  gehörige  Lage  zu  bringen,  ganz  losgetrennte 
Knochensplitter  kann  man  entfernen.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die 
grösstmöglichste  Ruhe  des  Kranken  und  antiphlogistische  Methode  die  wich- 
tigsten Puncle  der  Behandlung  ausmachen. 

Leichte  Wunden  der  Conjunctiva  sind  von  keiner  Bedeutung  und 
heilen  bald  ohne  Zurücklassung  nachlheiliger  Folgen.  Ihre  gewöhnlichste 
Folge  ist  Blutaustritt  oder  Sugülation  der  Conjunctiva,  das  äussere 
Blut  äuge  (Haemophthalmus  externus).  Die  Conjunctivalecchymose 
zeigt  sich  als  dunkelrothe  sugillirte  Stelle  von  grösserer  oder  geringerer 
Ausdehnung,  in  welcher  keine  injicirten  Gefässe  sichtbar  sind.  Sie  erfolgt 
stets  in  der  Conjunctiva  bulbi  und  hört  am  Rande  der  Cornea  wie  abge- 
schnitten auf.  Es  kann  die  ganze  Augapfelbindehaut  ecchymotisch  gerölhet 
sein.  Zu  den  traumatischen  Ecchymosen  der  Conjunctiva  gehören  auch 
die  nach  der  Searification  von  Bindehautgefässen,  nach  der  Operation  des 
Plerygiums,  der  Cataracta  und  der  Myotomie  auftretenden.  Es  gibt  aber 
auch  spontane  Conjunclivalecchymosen.  Meistens  geben  dazu  starke  Er- 
schütterungen des  Körpers  Anlass,  wie  bei  heftigem  Erbrechen,  schwerer 
Entbindung  und  Anfällen  von  Keuchhusten,  wobei  zugleich  der  Rückfluss 
des  Blutes  etwas  gehindert  ist.  Dessgleichen  beobachtet  man  sie  bei  Indi- 
viduen, welche  mit  Zersetzung  des  Blutes  (Scorbul,  Cholera)  behaftet  sind, 
oder  die  an  der  sogenannten  venösen  Gefässfülle  leiden.  Conlusionen  der 
Schläfengegend  können  selbst  entfernt  von  der  Orbita  Sugillalionen  unter 
der  Conjunctiva  bewirken,  da  die  Schläfengrube  durch  die  Fissura  infraor- 
bitalis  mit  der  Augengrube  communicirt.  Die  Ecchymosen  der  Conjunctiva 
sind,  wenn  sie  nicht  Symptome  einer  wichtigen  Verletzung,  z.  B.  von 
Fractur  der  Schädelknochen,  oder  Vorläufer  anderer  gefährlicher  Krank- 
heilen, z.  B.  der  Apoplexie,  sind,  von  keiner  Bedeutung  und  verschwinden 
von  selbst  nach  einiger  Zeil.  Man  kann  in  den  meisten  Fällen  Ueberschläge 
mit  kaltem  Wasser  oder  Aqua  saturnina  anwenden. 

Die  Wunden  de  s  A  ugap  fe  ls  sind  wegen  der  zarlen  Organisation 
und  des  Gefäss-  und  Nervenreichlhums  von  der  höchsten  Wichtigkeil,  und 
haben  in  Beziehung  auf  das  Sehvermögen  oft  die  nachteiligsten  Folgen. 
Der  Grad  der  entzündlichen  Reaction  hängt  ab  von  der  Ausdehnung  der 
Wunde,  dem  Grade  der  Verletzung  und  von  dem  Zustande  der  Constitution 
des  Individuums,  vorzüglich  aber  von  der  Wichtigkeit  des  verletzten  Ge- 
bildes.   Es  können  selbst  grössere  Wunden  dem  Augapfel  beigebracht  wer- 


28 

den,  ohne  dass  eine  Entzündung  einteilt,  wie  wir  diess  bei  der  Slaaraus- 
ziehung  sehen.  Bei  einem  vollblütigen  Individuum,  dessen  Gefässsystem 
durch  reichlichen  Genuss  von  Speisen  und  Gelränken  aufgeregt  ist,  oder 
dessen  Gesundheit  durch  Störungen  der  Verdauung  leidet,  kann  die 
kleinste  Verwundung  eine  bedeutende  Entzündung  hervorrufen,  während 
unter  entgegengesetzten  Verhältnissen  oft  grössere  Verletzungen  ohne  be- 
sondern Nachlheil  ertragen  werden. 

Verwundungen  der  Hornhaut,  welche  bloss  oberflächlich  sind, 
sind  von  keiner  Bedeutung;  sie  heilen  sehr  leicht,  indem  sich  das  Epithel 
wieder  ersetzt,  und  kaum  eine  Trübung  zurückbleibt.  Bisweilen  jedoch, 
besonders  wenn  sie  durch  rauhe  Körper  hervorgerufen  werden,  ziehen  sie 
eine  heftige  Entzündung  nach  sich,  wie  man  diess  nach  den  Verletzungen 
durch  die  Spitzen  der  Getreideähren  bei  Landleuten  nicht  selten  beobachtet. 
Da  diese  die  leichte  Verwundung  Anfangs  nicht  achten,  in  der  Hitze  forlar- 
beiten  und  ziemlich  viel  essen  und  trinken,  so  entsteht  meistens  eine  heftige 
Keratitis  mit  Abscess  der  Hornhaut,  Eiteransammlung  in  der  vordem  Kam- 
mer, und  bei  einigen  sogar  Verlust  des  Augapfels  durch  ausgebreitete 
Suppuralion.  Penetrirende  Wunden  der  Cornea  haben  den  Abfluss  des 
humor  aqueus  zur  Folge.  Sind  sie  klein  und  die  Wundränder  scharf,  so 
legt  sich  die  Iris  an,  kann  sich  jedoch  nach  dem  Wiederersatze  des  Kaiu- 
merwassers  wieder  zurückziehen,  und  die  Wunde  der  Cornea  schlicsst  sich 
schnell  mit  einer  kaum  sichtbaren  Narbe.  Ist  die  Wunde  grösser,  so  erfolgl 
meistens  ein  Vorfall  der  Iris,  welcher  wohl  wieder  reponirt  werden  kann, 
gewöhnlich  jedoch  nach  der  Heilung  eine  Verwachsung  der  Cornea  mit 
der  Iris  zurücklässt. 

Wunden  der  Sclerotica  sind  an  und  für  sich  zwar  nicht  von 
Bedeutung;  da  aber  die  Gewall  fast  immer  eine  bedeutende  sein  muss,  und 
da  die  unter  ihr  liegenden  Organe  stels  mehr  oder  weniger  getroffen  wer- 
den, so  können  sie  allerdings  gefährlich  werden.  Ein  heftiger  Schlag  auf 
das  Auge  kann  eine  Berstung  der  Sclerotica  ohne  gleichzeitige  Trennung 
der  Bindehaut  herbeiführen:  die  Aderhaut  nebst  dem  Glaskörper  wird  dann 
hervorgetrieben  (Hernia  choroideae);  Concussion  der  Retina,  Blulextravasat 
in  das  Innere  des  Auges  und  Amaurose  oder  Lähmung  des  Ciliarkörpers  mit 
bleibender  Mydriasis  paralytica  (Erweiterung  der  Pupille)  sind  gewöhnliche 
Folgen  solcher  Verletzungen.  Zuweilen  tritt  in  Folge  von  Zerrung  oder  Zer- 
reissung  der  Ciliarnerven  Erbrechen  ein.  Auch  hat  man  Staphylome  der  Scle- 
rotica oder  des  Ciliarkörpers,  durch  Blutextrasavate  in  Folge  solcher  Quet- 
schungen veranlasst,  beobachtet.  Wichtig  ist  die  Stelle  der  Verwundung 
der  Sclerotica;  ist  diese  mehr  nach  vorne,  so  kann  sich  auch  ein  Vorfall 
der  Iris  bilden ;  weiter  nach  rückwärts  wird  meistens  auch  der  empfind- 


29 

lichere  Theil  der  Netzhaut  afficirt.     Die  Wundränder  der  Sclerotica  ver- 
einigen sich  nicht;   die  Fissur  an  der  verwundeten  Stelle  ist  bleibend. 

Wunden  der  Iris  kommen  gewöhnlich  gleichzeitig-  mit  denen  der 
Cornea  oder  der  Sclera  vor.  Reine  Schnittwunden  derselben  führen  keine 
heftige  Reaction  herbei.  Ist  die  Iris  longiludinal  getrennt,  so  treten  die 
Wundränder  V förmig  auseinander  (Coloboma  iridis  acquisitum);  Wunden 
in  der  Richtung  der  Querfasern  bilden  eine  rundliche  oder  ovale  Oeffnung. 
Von  grösserer  Bedeutung  sind  Risse  oder  Quetschungen  der  Iris,  welche 
bisweilen  auch  ohne  directe  Verwundung  der  Cornea  oder  Sclera  durch 
blosse  heftige  Erschütterung  des  Augapfels  erfolgen.  Man  beobachtet  nach 
solchen  Verletzungen  folgende  Zufälle:  1.  Bluter gi essung  in  die 
vordere  Kammer  (Haemophlhalmus  internus).  Das  ergossene  Blut 
mischt  sich  dem  Kammerwasser  bei,  senkt  sich  jedoch  als  speeifisch  schwe- 
rere Flüssigkeit  zu  Boden  und  füllt  einen  grössern  oder  geringern  Theil  der 
vordem  Kammer.  Es  hat  das  ßlutauge  die  Form  des  Eiterauges,  auch 
ändert  sich  je  nach  den  Bewegungen  und  Stellungen  des  Kranken  die  Form 
und  Richtung  des  Blulauges.  Der  Haemophlhalmus  kann  aber  auch  spon- 
tan ohne  gewaltsame  äussere  Einwirkung  entstehen.  Die  Quellen  des  Blut- 
ergusses sind  in  solchen  Fällen  oft  sehr  schwer  zu  bestimmen,  immer  jedoch 
durch  eine  krankhafte  Beschaffenheit  des  Auges  bedingt.  So  beobachten 
wir  denselben  nicht  selten  bei  Entzündungen  des  Auges,  besonders  bei 
Entzündung  der  Iris,  der  Choroidea  und  des  Ciliarkörpers;  er  ist  bisweilen 
eine  begleitende  Erscheinung  des  beginnenden  Mcdullarsarcoms  des  Ciliar- 
körpers, der  Iris  und  der  Retina,  einer  Wucherung  der  Iris,  der  Ausdeh- 
nungen und  varicösen  Verbildungcn  des  Ciliarkörpers  (Cirsophlhalmus). 
Er  steht  zuweilen  im  Zusammenhange  mit  Leiden  des  Gesammtorganismus; 
so  sind  ßlulergiessungen  in  die  Augenkammern  bei  Scorbutischen  keine 
Seltenheit;  auch  bei  Anomalien  der  Menstruation,  bei  haemorrhoidaler 
Congeslion  hat  man  sie  beobachtet.  Das  ergossene  Blut  wird  zuweilen 
schnell  resorbirt,  insbesondere  wenn  es  ein  faserstoffarmes,  nicht  sehr  ge- 
rinnungsfähiges ist,  oder  wenn  sogleich  eine  antiphlogistische  Behandlung 
eingeleitet  wird;  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  dauert  aber  die  Resorption 
ziemlich  lange;  es  kann  auch  durch  Gerinnung  des  Faserstoffes  eine  Ver- 
Schliessung  der  Pupille  eintreten,  was  um  so  leichler  geschieht,  wenn  sich 
bei  einer  entstandenen  heftigeren  Iritis  Exsudat  dem  ergossenen  Blute  bei- 
mischte. 2.  Lostre  n  n  u  n  g  der  Iris  v  om  Cil  i  arl  i  gam  en  le.  Findet 
diese  Lostrennung  der  Iris  an  Einer  Stelle  Statt,  so  entsteht  eine  Doppel- 
pupille. Die  durch  die  Loslrennu ng  bewirkte  hat  eine  mehr  oder  weniger 
ovale  Form,  die  normale  Pupille  wird  jedoch  meistens  verkleinert,  unregel- 
mässig oder  selbst  ganz  geschlossen.     Wenn    die  entzündliche   Reaclion 


30 

gehoben  und  das  normale  Sehvermögen  wiederhergestellt  isl,  so  bedingt 
eine  solche  Doppelpupille  äusserst  selten  Doppellsehen.  Es  kann  durch  eine 
sehr  heftige  Gewalttätigkeit  sogar  die  ganze  Iris  vom  Ciliarligamente  los- 
gerissen werden  und  am  Boden  der  vordem  Kammer  liegen.  Jede  Los- 
reissung  der  Iris  ist  von  mehr  oder  weniger  bedeutender  Blutung  ins  Auge 
begleitet.  3.  Es  kann  in  Folge  einer  Verletzung  der  Iris  eine  heftige  Ent- 
zündung derselben  oder  der  tiefern  Gebilde  des  Augapfels  mit  ihren  ver- 
schiedenen Folgen  eintreten. 

Wunden  der  Choroidea  und  des  Ciliarkörpers  haben 
meistens  eine  bedeutende  Blutung  in  das  Auge  zur  Folge.  Auch  kann  ein 
Theil  der  Choroidea  und  selbst  des  Glaskörpers  durch  die  Wunde  vorfallen. 
Durch  die  Verletzung  von  einzelnen  Ciliarnerven  tritt  eine  partielle  Läh- 
mung der  Iris  ein,  so  dass  die  Pupille  sich  in  der  einen  oder  andern  Rich- 
tung beträchtlich  erweitert. 

Die  Linse  mit  ihrer  Kapsel  wird  bei  Verwundungen  der  Cornea 
oder  Sclerolica  häufig  zugleich  getroffen.  Wir  beobachten  immer  als  Folge 
einer  Verletzung  der  Kapsel  oder  der  Linse  Trübung  des  Kryslallkörpers, 
und  die  geringste  mechanische  Verletzung,  wie  z.  B.  ein  Stich  mit  einer 
feinen  Nadel,  kann  diesen  Erfolg  haben.  Durch  die  Einführung  einer  Nadel 
durch  die  Cornea  und  die  Pupille  kann  ein  grauer  Slaar  producirl  werden, 
ohne  die  geringste  Verletzung  eines  andern  Gebildes  mit  Ausnahme  der  Cornea, 
ohne  Entzündung  oder  eine  andere  krankhafte  Erscheinung.  Lawrence  gibt  an, 
dass  sich  Soldaten  in  England  auf  diese  Weise  dem  Dienste  in  der  Armee  ent- 
ziehen. Die  Art,  wie  sich  die  Cataracta  traumatica  ausbildet,  ist  verschieden.  1. 
Da  die  durch  die  Linsenkapsel  vermitlelteWechselwirkung  zwischen  umgeben- 
den Flüssigkeiten  und  Linsensubstanz,  welche  zur  Erhaltung  der  normalen 
Durchsichtigkeit  der  Linse  nöthig  ist,  durch  die  Verletzung  der  Kapsel  ge- 
stört wird,  so  tritt  bei  zu  copiöser  Einwirkung  des  humor  aqueus  eine  Trü- 
bung der  Linsensubslanz  ein.  Diese  erfolgt  bisweilen  sehr  schnell,  so  dass 
man  schon  einige  Stunden  nach  der  Verletzung  die  ausgebildete  Cataracta 
beobachtet.  2.  Dasselbe  kann  durch  heftige  Erschütterungen  erfolgen,  wo- 
durch die  Linsenkapsel  von  ihren  normalen  Anheftungspunkten  losgerissen 
und  die  Ernährung  der  Linse  dadurch  beeinträchtigt  wird.  3.  Es  kann  eine 
Entzündung  in  den  benachbarten  Gebilden  (Zonula  Zinna  und  Iris)  zur  Ent- 
stehung der  Cataracta  Veranlassung  geben.  Die  Cataracta  traumatica  ist 
gewöhnlich  ein  weicher  Linsenslaar.  Da  durch  die  forldauernde  Einwir- 
kt!!^ der  wässrigen  Feuchtigkeit  die  Linsensubslanz  aufgelöst  und  zerstört 
wird,  so  kanri  ein  solcher  Slaar  immer  mehr  am  Umfange  abnehmen,  an  ein- 
zelnen Stellen  dehisciren  (Cataracta  dehiscens,evanida)  und  endlich  auf  dem 
Wege  der  Resorption  wieder  von  selbst  ohne  vorhergegangene  Operation 


31 

verschwinden.  Der  verletzende  Eingriff"  hat  in  diesem  Falle  das  geleistet, 
was  wir  sonst  auch  durch  eine  Operation  (Discission)  herbeizuführen  stre- 
ben. Wenn  durch  einen  Enlzündungsprocess  Ablagerungen  auf  der  Kapsel 
entstehen,  so  wird  diese  getrübt,  und  wir  haben  dann  meistens  eine  Cata- 
racta capsulo-lenlicularis  adcrela  vor  uns;  ist  die  Linse  durch  Resorption 
geschwunden,  so  bleibt  die  verdickte  Kapsel  als  Cataracta  membranacea 
zurück.  Erfolgte  die  Auflösung  der  Linse  nur  zum  Theil  und  schrumpfte 
die  Kapsel  um  den  Linsenkern,  so  entsteht  eine  Cataracta  arida  siliquala, 
so  wie  auch  der  Gypsslaar  häufig  die  Folge  einer  Entzündung  nach  Ver- 
letzungen ist.  Auch  der  Zitlerstaar  und  Schwimmstaar,  die  durch  partielle 
Lostrennung  des  Krystallkörpers  sich  bilden,  verdanken  ihr  Entstehen  nicht 
seilen  einer  Verletzung  *).  Das  Nähere  darüber  ist  in  der  Abhandlung  über 
den  grauen  Staar  einzusehen. 

Sowohl  nach  Verwundungen,  als  auch  nach  Erschütterungen  des 
Augapfels,  z.  ß.  durch  einen  Fall,  kann  der  Kryslallkürper  in  seiner  Tota- 
lität oder  die  Linse  nach  geborstener  Kapsel  in  die  vordere  Augenkammer 
vorfallen,  auch  durch  die  geborstene  Sclera  unter  die  Conjunctiva  austre- 
ten. Die  Linse  kann,  wenn  sie  in  der  Kapsel  eingeschlossen  ist,  noch  lange 
Zeit  ihre  Durchsichtigkeit  erhallen.  Sie  wirkt  jedoch  in  der  vordem  Kam- 
mer wie  ein  fremder  Körper,  reizt  die  nahegelegenen  Gebilde  und  verur- 
sacht Entzündung  des  Augapfels,  heftigen  Schmerz  in  demselben,  in  der 
Supraorbitalgegend  und  im  Kopfe,  welche  selbst  der  antiphlogistischen  Be- 
handlung nicht  leicht  weichen.  In  Folge  der  Entzündung  bilden  sich  Adhae 
renzen  der  Linsenkapsel  mit  der  Iris  oder  Cornea  und  die  Kapsel  incrustirt 
sich  bei  langem  Bestehen  in  der  vordem  Kammer  bisweilen  mit  verkalkten 
Exsudaten,  welche  sich  auf  ihr  niederschlagen. 

Eine  blosse  Punclion  der  Retina,  wenn  sie  mehr  in  der  vordem 
Partie  derselben  Statt  findet,  ist  ohne  Gefahr;  eine  grössere  Verwundung 
derselben  bedingt  Amaurose.  Die  gefährlichste  Verletzung  der  Retina  ist 
jedoch  die  Erschütterung  derselben  durch  einen  Schlag,  und  die  Gefahr 
steht  im  Verhältnisse  zu  der  Heftigkeit  der  Gewalt.  Die  Erschütterung 
erfolgt  zuweilen  ohne  weitere  Alteration  der  Netzhaut,  in  manchen  Fällen 
mögen  jedoch  Zerreissung  derselben   oder  Blulextravasale  in  ihr  zugleich 


*)  Die  Bildung  der  Cataracta  »ach  Verletzungen  des  Krystallkörpers  beim 
Menschen  stehen  nicht  im  Einklänge  mit  den  Experimenten,  welche  Dielcrieh  in 
dieser  Beziehung  an  Thieren  anstellte.  Nach  diesen  sollte  die  Cataracta  durch 
Verwundungen  der  blossen  Kapsel  oder  der  Oberfläche  der  Linse  höchst  selten 
eintreten.  Wir  müssen  daher  vor  der  Hand  das  hinnehmen,  was  uns  die  Erfah- 
rung über  die  Folgen  solcher  Verletzungen  gelehrt  hat. 


32 

bestehen.  Die  Verminderung-  oder  Aufhebung  des  Sehvermögens  isl  häufig 
die  unmittelbare  Folge  der  Verletzung  und  gewöhnlich  mit  Erweiterung 
oder  Verziehung  der  unbeweglichen  Pupille  verbunden.  Wenn  blosse  Er- 
schütterung der  Retina  ohne  anderweitige  Verletzung  des  Augapfels  besieht 
und  das  Sehvermögen  nur  zum  Theile  aufgehoben  ist,  kann  dasselbe  bei 
zweckmässiger  Behandlung  wieder  hergestellt  werden.  Totale  Amaurose, 
welche  unmittelbar  der  Verletzung  folgt,  ist  ein  ungünstiges  Symptom; 
Veränderung  in  der  Form  der  Pupille,  Blulexlravasale  und  Zeichen  einer 
Zerreissung  der  Netzhaut  machen  den  Fall  hoffnungslos.  In  solchen  Fällen 
ist  zur  Zeit  der  Verletzung  oft  der  Schmerz  nicht  heftig  und  die  Röthe  un- 
bedeutend; in  mehreren  Tagen  jedoch  wird  das  Auge  roth  und  schmerz- 
haft; der  Schmerz  nimmt  zu,  die  Entzündung  beginnt  in  den  inneren  Ge- 
bilden und  pflanzt  sich  unter  Kopfschmerzen,  Lichtscheu  und  vermehrter 
Thränensecretion  zu  der  Sclera  und  Bindehaut  fort.  Wenn  die  entzünd- 
lichen Erscheinungen  nachlassen,  wird  das  Auge  allmälig  kleiner,  der  Bul- 
bus wird  weicher  und  verfällt  der  Atrophie.  Diese  Erschütterung  der  Retina 
und  die  darauf  folgende  Blindheit  haben  oft  Ursachen,  denen  man  solche 
üble  Folgen  kaum  zumulhen  sollte.  Wenn  ein  Auge  durch  eine  Verletzung 
zu  Grunde  ging,  so  erkrankt  das  andere  oft  früher  oder  später,  ohne  dass 
eine  genügende  Ursache  einwirkle.  Dieser  Zufall  isl  so  gewöhnlich,  dass 
es  nölhig  ist,  Individuen,  welche  ein  Auge  auf  diese  Weise  verloren,  zu  war- 
nen und  geeignete  Vorsichlsmassregeln  zu  ergreifen ;  denn  diese  Affeclion 
des  gesunden  Auges,  wenn  sie  nicht  geachtet  und  frühzeitig  auf  geeignele 
Weise  behandelt  wird,  hat  auch  oft  gänzliche  Erblindung  zur  Folge. 

Die  Behandlung  der  Verletzungen  des  Augapfels  muss 
nach  den  bei  Verletzung  wichtiger  Gebilde  gellenden  Principien  geleilet  wer- 
den. Der  Kranke  halte  sich  möglichst  ruhig  und  beobachte  strenge  Diät.  Das 
verwundete  Auge  isl,  wenn  eine  grössere  Verletzung  der  Hornhaut  oder  der 
Sclerotica  besteht,  zu  verkleben;  dasselbe  muss  auch  mit  dem  gesunden  Auge 
geschehen  ;  weil  sonst  die  Bewegungen  dessel  ben  auch  in  dem  kranken  consen- 
suelle  Bewegungen  hervorrufen.  Ist  weder  eine  WTunde  der  Cornea  noch  der 
Sclerotica  vorhanden,  so  isl  das  Verkleben  der  Lider  nicht  nolhwendig. 
Das  passendste  örtliche  Mittel  isl  die  Anwendung  des  kalten  oder  Eiswas- 
sers. Man  überzeuge  sich  sobald  als  möglich,  ob  ein  fremder  Körper 
irgendwo  zurückgeblieben  sei,  um  denselben  entfernen  zu  können.  Doch 
ist  in  manchen  Fällen  eine  kräftige  Anliphlogose  der  Entfernung  des  frem- 
den Körpers  vorauszuschicken.  War  die  Verletzung  bedeutend  und  aus- 
gedehnt, ist  das  Individuum  kräftig  und  vollblütig,  so  ist  eine  Venaeseclion 
dringend  indicirl ;  in  den  übrigen  Fällen  genügt  eine  örtliche  Blulenllee- 
rung  und   die  Anwendung  der  Kälte.     Ein   Vorfall   der  Iris   erfordert   die 


33 

später  angegebene  Behandlungsweise.  Das  in  die  vordere  Kammer  er- 
gossene Blut  verschwindet  unter  der  antiphlogistischen  Methode  durch 
Resorption  von  selbst,  es  ist  desshalb  unnöthig,  es  durch  einen  Einstich 
in  die  Cornea  zu  entleeren,  und  schädlich,  eine  neue  Verwundung-  zu  setzen. 
Eine  traumatische  Cataracta  wird  entweder  der  spontanen  Resorption  über- 
lassen, welche  man  nach  bereits  geschwundenen  Irritationserscheinungen 
durch  zeitweises  Einträufeln  einer  saturirten  Belladonnalösung  unterstützen 
kann,  oder  sie  wird  durch  Discission  beseitigt.  Der  in  die  vordere  Kammer 
vorgefallene  Krystallkörper  werde  sobald  als  möglich  durch  den  Hornhaut- 
schnilt  extrahirl;  nur  dadurch  beugt  man  am  besten  den  heftigen  Schmer- 
zen und  der  Entzündung  vor.  Ist  in  Folge  einer  Verletzung  eine  voll- 
kommene Amaurose  oder  ein  amblyopischer  Zustand  eingetreten,  so  ist  die 
Behandlung  der  Amaurosis  traumatica  angezeigt. 

Verbrennungen  treffen  vorzüglich  die  Augenlider  und  die  vor- 
dere Hemisphäre  des  Augapfels.  Sie  finden  Statt  durch  Einwirkung  heisser 
Flüssigkeiten,  geschmolzener  Metalle,  mit  welchen  entweder  die  Augen- 
gegend Übergossen  wird,  oder  welche  in  das  Auge  hineinspritzen,  durch 
eindringende  kleine,  glühende  Körper  (Feuerfunken),  durch  das  Einschla- 
gen der  Spitze  eines  Flammenkegels  oder  durch  das  Einstossen  eines 
glühenden  Körpers,  z.  B.  einer  glimmenden  Cigarre.  Es  bilden  sich  sowohl 
an  den  Lidern  als  auch  an  der  Bindehaut  häufig  Blasen,  oder  weiche  oder 
harte,  oberflächliche  Schorfe.  Verbrennungen  sind  am  Auge  sehr  schmerz- 
haft. Durch  die  eintretende  meistens  adhaesive  Entzündung  und  durch  den 
Subslanzverlusl  veranlassen  sie  mancherlei  Formfehler,  namentlich  Ver- 
wachsungen zwischen  den  Augenlidern  oder  zwischen  diesen  und  dem 
Augapfel,  Auswärlskehrung  der  Lider  und  Atresie  der  Thränenpunkte;  an 
der  Cornea  bleiben  öfters  Trübungen  zurück.  Bei  allen  Verbrennungen 
des  Auges  lege  man  kalte  Umschläge  in  grösserer  Ausdehnung  über  das- 
selbe, und  träufle  von  Zeit  zu  Zeit  ein  mildes  Oel,  z.  B.  Süssmandelöl, 
zwischen  den  Lidern  ein.  Blutentziehungen  sind  in  vielen  Fällen  notwen- 
dig. Haben  sich  Blasen  gebildet,  so  öffne  man  dieselben  nicht.  Bei  gebil- 
deten Schorfen  erwarte  man  die  Exfoliation,  welche  meistens  bald  erfolgt. 
Bei  profuser  langwieriger  Eiterung  ist  die  Anwendung  einer  Blei-  oder 
Tuliasalbe  angezeigt. 


Die  fremden  Körper  im  Auge. 

Jeder    ins  Auge    gelangte    fremde   Körper  verursacht  eine  Reizung 
desselben,    welchem    Hyperaemie,     und    wenn    die    Einwirkung    gewalt- 

Meyr,  Augenheilkunde.  3 


34 

thätiger  war,   oder  der  Reiz  lange  genug  anhält,   eine  traumatische  Ent- 
zündung folgt. 

Die  Reizung  äussert  sich  durch  Schmerz,  Lichtscheu,  Augenlidkrampf, 
Thränenfluss  undPupillcnverengerung.  Letztere  drei  Symptome  sind  Reflex- 
erscheinungen der  Irritation  der  feinen  Endzweige  des  Ophthalmicus  V. 
paris.  Der  Schmerz  ist  mehr  oder  minder  heftig,  was  zum  Theile  von  der 
Art  des  fremden  Körpers,  zum  Theile  von  seinem  Sitze  abhängig  ist;  so 
verursacht  derselbe  bedeutend  grossem  Schmerz,  wenn  er  sich  an  der 
innern  Fläche  des  obern  Augenlides  befindet,  als  wenn  er  selbst  ziem- 
lich tief  in  der  Cornea  steckt.  Auch  die  grössere  oder  geringere  Empfind- 
lichkeit des  Individuums  hat  darauf  einen  Einfluss. 

Die  Mehrzahl  der  fremden  Körper  wirken  nur  durch  mechanische 
Reizung.  Hieher  gehören  Staub,  Sandkörner,  alle  Arten  von  Splittern, 
Insekten  mit  oder  ohne  harte  Flügeldecken,  Krebsaugen,  eingestülpte  oder 
eingefallene  Wimpern  etc.  Mehrere  von  diesen,  welche  mit  scharfen  Kan- 
ten oder  Spitzen  versehen  sind,  können  auch  verwunden  (Glas-  und  Me- 
tallsplitter, abgebrochene  Aehrenspitzen).  Manche  entfalten  auch  eine 
ätzende  Einwirkung,  wie  Tabak,  Asche,  Kalkstaub  und  ungelöschter  Kalk, 
einige  Medicamenle,  wie  Aelzkali,  Höllenstein.  Endlich  gibt  es  solche,  die 
zugleich  eine  Verbrennung  verursachen,  wie  heisse  Metalltheilchen,  ge- 
schmolzene Metalle  (Blei),  explodirte  Pulverkörner. 

Die  fremden  Körper  können  auf  verschiedene  Art  ins  Auge  gelangen 
und  haben  auch  dem  Grade  der  Introductionsgewalt  entsprechend  nach- 
theilige Folgen.  Sie  können  bloss  mechanisch  hineinfallen,  durch  Luftzug 
oder  Wind  hineingelangen  (Staub,  Insekten),  bei  gewissen  Beschäftigungen 
hineingetrieben  werden  (die  Bein-  und  Metallsplitter  bei  Drechslern,  Nad- 
lern, Schlossern,  Schmidcn  und  allen  Metallarbeitern,  Quarzsplitler  bei 
Steinarbeitern)  oder  bei  Explosionen  und  Detonationen  ins  Auge  geralhen. 
Andere  werden  in  das  Auge  eingerieben  (Krusten  von  Porken,  Grind,  Flech- 
ten) oder  selbst  absichtlich  eingeschoben  (Krebsaugen). 

Der  Sitz  der  fremden  Körper  am  Auge  ist  verschieden.  Sie  liegen 
am  Augenlidrande  oder  im  innern  Winkel,  oder  befinden  sich  frei  beweg- 
lich im  obern  oder  untern  Interpalpebralraume;  sie  sind  öfters  in  der  Binde- 
haut des  Bulbus  oder  der  Lider  festsitzend,  in  selbe  eingehakt,  oder  unter 
ihr  befindlich;  sie  stecken  fest  in  der  Cornea  (meistens  Stahlfunken  oder 
andere  Metalltheilchen,  Glas-  und  Beinsplitter,  Flügeldecken  von  Insekten, 
Samenhülsen);  sie  können  nach  Durchbohrung  der  Cornea  in  die  vordere 
Augenkammer,  oder  in  die  Iris,  oder  durch  die  Pupille,  oder  nach  Durch- 
bohrung der  Iris  in  die  hintere- Kammer,  den  Krystallkörper  oder  den  Glas- 
körper gelangen.    Eben  so  können  manche   nach  Perforation   der  Conjunc- 


35 

tiva  und  Selera  auch  in  das  Innere  des  Augapfels  gelangen.  Schrotkörner 
oder  Flinlenkugeln  können  auch  in  das  Zellgewebe  der  Orbita  gelangen, 
die  knöcherne  Wandung  derselben  erreichen  oder  selbst  durchbohren. 

Die  Folgen,  welche  fremde  Körper  veranlassen,  sind  äusserst  ver- 
schieden, und  versetzen  öfters  das  Sehorgan  in  die  höchste  Gefahr.  In  den 
meisten  Fällen,  wenn  der  fremde  Körper  bloss  an  die  Conjunclivalfläche  der 
Augenlider  oder  des  Bulbus  gelangt,  verursacht  er  nur  eine  vorübergehende 
Reizung,  welche  sich  nach  der  Entfernung  desselben  wieder  verliert,  ohne 
zu  einer  Entzündung  sich  zu  steigern.  An  manchen  Stellen,  wie  z.  B.  an 
der  innern  Fläche  des  obern  Lides,  verursacht  er  einen  heftigeren  Schmerz, 
welcher  insbesondere  bei  den  Bewegungen  des  Bulbus  oder  der  Lider  zu- 
nimmt, bei  der  möglichst  ruhigen  Haltung  am  erträglichsten  ist.  Bei  man- 
chen Individuen  entsteht  ein  äusserst  heftiger  Lidkrampf.  Aehnliche  Er- 
scheinungen rufen  die  in  die  Hornhaut  eingekeilten  kleinen  Körper  hervor. 
War  der  fremde  Körper  stärker  reizend,  die  Art  der  Einführung  gewaltsam, 
oder  blieb  er  insbesondere  längere  Zeit  (Tage  lang)  mit  dem  Auge  in  Be- 
rührung, so  entsteht  eine  traumatische  Entzündung,  welche  sich  besonders 
durch  Injection  der  Subconjunctivalgefässe  im  Umkreise  der  Hornhaut 
äussert  und  einer  äussern  rheumatischen  Augenenlzündung  oft  täuschend 
ähnlich  ist.  War  die  Cornea  das  ursprünglich  verletzte  Organ,  so  ent- 
wickelt sich  eine  Keratitis,  und  wenn  der  fremde  Körper  noch  länger  zu- 
rückblieb, eine  Kerato-Irilis  mit  dem  Ausgange  in  Abscessbildung  der  Cornea 
und  Hypopyon.  Hierdurch  erwächst  dem  Auge  eine  bedeutende  Gefahr. 
Aetzende  Körper,  insbesondere  der  ungelöschte  Kalk,  die  concenlrirten 
Säuren,  verursachen  meistens  eine  Anätzung  der  Conjunctiva  und  Cornea, 
dadurch  Ankyloblepharon  und  Symblepharon,  im  höhern  Grade  eine  breiige 
Zerstörung  eines  Theiles  oder  der  ganzen  Hornhaut.  Ein  fremder  Körper, 
der  in  die  vordere  Kammer  gelangte,  kann  daselbst  einige  Zeit  ohne  beson- 
dern Nachlheil  liegen  bleiben,  verursacht  jedoch  später,  in  manchen  Fällen 
gleich  Anfangs  eine  heftige  Entzündung.  Die  Iris  kann  von  einem  schar- 
fen Körper  durchdrungen  werden,  ohne  dass  sich  eine  Iritis  entwickelt; 
die  Wundränder  heilen  in  kurzer  Zeit;  die  Blulergiessung  in  die  vordere 
Kammer  ist  bisweilen  sehr  unbedeutend.  Gelangt  ein  fremder  Körper  in 
den  Krystallkörper,  so  bildet  sich  ziemlich  schnell  der  graue  Staar  aus  (s. 
Cataracta  traumatica).  Die  nachtheiligslen  Folgen  üben  fremde  Körper, 
welche  in  das  Innere  des  Auges,  in  den  Glaskörper  oder  in  die  Chorioidea 
gelangen,  weil  ihr  Sitz  nicht  immer  zu  ermitteln  und  dieselben  entweder  gar 
nicht  oder  nur  sehr  schwer  und  ohne  Schonung  des  Augapfels  entfernt 
werden  können.  Die  Folge  davon  ist  daher  eine  ziemlich  heftige  Entzün- 
dung, und  obwohl  dieselbe  Anfangs  durch  Anliphlogistica  bekämpft  werden 

3* 


36 

kann,  so  tritt  sie,  da  der  fremde  Körper  zurückbleibt  und  als  ein  Reiz  fort- 
wirkt, bei  der  geringsten  Veranlassung  oder  auch  ohne  dieselbe  von  neuem 
öfters  auf,  es  entwickelt  sich  eine  chronische  Entzündung  der  Chorioidea 
und  der  Augapfel  geht  durch  Atrophie  zu  Grunde.  Dieser  Entzündungs- 
process  begleitet  nicht  selten  eine  durch  Reizung  der  Ciliarnerven  bedingte 
äusserst  heftige  und  hartnäckige  Neuralgie.  Solche  delelaere  Folgen  haben 
öfters  Stücke  von  Kupferzündhütchen,  welche  theils  beim  Losschiessen  der 
Gewehre,  noch  häufiger  jedoch  beim  Zerschlagen  derselben  auf  Steinen, 
wie  es  die  Kinder  manchmal  thun,  mit  Gewalt  ins  Innere  des  Auges  gelan- 
gen. Schrotkörner  oder  Kugeln  können  sich  im  Zellgewebe  der  Orbita  in- 
capsuliren,  sie  können  aber  auch  heftige  Entzündung,  Abscessbildung, 
Necrose  und  Caries  der  Orbila  herbeiführen. 

Dass  ein  fremder  Körper  im  Auge  vorhanden  sei,  entnimmt  man  theils 
den  Angaben  des  Kranken,  dessen  Beschäftigung  schon  oft  zu  dieser  Ver- 
mulhung  Anlass  gibt,  theils  aus  der  Exploration  desselben.  Eine  Entzün- 
dung, welche  plötzlich  ohne  bekannte  andere  Veranlassung  auftral  und 
trotz  der  eingeleiteten  Behandlung  hartnäckig  fortbesteht,  kann  uns  immer 
auf  die  Vermuthung  der  Gegenwart  eines  fremden  Körpers  führen. 

Hinsichtlich  der  Auf  find  un  g  der  fremden  Körper  ist  Folgen- 
des zu  bemerken.  Solche,  welche  am  untern  Augenlidrande  liegen  oder 
an  der  Hornhaut  oder  an  dem  frei  zu  Tage  liegenden  Theile  der  Conjunc- 
liva  bulbi  stecken,  kann  man  schon  bei  der  ersten  Besichtigung  durch  den 
Gesichtssinn  wahrnehmen.  Findet  man  daselbst  nichts,  so  ziehe  man  das 
unlere  Augenlid  ab,  und  besehe  die  innere  Fläche  desselben,  so  wie,  indem 
man  den  Kranken  das  Auge  nach  aufwärts  richten  lässt,  die  Uebergangs- 
falten  der  Bindehaut,  richte  auch  gleichzeitig  seine,  Aufmerksamkeit  auf  den 
innern  Augenwinkel  und  die  Thränenkarunkel.  Hat  man  auch  dort  keinen 
fremden  Körper  entdeckt,  eben  so  in  der  vordem  Kammer  oder  Iris  keinen 
gefunden,  oder  sonst  keine  Symptome  wahrgenommen,  dass  er  in  diese 
Gebilde  oder  das  Innere  des  Auges  gelangt  wäre,  so  muss  das  obere  Augen- 
lid umgestülpt  werden,  um  die  Bindehautfläche  desselben,  so  wie  bei  nach 
abwärts  gewendetem  Blicke  des  Kranken,  die  Uebergangsfallen  zwischen 
dem  obern  Lide  und  dem  Bulbus  untersuchen  zu  können.  Entdeckt  man 
daselbst  einen  fremden  Körper,  so  werde  er  sogleich,  ohne  dass  man  das 
Augenlid  wieder  reponirl,  entfernt.  Im  Innern  des  Auges  können  kleinere 
Körper  nicht  leicht  entdeckt  werden,  auch  im  Krystallkörpcr  werden  sie 
öfters   durch   schon    besiehende  Trübung   derselben  nicht  mehr  beobachtet. 

Man  könnte  einen  fremden  Körper  im  Auge  mit  einem  Vorfalle  der 
Iris  oder  der  Descemel'schen  Haut  verwechseln,  so  auch  mit  einer  Excres- 
cenz  des  Bindehautplältchens  der  Cornea.    Diagnostischen  Aufschluss  geben 


37 

die  anamnestischen  Momente,  vorausgegangene  Erkrankungen  des  Auges, 
vor  allem  jedoch  eine  genaue  Untersuchung,  wobei  man  sich  auch  einer 
Lupe  bedienen  kann,  und  wobei  die  seitliche  Ansicht  des  Auges  oft  Vor- 
theil  gewährt.  Auch  könnten  schwärzliche  Punkte  in  der  Iris  für  einen 
in  der  Iris  oder  selbst  in  der  Cornea  sitzenden  Körper  gehalten  werden. 

Die  Natur  entfernt  frei  bewegliche  im  Interpalpebralraum  befindliche 
fremde  Körper  durch  die  Strömung  der  Thränen,  wodurch  sie  gegen  den 
innern  Augenwinkel  getrieben  und  dann  ausgeschwemmt  werden.  Dazu 
trägt  auch  der  vermehrte  Augenlidschlag  bei.  Eine  stärkere  Contraclion 
des  Orbicularis  kann  aber  auch  einen  fremden  Körper,  besonders  wenn  er 
scharfe  Ecken  hat,  noch  fester  einkeilen.  Festsitzende  fremde  Körper  wer- 
den zuweilen  durch  die  Eiterung  lose,  beweglich  gemacht  und  sodann 
ausgestossen.  Diess  geschieht  bei  Metallsplitterchen  in  der  Cornea, 
wenn  sie  nicht  früher  entfernt  werden.  Sie  werden  jedoch  auch  häufig 
oxydirt,  dadurch  brüchiger  und  in  einzelnen  Stückchen  ohne  Eiterung 
abgestossen. 

Unbedingt  schädlich  ist  das  zur  Entfernung  eines  fremden  Körpers 
unter  dem  Volke  noch  gebräuchliche  Einbringen  eines  Krebsauges.  Nach 
dieser  Application  hat  der  Kranke  statt  eines  fremden  Körpers  zwei,  von 
denen  der  zuletzt  eingebrachte  einen  noch  starkem  Reiz,  oft  auch  Entzün- 
dung erregt  und  zuweilen  nur  mit  Mühe  entfernt  werden  kann.  Unnütz 
und  schädlich  sind  auch  alle  zwecklosen  Reibungen;  jedoch  kann  gelindes 
Streichen  mit  der  Palmarfläche  der  Hand  in  der  Richtung  vom  äussern  zum 
innern  Augenwinkel  den  Durchgang  des  fremden  Korpers  erleichtern.  In- 
jeetionen  von  kaltem  Wasser  oder  andern  Flüssigkeiten  können  zwar  den 
Austritt  bewirken,  sind  aber  unzuverlässig  und  daher  nicht  zu  empfehlen. 

Körper,  welche  an  dem  Auge  nicht  feststecken,  kann  man  durch 
blosses  Abstreifen  oder  Abwischen  entfernen,  wozu  man  sich  eines  Minialur- 
malerpinsels,  des  zusammengerollten  Endes  eines  Taschentuches  oder  eines 
Leinwandläppchens  bedienen  kann.  Sind  mehrere  fremde  Körper,  Sand, 
Kalk,  Mörtel  u.  s.  w.,  insbesondere  in  dem  gefalteten  Theile  der  Bindehaut 
angehäuft,  so  hebe  man  sie  mit  dem  Daviel'schen  Löffel  heraus.  Beim  un- 
gelöschten Kalk  und  allen  jenen  Substanzen,  deren  ätzende  Wirflfattg  sich 
durch  das  kalte  Wasser  mehr  entfaltet,  vermeide  man  dessen  Anwendung, 
sondern  träufle  bloss  etwas  süsses  Mandelöl  ein.  Härtere  Körper,  welche 
einen  frei  hervorstehenden  Fortsalz  besitzen,  kann  man  mit  einer  kleinen 
Pinzette  herausziehen.  Eisensplitter,  welche  nicht  sehr  fest  stecken,  können 
aus  dem  Auge  durch  die  Anwendung  eines  starken  Magnetes  ausgezogen 
werden.  Diess  gelingt  jedoch  nicht  bei  jenen,  die  in  die  Hornhaut  einge- 
keilt sind.     Solche  können  nur  durch  Ausgraben  entfernt  werden,  wozu 


38 

man  sich  einer  geraden  Beer'schen  Staarnadel  bedient,  deren  Spitze  man 
hinler  den  fremden  Körper  zu  bringen  und  ihn  so  herauszuheben  sucht. 
Dabei  muss  man  die  Vorsicht  anwenden,  dass  man  nicht  die  vordere  Kam- 
mer eröffnet.  Das  Epithel  der  Cornea,  welches  sich  bei  der  Entfernung-  des 
fremden  Körpers  losslreift,  wird  bald  wieder  ersetzt,  und  es  bleibt  sehr  sel- 
ten eine  Trübung  zurück.  Der  Schorf,  welchen  eingeschmolzene  Melall- 
stückchen  zurücklassen,  wird  entweder  zurückgelassen  und  durch  die  Thrii- 
nenflüssigkeit  ausgeschwemmt,  oder  wenn  er  grösser  ist,  gleichfalls  heraus- 
gegraben. Auch  andere  harle  in  der  Cornea  eingekeilte  Körperchen  wer- 
den mit  der  Slaarlanze  entfernt.  Befindet  sich  ein  fremder  Körper  unter 
der  Augapfelbindehaut,  so  soll  man  auf  ihn  einschneiden;  es  gelingt  aber 
nur  schwierig,  denselben  ohne  gleichzeitige  Abtragung  eines  Bindehaul- 
stückchens  zu  entfernen.  Man  fasse  daher  mit  einer  Pinzette  ein  Bindehaut- 
fältchen  zugleich  mit  dem  fremden  Körper  und  trage  es  mit  der  kleinen 
Louis'schen  Scheere  ab.  Sind  Pulverkörner  in  der  Bindehaut  oder  Horn- 
haut vorhanden,  so  suche  man  wenigstens  die  grössern  derselben  mit  der 
Staarnadel  herauszuheben.  Befindet  sich  ein  fremder  Körper  in  der  vor- 
dem Kammer,  oder  steckt  derselbe  in  der  Iris,  so  muss  er  nach  früher  ge- 
machtem angemessen  grossen  Hornhautschnille  mittelst  einer  feinen  Pinzeltc 
herausgezogen  werden.  Die  Exerese  ist  aber  oft  mit  grossen  Schwierig- 
keiten verbunden,  besonders  wenn  der  fremde  Körper  schon  länger  ver- 
weilte. Lässt  man  ihn  im  Auge  zurück,  so  verursacht  er  meistens  eine 
heftige  Ophthalmie,  welche  den  Ruin  des  Auges  herbeiführen  kann.  Steckt 
ein  fremder  Körper  im  Krystallkürper,  so  ist  es  jedenfalls  gerathen,  zugleich 
mit  ihm  die  Linse  zu  extrahiren.  Körper,  welche  durch  die  Sclerotica  ein- 
gedrungen sind  und  aus  derselben  hervorragen,  müssen  nach  einem  ge- 
machten Einschnitte  in  die  Sclera  entfernt  werden.  Auch  hier  ist  die  Exerese 
oft  sehr  schwierig,  wegen  der  Unebenheit  und  scharfen  Ränder  der  hinein- 
gelangten Körper.  Vermuthet  man  einen  fremden  Körper  im  Innern  des  Auges, 
so  ist  das  Handeln  des  Arztes  zuweilen  sehr  erschwert.  Sieht  man  nichts 
von  ihm,  so  stelle  man  die  Prognose  jedenfalls  zweifelhaft  aus  oben  ange- 
gebenen Gründen;  diess  um  so  mehr,  wenn  erneuerte  Entzündungsanfälle 
ohne  Ursache  öfters  eintreten.  Man  könnte  in  solchen  Fällen,  um  dem  Ein- 
tritte einer  heftigen  Neuralgie  vorzubeugen,  die  Spaltung  des  Bulbus  und 
die  Exerese  des  fremden  Körpers  vornehmen;  da  jedoch  auch  diese  Ope- 
ration häufig  die  Atrophie  des  Auges  zur  Folge  hat,  da  es  in  vielen  Fällen 
unmöglich  ist,  den  Sitz  des  fremden  Körpers  zu  bestimmen,  und  da  Fälle 
bekannt  sind,  wo  im  Innern  des  Auges  verlorne  fremde  Körper  die  Integri- 
tät desselben  nicht  gefährdeten,  so  bleibt  bisweilen  nichts  zu  thun  übrig, 
als  ein  exspeetalives  Verfahren. 


30 

Eine  besondere  Vorbereitung-  vor  allen  angeführten  Methoden  zur  Ent- 
fernung fremder  Körper  erfordert  zuweilen  die  Hebung  eines  heftigen  Augen- 
lidkrampfes .durch  örtliche  Anwendung  narcolischer  und  erweichender  Mit- 
tel, und  die  einer  heftigen  Entzündung  durch  Blutegel,  Eisüberschläge  etc. 

Nach  der  Beseitigung  eines  fremden  Körpers  verhalle  sich  der  Kranke 
ruhig,  strenge  sein  Auge  nicht  an,  und  vermeide  Alles,  was  die  Irritation 
desselben  unterhalten  oder  steigern  könnte  (Genuss  von  geistigen  Gelrän- 
ken, anstrengende  Beschäftigung,  Tabakrauchen  u.  dgl.).  In  den  meisten 
Fällen  genügen  kalle  Wasserüberschläge  zur  Beseitigung  der  Reizung.  Hat 
sich  jedoch  schon  eine  äussere  Augenentzündung  gebildet,  so  lasse  man 
einige  Blutegel  appliciren  und  innerlich  den  Salpeter  zu  5  — 10  gran  pro 
dosi  3  —  4stündlich  nehmen.  Verbreitet  sich  die  Entzündung  auf  die  Iris, 
so  tritt  die  Behandlung  derselben  ein.    (Siehe  Iritis.) 

Zu  den  fremden  Körpern  im  Auge  gehören  auch  die  darin  leben- 
den Thiere  aus  niedern  Ordnungen,  Insekten  und  Helminthen. 

Verschiedene  Arten  von  Läusen  kommen  bisweilen  an  den  Cilien 
oder  Supercilien  vor,  welche  durch  ihre  Gegenwart  ein  unerträgliches  Jucken, 
krankhafte  Absonderung  der  Augenliddrüsen  und  selbst  Entzündung  ver- 
anlassen. Sie  werden  durch  die  Bestreichung  mit  Unguentum  Hydrarg. 
einer,  getödtet  und  durch  öftere  Abwaschungen  entfernt. 

Auch  Entozoen  sind  in  menschlichen  und  Thieraugen  beobachtet 
worden  (Larrey,  Baum,  Schott,  Nordmann,  Gescheidt),  und  zwar  uuler  der 
Augapfelbindehaut  die  Filaria  medinensis  und  der  Cysticercus,  in  der  Kry- 
slalllinse  die  Filaria  oculi  humani,  Monostoma  und  Disloma,  in  der  vordem 
Augenkammer  der  Cysticercus  cellulosae.  Solche  Helminthen  werden  durch 
Einschneiden  und  Exlraction  entfernt.  Da  sie  im  Linsensysteme  mit  dessen 
calaractöser  Verdunklung  verbunden  zu  sein  pflegen,  so  indiciren  sie  die 
Staaroperation. 


ZWEITER  ABSCHNITT. 


Phlogosen. 

Die  Mehrzahl  der  am  Auge  und  dessen  Nebentheilen  vorkommenden 
Krankheilen  fällt  der  Klasse  der  Entzündungen  anheim,  so  wie  in  vielen 
Fällen  die  Entzündung-  als  primäres  Leiden,  als  Grundursache  anderer  Ge- 
brechen anzusehen  ist.  Als  Entzündung  bezeichnen  wir  jenen  Zustand  ab- 
normer Ernährung,  welcher  vorzüglich  mit  Capillarhyperaemie  und  Produkl- 
bildung  (Exsudation)  verbunden  ist.  Am  Auge  und  dessen  Nebenorganen 
tritt  die  Entzündung  in  den  verschiedensten  Geweben  und  Gebilden  auf, 
und  ist  entweder  auf  eines  beschränkt  oder  auf  mehrere  derselben  ausge- 
breitet. Sie  durchläuft  hier  wie  in  den  übrigen  Organen  des  Körpers  be- 
stimmte Stadien,  ohne  sie  jedoch  alle  durchmachen  zu  müssen,  und  hat  nach 
Verschiedenheit  der  ergriffenen  Gewebe,  nach  den  Ursachen  und  der  Be- 
schaffenheit des  Körperblutes  verschiedene  Charactere. 

Die  Stadien  der  Entzündung  sind  hier,  wie  überall  das  der  Hyper- 
aemie,  der  Stasis,  der  entzündlichen  Exsudation,  zu  welchen  als  viertes 
Stadium  die  Resorption  des  Ergossenen,  oder  die  weitere  Veränderung  des 
Enlzündungsprodukles  hinzutritt. 

Die  Phaenomene  der  Augenentzündung  (Ophthalmia)  sind  ab- 
hängig von  dem  Stadium  derselben,  von  der  Beschaffenheit  des  ergriffenen 
Gewebes,  von  der  In-  und  Extensität  des  Uebels  und  vom  Zustande  des 
Gesammlorganismus.  Diese  Phänomene  sind  Röthe,  Geschwulst,  erhöhte  Tem- 
peratur, Störung  der  Function  des  ergriffenen  Theiles,  allgemeine  Reaction. 

Schon  im  Stadium  der  Hyperaemie  tritt  die  Röthe  des  entzündeten 
Organs,  durch  Injection  der  Gefässe  bedingt,  hervor,  zeigt  jedoch  nach  dem 
Grade,  der  Ausbreitung-  und  dem  Sitze  der  Entzündung  grosse  Verschieden- 
heiten. In  den  mit  vielen  Gefässen  versehenen  Theilen  ist  sie  sehr  lebhaft, 
hochroth  oder  rosenroth,  netzförmig  oder  gestreift,  gleichmässig  über  das 
entzündele  Gewebe  verbreitet,  oder  stellenweise  auftretend,   gleichsam  ge- 


41 

fleckt.  So  wie  sie  bei  acuter  Hyperaemie  mehr  als  lebhafte,  hellrothe  Fär- 
bung- auftritt,  so  ist  sie  bei  passiver  dunkelroth,  und  zeigt  insbesondere 
stärker  ausgedehnte,  gewundene  Gefässe  (an  der  Bindehaut  die  sogenann- 
ten vasa  abdominalia,  durch  krankhafte  Disposition  der  Gefässe,  wegen  ge- 
hinderten Rückflusses  des  Blutes).  In  beiden  Fällen  hat  die  Röthe  die  inji- 
cirte  Beschaffenheit.  Anders  ist  es  jedoch,  wenn  die  Hyperaemie  oder 
Stase  zur  Berstung  der  Gefässwandungen  und  zum  Austritte  des  Blutes  in 
das  Parenchym  der  Organe  führt;  die  daraus  resullirende  Röthe  ist  gleich- 
massig  dunkel  oder  purpurroth  und  zeigt  nirgends  injicirle  Gefässe  (Sugil- 
lation,  Ecchymosis).  Einzelne  Gewebe  des  Augapfels  färben  sich  im  entzün- 
deten Zustande  nicht  roth,  sondern  verändern  entweder  ihre  normale  Fär- 
bung, wie  z.  B.  die  Iris,  oder  sie  verlieren,  was  von  durchsichtigen  Gebilden 
(Cornea)  gilt,  ihren  normalen  Glanz  und  ihre  Durchsichtigkeit,  werden  daher 
matt  und  in  verschiedenem  Grade  getrübt. 

Bei  der  Stasi  s  tritt  Exsudation  von  Blutserum  und  demnach  seröse 
oder  blutig-seröse  Durchfeuchtung  des  Gewebes  mit  Abnahme  der  Con- 
sistenz  desselben  ein.  Ein  Merkmal  der  Stasis  ist  daher  die  Geschwulst, 
welche  noch  mehr  bei  der  eigentlichen  Exsudation  durch  Infiltration  des 
Gewebes  mit  gerinnfähigen  Stoffen  hervortritt.  So  wie  die  Röthe,  so  isl 
auch  das  zweite  Entzündungssymptom,  die  Anschwellung,  an  den  verschie- 
denen Gebilden  des  Auges  sehr  verschieden.  Während  manche  Gewebe, 
fibröse  Häute,  Cornea  etc.  fast  keine  sichtbare  Anschwellung  zulassen,  er- 
reicht sie  in  lockern  Geweben  (Conjunctiva,  Augenlidern,  Drüsen  etc.)  oft 
einen  sehr  hohen  Grad.  Die  Geschwulst  ist  entweder  gespannt  oder  schlaff, 
was  von  der  Straffheit  oder  Laxität  der  darüber  gespannten  Bedeckun- 
gen abhängt. 

Erhöhte  Temperatur  wird  am  Auge  nur  bei  bedeutenderen  Ent- 
zündungen äusserer  Theile,  namentlich  der  Augenlider  und  der  Conjunc- 
tiva objeetiv  wahrgenommen,  subjeetiv  aber  meistens  vom  Kranken  als 
Gefühl  von  Wärme  oder  Hitze  angegeben. 

So  ist  auch  der  Schmerz  als  Entzündungssymptom  sehr  verschie- 
den; er  fehlt  bisweilen  ganz,  wird  nur  als  Gefühl  von  Druck  und  Völle, 
als  leichtes  Brennen  und  Jucken  bezeichnet,  oder  er  ist  sehr  heftig,  und 
verschieden  nach  Art,  Dauer,  Sitz,  Ausstrahlung  und  Zeit  des  Auftretens. 
Je  dichter  der  Bau  des  erkrankten  Organes,  je  reichlicher  es  mit  sensiblen 
Nerven  versehen  ist,  desto  stärker  ist  in  der  Regel  der  Schmerz.  Er  tritt 
entweder  primär  gleich  im  Anfange  der  Entzündung  durch  Reizung  der 
Nervenzweige  auf,  oder  seeundär  durch  Spannung  und  Druck  von  Seite 
der  Exsudate.  Eine  besondere  Art  des  Schmerzes  ist  der  bei  Augenenl- 
zündungen  so  häufige  Lichlschmerz,  Lichtscheu  (Photophobie),  welcher 


Vi 

durch  Affection  der  Ciliarnerven  hervorgerufen  wird,  daher  vorzüglich  bei 
gesteigerter  Empfindlichkeit  des  Nervensystems  (bei  geschwächten,  scrofu- 
lösen  Individuen),  bei  Entzündungen  der  Cornea,  Iris,  des  Ciliarkörpers, 
bei  Hyperaesthesie  des  ramus  ophthalmicus  paris  V.  auftritt.  Als  Reflex- 
symplom  der  Lichtscheu  ist  verstärkte  Thränensecretion  (Thränenfluss)  und 
krampfhafte  Contraclion  des  Orbikularmuskels  zu  betrachten. 

Was  die  Function  des  entzündeten  Organs  betrifft,  so  wird 
dieselbe  mehr  oder  minder  gestört  oder  ganz  aufgehoben.  Namentlich  ist 
das  Sehvermögen  bei  Ophthalmien  entweder  gar  nicht  gestört  oder  in  ver- 
schiedenem Grade  beeinträchtigt  oder  selbst  ganz  aufgehoben.  Ist  das  Or- 
gan ein  secernirendes,  z.  B.  eine  Membran,  so  verändert  sich  Anfangs  die 
Secretion  so,  dass  der  hyperaemische  Theil  meistens  trockener  erscheint 
in  der  Stasis  tritt  ein  Secret  auf  die  freie  Fläche  der  Haut  oder  in  die  Aus- 
führungsgänge des  secernirenden  Parenchyms;  mit  dem  Eintritte  der  Exsu- 
dation ändert  sich  das  normale  Secret  vollständig  und  erscheint  oft  viel 
reichlicher  als  pathologisches  Produkt. 

Das  Fieber  fehlt  in  der  Mehrzahl  der  Augenentzündungen  und  be- 
gleitet in  der  Regel  nur  die  höhern  Grade  derselben  oder  die  wichtiger 
Gebilde  namentlich  bei  sehr  sensiblen  Individuen.  Die  Exacerbationen 
treten  nach  Verschiedenheit  der  Entzündung  entweder  Abends,  in  der 
Nacht  oder  am  Morgen  ein. 

Auf  die  Beschaffenheit  und  weitere  Veränderung  der  Exsudate  haben 
zunächst  der  Grad  und  Verlauf  der  Entzündung,  die  Beschaffenheit  des 
Blutes  und  der  Kiäflezustand  des  Individuums  Einfluss.  Verschieden  sind 
demnach  die  Ausgänge  der  Entzündungen.  Als  diese  sind  zu 
erwähnen: 

1.  Der  Ausgang  in  Genesung  erfolgt  durch  Resorption  der  Ent- 
zündungsproducte.    Leichter  werden  Exsudate   mit   überwiegendem  Serum 

orbirt;  die  Resorption  eines  geronnenen  Exsudates  setzt  eine  Ver- 
flüssigung desselben  voraus.  Tritt  die  Resorption  nur  theilweise  ein,  so 
bleibt  ein  Theil  des  Entzündungsprodukles  zurück  und  setzt  Verdickung 
und  Hypertrophie  des  Gewebes. 

2.  Die  Organisation  der  Entzündungsprodukte  hat  ver- 
schiedene Folgen.  Am  leichtesten  erfolgt  sie  bei  Exsudaten  mit  überwie- 
gendem Faserstoffe  und  wenn  die  Entzündungsprodukte  mit  dem  lebenden 
Körper  oder  Theilen  desselben  in  Contact  sind.  Am  Auge  ergeben  sich 
dadurch  Verdickungen  der  Gewebe,  Trübungen  durchsichtiger  Gebilde, 
Adhaesionen  und  Verwachsungen,  Verschliessungen  von  Oeffnungen  und 
Kanälen,  Maceration  und  Atrophie  der  Gewebe  durch  Einwirkung  der 
Exsudate  auf  dieselben. 


43 

3.  Albuminöse  und  faserstoffige  Exsudate  können  zu  Eiter  zerfallen. 
Am  leichtesten  tritt  die  Eiterung-  am  Augapfel  in  lockern  Geweben,  im 
Zellgewebe,  in  der  Bindehaut  ein.  Erfolgt  nach  dem  Ablaufe  der  Entzün- 
dung die  Auflösung  der  Eiterkörperchen  gleichzeitig  mit  der  Resorption  des 
flüssigen  Exsudates,  so  tritt  eine  (secundäre)  Zerlheilung  ein. 

4.  Der  Ausgang  in  Verse hwärung  (V Iceration)  findet  dann  Statt, 
wenn  die  Exsudation  an  der  Oberfläche  eines  Organs  zu  Subslanzverlust 
und  successiver  flüssiger  Abstossung  des  Gewebes  führt.  Man  beobachtet 
sie  an  den  Augenlidern,  der  Bindehaut  und  Hornhaut. 

5.  Der  Ausgang  in  Er  weichung  (Malacie)  erfolgt,  wenn  die  Ge- 
webe in  eine  weiche,  breiartige  Masse  umgewandelt  werden,  in  welcher 
man,  bei  höherem  Grade,  nur  eine  feinkörnige  Substanz  findet. 

6.  Der  Ausgang  in  Brand  ist  selten  und  gewöhnlich  nur  an  äussern 
Gebilden  zu  beobachten ;  er  tritt  da  ein,  wo  eine  vollständige  Blutleere, 
und  dadurch  Aufhebung  der  Ernährung  herbeigeführt  wird,  was  nur  bei 
sehr  hohem  Grade  der  Entzündung  oder  bei  örtlicher  oder  allgemeiner  Er- 
schöpfung der  Nervenkraft  geschieht. 

Man  theilt  die  Augenentzündungen  ein : 

1.  Nach  dem  ergriffenen  Gewebe:  in  die  Entzündung  der 
Augenlider,  der  Thränenorgane,  der  verschiedenen  Partien  der  Orbita,  des 
Augapfels.  An  letzterem  unterscheidet  man  die  Entzündung  der  Bindehaut, 
der  Hornhaut,  der  Iris,  des  Ciliarkörpers,  der  Choroidea,  der  Netzhaut,  der 
Sclerotica.  Sehr  häufig  ergreift  die  Entzündung  gleichzeitig  tmehrere 
Gewebe,  oder  sie  hat  ihren  Sitz  in  allen  Theilen  des  Augapfels  (Panoph- 
thalmitis). 

2.  Nach  dem  Charakter  unterscheidet  man  Entzündungsformen 
mit  phlegmonösem,  erethischem  und  torpidem  Charakter. 

3  Nach  dem  Verlaufe  acute  und  chronische  Entzündungen.  Bei 
geschwächten  Individuen  oder  Augen  zieht  sich  eine  Entzündung  häufig 
in  die  Länge.  Kleinere,  öfters  auftretende  Exsudationen  gewähren  oft  das 
Bild  der  chronischen  Entzündung;  man  findet  daher  auch  Produkte  von 
verschiedenem  Alter  und  meistens  erweiterte  Gefässe.  Die  chronische  Ent- 
zündung hat  weniger  Neigung  zur  Eiterung,  als  zur  Organisation  der 
Exsudate. 

4.  Manche  Entzündungen  äussern   einen  förmlich  typischen  Verlauf. 

5.  Nach  den  Ursachen  unterscheidet  man  reine  und  speeifische 
Entzündungen  ;  letztere  treten  vorzüglich  auf,  wenn  constitutionelle  Er- 
krankungen des  Körpers  einwirken,  und  haben  eigenthümliche  Charaktere. 
Hieher  gehören  gewissermassen  auch  die  durch  Contagien  bedingten 
Entzündungen. 


44 

Zahlreich  sind  die  Ursachen  der  Augenentzün düngen.  Sie 
sind  entweder  praedisponirende  oder  Gelegenheitsursachen.  Zu  den  erste- 
ren  gehören  Einflüsse,  welche  das  Auge  zur  Einwirkung  gewisser  Schäd- 
lichkeiten auf  dasselbe  empfänglicher  machen,  z.  B.  eine  zu  grosse  Em- 
pfindlichkeit der  Augen,  Blutandrang  zum  Kopfe  und  zu  den  Augen,  über- 
mässige Anstrengung  derselben,  und  mancherlei  Krankheiten  des  Körpers 
oder  einzelner  Organe. 

Zu  den  Gelegenheitsursachen  gehören  mechanische  oder  chemische 
Beleidigungen  des  Auges,  das  Eindringen  fremder  Körper,  die  Einwirkung 
zu  grellen  Lichtes,  von  Rauch,  Gasarten  oder  andern  schädlichen  Beimen- 
gungen der  Atmosphäre,  fehlerhafte  Lage  der  Augenlider,  abnorme  Rich- 
tung der  Cilien,  schneller  Wechsel  der  Witterungsverhältnisse,  die  Einwir- 
kung der  Zugluft,  zu  grosse  Anstrengung  der  Augen,  Missbrauch  von 
Brillen  und  Fernröhren,  Diälfehler,  zu  häufiger  Genuss  geistiger  Getränke, 
mancherlei  Gemüthszustände,  lange  fortgesetztes  Weinen,  die  Unterdrückung 
von  Blutflüssen  oder  andern  Secretionen,  Krankheiten  der  in  der  Nähe  der 
Augen  gelegenen  Organe,  allgemeine  Krankheiten  des  Körpers,  endlich  die 
Einwirkung  von  Contagien. 

Die  Prognose  richtet  sich  im  Allgemeinen  nach  der  Wichtigkeit 
der  ergriffenen  Gebilde,  nach  dem  Grade  der  Heftigkeit,  der  Ausbreitung 
und  Complication  der  Entzündung,  nach  der  Art  der  einwirkenden  Ursachen, 
nach  dem  Alter,  der  Constitution  des  Kranken  und  nach  dessen  hygieni- 
schen Verhältnissen. 

Hinsichtlich  der  Behandlung  der  Augenentzündung  gilt  im  Allge- 
meinen Folgendes : 

Eine  der  ersten  und  wichtigsten  Indicationen  ist  die  Entfernung 
der  Ursachen,  weil  dadurch  nicht  selten  die  Entzündung  gänzlich  geho- 
ben, oder  deren  weitere  Entwicklung  gehemmt  wird.  Fremde  Körper 
müssen  entfernt,  einwärtsgekehrte  Cilien  beseitigt,  unterdrückte  Secretionen 
wo  möglich  wieder  hervorgerufen  werden.  Zugleich  muss  Alles  beseitigt 
werden,  was  das  entzündete  Auge  reizen  könnte.  Hieher  gehört  vor  Allem 
die  Mässigung  des  Lichteinflusses.  Diess  geschieht  theils  durch 
Verdunklung  des  Zimmers,  theils  durch  Bedeckung  des  Auges  mit  einem 
doppellzusammengelegten  Leinwandläppchen,  durch  Beschattung  desselben 
mit  einem  Schirme.  Jedes  Gegenlicht  oder  Lichtreflex  ist  nachtheilig. 
Schädlich  ist  auch  das  Verbinden  der  Augen  mit  dicken  wollenen  oder 
leinenen  Tüchern.  So  sehr  der  Einfluss  des  Lichtes,  namentlich  bei  stär- 
kerer Empfindlichkeit  der  Augen  gemässigt  werden  muss,  so  glaube  man 
ja  nicht,  durch  absolute  Entziehung  dieses  für  das  gesunde  Auge  adaequa- 
ten  Reizes    die  Entzündung    zu  brechen    oder  namentlich  die  Lichtscheu 


45 

heben  zu  können;  im  Gegentheile  sieht  man  sie  dadurch  oft  zunehmen. 
So  ist  auch  beim  Gebrauche  mattblauer  oder  grauer  Gläser  die  Vorsicht  zu 
beobachten,  dass  sie  der  Kranke  nur  bei  übermässiger  Empfindlichkeit  gegen 
den  normalen  Lichleinfluss,  bei  geringer  oder  schon  beseitigter  Entzündung 
trage,  und  auch  dann  nicht  fortwährend,  sondern  nur  im  stärkern  Lichte, 
und  sich  niemals  ihrer  zu  Verrichtungen  bediene,  weil  nach  zu  anhaltendem 
oder  zu  lange  fortgesetztem  Gebrauche  solcher  Brillen  nicht  selten  eine  kaum 
zu  bewältigende  Empfindlichkeit  zurückbleibt*). 

Das  Verwenden  der  Augen  zum  Lesen,  Schreiben  oder  andern  Be- 
schäftigungen ist  strenge  zu  untersagen;  ebenso  hüte  sich  der  Kranke  vor 
der  Einwirkung  von  Rauch  und  Staub,  gehe  daher,  wenn  er  schon  der 
Entzündung  wegen  nicht  stets  das  Zimmer  zu  hüten  braucht,  nicht  bei  stär- 
kerem Winde  aus. 

Diät  und  Regimen  ist,  wie  bei  andern  Entzündungen,  dem  Grade  der- 
selben, so  wie  der  Wichtigkeit  des  ergriffenen  Gebildes  angemessen,  an- 
zuordnen. Bei  allen  Augenentzündungen  ist,  um  einem  Blutandrange  gegen 
den  Kopf  vorzubeugen,  auf  die  gehörige  Stuhlenlleerung  Rücksicht  zu  neh- 
men, und  diese,  falls  sie  stocken  sollte,  durch  Eccoprotica  zu  befördern. 

Die  Beseitigung  der  Entzündung  fordert  die  Anwendung  der  soge- 
nannten Anliphlogistica.  Hieher  gehören  vor  Allem  Blutentleerungen. 
Nur  selten  ist  bei  Augenentzündungen  eine  allgemeine  Blutentleerung  ge- 
boten. Oertliche  Blulentziehungen  bewirkt  man,  wo  sie  nöthig  sind,  durch 
Anlegung  von  Blutegeln  oder  Schröpfköpfen.  Erslere  dürfen  nie  in  zu 
grosser  Nähe  des  leidenden  Auges,  geschweige  denn  auf  die  Lider  selbst 
applicirt  werden  ;  sie  verursachen  sonst  heftige  Reizung,  Anschwellungen 
und  Ecchymosen.  Die  passendste  Stelle  ist  die  hinter  dem  Winkel  des  Un- 
terkiefers, oder  die  Schläfengegend,  in  besondern  Fällen  das  seplum  narium. 
Schröpfköpfe  werden  nach  Umständen  im  Nacken,  zwischen  den  Schultern, 
in  der  Lenden-  und  Kreuzbeingegend  applicirt. 

Kalte  Ueberschläge  werden  zweckmässig  im  Anfange  der  Ent- 
zündungen vor  noch  geschehener  Exsudation  und  besonders  bei  Entzün- 


*)  Die  Vorhänge  sollen  von  einem  dunklen  Stoffe  gearbeitet  sein,  allseitig 
gut  schliessen,  durch  den  Wind  nicht  bewegt  werden,  und  besonders  das  untere 
horizontal  einfallende,  nicht  das  von  oben  kommende  Licht  beschränken.  Die 
billigsten  und  zweckmässigsten  Augenschirme  werden  aus  dünnem  Kartenpapier, 
welches  mit  grünem  Papier  überzogen  ist,  und  an  deren  Enden  schmale  Bänd- 
chen angenäht  werden,  verfertigt.  Seidenschirme,  besonders  die  mit  Draht  ver- 
sehenen, sind,  da  sie  auf  den  Kopf  drücken,  und  keine  zweckmässige  Biegung 
haben,  nicht  zu  billigen. 


4C 

düngen  äusserer  Gebilde  angewendet.  Nicht  bei  allen  Entzündungsformen 
jedoch  werden  sie  vertragen.  Sollen  sie  wirksam  sein,  so  dürfen  die  Ueber- 
schläge  nicht  zu  schwer  und  nicht  zu  nass  sein,  daher  sie  schnell  ausge- 
drückt werden  müssen  ;  sie  dürfen  nicht  länger  aufliegen,  als  sie  das  Gefühl 
von  Kälte  erregen,  müssen  daher  sorgfältig  gewechselt  werden,  und  zwar 
um  so  öfter,  je  rascher  die  Wärmeentwicklung  stattfindet.  Man  richte  sich 
bei  der  Anwendung  der  Kälte  nach  dem  Gefühle  der  Erleichterung  oder 
Unbehaglichkeit,  welches  sie  dem  Kranken  verursacht. 

Die  Ableitungen  auf  die  Haut  durch  reizende  Pflaster  und  Sal- 
ben werden  nur  nach  bereits  gebrochener  Heftigkeit  der  Entzündung  Vor- 
theil  bringen.  Es  wird  in  dieser  Beziehung  viel  Missbrauch  getrieben,  und 
besonders,  wenn  derlei  Revulsionsmittel  in  zu  grosse  Nähe  des  Auges,  zu 
frühzeitig  oder  zu  häufig  applicirt  werden,  durch  Irritation  der  Hautnerven 
die  Reizung  im  entzündeten  Auge  sehr  vermehrt.  Am  meisten  leisten  sie 
noch  bei  hartnäckigen,  chronischen  Entzündungen  torpider  Subjecte.  Die 
passendsten  Stellen  sind  die  hintere  Ohrgegend,  die  Nackengrube,  der 
Oberarm,  die  vorher  geschorne  Scheitelgegend.  Man  wendet  zu  diesem 
Zwecke  gewöhnliche  Vesicatore,  die  Resina  Elemi,  das  Unq.  Authenriethi, 
ein  Pflaster  aus  Tart.  emet.  mit  Mezereum,  das  Fontanell,  in  sehr  seltenen 
Fällen  das  Haarseil  im  Nacken  an. 

Die  Anwendung  örtlicher  Mittel  auf  das  Auge  ist  sehr  ver- 
schieden nach  dem  Charakter  der  Entzündung,  so  wie  nach  der  Beschaffen- 
heit der  entzündeten  Gebilde.  Es  werden  nach  Umständen  erweichende, 
schmerzstillende,  zusammenziehende,  lösende,  reizende  oder  ätzende  Mittel 
in  Anwendung  gebracht.  Die  Form  ist  theils  die  flüssige  (Augenwässer), 
womit  enlweder  Bähungen  des  Auges  vorgenommen  werden,  oder  die  man 
zwischen  die  Lider  einträufelt;  theils  die  Salbenform,  theils  die  Pulverform. 
Bei  den  Augenwässern  genügt  es,  eine  Colatur  von  zwei  Unzen,  bei  den 
Tropfwässern  selbst  eine  Colatur  von  einer  Unze  zu  verschreiben ;  bei  den 
Salben,  wobei  man  als  Excipiens  das  ung.  comm.  oder  ung.  rosatum,  oder 
butyr.  rec.  in  suis,  wählt,  verordne  man  nie  mehr  als  1  oder  2  Drachmen, 
weil  sonst  die  Salben  leicht  verderben.  Zur  Anwendung  der  Augen- 
dusche kann  man  sich  eines  Blechkastens,  4  bis  6  Mass  Wasser  haltend 
und  mit  einem  etwa  3  Schuh  langen  Rohre  versehen,  das  mit  einem  Ventile 
versehen,  nach  unten  in  einen  elastischen  Schlauch  ausläuft,  bedienen. 
Die  Brause  zu  Ende  sei  etwa  Thalergross,  plan,  nicht  gewölbt,  dass  ein 
Wasserkegel  hervorgehe. 

Sehr   wichtig   ist    die  symptomatische    Behandlung,  da  der 
Berücksichtigung   und  Beseitigung  einzelner  Symptome    öfters    noch    der 


47 

Gebrauch  eines  Auges  zu  danken  ist.  Hieher  gehören  vor  Allem  die  Be- 
schaffenheit der  Pupille,  das  Vorhandensein  von  Hornhautgeschwüren,  von 
Vorfall  der  Iris ,  die  Gegenwart  heftiger  Schmerzen ,  Lichtscheu  und 
Lidkrampf. 

I.  Entzündungen  der  Augenlider. 

Die  Entzündung  der  Augenlider  tritt  nach  dem  Sitze  derselben  in 
den  verschiedenen  Geweben  auch  in  mancherlei  Formen  auf.  Da  die 
Entzündung  der  Lidbindehaut  bei  den  Entzündungen  der  Conjunctiva 
besprochen  wird ,  so  haben  wir  hier  die  Entzündung  der  äussern  Haut, 
des  subcutanen  Zellstoffes  und  die  des  Drüsenapparates  abzuhandeln. 

1.  Die  Entzündung  der  Lid  haut  ist  entweder  nur  oberflächlich, 
und  hat  dann  den  erysipelatösen  Charakter,  oder  sie  hat  ihren  Sitz  nebst 
der  Haut  auch  im  Unterhautzellgewebe  und  tritt  sodann  als  phlegmonöse 
Entzündung  auf. 

a.  Der  Augenlidrothlauf  (Erysipelas  palpebrarum,  Blepharitis 
crysipelatosa)  kommt  entweder  in  Begleitung  des  Gesichlsrothlaufes  oder 
für  sich  allein  vor.  Die  Erscheinungen  bei  dieser  Krankheit  sind  blasse, 
glänzende,  diffuse  Röthe,  seröse  Exsudation  unter  das  Epithelium  der  Lid- 
haut, wodurch  eine  so  beträchtliche  Geschwulst  des  betroffenen  Lides  ent- 
steht, dass  der  Kranke  es  zu  bewegen  nicht  mehr  im  Stande  ist.  Am  be- 
deutendsten ist  die  Anschwellung  jederzeit  im  obern  Lide,  welches  das 
untere  gänzlich  überragt,  sodass  bei  oberflächlicher  Betrachtung  der  Zu- 
stand für  eine  hochgradige  Blennorrhoe  imponiren  könnte.  Die  Geschwulst 
ist  teigig,  der  Fingerdruck  hinterlässt  einen  Eindruck.  Die  Conjunctiva 
secernirt  eine  dünne,  schleimige  Flüssigkeit,  welche  sich  an  der  Lidspalte 
anhäuft.  Die  subjectiven  Empfindungen  bestehen  in  einem  Gefühl  von 
grösserer  Spannung,  von  Jucken,  Brennen  und  erhöhter  Wärme  in  den 
afficirten  Theilen.  Das  Erysipel  befällt  entweder  nur  ein  Lid,  oder,  wa? 
für  die  Mehrzahl  der  Fälle  gilt,  beide  zugleich. 

Der  Rothlauf  der  Augenlider  ist  entweder  idiopathisch,  und  in  diesem 
Falle  geben  Verkühlungen,  Reizungen  der  äussern  Lidfläche  durch  fremde 
Körper,  z.  B.  Insektenstiche,  oder  der  Gesichtsrothlauf  zur  Entstehung  des 
Leidens  Veranlassung.  Oder  er  tritt  als  sympathischer  bei  heftigen  Ent- 
zündungen der  Conjunctiva,  insbesondere  aber  bei  Entzündungen  und 
Eiterungen  in  der  Tiefe  der  Orbila  (Periorbitis ,  Orbitalempyem ,  Caries  der 
Orbita  u.  s.  w.)  auf,  und  gewinnt  dann  eine  höhere  Bedeutung.  Den  idio- 
pathischen, so  wie  auch  den  sympathischen  Augenlidrothlauf  begleitet  häu- 
fig ein  gastrischer  Zustand. 


48 

Die  Krankheit  endet  in  vollkommene  Zcrlheilung,  welche,  wie  das 
Gesichtserysipel ,  unter  Abschürfung-  des  Epithels  eintritt,  oder  es  bleibt 
eine  Induration  (Sclerose)  des  Zellgewebes,  oder  eine  Infiltration  dessel- 
ben mit  Serum  (Oedema  frigidum)  zurück.  Letzterer  Zustand  tritt  in  höherem 
Grade  bisweilen  nach  mehreren  Rückfällen  des  Erysipels  ein  ,  und  verur- 
sacht dann  eine  bedeutende,  unförmliche,  sackförmige  Wulslung  beider 
Lider,  welche  mit  dem  Namen  Pladaroma  palpebrarum  bezeichnet  wird. 
Bisweilen  tritt  Eiterung*  ein  ,  und  bei  sehr  hohem  Grade  der  Entzündung 
und  unzweckmässiger  Behandlung  kann  selbst  Brand  erfolgen  ,  welcher 
durch  die  namhafte  Zerstörung"  einzelner  Parthien  des  Augenlides  jene 
Formfehler  herbeiführen  kann,  welche  überhaupt  durch  Substanzverlust 
bedingt  werden. 

Die  Prognose  ist  beim  idiopathischen  Erysipel  eine  günstige,  bei  dem 
sympathischen  hängt  die  Stellung  derselben  von  der  Art  des  zu  Grunde 
liegenden  Uebels  ab. 

In  den  meisten  Fällen  genügt  die  örtliche  Anwendung  trockener 
Wärme  zur  Hebung  des  Uebels.  Wo  man  es  für  zuträglich  erachtet,  kann 
man  ein  leichtes  Purgirmittel  oder  ein  gelindes  Solvens  (Decoctum  Taraxaci) 
reichen.  Tritt  Eiterung  ein,  so  sind  erweichende  Umschläge  anzuwenden. 
War  das  Erysipel  durch  die  Gegenwart  eines  fremden  Körpers,  z.  B.  eines 
Insektenstachels  bedingt,  so  muss  derselbe  vor  Allem  entfernt  werden. 
Bei  Abnahme  der  Anschwellung  und  beginnender  Abschilferung  kann  die 
Aqua  saturnina  lauwarm  angewendet  werden.  Gegen  ein  zurückbleiben- 
des Oedem  der  Lider  empfiehlt  man  trockene,  erwärmte,  aromatische  oder 
selbst  mit  Kampher  bestrichene  Kräutersäckchen  (aus  Flor,  sambuci,  cha- 
momill.cet.  bereitet),  bei  Induration  des  Zellgewebes  die  länger  fortgesetzte 
Einreibung  der  grauen  Salbe.  Bei  sehr  voluminöser  Geschwulst  der  Augen- 
lider (Pladaroma)  kann  auch  die  Abtragung  einer  Partie  mit  dem  Messer 
und  die  nachherige  Vereinigung  der  Wundränder  nöthig  werden. 

b.  An  der  äussern  Lidhaul  treten  auch  manche  Ausschlagsformen 
auf,  unter  welchen  das  Augenlidekzem  (crusta  lactea  palpebrarum)  am 
häufigsten  vorkommt.  Es  tritt  sehr  häufig  in  Verbindung  mit  ähnlichen 
Ausschlägen  am  Kopf  und  Gesichte  auf.  Es  bilden  sich  Bläschen,  welche 
eine  gelbliche  Feuchtigkeit  enthalten,  die  an  der  atmosphärischen  Luft  bald 
zuKrusten  vertrocknet;  das  Secrel  hat  ätzende  Eigenschaften,  und  exeoriirt 
daher  meistens  alle  zwischen  den  Bläschen  noch  übrigen  Haulstellen,  wo- 
durch das  ganze  Lid  bisweilen  zu  einer  Geschwürsfläche  umgewandelt 
wird.  Sehr  häufig  gesellt  sich  eine  Entzündung  der  Augenliddrüsen  hinzu, 
sowie  sich  das  Ekzem  der  Lider  nicht  selten  mit  Syndesmilis  oder  Keratitis 
pustulosa  combinirt.      Am  häufigsten  kommt  das  Uebel  bei  schwächlichen, 


49 

scrofulösen  Kindern,  und  bei  Individuen  vor,  die  in  unreiner  Atmosphäre 
leben.  Gehörige  Reinigung"  der  Lider,  Bähungen  mit  lauer  Milch  oder 
einem  Decoctum  herbae  malvae  oder  herbae  jaceae,  die  Verabreichung  eines 
Purgans  und  in  hartnäckigeren  Fällen  die  Anwendung  des  weissen  Prae- 
cipitats  in  Salbenform,  4  Gran  auf  2  Drachmen  Fett,  genügen  meistens 
zur  Heilung. 

c.  Die  Entzündung  des  Zellgewebes  der  Augenlider  führt  den  Namen 
Blepharitis  phlegmonosa,  Phlegmone  palpebrarum.  Sie  kommt  sowohl  am 
obern,  als  am  untern  Augenlide  vor,  an  dem  erstem  gewöhnlich  in  der 
Nähe  des  Orbitalrandes,  an  dem  letztern  in  der  Gegend  des  Thränensackes. 
Es  erscheint  eine  dunkelrothe,  harte,  heisse ,  bei  der  Berührung  schmerz- 
hafte, mehr  oder  minder  begränzte  Anschwellung  von  Haselnuss-  bis  Wall- 
nussgrösse.  Die  Röthe  der  Haut  verbreitet  sich  etwas  über  die  Geschwulst 
hinaus.  Bisweilen  treten  leichte  Fieberbewegungen  dazu,  die  Bewegung 
des  Augenlides  ist  aufgehoben  oder  sehr  erschwert. 

Die  Phlegmone  palpebrarum  ist  meistentheils  Folge  einer  vorausge- 
gangenen Verletzung  der  Augenlieder.  In  selteneren  Fällen  tritt  sie  als 
Metastase  nach  einer  acuten,  fieberhaften  Krankheit  auf. 

Der  Ausgang  in  Zertheilung  erfolgt  ziemlich  selten  ;  bisweilen  gelingt 
es  noch  denselben  herbeizuführen ,  wenn  man  gleich  im  Beginne  der 
Krankheit  strenge  Anliphlogose,  örtliche  Blutentziehungen,  Eisüberschläge 
in  Anwendung  bringt  und  nebenbei  ein  Purgans  reicht.  Nach  heftigen 
traumatischen  Einwirkungen  ist  dieses  Verfahren  insbesondere  zu  empfeh- 
len. Es  bildet  sich  unter  denselben  Erscheinungen,  wie  an  anderen  Stellen 
des  Körpers  ein  Abscess ,  dessen  Reife  sich  durch  bläulichrothe  Färbung 
der  Haut,  Flucluation  der  Geschwulst,  und  meistens  einen  gelblichen  Punkt 
an  der  Spitze  der  Anschwellung  kund  gibt.  Ist  Eiterung  bereits  eingetre- 
ten, so  befördert  man  die  Reife  des  Abscesses  durch  Anwendung  von 
Cataplasmen.  Sobald  die  Fluctuation  deutlich  ist,  eröffne  man  den  Abscess 
mit  einer  Lanzette  oder  einem  Bisturie,  wobei  man  der  Richtung  der  Fasern 
des  Orbicularmuskels  folgt.  Nach  der  Entleerung  des  Eiters  reinigt  man 
den  Theil  mit  lauem  Wasser,  und  wendet  noch  so  lange  Cataplasmen  an, 
als  im  Umkreise  des  Abscesses  noch  eine  Härte  wahrzunehmen  ist.  Nach 
heftiger  Phlegmone  mit  beträchtlicher  Eiterung  bleibt  das  Augenlid  bis- 
weilen verdickt  (durch  Infiltration  des  Zellgewebes) ,  schwerer  beweglich, 
und  das  obere  hängt  mehr  über  den  Bulbus  herab,  es  ist  ein  geringer  Grad 
von  Blepharoplosis  vorhanden.  Man  wendet  dagegen  die  Einreibung  der 
grauen  Quecksilbersalbe,  oder  geistiger  Tincturen  (Spir.  lavand.,  saponat.)  an. 
Der  Ausgang  in  Brand  ist  ziemlich  seilen  ,  und  bei  zweckmässiger 
Behandlung  der  Entzündung  wohl  kaum  zu  fürchten.      Tritt  derselbe  ein, 

Meyr,  Augenheilkunde.  4 


50 

so  sieht  man  an  der  bläulichrolhen  oder  violetten  Fläche  des  Augenlides 
einige  kleine  mit  rölhlicher  Flüssigkeit  gefüllte  Blasen,  und  einige  oder 
mehrere  dunkelrothe  Flecken,  welche  in  einander  fliessen ,  bei  der  Berüh- 
rung unempfindlich  sind,  worauf  sich  die  brandige  Zerstörung  oft  schnell 
über  das  ganze  Augenlid  verbreitet.  Der  Kranke  fiebert ,  sein  Puls  ist 
klein  und  schwach.  Bei  bedeutender  Anschwellung  und  Turgescenz  des 
Gefässsystems  muss  man  örtliche  Blutentleerungen  und  erweichende  Cata- 
plasmen  in  Anwendung  bringen,  so  lange  als  der  Kranke  noch  Schmerzen 
empfindet.  Wenn  sich  jedoch  die  brandige  Zerstörung  weiter  ausbreitet, 
sucht  man  ihr  durch  innerlich  und  äusserlich  angewendete  Stimulantia  Ein- 
halt zu  thun.  Zu  diesem  Zwecke  passen  innerlich  der  Calamus  aromaticus, 
die  Mineralsäuren,  die  China.  Aeusserlich  formentirt  man  mit  Infusum  Cha- 
momillae,  mit  Aqua  saturnina  oder  einer  Lösung  von  Acetas  plumbi.  Bei 
grossem  Substanzverlusl  und  Conlraction  des  Gewebes  sind  jedoch  örtliche, 
erweichende  Mittel  vorzuziehen.  Beträchtliche  Zerstörungen  der  Augen- 
lider haben  mancherlei  Formfehler  zur  Folge  ,  nämlich  Verkürzung  der 
Augenlider  und  dadurch  bedingten  Lagophthalmus,  Ectropium  durch  narbige 
Verkürzung  der  Haut,  Colobom  des  obern  Augenlides,  Verwachsung  und 
Obliteration  der  Thränenkanälchen  und  dadurch  verursachtes  Thränen- 
träufeln. 

An  den  Augenlidern  kommt  auch  bisweilen  der  Carbunkel  oder  die 
Pustula  maligna  vor.  Die  Pustula  maligna  ist  eine  Affection  von  entzünd- 
licher und  gangraenöser  Beschaffenheit,  bedingt  durch  die  Einwirkung 
eines  eigentümlichen  von  Thieren  herstammenden  Giftstoffes  auf  eine 
Stelle  des  Organismus;  Anfangs  eine  bloss  örtliche  Krankheit  zieht  sie 
jedoch  bald  allgemeine,  sehr  schwere  Krankheitserscheinungen  nach  sich. 
Das  carbunkulöse  Princip  behält  seine  Kraft  selbst  noch  längere  Zeit  nach 
dem  Tode  des  Thieres,  welches  davon  befallen  war.  Man  hat  Beispiele, 
dass  Rolhgärber,  welche  die  Häute  solcher  Thiere  längere  Zeit  nach  deren 
Tode  bearbeiteten ,  von  dem  Gifte  noch  inficirt  wurden.  Die  Krankheit 
zeigt  sich  durch  eine  Anschwellung  der  Lider,  welche  Anfangs  blass,  bläu- 
lich, halbdurchsichtig  und  seilen  rosenrolh  erscheinen.  Es  besteht  kein 
örtlicher  Schmerz,  höchstens  äussern  die  Kranken  ein  unangenehmes 
Jucken;  im  Verlaufe  von  2 — 3  Tagen  entwickeln  sich  Bläschen ,  hierauf 
Schorfe  an  den  Lidern,  es  treten  schwärzliche  Stellen  auf,  und  dann  tritt 
gewöhnlich  eine  heftige  Reaction  ein ;  der  Puls  wird  klein  und  schwach, 
die  Zunge  trocken,  bräunlich  belegt,  es  tritt  Ekel ,  Brechneigung  ein,  und 
sehr  häufig  ist  das  Leben  der  Kranken  bedroht.  Die  Folgen  dieser  Krank- 
id für  die  Augenlider  sehr  bedeutend;  der  Substanzverlust  durch 
lehrcrer  Partien  hat  Verkürzungen  der  Lider,  Verwachsungen 

% 

IAY  29  1911 


51 

derselben,  Auswärtskehrung,  Colobom  der  Lider  zur  Folge;  die  bedeu- 
tende Eiterung-  erstreckt  sich  bisweilen  auf  das  Zellgewebe  der  Orbita,  und 
führt  alle  jene  Zustände  herbei,  die  in  Folge  der  Eiterung  in  der  Orbita 
eintreten.  (Blepharitis  erysipelalosa.)  Wenn  die  Affection  den  Augapfel 
selbst  ergriff,  so  hat  sie  meistens  partielle  oder  totale  Zerstörung  desselben 
zur  Folge. 

Die  Behandlung  dieses  Uebels  ist  ziemlich  schwer.  Anfangs  sind 
adstringirende  und  stimulirende  Fomentationen  angezeigt.  Sobald  Schorfe 
entstehen,  muss  man  sie  cauterisiren.  Bourgeois,  welcher  diese  Krankheit 
als  bösartiges  Odem  der  Augenlider  beschreibt ,  sah  guten  Erfolg  von  der 
Anwendung  des  Höllensteins,  den  er,  wenn  die  Anschwellung  noch  nicht 
lange  währte,  in  Wasser  getaucht  über  die  Augenlidfläche  führte.  Am 
nächsten  Tage  zeigte  sich  eine  Rölhe,  als  Zeichen  einer  heilsamen  Reaction, 
über  den  geschwollenen  Theilen,  die  allgemeine  Decke  fiel  nicht  br<?  ndi 
ab,  und  die  Heilung  war  ziemlich  rasch.  Zur  Cauterisalion  kann  man  auch 
das  Aelzkali  oder  noch  besser  die  Wiener  Aetzpaste  wählen.  Auch  das 
Glüheisen  wurde  zu  gleichem  Zwecke  empfohlen.  Es  ergibt  sich  von 
selbst,  dass  man  bei  Anwendung  dieser  Mittel  das  Auge  besonders  gegen 
die  Einwirkung  des  Aelzmillels  schützen  muss,  wozu  man  sich  der  Jägeri- 
schen Hornplatle  und  eines  passenden  Verbandes  bedienen  kann.  Auch 
die  Exslirpation  und  die  Anwendung  antiphlogistischer  Mittel  wurde  vor- 
geschlagen. Wenn  die  Schorfe  abfallen,  ist  es  nöthig,  die  Vernarbung  zu 
überwachen,  um  der  Bildung  von  krankhaften  Adhäsionen  oder  abnormen 
Richtungen  der  Lidränder  möglichst  vorzubeugen. 

2.  Die  Entzündung  der  Augenliddrüsen  kann  ihren  Sitz 
haben  in  den  Talgdrüsen,  in  den  Haarzwiebeldrüsen  oder  in  den  Meibo- 
mischen Drüsen. 

a.  Das  Gerstenkorn  (Hordeolum,  Crilhe)  ist  eine  Furunkularenl- 
zündung  einer  Schmerdrüse  oder  einer  Haarzwiebeldrüse  der  Lider  und 
des  sie  zunächst  umgebenden  Zellgewebes.  Es  erscheint  als  eine  phleg- 
monöse, entzündliche  Geschwulst;  die  Haut  darüber  ist  geröthet ,  die  Be- 
rührung schmerzhaft;  bei  sensiblen  Individue«  begleiten  diese  Entzündung 
auch  lebhafte,  siechende  oder  brennende  Schmerzen ,  erhöhte  Empfindlich- 
keil der  Augen  gegen  das  Licht,  vermehrte  Thränensecretion.  Der  Sitz 
desselben  ist  gewöhnlich  an  dem  freien  Lidrande,  doch  beobachtet  man  es 
auch  in  einiger  Entfernung  von  demselben.  Zuweilen  erscheinen  gleich- 
zeitig mehrere  Gerstenkörner  an  einem  und  demselben  Lide.  Die  Lidbinde- 
haut erscheint,  wenn  das  Gerstenkorn  vom  freien  Lidrande  entfernter  sitzt, 
und  keine  beträchtlichere  Entzündung  seiner  Umgebung  besteht,  unverän- 
dert,  im  entgegengesetzten  Falle  jedoch  gleichmässig  geröthet  und  etwas 

4* 


52 

geschwellt.  Der  Ausgang  in  Zertheilung  ist  selten ;  es  hat  eine  grosse 
Neigung  zur  Eiterung.  Bei  dyscrasischen  ,  scrofulösen  Individuen ,  und 
nach  öfteren  Rückfällen  bleibt  bisweilen  eine  bräunliche  oder  bläulichrothe 
Verdickung  des  Lidrandes,  in  Folge  von  Hypertrophie  des  Zellgewebes, 
und  nach  starker  Eiterung  eine  durch  Narben  bedingte  Einkerbung  des 
Lidrandes  zurück.  Das  Hordeolum  ist  dem  Furunkel  der  äussern  Haut 
sehr  ähnlich;  es  entsteht  daher  am  häufigsten  bei  Individuen,  welche 
eine  besondere  Geneigtheit  zur  Furunkelbildung  auch  an  andern  Theilen 
des  Körpers  haben,  daher  vorzugsweise  bei  der  scrofulösen  und  andern 
Dyscrasien,  so  wie  durch  äussere  und  Darmreize.  Bisweilen  entwickelt  es 
sich  am  Ende  einer  Augenentzündung  und  scheint  sodann  eine  kritische 
Bedeutung  zu  haben.  Gleich  im  Beginne  lässt  sich  das  Hordeolum  durch 
Anwendung  der  Kälte  reprimiren ;  gewöhnlich  ist  jedoch  die  erweichende 
Behandlung  durch  Anwendung  von  Cataplasmen  angezeigt.  Wo  nach 
öfterer  Bildung  von  Gerstenkörnern  eine  Verdickung  des  Lidrandes  zu- 
rückbleibt, kann  man  eine  Salbe  aus  rothem  Präcipitat  oder  das  Unguen- 
tum  compositum  Scarpae  in  Anwendung  bringen. 

b.  Die  EutzoindungderHaar  zwiebeldrüsen  (Blepharoadeni- 
tis  marginalis  oder  ciliaris)  kommt  sehr  häufig  vor,  und  wurde  wegen 
ihrer  verschiedenen  Ausgänge  unter  mannigfachen  Namen  (Blepharitis 
glandularis,  Psorophthalmia ,  Sycosis,  Tinea  palpebrarum  u.  s.  w.)  be- 
schrieben. 

Die  Erscheinungen  dieser  Entzündung  sind:  Unebene  etwas  höcke- 
rige Anschwellung  und  Röthe  der  vordem  Kante  des  Augenlidrandes; 
verstärkte  Secretion  der  Drüschen  und  der  Conjunctiva  palpebralis,  da- 
durch bedingtes  Verkleben  der  Cilieil  und  der  Augenlidränder,  und  Bil- 
dung von  kleinen  Krusten  und  Schüppchen  an  den  Wurzeln  der  Cilien. 
Die  Kranken  empfinden  zuweilen  Jucken  und  Brennen  an  den  Lidrändern, 
es  treten  bei  verstärkter  Secretion  zuweilen  Excoriationen  ein,  die  Thränen- 
secretion  ist  etwas  vermehrt,  das  Auge  lichtscheu.  In  vielen  Fällen  jedoch, 
namentlich  beim  chronischen  Verlaufe  der  Entzündung  fehlen  letzlere  Er- 
scheinungen. Die  Entzündung  tritt  häufiger  am  obern  Augenlide  auf,  wo 
auch  diese  Drüsen  stärker  entwickelt  sind,  und  sie  ergreift  öfter  beide 
Augen,  als  eines  allein.  Sie  combinirt  sich  gerne  mit  einer  Entzündung 
der  Bindehaut ,  häufig  auch  mit  einer  oberflächlichen  Hornhautentzün- 
dung, insbesonders  mit  der  Keratitis  puslularis. 

Der  Verlauf  dieser  Entzündung  ist  in  den  meisten  Fällen  ein  chroni- 
scher, besonders  wird  er  es  durch  die  verschiedenen  Ausgänge  und  Folge- 
zustände. Die  plastische  Exsudation  in  das  Drüsengewebe  und  in  das 
umgebende  Zellgewebe  bleibt  sehr  häufig  nach  Ablauf  des  acuten  Stadiums 


der  Entzündung-  zurück,  und  verursacht,  besonders,  wenn  sie  in  höherem 
Grade  besteht,  eine  ungleichförmige,  harte,  knotige  Verdickung-  und  Ver- 
bildung  des  Lidrandes.  Man  nennt  diesen  Zustand  Augenlidschwiele 
(Tylosis).  Bisweilen  besteht  noch  längere  Zeil  nach  der  abgelaufenen  Ent- 
zündung eine  geringe  Abschuppung  des  Epitheliums  an  der  leicht  ange- 
schwollenen, übrigens  kaum  gerotteten  Lidkante.  (Tinea  palpebralis.J 
In  manchen  Fällen  vereitert  das  die  Drüschen  umgebende  Zellgewebe; 
es  bilden  sich  kleine,  hanfkorngrosse  Abscesse  an  jenen  Stellen,  wo  die 
Cilien  hervorkeimen.  Aus  der  Mitle  eines  jeden  sieht  eine  Wimper  hervor. 
Wenn  diese  Abscesse  aufbrechen,  so  entstehen  Geschwürchen  an  dem  Lid- 
rande, welche,  besonders  wenn  das  Individuum  in  einer  unreinen  Atmos- 
phäre lebt,  rascher  um  sich  greifen,  sich  auch  auf  den  Rand  der  Lidbinde- 
haut erstrecken,  durch  ihr  Secret  die  benachbarten  Theile  anätzen,  und 
jenen  Krankheitszustand  herbeiführen  ,  den  man  früher  Psor Ophthalmia, 
Sycosis,  Herpes  ciliaris  nannte.  Wenn  mehrere  Partien  des  Zellgewebes 
durch  Eiterung  zerstört  sind ,  so  zeigt  sich  eine  Verschrumpfung  an  der 
dem  Lidrande  zunächst  gelegenen  Haut  und  eine  Einziehung  derselben 
nach  Heilung  der  oberflächlichen  Geschwürchen  ,  wodurch  bisweilen  zu 
einer  geringen  Auswärtskehrung  des  Lidrandes  Veranlassung 
gegeben  wird.  Die  Haarzwiebeln  widerstehen  der  Vereiterung  ziemlich 
lange ,  erleiden  jedoch  mannigfache  Aenderung  in  ihrer  Stellung.  Sie 
werden  häufig  durch  die  Ablagerung  von  Exsudat  in  die  Drüsen  und  die 
Zwischenräume  der  Haarzwiebeln  von  einander  gedrängt ;  daher  erschei- 
nen sie  öfters  in  Büscheln  gestellt ,  ihre  Richtung  wird  gleichfalls  oft  ver- 
ändert, sie  ragen  gerade  nach  oben  oder  nach  unten  hervor  oder  sind 
selbst  gegen  den  Bulbus  gerichtet ,  daher  diese  Entzündung  häufige  Ver- 
anlassung zur  Entstehung  der  Trichiasis  gibt.  Werden  endlich  durch  den 
Druck  des  Exsudates  die  Haarzwiebeln  atrophisch,  so  fallen  die  Cilien  aus, 
wachsen  nicht  mehr  nach  ,  und  der  Augenlidrand  erscheint  von  den  Wim- 
pern entblösst.   (Madaro sis  ciliorum.) 

Die  Blepharoadenitis  ciliaris  kommt  am  häufigsten  bei  jüngeren  Indi- 
viduen, besonders  bei  Kindern  vor.  Ihre  Ursachen  sind  bisweilen  örtliche 
Reize,  wie  Rauch,  Staub,  unreine  Atmosphäre,  welche  längere  Zeit  auf  die 
Lidränder  einwirken,  auch  Exantheme  der  Lidhaut,  wie  das  Ekzem,  die 
Blattern.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  jedoch  wirken  constitutionelle  Leiden 
als  Ursache  dieser  Erkrankung;  der  ursächliche  Zusammenhang  zwischen 
der  Scrofulosis  und  der  Blepharoadenitis  ciliaris  ist  unverkennbar. 

Die  Behandlung  der  Blepharoadenitis  wird  durch  den  jeweiligen 
Zustand  des  Gefäss-  und  Nervensystems  bestimmt.  Bei  heftigem  Reizungs- 
zustande wendet   man   örtlich   erweichende    und  mucilaginöse  Bähungen 


54 

an,  und  versetzt  diese  wohl  auch  mit  narkotischen  Mitteln.  Ist  die  Secre- 
tion  der  Bindehaut  sehr  vermehrt,  so  wendet  man  schwach  adslringirende 
Augenwässer  (Lösungen  von  schwefelsaurem  Zink  oder  essigsaurem  Blei)  an. 
Letzlere  passen  insbesondere  bei  starker  Excoriation  der  Lidränder.  Sind  die 
Symptome  einer  starkem  Reizung  vorüber,  und  nur  noch  Infiltration  in  und 
um  die  Drüsen  vorhanden,  so  sucht  man  die  Lösung  und  Resorption  durch 
örtliche  Anwendung  von  Reizmitteln  zu  befördern.  Selbe  passen  auch  bei 
der  chronischen  Form  der  Blepharoadenitis.  Hierher  gehören  Lösungen  von 
Sublimat  (!/2Gran  auf  4 Unzen  Wasser),  besonders  bei  geringer  Infiltration 
und  leichter  Abschuppung  der  Lidränder ;  der  rothe  Präcipital  in  Salbenform 
(2 — 4  Gran  auf  2  Dr.  Fett)  bei  stärkerer  Infiltration  und  Verdickung  der 
Lidränder.  (Tylosis.)  Die  Salben  werden  linsengross  mittelst  eines  Maler- 
pinsels auf  die  Lidränder  täglich  Abends  eingestrichen,  sollten  sie  jedoch 
ihre  Wirkung  äussern,  so  müssen  die  allenfalls  vorhandenen  Krusten  frü- 
her durch  Bähungen  und  Waschungen  mit  lauem  Wasser  sorgfältig  ent- 
fernt werden.  Findet  man  einwärlsgekehrte  Cilien  ,  so  müssen  sie  sorg- 
fältig extrahirl  werden.  Sind  die  Lidränder  und  selbst  die  äussere  Lid- 
fläche mit  Geschwürchen  besetzt,  so  passt  nebst  der  fleissigen  Reinigung 
insbesondere  eine  Sublimatlösung  mit  einem  Zusatz  von  Opiumtinctur.  Bei 
starker  Anwulstung  der  Lidränder  mit  narbiger  Contraction  der  Haut  kann 
man  das  Ungt.  hydrarg.  einer,  in  die  Umgebung  der  Lider  einreiben  lassen. 
Uebrigens  muss  auf  ein  Allgemeinlciden,  welches  dem  örtlichen  Krankheits- 
processe  allenfalls  zu  Grunde  liegt,  gehörige  Rücksicht  genommen  werden, 
daher  Anliscrofulosa,  der  Genuss  reiner  Lufl,  Beobachtung  der  Reinlichkeil 
von  höchstem  Belange  sind.  Bei  sehr  hartnäckigem  Leiden  nutzt  oft  der 
Genuss  der  Landluft  oder  der  Wechsel  des  Klimas. 

c.  Die  Entzündung  der  Meibomischen  Drüsen  (Blepharoa- 
denitis Meibomiana)  kommt  selten  für  sich  allein,  sondern  meistens  in  Be- 
gleitung einer  Entzündung  der  Conjuncliva  vor.  Sie  führt  zur  Anschwel- 
lung dieser  Drüsen  und  Röthung  der  darüber  gelegenen  Schleimhaut.  Bei 
Umstülpung  des  Lides  sieht  man  gelbrölhliche  über  die  Schleimhautober- 
fläche hervorragende  Stränge  nach  abwärts  laufen.  Die  Entzündung  führt 
zur  Infiltration  der  Drüsen  mit  einer  gelben  käsigen  Materie,  welche  bis- 
weilen incruslirt.  Ein  anderer  Ausgang  ist  Vereiterung  und  Verschwärung 
des  Drüsenbalges ,  in  welchem  Falle  sich  kleine  Abscesse  in  der  innern 
Fläche  der  Augenlider  bilden.  Meistens  wird  bei  dieser  Entzündung  auch 
der  Knorpel  in  Mitleidenschaft  gezogen ;  er  schwillt  an  ,  lockert  sich  auf, 
wird  grösser  und  schwerer  (Tarsomalacie).  Oft  entstehen  in  demselben 
eigenthümliche  Geschwülste  (Chalazien).  Die  Behandlung  dieser  Entzün- 
dung fällt  mit  der  der  Syndesmitis  palpebralis  zusammen. 


55 


.    II.  Entzündungen  des  Augapfels. 

1.  Entzündungen  der  Bindehaut. 

Da  die  Bindehaut  ihrer  oberflächlichen  Lage  wegen  bei  weitem  mehr, 
als  die  übrigen  Gebilde  des  Augapfels  den  Einwirkungen  der  Aussenwell 
ausgesetzt  ist,  und  sie  einem  Systeme  von  Membranen  angehört,  welches 
phlogislischen  Reizen  sehr  leicht  und  häufig  unterliegt,  so  machen  begreifli- 
cher Weise  die  Entzündungen  derselben  bei  weitem  die  häufigsten  Formen 
der  Ophthalmien  aus.  Uebrigens  kommt  es  nicht  bei  jeder  auf  sie  einwir- 
kenden Reizung  zur  wirklichen  Entzündung. 

Jeder  Reiz,  möge  er  primär  die  Bindehaut  treffen,  oder  von  andern 
Organen  auf  dieselbe  übertragen  werden,  verursacht  eine  Ueberfüllung  ihrer 
Gefässe,  welchen  Zustand  wir  mit  dem  Namen  der  Hyperaemie  bezeichnen. 
Wir  nennen  die  Hyperaemie  eine  primäre,  welche  durch  direct  auf  die 
Bindehaut  einwirkende  mechanische  oder  chemische  Reize  veranlasst  wurde. 
Es  zeigt  sich  durch  Ueberfüllung  und  Ausdehnung  ihrer  Gefässe  eine  baum- 
zweigförmige  oder  netzartige  Injeclion,  welche  in  verschiedenem  Grade  auf- 
treten kann,  so  dass  bei  einem  höhern  Grade  die  Bindehaut  gleichförmig 
geröthet*erscheint.  Jn  der  Mehrzahl  der  Fälle  beschränkt  sieh  die  Hyperac- 
mie  auf  die  Scleralbindchaut,  da  dieselbe  äussern  Reizen  auch  mehr  expo- 
nut  ist,  in  einzelnen  Fällen  nimmt  auch  die  Bindehaut  der  Lider  an  der- 
selben Theil.  Die  damit  behafteten  Individuen  haben  das  Gefühl  einer 
lästigen  Trockenheit  des  Auges  oder  eines  fremden  Körpers;  nur  seilen 
äussern  sie  einen  beträchtlicheren  Schmerz.  Eine  Hyperaemie,  welche  durch 
Fortpflanzung  der  Reizung  von  benachbarten  Gebilden  auf  die  Conjuncliva 
hervorgerufen  wird,  nennen  wir  eine  seeundäre.  Derlei  seeundäre  Hyper- 
aemien  treten  im  Gefolge  fast  aller  Entzündungen  der  innern  Gebilde  des 
Augapfels,  so  wie  bei  Ueberreizung  der  Netzhaut  durch  grelle  oder  anhal- 
lend einwirkende  Lichtstrahlen  ein. 

Die  genannten  Hyperaemien  der  Bindehaut,  welche,  da  sie  mit  den 
Symptomen  einer  erhöhten  Blut-  und  Nervenlhätigkeil  verlaufen,  als  acti  ve 
bezeichnet  werden,  sind  selten  von  langer  Dauer,  sie  gehen  vorüber,  wenn 
die  sie  veranlassenden  Momente  zu  wirken  aufhören,  und  es  kommt  weder 
eine  bedeutende  Störung  der  Function,  noch  eine  Veränderung  des  Gewe- 
bes zu  Stande.  Nur  bei  heftigeren  Reizen  kann  der  Austritt  von  Blutserum 
in  das  Zellgewebe  der  Bindehaut  (ödemalösc  Infiltration)  erfolgen,  oder 
auch,  wenn  die  Einwirkung  der  Reize  längere  Zeit  anhält,  eine  unbedeu- 
tende Vermehrung  des  schleimigen  Secretes  der  Bindehaut  eintreten. 


56 

Hyperaemien,  welche  durch  Nachlass  des  Tonus  der  Gefässe  und  der 
Gewebe  entstehen,  nennt  man  passive,  und  auch  diese  kommen  an  der 
Bindehaut  nicht  selten  zur  Beobachtung-.  Sie  geben  sich  durch  stark  er- 
weiterte, einen  geschlängelten  Verlauf  beobachtende,  mit  dunklem  Blute 
gefüllte  Gefässe  der  Bindehaut,  welche  gewöhnlich  in  geringer  Entfernung 
vom  Hornhautrande  wie  abgeschnitten  endigen,  zu  erkennen.  Am  häufig- 
sten treten  sie  bei  Ueberfüllungen  der  Gefässe  in  den  innern  Membranen 
des  Augapfels,  vorzugsweise  in  der  Choroidea  ein,  so  wie  man  sie  auch 
bei  jenen  Individuen  am  öftesten  anlriffl,  welche  an  Störungen  der  Circu- 
lation,  besonders  des  venösen  Blutes,  leiden.  Man  hat  aus  der  letzlern 
Ursache  den  erweiterten  Gefässen  der  Bindehaut,  welche  abdominelle, 
haemorrhoidale  oder  menstruelle  Leiden  nicht  selten  begleiten,  den  Namen 
der  Vasa  abdominalia  gegeben.  Sie  kommen  übrigens,  wie  bereits  bemerkt 
wurde,  nicht  bloss  bei  den  eben  genannten  Leiden,  sondern  auch  bei  topi- 
schen Circulationsstörungen  vor. 

Bei  der  Behandlung  der  Hyperaemien  der  Bindehaut  erfordert  die 
Entfernung  allenfalls  noch  vorhandener  fremder  Körper  die  erste  Berück- 
sichtigung. Wie  man  in  den  einzelnen  Fällen  dabei  zu  Werke  geht,  ist 
bereits  umständlicher  erörtert  worden.  Sind  die  veranlassenden  Ursachen 
entfernt,  so  treten  bei  angemessener  Schonung  des  Auges  die  pathologischen 
Erscheinungen  meistens  von  selbst  in  kurzer  Zeit  zurück  Die  örtliche  An- 
wendung kalter  Ueberschläge  auf  das  Auge,  oder  der  Gebrauch  gelinde 
einwirkender  bleihaltiger  Augenwässer  ist  hier  durchaus  gerechtfertigt  und 
kann  dem  Eintritte  einer  stärkern,  entzündlichen  Affection  vorbeugen.  Die 
passiven  Hyperaemien  der  Bindehaut  erfordern  die  Behandlung  des  zu 
Grunde  liegenden  Leidens. 

Die  Entzündungen  der  Bindehaut  sind  verschieden  nach  dem 
Grade  derselben,  nach  der  Natur  und  dem  Sitze  des  Exsudates,  sowie  nach 
ihrem  Verlaufe.    Wir  unterscheiden  demnach  folgende  Entzündungsformen  : 

a.  Die  einfache,  genuine  Entzündung  derConjunctiva; 
sie  kommt  unter  den  Formen  der  Conjunctivalentzündungen  ziemlich  selten 
vor.  Die  sie  veranlassenden  Ursachen  sind  grösstentheils  Beizungen  der 
Bindehaut  durch  Verletzung  oder  fremde  ins  Auge  gelangte  Körper,  über- 
mässige Anstrengung  der  Augen,  besonders  bei  künstlicher  Beleuchtung. 
Die  Erscheinungen  dieser  Entzündung  sind  vorzüglich  Röthe  und  Anschwel- 
lung. Erstere  ist  nach  der  Intensität  der  Erkrankung  verschieden,  be- 
schränkt sich  zuweilen  nur  auf  den  Tarsaltheil  der  Bindehaut,  auf  die  ge- 
sammte  Lidbindehaut,  oder  sie  verbreitet  sich  selbst  über  die  Uebergangs- 
falten  auf  die  ganze  die  Sclera  überziehende  Bindehaut.  Die  Injection  ist 
von  lebhafter  Röthe,  meistens  netzförmig  gestaltet.    Die  Gefässe  anastomo- 


57 

siren  häufig-  mit  einander,  sind  stärker  ausgedehnt,  haben  einen  gewundenen 
Verlauf  und  lassen  sich  mit  der  Bindehaut  über  den  Augapfel  verschieben. 
Durch  die  angegebenen  Eigenschaften  unterscheidet  sich  das  Gefässnetz, 
welchesin  der  Conjunclivabulbi  seinen  Sitz  hat,  wesentlich  von  einer  tieferen 
Injection,  welche  später  zur  Betrachtung  kommen  soll.  Die  Anschwellung 
der  Bindehaut  beruht  auf  einer  Tränkung  des  Schleimhautparenchyms  mit 
seröser  Flüssigkeit  (seröse  Infiltration).  Der  Grad  der  Anschwellung  rich- 
tet sich  nach  der  Intensität  der  Entzündung.  Während  nämlich  in  leich- 
tern Fällen  die  Infiltration  bloss  eine  geringe  Erhebung  der  Bindehaut 
bedingt,  kommt  bei  höhern  Graden  der  Entzündung  die  Schwellung  als 
eine  bedeutende  Geschwulst  zum  Vorschein.  Vorzugsweise  tritt  diese  in 
der  für  die  Schwellung  sehr  empfänglichen  Augapfelbindehaut  hervor. 
Diese  bildet  sodann  Wülste  um  die  Cornea,  welche  sich  über  letzlere  her- 
überlegen, sie  bedecken,  und  wenn  sie  unter  sich  zusammenhängen,  einen 
Wall  darstellen,  in  dessen  Mitte  die  Cornea  verborgen  und  wie  vergraben 
liegt.  Man  nennt  diesen  Zustand  Chemosis,  und  hierbei  ist  immer  auch  der 
subconjunctivale  Zellstoff  Sitz  der  Infiltration.  Die  Anschwellung  kann  von 
ödematöser  oder  phlegmonöser  Beschaffenheit  sein,  und  man  unterscheidet 
daher  die  seröse  Chemosis,  wenn  der  Wall  durchscheinend,  schlaff,  blass, 
weich  und  unschmerzhaft  ist,  und  die  phlegmonöse,  in  welchem  Falle  die 
Bindehaut  sich  zu  einem  undurchsichtigen  dunkelrolhen,  härteren,  schmerz- 
hafteren und  minder  verschiebbaren  Walle  erhebt.  Letzterer  begleitet 
meistens  sehr  heftige  und  gefährliche  Entzündungsformen  der  Bindehaut, 
und  es  wird  die  Bedeutung  des  Bindehautwalles  bei  der  Erörterung  dieser 
Krankheilsformen  noch  mehr  hervorgehoben  werden.  Ist  die  phlegmonöse 
Anschwellung  nicht  bloss  auf  die  Bindehaut  und  den  subconjunctivalen 
Zellstoff  beschränkt,  sondern  auch  über'die  Augenlider,  zum  Theile  auch 
über  das  Orbilalzellgewebe  verbreitet,  so  kann  sie  sich  zur  Phlegmone  oculi 
steigern,  wobei  auch  die  Gebilde  des  Bulbus  an  der  Entzündung  Theil 
nehmen.  Der  Kranke  hat  anfänglich  die  Empfindung  einer  unangenehmen 
Wärme  und  Trockenheit  im  Auge,  so  wie  das  Gefühl  eines  fremden  Kör- 
pers zwischen  den  Lidern,  später  tritt  eine  gesteigerte  Secretion  der  Binde- 
haut ein.  Lichtscheu  ist  in  einzelnen  Fällen  vorhanden,  das  Sehvermögen 
ist  nur  gestört,  wenn  eine  Congestion  tieferer  Gebilde  des  Auges  das  Lei- 
den begleitet.  Nur  bei  den  höhern  Graden  dieser  Entzündung  sind  Fieber- 
bewegungen, Verdauungsstörungen,  Constipation  u.  s.  w.  vorhanden. 

Der  Verlauf  ist  in  den  meisten  Fällen  rasch,  falls  nicht  eine  andere 
Erkrankung  sich  hinzugesellt.  Die  Ausgänge  des  Leidens  sind  vollkommene 
Zertheilung  der  Entzündung,  ein  chronischer  Zustand  (passive  Hyperaemie 
mit  Verdickung    der  Conjunctiva),    oder  Uebergang    der   Entzündung    auf 


58 

andere  oder  alle   Gebilde    des  Sehorgans    (innere  Ophthalmie   oder  Oph- 
thalmitis). 

Bei  der  Behandlung  verdient  die  Beseitigung  der  Gelegenheilsursache 
z.  B.  die  Entfernung  eines  fremden  Körpers,  das  Hauptaugenmerk  (siehe 
fremde  Körper  im  Auge)  Ist  die  Ursache  beseitigt,  oder  keine  entfernbare 
aufzufinden,  so  bekämpfe  man  die  Entzündung  durch  den  antiphlogistischen 
Heilapparat  und  richte  sich  bei  der  Wahl  der  Mittel  nach  dem  Grade  und 
der  Ausbreitung  der  Entzündung.  Bei  geringeren  Graden  derselben  wird 
die  örtliche  Anwendung  der  Kälte  in  Form  von  kalten  Ueberschlägen,  nebst 
einer  gelinden  Ableitung  durch  ein  salinisches  Abführmittel  dem  Zwecke 
vollkommen  entsprechen.  In  der  Diät  und  dem  Regimen  muss  natürlich 
das  Notlüge  beobachtet  werden.  Ist  man  durch  die  angegebenen  Mittel 
nicht  im  Stande,  die  Entzündung  zu  bekämpfen,  oder  tritt  diese  mit  viel 
grösserer  Intensität  auf,  so  suche  man  durch  örtliche  Blutentziehungen 
mittelst  Blutegeln  oder  blutiger  Schröpfköpfe  dem  weitem  Umsichgreifen 
des  Entzündungsprocesses  Schranken  zu  setzen.  Innerlich  werden  nach 
vorausgeschicktem  Purgans  kühlende  und  lemperirende  Arzneien,  z.  B. 
das  Nilrum  in  einer  Emulsion  von  Mandeln  oder  in  Pulverform  zu  5  bis 
10  gran  pro  dosi  3mal  täglich  zweckmässig  verabreicht.  Nur  höchst  selten 
wird  die  genannte  Entzündung  der  Conjuncliva  in^dem  Grade  auftreten,  dass 
sie  eine  allgemeine  Blutentleerung  nothwendig  machte.  Bei  Individuen, 
welche  die  lopische  Anwendung  der  Kälte  in  Form  von  Eisüberschlägen 
nicht  gut  vertragen,  wird  die  örtliche  Application  lauer  bleihaltiger  Fomenle 
(einer  Aqua  salurnina  rein,  oder  zu  gleichen  Theilen  mit  deslillirlem  Wasser 
verdünnt)  erspriesslichere  Dienste  leisten.  Letzlere  sind  besonders  bei  öde- 
malöser  Anschwellung  der  Bindehaut  oder  der  Augenlider  der  Anwendung 
des  kalten  Wassers  vorzuziehen,  so  wie  auch  bei  Individuen,  welche  eine 
besondere  Disposition  zu  Rheumatismen  oder  zum  Gesichtserysipel  haben. 
Auf  allgemeine  Leiden  ist  in  einzelnen  Fällen  Rücksicht  zu  nehmen,  beson- 
ders wenn  elwa  das  Augenleiden  durch  Unterdrückung  eines  Haemorrhoi- 
dalflusses,  der  Menstruation,  eines  habituellen  Nasenblutens,  oder  elwa  eines 
lang  bestehenden  Geschwüres  oder  einer  andern  Affection  entstand.  — 
Die  Scarification  der  chemotisch  angeschwollenen  Bindehaut,  sowie  die 
Excision  eines  oder  mehrerer  Wülste  der  Bindehaut  können  in  einzelnen 
Fällen  ihre  Anwendung  finden,  und  werden  insbesondere  durch  die  dadurch 
erfolgte  Blutenlleerung  Nutzen  leisten.  Gegen  eine  etwa  zurückbleibende 
Auflockerung  und  Schwellung  der  Bindehaut  mit  verstärkter  Secrelion  der- 
selben wendet  man  schwach  adstringirende  Aiurenwässer,  z.  B.  eine  Lösung 
von  2 — 4  Gran  Alaun  oder  schwefelsauren  Zink  in  4  Unzen  Wasser  gelöst, 
oder  eine  aus  Zinkblumen   oder  weissem  Praccipilat   bereitete  Salbe  (zu  2 


59 

Gran  auf  2  Drachmen  Fett)  an.  Geht  die  Entzündung  auf  andere  Gebilde 
des  Augapfels  über,  oder  entwickelt  sich  unter  fortdauernder  Einwirkung 
von  Schädlichkeiten  oder  bei  zweckwidriger  Pflege  eine  Ophthalmitis,  so 
muss  dem  jedesmaligen  Zustande  gemäss  die  Behandlung  dieser  Leiden 
stattfinden,  was  später  besprochen  werden  wird. 

b.    Die     exan  thematische     Bindehaut-Entzündung    (Pu- 
stularophthalmie)   beobachtet    man   meislenlheils   bei   Kindern ,    bei   Indi- 
viduen von  lymphatischem  Habitus  oder  scrofulöser  Constitution,  bei  jun- 
gen Mädchen,   die  mit  Anomalien  der  Menstruation  behaftet  sind.    Die  Er- 
scheinungen, durch  welche  sich  diese  Entzündung  kund  gibt,  sind  folgende: 
die  Röthe  ist  nur  auf  eine  Parlhie  der  Augapfelbindehaut  beschränkt,  vor- 
züglich in   der  Richtung  des  innern  oder  äussern  geraden  Augenmuskels. 
Die  Gefässe  sind  stets  mehr  oder  weniger  in  Gestalt  eines  Dreieckes  ver- 
bunden, convergiren  gegen  den  Rand  der  Hornhaut  zu,   und   an  der  Spitze 
des  so  gestalteten  Gefässbündels   entsteht  durch  den  Einguss  einer  wasser- 
hellen Flüssigkeil  zwischen  die  entzündete  Bindehaut  und   das  in  sehr  ge- 
ringem Umfange  von  ihr  losgetrennte  und  emporgehobene  Epithel  ein  rund- 
liches  oder  conisches  Bläschen  (Phlyclaene).    Der  Sitz  dieser  Bläschen  ist 
meistens  am  Rande  der  Hornhaut,  bisweilen  in  einiger  Entfernung  von  der- 
selben oder  auf  dem  Bindehaulplältchen  der  Hornhaut  selbst,  jedoch  immer 
mehr  in  der  Peripherie  derselben.    In   manchen  Fällen   ist  nur  ein  solches 
Bläschen  vorhanden,  zuweilen  beobachtet  man  jedoch  mehrere,  in  welchem 
Falle  meistens   mehrere    Gefässbündel    in    der  Scleralbindehaut    auftreten. 
Nicht  gar  selten  kommt  es  vor,  dass  am  Hornhautrande  eine  Reihe  solcher 
Bläschen  nach  Art  einer  Perlenschnur  angeordnet  erscheint.    Sind  mehrere 
Bläschen  neben  einander,   so  fliessen  die  einzelnen  oft  in  einander.    Diese 
Entzündungsform  beginnt  bisweilen  mit  einem  lebhaften  slechendenSchmerze, 
mil  einem  ziemlich  hohen  Grade  von  Lichtscheu  und  Lidkrampf,  so  wie  mit 
vermehrter  Thränensecrelion.    Sehr  häufig  jedoch  fehlen  diese  Erscheinun- 
gen und  die  Entzündung  entwickelt   sich  ohne  alle  Phaenomene  einer  stär- 
keren  Reizung.     Die  weitern  Veränderungen,    welche  man   während  des 
Verlaufes  dieser  Entzündungsform  beobachtet,  sind  verschieden.    Das  unter 
das  Epithelium   der  Bindehaut   ergossene  Exsudat    wird    in   vielen  Fällen 
resorbirt,  bevor  es  noch  Veränderungen  eingeht  (die  Pustel  geht  abortiv  zu 
Grunde),  oder  das  Bläschen   bricht   durch  Berslung  des  dünnen  Epithelial" 
Überzuges  auf,  ergiesst  seinen  Inhalt  nach  aussen,  und  es  bleibt  eine  kleine, 
wunde,  excoriirle  Fläche,    ein    seichtes   Grübchen   zurück,    welches  man, 
wenn  diess  an   der  Hornhaut  Statt  findet,   ein  Resorplionsgcschwür  nennt. 
Bildet  sich  das  Exsudat  weiter  fort,  bevor  noch  der  Aufbruch  des  Bläschens 
erfolgt,  so  wird  der  Inhalt  zu  einer  unklaren,  trüben,  gelblichweissen  Flüs- 


60 

sigkeit.  Man  nennt  diese  Eruptionen,  welche  mit  einer  etwas  breiteren 
Grundfläche  aufsitzen  und  nicht  so  zugespitzt  sind,  Pusteln.  Sie  hinterlassen 
nach  ihrem  Aufbrechen  schon  etwas  liefere  Geschwürchen  mit  gewulsteten 
Rändern  und  unreinem,  speckigem  Grunde.  Die  Infiltration  der  Conjunctiva  ist 
an  solchen  Stellen  oft  so  bedeutend,  dass  eine  ziemlich  erhabene  Wulstung  der- 
selben von  der  Grösse  undForm  eines  Hanfkornes  bis  zu  der  einer  Linse  besteht. 

Der  Verlauf  ist  gewöhnlich  rasch  und  kann  in  3  bis  4  Tagen  been- 
digt sein;  in  seltenen  Fällen  dauert  sie  10  bis  15  Tage;  insbesondere  ist 
ihre  grosse  Neigung  zu  Recidiven  noch  zu  bemerken. 

Sie  kommt  häufig  mit  einer  ähnlichen  Eruption  auf  der  Hornhaut 
oder  mit  Eczem  des  Gesichtes  zugleich  vor,  combinirt  sich  auch  zuweilen 
mit  Blepharoadenitis  oder  mit  dem  Catarrh  der  Bindehaut. 

Hinsichtlich  der  Ursachen  wurde  bereits  angegeben,  dass  die  scrofu- 
löse  Diathese,  so  wie  Anomalien  der  Menstruation  auf  die  Entstehung  dieser 
Entzündung  einen  namhaften  Einfluss  äussern.  Man  beobachtet  sie  aber 
auch  bei  sonst  in  jeder  Hinsicht  gesunden  Individuen  als  Folge  eines  auf 
die  Bindehaut  ausgeübten  Reizes.  * 

Die  Behandlung  dieser  Entzündungsform  ist  mit  keinen  besonderen 
Schwierigkeiten  verbunden.  In  leichleren  Fällen,  wo  nur  einzelne  Gefässe 
in  der  Bindehaut  auftreten,  ist  ein  exspectatives  Verfahren  bei  Hindanhal- 
lung  aller  Schädlichkeiten  hinreichend.  Ist  die  Reizung  heftiger,  so  setze 
man  einige  Blutegel  hinter  dem  Warzenfortsatz  und  mache  Bähungen  mit 
einem  erweichenden,  gelind  narkotisch  einwirkenden  Augenwasser  (Colly- 
rium  mucilaginosum  mit  etwas  Extractum  Hyoscyami).  Haben  sich  bereits 
Phlyclaenen  oder  Pusteln  gebildet,  so  kommt  es  vorzüglich  darauf  an,  die 
Berstung  derselben  zu  verhüten  und  die  Resorption  des  ergossenen  Exsu- 
dates zu  befördern.  Dicss  gelingt  in  den  meisten  Fällen  durch  Anwendung 
eines  Augenwassers,  welches  Sublimat  in  geringer  Menge  enthält,  etwa 
V2  Gran  auf  4  Unzen  Flüssigkeit.  Man  hat  zu  demselben  Zwecke  auch  den 
Borax  in  Auflösung  anempfohlen.  Tst  die  Berstung  bereits  erfolgt, 
so  sind  die  dadurch  gebildeten  Geschwüre  Gegenstand  der  Behandlung 
und  erfordern  den  Gebrauch  slärkerer  Adstringentia.  Es  versteht  sich  von 
selbst,  dass  ein  Allgemeinleiden,  wenn  es  die  Krankheit  bedingt,  bei  der 
Behandlung  vorzügliche  Berücksichtigung  verdient. 

c.  Der  Catarrh  un  d  die  Blennorrhoeen  der  Bindehaut.  Die 
Bindehaut,  welche  mit  allen  Attributen  der  Schleimhäute  ausgestattet  ist, 
und  gleich  andern  Schleimhäuten  im  physiologischen  Zustande  durch  ihre 
Gefässe  ein  Ernährungsplasma  abgibt,  welches  theils  über  ihrer  Oberfläche 
zur  Bildung  der  Epithelien  verwendet  wird,  theils  im  Bindegewebe  bleibt, 
ist  ebendesshalb  calarrhalischen  Entzündungen  am  häufigsten  ausgesetzt. 


61 

Als  Bindehautcatarrh  (Syndesmilis  catarrhalis)  bezeichnet  man 
jenen  oberflächlichen  entzündlichen  Process,  wo  bei  vermehrter  Röthung, 
Anschwellung-  und  Auflockerung  der  Bindehaut  ein  serös-albuminöses  Ex- 
sudat als  Secret  auf  der  Oberfläche  derselben  abgesetzt  und  ausgeschieden 
wird.  Das  calarrhalische  Secret  besteht  aus  dem  vermehrten  Ernährungs- 
plasma, in  welchem  sich  mehr  Zellen  bilden,  die  sich  jedoch  nicht  voll- 
ständig zu  Epilhelialzellen  entwickeln,  sondern  als  runde,  einkernige  Zellen 
(Schleimkörperchen)  zugleich  mit  Epilhelialzellen  abgeslossen  werden  *). 

Dieser  Vorgang  ist  entweder  acut  oder  chronisch. 

Beim  acuten  Catarrhe  findet  man  die  Bindehaut  bald  hell,  bald 
dunkel  gerüthet :  die  Röthe  ist  öfters  fein  punktirt,  büschel-  oder  netzför- 
mig. Die  Conjunctiva  schwillt  etwas  an,  am  meisten  am  innern  Augen- 
winkel und  in  den  Bindehautfalten.  Die  Anschwellungen  der  Schleimfollikel 
geben  sich  als  kleine  über  das  Niveau  der  Conjunctiva  hervorragende  Er- 
habenheiten kund.  Im  Stadium  der  Hyperaemie  ist  die  Secrelion  etwas  ver- 
mindert, daher  der  Kranke  das  Gefühl  einer  lästigen  Trockenheit  äussert. 
Später  wird  das  Secret  vermehrt,  gerinnt  sehr  leicht  zu  Flocken  oder  Fäden, 
verliert  unter  dem  Einflüsse  der  atmosphärischen  Luft  seinen  Gehalt  an 
Wasser,  und  erhärtet  zu  gelben,  spröden  Krusten,  wodurch  die  Bewegung 
der  Augenlider  erschwert  und  die  Lidspalle,  besonders  während  der  Nacht, 
verklebt  wird.  Das  Secret  ist  Anfangs  dünner,  wird  jedoch  im  Verlaufe  der 
Krankheit  consistenler,  trüber.  Diese  Erscheinungen  betreffen  vorzugsweise 
die  Lidbindehaut;  die  Beschränkung  des  Calarrhes  auf  die  Inhaltsfläche 
des  Knorpels  wird  gewöhnlich  als  Triefauge  (Lippiludo)  bezeichnet.  Aber 
auch  die  Augapfelbindehaut  wird  durch  die  Einwirkung  des  Secreles  in 
einen  hyperaemischen  Zustand  versetzt,  das  Epithelialblältchen  der  Cornea 
zuweilen  aufgelockert,  erweicht  und  abgestossen,  worauf  kleine  Verliefun- 
gen und  Faceltirungen  mit  vollkommen  klarem  Grunde  zurückbleiben 
(Erosions-  oder  catarrhalische  Geschwüre),  die  jedoch  gewöhnlich  schnell 
heilen. 

Die  subjeetiven  Erscheinungen  bestehen  in  Beissen,  Jucken  und  Bren- 
nen (durch  die  Einwirkung  des  Bindebautsecretes  und  der  Thränen  auf  die 
von  ihrem  Epithel  enlblössten  Bindehautslellen)  in  dem  Gefühle  eines  frem- 


*)  Catarrh  ist  ein  ausgedehnterer  Begriff  und  schliesst  die  Blennorrhoe 
sensu  strictiori  in  sich  ein.  Seine  Entwicklungsstadien  sind  Hydrorrhoe,  Phlegma- 
torrhoe  oder  Blennorrhoe  sensu  stricto  und  Pyorrhoe.  Sensu  latiori  ist  Blennor- 
rhoe mit  Catarrh  identisch  und  zwar  in  so  fern,  als  Schleim  in  jedem  Stadio  des 
Catnrrhcs  vorkommt,  jedoch  nur  im  zweiten  Entwicklungsstadio  über  Serum  und 
pus  weit  vorherrschend. 


62 

den  Körpers  (durch  turgescirende  Gefässe  und  Schwellung  der  Follikel),  in 
geringer  oder  bedeutender  Lichtscheu.  Ueberhaupt  hängen  diese  Erschei- 
nungen vom  Grade  der  Sensibilität  des  Individuums  ab.  Bei  solchen  ,  die 
ein  sehr  zartes  Hautorgan  haben,  verursacht  das  Secret  bisweilen  beträcht- 
liche Excoriation  an  den  Lidrändern  ,  besonders  am  äussern  Winkel ,  und 
selbst  ödematüse  Schwellung  der  Lider.  Reine  Luft  im  Freien  sagt  dem 
Kranken  meistens  besser  zu,  als  der  Aufenthalt  in  niedrigen,  überfüll- 
ten oder  schlecht  gelüfteten  Localitäten.  Das  Sehvermögen  ist  nicht  gestört, 
oder  es  ist  durch  Schleimflocken,  die  sich  über  die  Cornea  hinüberziehen, 
umflort,  und  Mückensehen  dadurch  veranlasst.  Die  Verschlimmerung  tritt 
gewöhnlich  in  den  Abendstunden  ein. 

Alle  Individuen,  mehr  aber  noch  Erwachsene,  sind  zur  calarrhali- 
schen  Entzündung  disponirt.  Sie  tritt  entweder  ursprünglich  in  der  Con- 
junctiva  auf,  und  ist  dann  grösstenteils  durch  atmosphärische  Verände- 
rungen bedingt,  oder  sie  erscheint  im  Gefolge  anderer  catarrhalischer  Af- 
fectionen,  besonders  mit  Schnupfen  und  Catarrh  der  Respiralionsorgane. 
Zuweilen  tritt  der  Augencatarrh,  wie  die  Grippe,  epidemisch  auf,  insbeson- 
ders  im  Frühjahre  und  Herbste. 

Ein  acuter  Catarrh  heilt  bei  zweckmässigem  Verhalten  in  6  — 10 
Tagen,  in  einzelnen  Fällen  dauert  er  länger,  oder  er  kann  in  höhere  Grade 
des  Leidens  (Blennorrhoe)  übergehen.  Der  gewöhnliche  Ausgang  ist  voll- 
kommene Zerlheilung.     Andere  Ausgänge  sind  folgende : 

Es  entwickelt  sich  ein  chronischer  Bindehautcatarrh.  Die 
Bindehaut  ist  in  diesem  Falle  feuchter,  aufgelockert,  ihre  Gefässe  erweitert, 
dunkelgerölhet,  der  Uebergangslheil  und  die  Scleralbindehaut  zuweilen 
von  einzelnen  schlaffen  Wülsten  bedeckt;  sie  sondert  eine  mehr  weniger 
schleimartige  Flüssigkeit  ab,  welche  viele  Epithelien  enthält 

Zuweilen  entsteht  durch  weitere  Entwicklung  der  Zellen  eine  Sub- 
slanzwucherung  und  Verdickung  der  aufgelockerten  Bindehaut. 
Das  Leiden  ist  sehr  hartnäckig,  bei  altern  Individuen  oft  ganz  unheilbar 
(Lippiludo  senilis.). 

In  seltenen  Fällen,  wo  die  Entzündung  vorzugsweise  die  Schleim- 
follikel  ergriff,  führt  sie  zur  Vereiterung  dieser  Drüsenbälge,  wobei 
sich  an  der  Innenfläche  des  Tarsus  mehrere  kleine  Abscesse  bilden. 

Die  Prognose  ist  günstig,  indem  ein  Catarrh  der  Bindehaut  nur 
äusserst  selten  Gefahr  bringt.  Jedoch  ist  hinsichtlich  des  chronischen 
Calarrhes  vorzüglich  seine  lange  Dauer  und  fast  gänzliche  Unheilbarkeil 
zu  erwähnen. 

Im  ersten  Stadium  eines  acuten  Bindehautcatarrhes  ist  oft  neben 
zweckmässiger  Pflege  nichts  anders  nöthig,  als  die  Anwendung  der  feuch- 


63 

ten  oder  trockenen  Kälte.  Bei  Ödem  der  Lider,  so  wie  bei  sehr  sensiblen 
oder  zu  rheumatischen  Leiden  geneigten  Individuen  sind  kalte  Uebersehläge 
weniger  zu  empfehlen,  als  die  blosse  Bedeckung  des  Auges  mit  einem 
trockenen  Leinwandläppchen.  Bei  starker  Absonderung,  daher  vorzüglich 
im  zweiten  Stadium  der  Krankheit  sind  Einträuflungen  von  einem  adstrin- 
girenden  Augenwasser  angezeigt.  Man  verordnet  zu  diesem  Zwecke  den 
Nilras  argenti  (% — 1  Gran  auf  1  Unze  deslill.  Wasser),  den  schwefelsauren 
Zink  oder  das  essigsaure  Blei  (zu  1  Gran  auf  die  Unze  Wasser).  Man  setzt 
dazu  bei  erhöhter  Empfindlichkeil  ein  gelind  wirkendes  Narcolicum ,  z.  B. 
die  Aqua  Laurocerasi  oder  Aqua  amygd.  amar.  zu  1  Scrupel  oder  %  Drach- 
me auf  2  Unzen  Colatur.  Die  Anwendung  der  genannten  Mittel,  welche 
auch  zu  Bähungen  der  Augen  verwendet  werden ,  geschieht  des  Tages  4- 
bis  6mal.  Um  dem  lästigen  Verkleben  der  Lidränder  und  Haulexcoriatio- 
nen  vorzubeugen,  kann  man  sie  Abends  mit  einem  milden  Oele  oder  Fett, 
Creme  Celeste  (aus  Spermacet  und  Mandelöl  bestehend)  bestreichen.  Die 
Anwendung  innerer  Mittel  ist  selten  nölhig,  nur  bei  zögernder  Stuhlenl- 
leerung  ist  die  Verabreichung  gelinder  Eccoprotica  zweckmässig. 

Bei  stärkerer  Erschlaffung  der  Bindehaut,  insbesonders  beim  chroni- 
schen Catarrhe,  wählt  man  Mittel,  welche  zugleich  einen  gelinden  Reiz  auf 
die  Bindehaut  ausüben  ,  die  erschlafften  Gefässwandungen  zur  Contraction 
bringen  ,  und  die  Secrelion  beschränken.  Zu  diesem  Zwecke  passen  der 
Sulfas  cupri,  der  Lapis  divinus  *),  mit  einigen  Tropfen  Opiumtinctur.  Man 
kann  zu  dem  Zwecke,  insbesondere  bei  Kranken,  denen  die  Augenwässer 
nicht  gut  anschlagen,  Salben  gebrauchen,  welche  man  aus  Zinkblumen,  aus 
rothem  oder  aus  weissem  Präcipilat  bereiten  lässt.  Man  verbindet  diese 
Stoffe,  wo  man  eine  mehr  adslringirende  Wirkung  erzielen  will,  mit  ad- 
stringirenden  Präparaten,  z.  B.  mit  Extraclum  Salurni,  Bolus  alba.  Ein 
ziemlich  wirksames  Mittel  ist  in  solchen  Fällen  das  sogenannte  Unguentum 
compositum  Scarpae,  bestehend  aus  rothem  Präcipilat  und  Exlract.  Salurni 
von  jedem  1  %  Gran  auf  2  Drachmen  Ungt.  comm.  oder  rosalum.  Man  lässt 
von  diesen  Salben  Abends  vor  dem  Einschlafen  ein  linsengrosses  Stück 
auf  die  Lidränder  oder  auf  die  Bindehaut  des  untern  Augenlides  mit  der 
Fingerspitze  oder  einem  Malerpinsel  einstreichen.  Bei  Anälzung  der 
Augenlidränder  wählt  man  am  liebsten  Bleipräparate.  Bei  stärkerem  chro- 
nischen Oedem  der  Scleralbindehaut  werden  warme,  trockene  Bähungen 
mit  aromatischen  Kräutersäckchen  mit  Vortheil  angewendet.  Aeussere 
Hautreize  sind  beim  Catanh  der  Bindehaut  überflüssig. 


*)  Es  besteht  dieses  Präparat  aus  Aerugo,  Aiumcn  und  Nitrum,  von  jedem 
8  Theile  und   I    Thttil   Kampher. 


64 

Wenn  unter  ungünstigen  Verhältnissen ,  oder  unter  der  Einwirkung 
eigentümlicher  Ursachen  der  Enlzündungsprocess  in  der  Bindehaut  hefti- 
ger auftritt ,  in  das  Parenchym  derselben  eingreift  und  rascher  verläuft,  so 
finden  die  Zellen  der  ausgeschwitzten  Flüssigkeit  nicht  Zeit  zur  Entwicklung; 
sie  beharren  auf  ganz  jungen  Entwicklungsstufen ,  sind  klein ,  mit  3 — 5 
Kernen  versehen  (Eiterkörperchen) ;  das  Secret  wird  daher  reichlicher,  einer 
schleimigen  Flüssigkeit  ähnlich  (Phlegmatorrhoe)  oder  eiterähnlich  (Py- 
orrhoe), und  die  Entzündung  der  Conjunctiva  wird  wegen  ihres  reichliche- 
ren Secretes  Bindehautblennorrhoe  genannt;  d.i.  jene  Enlzündungs- 
form ,  wo  ausser  dem  serösen  Erguss  in  das  Parenchym  der  Bindehaut  auf 
ihrer  Oberfläche  ein  grösstentheils  zu  Eiter  zerfliessendes  theils  erstarren- 
des und  organisirungsfähiges  Product  abgesetzt  wird  *). 

IVIan  unterscheidet  die  acute  und  chronische  Blennorrhoe,  und  nennt 
jenen  Grad  des  Leidens,  wo  mehr  die  Lidbindehaut  ergriffen  ist,  Blepharo- 
blennorrhoe,  den  höchsten  Grad,  wo  die  Scleralbindehaut  gleichmässig 
afficirt  ist,  Ophthalmoblennorrhoe. 

Die  Erscheinungen  der  Blepharoblennorrhoc  sind:  Die  Bindehaut 
der  Augenlider  ist  glanzlos,  dunkler,  sammlartig  aufgelockert,  der  Ueber- 
gangstheil  dunkelroth,  gewulstet,  und  drängt  sich  beim  Abziehen  des  un- 
tern Lides  mehr  hervor.  Die  halbmondförmige  Falte  dunkelroth,  ange- 
schwollen, die  Bindehaut  des  Augapfels  mit  einem  dichten  Gefässnetze 
bedeckt,  hie  und  da  aufgepufft.  Das  Secret  ist  Anfangs  dünner,  gelblich, 
molkenartig  (Hydrorrhoe) ,  wird  nach  und  nach  trüber,  mit  Flocken  unter- 
mischt, consistenler  (Phlegmatorrhoe),  zuletzt  gleichförmig  eilerartig  (Pyor- 
rhoe). Es  haftet  an  den  Cilien  und  Lidrändern,  bildet  durch  Vertrocknung 
Krusten  und  excorirt  zuweilen  die  Haut.  Die  Lidhaut  schwillt  etwas  an 
und  wird  geröthet,  die  Beweglichkeit  der  Lider  erschwert,  das  Auge  licht- 
scheu; der  Kranke  klagt  über  grössere  oder  geringere  Schmerzen  (Brennen 
und  Siechen)  und  über  Eingenommenheit  des  Kopfes. 

Die  Ophthalmoblennorrhoe  ist  durch  die  Heftigkeit  der  Erscheinungen 
und  durch  raschen  Verlauf  charakterisirt.  Die  Bindehaut  der  Lider  und 
des  Augapfels  ist  gleichmässig  dunkelroth,  und  durch  Erguss  von  Serum 
gelockert  und  geschwollen.  Die  Conjunctiva  bulbi  erhebt  sich  dadurch 
in  einen  dunkelrothen  Wall ,  welcher  die  Hornhaut  zum  Theil  verbirgt. 


*)  Die  croupöse  Entzündung  der  Bindehaut  (S.  membranacea)  ist  sehr  sel- 
ten. Sie  tritt  bisweilen  nach  Verletzung  und  Anätzung  der  Bindehaut  auf  und 
führt  zu  Verwachsungen.  Zuweilen  bilden  sich  über  der  Conjunctiva  bulbi  und 
Cornea  pseudomembranöse  Platten  (Fasers loffschollen),  welche  sich  abziehen  lassen. 


65 

An  den  Augenlidern  erscheint  durch  einen  serösen  Erguss  ins  Zellgewebe 
derselben  eine  Anfangs  schlaffe,  später  gespannte,  blass-  oder  dunkelrothe 
Gesehwulst.  Letzlere  betrifft  vorzugsweise  das  obere  Augenlid,  welches 
desshalb  unbeweglich  wird  und  den  Rand  des  untern  Lides  überragt.  Am 
Rande  desselben  ist  etwas  Secret  abgesetzt,  welches  beim  Heben  des  obern 
Lides  in  grösserer  Menge  hervorstürzt.  Dadurch  ,  so  wie  durch  den  der- 
beren Bindehaulwall  unterscheidet  sich  die  Blennorrhoe  von  der  beim 
Erysipel  der  Lider  vorkommenden  Geschwulst,  welche  bei  oberflächlicher 
Betrachtung  für  eine  Blennorrhoe  gehalten  werden  könnte. 

Zuweilen  äussern  die  Kranken  wenig  Schmerz,  höchstens  ein  lästiges 
Gefühl  von  Spannung,  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  jedoch  ist  der  Schmerz 
sehr  heftig,  brennend,  die  Umgebung  des  Auges  und  den  Kopf  einneh- 
mend; Lichtscheu  geringeren  oder  höheren  Grades  begleitet  denselben. 
Das  Sehvermögen  ist  gewöhnlich  bedeutend  umflort.  Fieberbewegungen 
fehlen  selten. 

Man  unterscheidet  den  sogenannten  synochalen  ,  erethischen  und 
torpiden  Charakter  der  Entzündung.  Beim  ersten  ist  die  Geschwulst  der 
Lider  heiss,  rolh,  gespannt,  der  Bindehautwall  hochroth,  hart,  das  Secret 
nicht  sehr  massenreich ,  dabei  heftiger  Augen-  und  Kopfschmerz ,  Licht- 
erscheinungen ,  heftiges  Fieber;  der  Verlauf  sehr  rasch.  Der  erethische 
Charakter  zeigt  blassrolhe ,  sehr  empfindliche  Geschwulst,  dünnes  Secret, 
heftige  reissende  und  stechende  Kopfschmerzen,  Lichtscheu,  grosse  Unruhe 
und  heftiges  Fieber  mit  ziemlich  raschem  Verlaufe ;  der  torpide  Charakter 
weiche,  bedeutende,  wenig  empfindliche  Geschwulst  der  Lider,  dunklen, 
weichen  Bindehautwall,  profuse  Secretion,  geringen  Kopfschmerz,  wenig 
oder  keine  Lichtscheu,  massiges  oder  gar  kein  Fieber,  trägen  Verlauf. 

Das  Secret  der  Ophthalmoblennorrhoe  ist  ansteckend  und  hat  ätzende 
Eigenschaften.  Es  ätzt  zuweilen  die  Oberfläche  der  Bindehaut  an,  was 
zu  Conlinuilätstrennungen  und  Blutungen  führt.  Viel  wichtiger  jedoch 
sind  die  Veränderungen  der  Hornhaut.  Durch  die  Einwirkung  des  ätzen- 
den Secrels  wird  ihr  Epithel  abgestossen ,  ihre  Faserlage  erweicht,  und  es 
entstehen  grauliche  Stellen,  welche  sich  schnell  in  tiefe  Geschwüre  ver- 
wandeln, die  zur  Perforation  oder  gänzlichen  Zerstörung  der  Cornea  führen 
können.  Dieser  Process  geht  oft  äusserst  rasch  vor  sich.  Auch  scheint 
der  durch  die  Bindehaut  gebildete  Wall  durch  Druck  die  Ernährung  der 
Cornea  zu  hemmen  ,  und  so  das  Absterben  derselben  herbeizuführen  ,  was 
um  so  wahrscheinlicher  ist,  da  die  Gefahr  jederzeit  desto  grösser  ist,  je 
mehr  der  Bindehautwall  entwickelt  ist. 

Die  Blennorrhoe  durchläuft  nicht  immer  alle  Grade;  sie  kann  sich 
rasch  zum  dritten  Grade  (Ophthalmoblennorrhoe)  steigern,  aber  auch  nach 

Meyr,  Augenheilkunde.  5 


dein  ersten  und  zweiten  rückgängig  werden.  Bei  Abnahme  der  Krankheit 
vermindert  sich  die  Anschwellung  der  Bindehaut,  das  Secrel  wird  wieder 
dünner,  fleisehwasserähnlich ,  geringer  an  Menge,  enthält  viele  Epithelial- 
zellen,  so  dass  der  normale  Zustand  der  Bindehaut,  wenn  sich  keine  Nach- 
krankheilen  entwickeln  in  5 — 6  Wochen  wieder  hergestellt  ist. 

Die  chronische  Blennorrhoe  tritt  entweder  primär  auf,  oder 
gehl  aus  der  acuten  hervor  und  besteht  wesentlich  darin  ,  dass  bei  minder 
raschem  Verlaufe  die  Exsudalion  ins  Gewebe  der  Bindehaut  erfolgt,  und 
ein  Theil  der  jungen  Zellen  zu  bleibenden,  faserigen  Gewebsbcslandtheilen 
sich  entwickeln  kann.  Es  bilden  sich  dadurch  die  sogenannten  Granula- 
tionen, wodurch  die  Bindehaut  anschwillt,  und  eine  rauhe,  granulirle  Ober- 
fläche gewinnt.  Die  körnige  Entartung  der  Bindehaut  beruht  daher  nicht 
auf  einer  Hypertrophie  des  Papillarkörpers ,  was  aus  der  ungleichen  Form 
der  Granulationen,  ihrer  Grösse  und  Unempfindlichkeit  bei  der  Berührung 
hervorgeht. 

Die  Form,  Grösse  und  Consislenz  der  Granulationen  ist  verschieden. 
Anfangs  entstehen  hirsekorngrosse ,  dunkelrothe  Erhabenheilen ,  später 
verschmelzen  sie  miteinander,  werden  dicker,  warzen-  und  condylomarlig; 
dabei  ist  die  Bindehaut  angeschwollen,  dunkler  gerölhel,  von  zahlreichen 
Gefässen  durchzogen.  Im  höhern  Grade  bilden  sich  läppen-  und  hahncn- 
kammarlige  Auswüchse.  Die  Schleimsecretion  der  Conjunctiva  ist  meistens 
nicht  bedeutend,  man  sieht  nur  in  den  Furchen  der  Wucherungen  ein  kle- 
briges, eiterartiges  Secret  und  zwar  um  so  reichlicher,  je  jünger  und  fri- 
scher die  Wucherungen  sind.  Durch  den  Druck ,  welchen  diese  Exsudate 
gegenseitig  auf  sich  ausüben ,  und  den  sie  durch  die  Reibung  der  Lider 
erleiden,  nehmen  sie  verschiedene  Formen  an,  werden  abgeplattet,  stumpf 
u.  s.  w.  Ihr  Sitz  ist  die  Lidbindehaut,  am  häufigsten  erscheinen  sie  in  den 
Uebergangsfallen  und  in  der  Innenfläche  des  obern  Augenlides.  Zur  voll- 
ständigen Aus-  und  Rückbildung  (Resorption)  der  Granulationen  isl  ge- 
wöhnlich lange  Zeil  (Monate)  erforderlich. 

Die  subjectiven  Erscheinungen  sind  bei  der  chronischen  Blennonhoe 
unbedeutend.  Schmerz  und  Lichtscheu  fehlen  entweder,  oder  sind  nur  in 
geringerem  Grade  zugegen.  Die  in  ihrem  Gewebe  verdickten  Lider,  deren 
submucöser,  contractiler  Zellstoff  in  Folge  der  Schleimhautentzündung  pa- 
ralysirl  wird,  sind  schwerer  beweglich,  die  Lidspalte  wird  scheinbar  ver- 
engt, die  Thränenleilung  erschwert,  und  solche  Augen  bieten  daher  ein 
eigentümliches,  wie  in  Thränen  schwimmendes  Ansehen  dar. 

Die  Folgen  der  acuten  Ophthalmoblennorrhoe  sind  verschieden, 
und  für  die  Integrität  des  Sehorgans  mehr  oder  minder  gefährlich. 

1 .  Vollkommene  Zertheilung  erfolgt  nur  dann,  wenn  eine  zweck- 


67 

massige  Behandlung  zeillich  genug  eingeleitet  wurde.  Die  Bindehaut  bleibt 
oft  längere  Zeit  in  einem  aufgelockerten  Zustande,  das  Gewebe  der  Augen- 
lider noch  etwas  infillrirl  zurück.  2.  Ein  zweiler  Ausgang  ist  die  chro- 
nische Blennorrhoe.  3.  Theilweise  oder  totale  Zerstörung 
derComea,  dadurch  ausgebreitete  Trübungen  und  Narben  der  Cornea,  Vor- 
fälle der  Iris,  und  vordere  Synechien  mit  Verziehung  der  Pupille ,  partielle  und 
totale  Staphylome,  Schwund  der  Hornhaut.  4.  Erweichung  und  dadurch  be- 
dingte kegelförmige  Hervorlreibung  der  Cornea (Kerectasia).  5.  Schwund 
des  ganzen  Augapfels,  wenn  nach  dem  Bersten  der  Cornea  der 
grösste  Theil  dej  Augenfeuchligkeilen  sich  entleerte.  6.  Ueb  ergriff 
der  Entzündung  auf  andere  Gebilde,  so  z.  B.  Keralo-Iritis ,  Ent- 
zündung des  Thränensackes,  auch  Amblyopie  durch  Hyperaemie  lieferer 
Gebilde  des  Augapfels  und  der  Gehirnhäute.  Die  chronische  Blen- 
norrhoe kann  durch  äussere  Reize  leicht  acut  werden,  und  setzt  das 
Auge  den  Gefahren  der  letzleren  aus.  Uebrigens  führt  sie  durch  die  so- 
genannten Wucherungen  der  Lidbindehaut  nicht  selten  zur  Auswärls- 
kehrung  der  Lider,  (Ectropium  sarcomatosum  od.  luxurians).  Bei 
Kindern  klappt  sich  bei  acuten  und  chronischen  Blennorrhoeen  der  obere 
Deckel  bei  unzweckmässiger  Untersuchung  und  beim  Schreien  öfters  von  selbst 
um.  Das  Ectropium  des  untern  Lides  bei  altern  torpiden  Personen  erfolgt 
auch  durch  seröse  Durchfeuchtung  und  Erweichung  des  Knorpels.  Selte- 
nere Folgen  sind  Hypertrophie  der  halbmondförmigen  Falte  und  der  Thrä- 
nenkarunkel,  so  wie  die  Exophthalmia  fungosa. 

Was  die  Ursachen  betrifft,  so  besteht  keine  besondere  Disposition 
bei  bestimmten  Individuen  ;  mit  Ausnahme  der  Kinder,  wo  die  Blennorrhoe 
häufiger  vorkommt,  beobachtet  man  sie  grösslentheils  bei  Individuen 
zwischen  20  und  30  Jahren.  Dieselben  Ursachen,  welche  das  Entstehen 
catarrhalischer  Entzündungen  begünstigen,  können  unter  ungünstigen  Um- 
ständen Blennorrhoeen  erzeugen.  Hierher  gehören  insbesondere^  gewisse 
atmosphärische  Verhältnisse,  woher  es  kommt,  dass  zu  manchen  Zei- 
ten die  Blennorrhoe  häufiger  vorkommt,  besonders  bei  heisscr  und  schwüler 
Witterung  (im  Juli,  August).  Ein  gewisser  Krankheitsgenius  lässl  sich 
nicht  läugnen.  Die  Krankheit  kann  daher  sowohl  epidemisch,  endemisch 
und  sporadisch  auftreten.  Auf  ähnliche  Weise  wirken  ungünstige 
Localverhältnisse,  feuchte  oder  von  Rauch  erfüllte  Wohnungen,  Staub, 
allerhand  Dämpfe,  das  Zusammenleben  vieler  Individuen  in  engen  Räumen. 

Durch  unzweifelhafte  Thatsachen  ist  erwiesen,  dass  die  Blennorrhoe 
sich  auch  durch  Contagien  fortpflanze.  Das  ansteckende  Agens  ist  an  das 
eitrige  Secret  gebunden  ,  und  die  Intensität  desselben  sieht  mit  dem  Eiler- 
gehalte im   geraden  Verhältnisse.     Ein  flüchtiges  Conlagium  besteht  bei 

5* 


68 

der  Blennorrhoe  nicht,  jedoch  kann  man  eine  Verdiinstang,  Suspension 
der  Atome,  and  die  Imprägnation  der  Luft  damit  annehmen.  Die  An- 
steckung- kann  auch  durch  Ueberlragung  des  blennorrhoischen  Secreles  von 
der  Schleimhaut  der  Harnröhre  oder  Scheide   auf  die  Bindehaut   erfolgen. 

Das  Vorkommen  der  Krankheil  unter  dem  Militär,  so  wie  in  Findel-, 
Waisen-  und  Gebärhäusern  ist  durch  besondere  Verhältnisse  begründet. 
Bekanntlich  tritt  die  Krankheit  in  und  nach  Kriegsjahren  häufiger  auf, 
und  wurde  besonders  nach  der  Wiederkehr  der  europäischen  Truppen  aus 
Acgypten  näher  beobachtet  und  beschrieben,  woher  der  Name  Ophthalmia 
aegyptiaea  rührt  *).  Die  prädisponirenden  Einflüsse  treten  auch  bei  den 
Soldaten  häufiger  hervor,  nämlich  das  enge  Zusammenleben  in  überfüllten, 
feuchten,  schlecht  gelüfteten  Casernen,  die  schlechtere  Beschaffenheil  der 
Atmosphäre  daselbst  durch  Mangel  an  Reinlichkeit,  Tabakdampf;  unzweck- 
mässige, enge  anliegende  Kleider,  anstrengende  Beschäftigungen  ohne 
die  nöthige  Ruhe,  schlechte  und  unzureichende  Nahrung,  der  Aufenthalt 
in  mit  ammoniacalischen  Ausdünstungen  geschwängerten  Ställen.  Als 
occasionelle,  ursächliche  Momente  sind  zu  erwähnen  Verkühlungen,  grosse 
Ermüdung  nach  anstrengenden  Märschen,  Nachlässigkeit  in  der  Absonde- 
rung der  gesunden  Individuen  von  den  Kranken.  Aus  dem  Angeführten 
ist  es  erklärlich,  warum  das  Uebel  vorzüglich  jüngere  und  schwächliche 
Individuen,  Rekruten,  mehr  die  gemeine  Mannschaft,  als  Offiziere  ergreift, 
warum  es  zuweilen  in  Combination  mit  dem  Typhus  und  der  Ruhr  auftritt. 

Aehnliche  Ursachen  bedingen  das  häufige  Auftreten  der  Ophthalmo- 
blennorrhoe bei  Neugebor  nen.    Mehr  disponirt  sind  dazu  senwäch- 


*)  Die  sogenannte  ägyptische  Augcnenlzündung  ist  als  keine  eigenthüm- 
liche  Species,  sondern  theils  als  Catarrh,  theils  als  Blennorrhoe  niedern  und 
höhern  Grades  zu  betrachten.  Denn  1.  Sie  entsteht  unter  denselben  Symptomen, 
wie  die  catarrhalische ,  und  ist  eben  so  durch  atmosphärische  und  lellurischc 
Einflüsse  bedingt.  2.  Beide  haben  ihren  Sitz  in  der  Conjuncliva.  3.  Die  Granu- 
lationen sind  kein  pathognomonisches  Symptom,  da  sie  sich  auch  bei  der  catarrha- 
lischen  Entzündung  entwickeln  können.  Der  Keimstoff,  welcher  der  Entwicklung 
des  Eiters  und  der  Granulationen  zu  Grunde  liegt,  ist  für  beide  nicht  qualitativ 
verschieden;  bei  einem  weniger  rapiden  Verlaufe  kann  der  Theil  des  Keimstoßes. 
welcher  mit  der  lebendigen  Organensubstanz  unmittelbar  und  länger  in  Berüh- 
rung bleibt,  durch  ihren  Einfluss  schneller  und  höher  organisirt  werden.  Daraus 
erklärt  es  sich,  warum  nach  Blennorrhoccn  zuweilen  Granulationen  auftreten, 
andererseits  auch  Granulationen  zur  Blennorrhoe  sich  entwickeln,  und  durch 
diese  zur  Schmelzung  gebracht  werden.  4.  Was  endlich  die  Contagiosität  be- 
trifft, so  kann  bekanntlich  jede  catarrhalische  Entzündung  bei  grosser  Intensität 
und  unter  ungünstigen  Umständen  die  Eigenschaft  erlangen ,  sich  durch  Conta- 
gien  fortzupflanzen. 


69 

liehe  Kinder ,  besonders  frühzeitige  und  solche ,  denen  es  an  mütterlicher 
Nahrung  und  Pflege  fehlt.  Oertliche  Verhältnisse,  nämlich  schlechte  durch 
unreine  Ausdünstungen  verpestete  Luft  machen  es  begreiflich,  warum  in 
Findel-  und  Gebärhäusern  die  Krankheit  häufiger  auftritt,  so  wie  auch 
dann,  wenn  Puerperalfieber  epidemisch  herrschen  (Trousseau).  Die  grelle 
Einwirkung  des  Lichtes  auf  die  an  Dunkelheit  gewöhnten  Augen  Neuge- 
borner,  so  wie  schneller  Wechsel  der  Temperatur,  mögen  als  prädisponirende 
Momente  gelten.  Gewiss  findel  in  vielen  Fällen  auch  directe  Infeclion  beim 
Durchtrilte  des  Kopfes  durch  die  mit  Blennorrhoe  behaftete  Vagina  Statt,  was 
durch  Beobachtungen  erwiesen  ist.  Sie  tritt  meistens  den  3.  bis  9.  Tag  nach 
der  Geburl  auf,  und  hat  einen  minder  stürmischen  Verlauf,  als  die  der  Er- 
wachsenen. Die  anatomisch-physiologischen  Vorgänge  sind  bei  allen  Varie- 
täten der  Bindehautblennorrhoe  dieselben,  die  Unterschiede  daher  nicht 
wesentlich.  So  zeichnet  sich  die  gonorrhoische  Blennorrhoe  durch  rasche 
Entwicklung  und  Verlauf,  so  wie  durch  Schärfe  der  Absonderung  aus,  wo 
durch  oft  schnell  Zerstörung  der  Cornea  und  des  Auges  herbeigeführt  wird. 
Bei  scrofulösen  Individuen  tritt  enorme  Anschwellung  der  Augenlider  und 
ihrer  Drüsen  hervor,  der  Verlauf  ist  dabei  träger. 

Die  Prognose  ist  bei  der  grossen  Gefahr,  welche  der  Integrität  des 
Auges  droht,  stets  unsicher.  Die  acute  Form  der  Blennorrhoe  ist  immer 
sehr  gefährlich;  die  chronische  Form  minder  gefährlich,  kann  jedoch,  wenn 
die  Wucherungen  der  Bindehaut  noch  nicht  ganz  beseitigt  sind,  durch  ge- 
ringe Anlässe  in  acute  Ophthalmoblennorrhoe  übergehen.  Die  Prognose 
ist  besser,  wenn  gleich  im  Beginne  der  Krankheit  eine  zweckmässige  Be- 
handlung eingeleitet  wurde. 

Insbesondere  ist  der'Zustand  der  Cornea  entscheidend ;  ist  dieselbe 
noch  ganz  ungetrübt,  so  lässt  sich  noch  gänzliche  Heilung  hoffen,  nichl 
aber,  wenn  sie  schon  an  einzelnen  Stellen  erweicht  ist.  Um  so  ungünsti- 
ger ist  die  Prognose,  wenn  schon  tiefe  Geschwüre  der  Cornea  vorhanden, 
oder  dieselbe  eitrig  infiltrirt  ist.  Mit  der  Abnahme  des  Bindehautwalles 
und  der  Verminderung  des  Secrets  lässt  sich  ein  günstigerer  Ausgang 
hoffen.  Heftige  Kopf-  und  Supraorbitalschmerzen  lassen  auf  ein  Leiden 
lieferer  Gebilde  schliessen  und  verschlimmern  die  Prognose.  Was  das 
Individuum  betrifft ,  so  pflegt  die  Blennorrhoe  bei  scrofulösen  ,  syphiliti- 
schen, schwächlichen  und  phthisischen  Subjecten  bösartiger  zu  sein;  eine 
enge  Lidspalle,  wodurch  das  Abfliessen  des  Secrets  mehr  gehemmt  wird, 
ist  von  ungünstigem  Einflüsse.  Bei  heisser,  schwüler  Witterung  verlau- 
fen die  Fälle  ungünstiger,  als  in  kühleren  Jahreszeiten.  Endlich  ist  beim 
epidemischen  Auftreten  auch  der  Charakter  der  Epidemie  zu  berücksichti- 
gen, welche  nicht  immer  den  gleichen  Grad  der  Bösartigkeil  zeigt. 


70 

Therapie.  In  prophylactischer  Beziehung  ist  die  grössle  Reinlichkeit 
in  den  Spitälern  und  Casernen,  fleissige  Lüftung  der  Legalitäten,  sorgfäl- 
tige Absonderung  der  Gesunden  von  den  Kranken  zu  empfehlen. 

Die  Kur  der  Blennorrhoe  ist  verschieden  nach  dem  acuten  und  chro- 
nischen Auftreten,  so  wie  nach  dem  Stadium. 

Die  acute  Ophthalmoblennorrhoe  erfordert  ein  rasches  und  entschie- 
denes Handeln.  Bei  rascher  Zunahme  der  Enlzündungserscheinungen,  bei 
kräftigen,  jugendlichen  Individuen  und  synochalem  Charakter  der  Krank- 
heil ist  eine  allgemeine  Blutenlziehung  vorzunehmen;  sonst  genügen  bei 
starker  Schwellung  der  Lider  und  heftigen  Schmerzen  Blutegel  an  die 
Schläfengegend  applicirl.  Die  Scarification  der  Conjuncliva,  die  Aus- 
schneidung des  Walles  derselben  wurde  von  Vielen  sehr  angerühmt,  ins- 
besondere räth  Tyrrel ,  den  Bindehaulwall  mit  einem  Staarmesser  radien- 
förmig  einzuschneiden ,  um  dadurch  den  Druck  desselben  auf  die  zur  Er- 
nährung der  Cornea  bestimmten  Gefässe  aufzuheben  ,  und  dem  Abslerben 
der  Cornea  vorzubeugen.  Bei  starkem  Bindehautwalle  mögen  solche 
Excisionen  von  Vortheil  sein,  obwohl  andere  Verfahrungsweisen  erfolg- 
reicher sind. 

Um  die  Zerstörung  der  Cornea  durch  das  Secret  zu  verhindern ,  ist 
das  Auge  so  viel  als  möglich  von  demselben  zu  reinigen.  Zu  diesem 
Zwecke  drücke  man  einen  in  laues  oder  kaltes  Wasser  getauchten 
Schwamm  bei  geneigter  Lage  des  Kopfes  so  über  dem  Auge  aus,  dass 
das  Wasser  in  den  innern  Winkel  einströmt,  und  das  Secret  über  die 
Schläfenseite  abgespült  wird.  Der  Kranke  werde  auf  die  ansteckende 
Eigenschaft  des  Secrels  aufmerksam  gemacht,  damit  nicht  etwa  das  ge- 
sunde Auge  durch  Unvorsichtigkeit  inficirt  werde.  Das  durch  die  Erfah- 
rung bewährteste  Mittel  ist  eine  Lösung  von  Nilras  arg.  (1 — 6  Gran  auf 
1  Unze  Wasser) ,  da  er  einen  umstimmenden  Einfluss  auf  die  erkrankte 
Schleimhaut  ausübt,  und  die  Secretion  mässigt.  Einträuflungen  einer  sol- 
chen Solution,  deren  Stärke  dem  individuellen  Falle  angemessen  sein 
muss,  sind  daher  nach  jedesmaliger  Reinigung  des  Auges  vorzunehmen. 
Bei  grosser  Hitze  und  starker  Schwellung  der  Theile  nützt  auch  die  An- 
wendung von  Eisüberschlägen  ,  wenn  sie  anders  von  dem  Kranken  ver- 
tragen werden. 

Bei  heftigen  Schmerzanfällen  lasse  man  Opiate  in  die  Umgebung 
des  Auges  einreiben,  Senfteige  legen,  oder  eine  Dosis  Opium  oder  Pulvis 
Doweri,  wohl  auch  stärkere  Gaben  von  Sulfas  Chinini  mit  essigsaurem 
Morphin  verabfolgen. 

Als  andere  Mittel,  welche  in  der  Ophthalmoblennorrhoe  Dienste  lei- 
ten,  sind    zu    erwähnen   der   Alaun   in   «larker  Gabe  (10  —  12   Gran   auf 


71 

2  Unzen  Wasser),  Einstreuungen  von  Calomel  und  die  Chlorina  liquida. 
Der  Alaun  empfiehlt  sich  besonders  bei  starker  Auflockerung-  und  reich- 
lichem Secrele,  so  wie  bei  tiefern  Geschwüren  der  Hornhaut.  Die  Chlor, 
liq.  (1  gutt.  ad  Unz.  1  aq.  dest)  bei  dünner,  jauchiger,  ätzender  Beschaffen- 
heit des  Secretes.  Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dass  jederzeit  der  Character 
der  Epidemie  zu  berücksichtigen  ist,  indem  die  Erfahrung  lehrte,  dass  in 
mancher  Epidemie  ein  Mittel  auffallende  Dienste  leistete,  während  es  zu 
einer  andern  Zeit  den  Arzt  ganz  im  Stiche  lässt. 

Die  Eröffnung  der  vordem  Kammer,  von  Wardrop  und  Eble  ausge- 
führt, wäre  ein  sehr  gewagtes  Unternehmen.  Jedoch  schafft  sie  in  jenem 
Folgezuslande,  wo  die  Cornea  verdickt  und  das  Auge  durch  übermässige 
Ansammlung  des  humor  aqueus  sehr  gespannt  und  schmerzhaft  ist,  augen- 
blickliche Erleichterung. 

Bei  der  Behandlung  der  chronischen  Blennorrhoe  kommt  es  darauf 
an,  die  Wucherungen  zu  tilgen  und  die  Laxiläl  und  Schwellung  der  Binde- 
haut zu  heben.  Die  Excision  derselben  ist  nur  bei  üppiger  Wucherung  ge- 
staltet. Gewöhnlich  gelingt  es,  sie  durch  Anwendung  stark  adstringirender 
Wässer  (Nilras  arg.  Tannin),  oder  des  rolhen  oder  weissen  Praecipilales  zu 
beseitigen.  Wo  man  mit  diesen  Mittel  nicht  ausreicht,  sind  öflere  Touchi- 
rungen  mil  Sullas  cupri  zu  empfehlen. 

d.  Das  Bindehauttrachom  (Syndesmitis  granulosa,  asperiludo 
palpebrarum,  Augenlidrauhigkeil)  ist  jener  Krankheilsprocess,  wo  die  Aus- 
scheidung eines  gallertartigen,  organisirungsfähigen  Produktes  in  Geslall 
umschriebener  Massen  unter  das  Epithel  und  in  das  Parenchym  der  Binde- 
haut stattfindet.  Diese  Enlzündungsform  kann  sowohl  primär  als  auch 
seeundär  (nach  vorausgegangenen  catarrhalischen  Entzündungen)  auftreten. 
Man  sieht  das  Trachom  ferner  unter  mehr  oder  minder  heftigen  Entzün- 
dungserscheinungen oder  auch  ohne  solche  (auf  entzündlichem  oder  ca- 
chectischem  Wege)  entstehen. 

Das  genannte  Leiden  entwickelt  sich  unter  folgenden  Erscheinungen  : 

Im  ersten  Stadium  (dem  der  Auflagerung  oder  oberflächlichen 
Exsudation)  beobachtet  man  an  der  irmern  Fläche  des  Tarsaltheils  und  im 
Uebergangstheile  der  Bindehaut  mehrere  senf-  oder  hirsekorngrosse,  bei- 
nahe kryslallhelle  oder  etwas  gelbliche  Bläschen.  Die  Conjunctiva  erscheinl 
blass,  blutarm,  oder  wird  von  einzelnen  Gefässchen  durchzogen.  Man  beob- 
achtet an  ihr  Anfangs  weder  Schwellung  noch  ein  blennonhoisches  Sccret 
(Unterschied  von  der  chron.  Blennorrhoe).  Die  Bläschen,  welche  Anfangs 
eine  gelatinöse,  amorphe  Flüssigkeit  enthalten,  werden  nach  und  nach 
grösser  und   minder  durchsichlig;   ihr  Inhalt   wird  derber  und  sie  erschei- 


72 

nen  somit  als  Kölner.  Ihre  Anzahl  mehrt  sich  und  sie  erscheinen  reihen- 
oder  rosenkranzförmig  gruppirt.  Die  Bindehaut  wird  sodann  etwas  geröthet 
und  geschwellt,  sondert  wohl  auch  eine  seröse  mit  Schleimflocken  ge- 
mischte Feuchtigkeit  ab.  Bei  stärkerer  Entwicklung  der  Bläschen  und 
Schwellung  der  Bindehaut  stehen  die  Lidränder  vom  Bulbus  etwas  ab,  und 
das  Auge  des  Kranken  hat  ein  eigen thümliches,  wie  in  Thränen  schwim- 
mendes Ansehen.  Die  subjecliven  Symptome  bestehen  in  erhöhter  Empfind- 
lichkeit der  Bindehaut,  im  Gefühle  eines  fremden  Körpers,  von  Schwere 
und  Unbeweglichkeil  der  Augenlider,  sind  jedoch  in  einzelnen  Fällen  so 
geringfügig,  dass  der  Kranke  seinen  Zustand  gänzlich  übersieht.  In  andern 
Fällen  tritt  dieser  Process  unter  stärkeren  entzündlichen  Zufällen,  mit  den 
Symptomen  eines  heftigen  Catarrhes,  selbst  mit  Lichtscheu,  Lidkrampf,  hef- 
tigem Kopf-  und  Supraorbilalschmerz  auf.  Bei  Zunahme  der  Krankheil 
erscheinen  die  Körner  auch  an  der  halbmondförmigen  Haut,  und  in 
dem  an  den  Lebergangstheil  glänzenden  Sclerallheile  der  Bindehaut.  Sie 
sind  am  kleinsten  an  den  freien  Lidrändern,  am  grösslen  in  den  Bindehaut- 
fallen, weil  daselbst  weder  Druck  bei  den  Bewegungen  des  Bulbus  noch 
ein  kurzes,  strafT  angezogenes  Zellgewebe  ihre  Entwicklung  hindert.  Der 
Inhalt  derselben  zeigt  bei  näherer  Untersuchung  kernhaltige  und  in  der 
Entwicklung  zu  Zcllfasern  begriffene  Zellen.  In  diesem  Stadium  kann  noch 
vollkommene  Heilung  durch  Resorption  erfolgen  Die  Körner  werden  all- 
mälig  flacher,  kleiner  und  es  bleibt  an  der  Stelle  derselben  ein  gelblicher, 
endlich  grau  werdender  Fleck. 

Im  zweiten  Stadium  (dem  der  Infiltration  oder  Einlagerung)  er- 
folgt die  Abscheidong  des  Exsudates  in  das  Parenchym  der  Bindehaut, 
grösstenteils  unter  den  Erscheinungen  einer  stärkeren  Reizung.  Die  Lid- 
bindehaut wird  lebhaft  gerölhet,  griesig,  feinzoltig  und  filzig.  Die  bezeich- 
neten entweder  noch  einzeln,  oder  was  häufiger  der  Fall  isl,  in  Gruppen 
stehenden  Körnchen  entwickeln  sich  in  grösserer  Anzahl  und  auch  im 
Lidknorpel.  Die  Krankheit  wird  wegen  der  Schwellung  der  Bindehaut  der 
chronischen  Blennorrhoe  ähnlich;  es  fehlt  jedoch  das  eigenthümliche  blen- 
norrhoische  Secret. 

Der  Exsudationsprocess  schreitet  in  vielen  Fällen,  und  zwar  meistens 
unter  heftigeren  Reactionserscheinungen,  auf  die  Oberfläche  der  Cornea 
fort.  Die  Gefässe  der  Bindehaut  verlängern  sich  und  das  Exsudat  wird  un- 
ter das  Epithel  der  Cornea  zuerst  an  ihrem  Rande  abgelagert.  Nach  und 
nach  wird  die  Cornea  matt,  wie  mit  feinem  Staube  bestreut;  es  bilden  sich 
in  ihr  graulichweisse  Körnchen,  welche  confluiren  und  oberflächliche  Trü- 
bungen der  Cornea  veranlassen;  gleichzeitig  entwickeln  sich  in  der  Ober- 
fläche derselben   Gefässe;   es   entsteht  somit  der  Pannus,   den  man,   da  er 


73 

als  Theilerseheinung  des  Trachoms  auftritt,  auch  pannus  trachomalosus 
nennen  kann. 

Der  Verlauf  des  Trachoms  ist  immer  langsam,  Monate,  selbst  Jahre 
lang  dauernd.  Intercurrirende  Entzündungen  beschleunigen  in  manchen 
Fällen  die  Entwicklung  desselben. 

Das  Trachom  führt  theils  an  der  Conjunctiva  theils  an  der  Cornea 
Veränderungen  herbei,  welche  von  der  höchsten  Wichtigkeit  sind  und 
mancherlei  Folgezustände  veranlassen. 

Tritt  die  Resorption  des  Exsudates  zeitlich  genug  ein,  so  kann  die 
vollständige  Normalität  der  Bindehaut  zurückkehren.  Erfolgt  jedoch  die 
vollständige  Aufsaugung  erst  später  und  langsam,  so  bleibt  das  Gewebe 
der  Conjunctiva  verändert;  sie  erhält  nach  der  Schmelzung  und  Schrumpfung 
der  Exsudate  ein  unebenes,  geflecktes  durch  sehnen  artige 
Streifen  bezeichnetes  Ansehen.  In  Folge  der  Consumtion  des 
Bindehaulgewebes,  welche  bei  der  Aufsaugung  der  ergossenen  Exsudate 
erfolgt,  wird  die  Bindehaut  verkürzt;  vorzüglich  verkümmern  und  veröden 
ihre  Schleimdrüsen  durch  den  Druck  des  Exsudates.  Wurden  die  in  der 
Bindehaut  entstandenen  Wucherungen  durch  zu  heftige  Einwirkung  von 
Aelzmiltel  rasch  beseitigt,  so  kann  eine  narbig  durchsetzte  Binde- 
haut zeitlebens  zurückbleiben.  Sowohl  durch  die  Schrumpfung  und  Ver- 
kürzung, als  auch  durch  die  narbige  Einziehung  der  Bindehaut  entsteht  allmä- 
ligEinwärtsrollung  des  Lidrandes  (Entropium)  mit  ihren  (später  anzuge- 
benden) Folgen,  wozu  auch  die  Schrumpfung  und  muldenförmige  Verkrüm- 
mung des  Lidknorpels  wesentlich  beiträgt.  Es  kann  dieser  Krankheitsprocess 
noch  zu  weitem  Veränderungen  führen.  Der  Papillarkörper  und  der  Folli- 
kelapparat  werden  gänzlich  atrophisch,  die  Bindehaut  dadurch  so  verkürzt, 
dass  man  bei  abgezogenem  untern  Augenlide  senkrechte  von  der  Bindehaut 
der  Augenlider  zu  jener  des  Augapfels  aufsteigende  Fällchen  beobachtet 
(A  t  rophie  der  Bindehau  t).  Endlich  wird  die  Bindehaut  zu  einer  ver- 
schrumpfenden, zellgewebigen  Membran,  die  ihre  Functionen  nicht  mehr 
versehen  kann,  die  Ausführungsgänge  der  Thränendrüse  verschrumpfen, 
und  da  nun  die  normalen  Quellen  der  Befeuchtung  der  Oberfläche  des 
Augapfels  versiegen,  so  verhornt  das  Epilhelium,  häuft  sich  sehr  an,  und 
die  verkürzte  Bindehaut  sammt  der  Oberfläche  der  Hornhaut  wird  ganz 
trocken  und  einem  Seidenpapier  ähnlich.  Man  nennt  diesen  Zustand  Ver- 
trocknung  odertotale  Atrophie  der  Bindehaut  (Xerophthalrmis) . 
In  diesem  Grade  kommt  übrigens  das  Leiden  nur  höchst  selten  vor. 

An  der  Hornhaut  kann  durch  den  mechanischen  Reiz  der  rauhen 
innern  Lidfläche  bei  den  Bewegungen  des  Augapfels  sowohl,  als  auch 
durch  die  einwärts  gekehrten  Cilien,   wenn   sich  schon  Entropium  gebildet 


74 

hal,  eine  oberflächliche  Entzündung-,  der  traumatische  oder  secun- 
däre  Pannus,  entstehen.  Durch  die  Exsudation  in  das  Parenchym  der 
Hornhaut  erfolgt  eine  Durchtränkung-  desselben  mit  Serum,  die  erweichle 
Hornhaut  verliert  ihre  Elasticität  und  Resistenz,  weicht  dem  Andränge  des 
humor  aqueus  und  wird  somit  mehr  hervorgetrieben,  ein  Zustand,  den  man 
als  Atonie  d  er  H  orn  h  aut  oder  Kerectasie  bezeichnet.  Ferner  können 
durch  Schmelzung-  des  Gewebes  der  Cornea  Geschwüre  in  derselben  ent- 
stehen, welche  den  Durchbruch  der  Hornhaut  mit  dem  bekannten  Folg-en 
veranlassen  können,  und  findet  ihre  Zerstörung-  in  grösserer  Ausdehnung 
Statt,  so  tritt  Atrophie  des  Augapfels  ein. 

Das  Trachom  kommt  sowohl  sporadisch,  als  auch  in  manchen  Gegen- 
den und  Ländern  endemisch  vor.  Es  befällt  meistens  das  spätere  Jünglings- 
und das  erste  Mannes-,  überaus  selten  das  höhere  Alter.  Man  beobachtet 
es  bei  beiden  Geschlechtern,  wenn  auch  etwas  häufiger  beim  männlichen. 
Man  hat  ferner  eine  fehlerhafte  Beschaffenheit  der  Säfte  (Dyscrasie)  als 
Grundursache  angeführt,  und  auf  eine  besondere  Aehnlichkeit  mit  dem  tu- 
berculösen  Processe  hingewiesen.  In  dieser  Beziehung  lässl  sich  sagen, 
dass,  obwohl  manche  gewichtige  Gründe  diese  Behauptung  zu  stützen  schei- 
nen, doch  auch  das  fragliche  Leiden  bei  sonst  gesunden,  sehr  kräftigen 
Individuen  nicht  selten  beobachtet  wird.  Als  veranlassende  Momente  sind 
wohl  alle  zu  erwähnen,  welche  die  Beimischung  alleriren  oder  die  Binde- 
haut reizen.  Hieher  gehören  schlechte  Speisen  und  Getränke,  unreine  Luft, 
Mangel  an  Reinlichkeil,  unordentliche  Lebensweise,  Miasmen  mancher  Ge- 
benden, Verkühlungen,  Anstrengungen  und  Strapalzen  (Krieg),  grelles 
Licht,  Rauch,  Staub,  scharfe  Ausdünstungen.  Wo  solche  Ursachen  zusam- 
menwirken, kann  das  Trachom  auch  viele  unter  gleichen  Verhältnissen 
lebende  Individuen  ergreifen. 

Das  Trachom  ist  als  kein  contagiöses  Uebel  zu  betrachten. 

Ein  Catarrh  der  Bindehaut  kann  neben  einem  Trachome  bestehen, 
auch  eine  Blennorrhoe  kann  sich  in  einem  mit  Trachom  behafteten  Auge 
entwickeln,  wenn  das  Gewebe  der  Bindehaut  nicht  zu  sehr  verändert  ist. 
Eine  so  entstandene  Blennorrhoe  nimmt  oft  die  trachomatöse  Erkrankung 
durch  eitrige  Schmelzung  der  Exsudate  hinweg. 

Die  Prognose  ist  beim  Trachom  immer  unsicher;  günstiger  im 
ersten  Stadium  des  Leidens,  welches  noch  vollkommene  Heilung  zulässl, 
minder  günstig  im  zweiten,  welches  meistens  Veränderungen  der  Conjunc- 
liva  oder  Cornea  herbeiführt,  die  nicht  mehr  vollkommen  zu  heben  sind. 
Ein  sehr  acutes  Auftreten  ist  für  das  Auge  immer  gefährlich;  das  sporadische 
Trachom  gestaltet  eine  bessere  Prognose,  als  das  endemische. 


75 

In  der  Behandlung  des  Trachoms  muss  man  vor  Allem  auf  eine  etwa 
zu  Grunde  liegende  Allgemeinkrankheit,  so  wie  auf  die  Beseitigung  aller 
krankmachenden  Ursachen  und  Verhältnisse  sein  Augenmerk  richten.  Durch 
örtlich  angewendete  Mittel  sucht  man  die  Exsudate  zu  beseitigen.  Hierbei 
ist  vorzüglich  auf  die  vorhandenen  Erscheinungen  Rücksicht  zu  nehmen. 
Bei  heftigeren  Reizungs-  oder  Entzündungszufällen  muss  eine  antiphlo- 
gistische Behandlung  vorausgeschickt  werden.  Diese  besteht  in  der  Appli- 
cation von  Blutegeln,  der  Verabfolgung  eines  Purgirmittels  und  hierauf 
kühlender  Arzneien  (Emulsio  nitrata) ;  selbst  des  Calomels,  in  der  Anwen- 
dung von  kalten  Ueberschlägen  oder  eines  milden  erweichenden  Collyriums; 
heftige  Supraorbital-  oder  Kopfschmerzen  erfordern  die  örtliche  Anwen- 
dung narcotischer  Mittel  (Opiate).  Ist  die  Conjunctiva  stärker  aufgelockert 
und  secernirend,  so  passt  die  Anwendung  eines  adslringirenden  Augen- 
wassers (Solution  von  essigsaurem  Blei,  Alaun,  Tannin,  Nitras  argenli  u. 
s.  w.).  Sind  die.  genannten  Zufälle  beseitigt,  so  schreitet  man  zur  Entfer- 
nung der  abgesetzten  Exsudate.  Zu  diesem  Zwecke  dienen  die  Einlräuflun- 
gen  stärkerer  Lösungen  von  Nilras  argenti  (4 — 6  Gran  auf  1  Unze  Wasser) 
1  — 2mal  täglich,  und  Touchirung  der  Granulationen  mit  schwefelsaurem 
Kupfer  in  Substanz,  oder  auch  mit  dem  Lapis  infernalis.  Diese  Touchirun- 
gen  dürfen  nicht  in  zu  ausgedehntem  Masse  und  nicht  zu  oft  vorgenommen 
werden,  weil  man  sonst  auch  das  gesunde  Gewebe  der  Bindehaut  zerstören 
und  dadurch  Verkürzungen  und  Narben  derselben  veranlassen  könnte. 
Insbesondere  wirkt  der  Höllenstein  zu  eingreifend,  daher  man  zur  Milderung 
seiner  Wirkung  ihn  mit  Salpeter  in  verschiedenen  Verhältnissen  zusammen- 
schmilzt (3  Theile  Nitrum  und  1  Theil  Nitras  arg.  oder  zu  gleichen  Theilen 
oder  3  Theile  Nilr.  arg.  und  1  Theil  Nitrum).  Den  Vorzug  verdient  in  den 
meisten  Fällen  der  sulfas  cupri,  nur  bei  derbem,  festern,  sehr  hartnäckigen 
Granulationen  wählt  man  den  Lapis  inf.  Die  Aetzung  wird  so  vorgenom- 
men, dass  man  ein  zweckmässig  zubereitetes  Stück  nach  abgezogenem  un- 
tern Lide  bis  zur  Bindehaulfalte  hinführt,  und  es  massig  andrückend,  rasch 
2 — 3mal  von  einem  Winkel  zum  andern  führt.  Wo  es  nolhwendig  ist,  kann 
man  auch  das  obere  Augenlid  touchiren,  ohne  dass  man  dasselbe  umzu- 
stülpen braucht.  Die  darauf  folgende  Reaclion  mildert  sich  nach  dem  Ge- 
brauche kalter  Ueberschläge.  Man  soll  die  Aetzung  nur  ungefähr  jeden 
dritten  bis  vierten  Tag  vornehmen.  In  den  Zwischenlagen  kann  man  ad- 
stringirende  Augenwässer  einträufeln,  oder  Abends  eine  Salbe  aus  weissem 
Präcipitat  zu  2 — 4  Gran  auf  2  Drach.  Ung.  rosat.  linsengross  in  die  äussere 
Haut  der  Lider  einreiben  lassen.  Der  Gebrauch  kalter  Douchen  unterstützt 
sehr  die  Wirkung  dieser  Mittel.  Andere  gegen  diese  Krankheit  empfohlene 
Mittel  sind  Salben  aus  rolhem  oder  weissem  Präcipilate,  das  Einstreuen  von 


76 

Calomel  oder  dem  Pulvis  Baldingeri  (Cremor  tarl.  Bol.  Sacch.  aa  pari);  sie 
verdienen  aber  nicht  die  Empfehlung-,  wie  die  angegebene  Behandlungsweise. 
Die  Einimpfung  der  Ophthalmoblennorrhoe,  welche  auch  zur  Heilung-  des 
Trachoms,  vorzüglich  des  trachomalösen  Pannus  empfohlen  wurde,  kann 
wohl  das  Uebel  durch  Einleitung  der  Schmelzung  der  Exsudate  zur  Heilung 
bringen,  ist  aber  ein  zu  gefährliches  Mittel,  und  daher  auch  um  so  weniger 
zu  empfehlen,  als  man  fast  bei  jedem  Trachom  durch  zweckmässige  Anwen 
düng  der  angegebenen  Methode  (Aetzmitlel)  zum  Ziele  gelangt. 

2.  Entzündung  der  Hornhaut  (Keratitis). 

Wenn  man  auch  im  normalen  Zustande  in  der  Hornhaut  keine  sicht- 
baren Gefässe  beobachtet,  da  dieselben  so  fein  sind,  dass  sie  nur  die  flüssi- 
gen Bestandteile  des  Blutes  durchlassen,  so  kommen  doch  Entzündungen 
der  Cornea  ziemlich  häufig  vor,  und  es  entwickelt  sich  sodann  bei  manchen 
derselben  das  Gefässnetz  auf  eine  sehr  augenfällige  Weise.  Nach  den  ver- 
schiedenen Lagen  der  Hornhaut  kann  die  Entzündung  in  der  Oberfläche 
derselben,  im  Parenchym  oder  in  der  Descemel'schen  Membran  ihren  Sitz 
haben. 

A.  Die  Entzündung  des  Hornhautüberzug  es  kommt  in  zwei 
Formen  vor,  als  puslulüse  oder  exanlhematische  Hornhautentzündung,  und 
als  Keralilis  pannosa  oder  Pannus. 

a.  Die  pustulöse  Hornhautentzündung  (das  Hornhaulcxan- 
Ihcm)  wird  grösslentheils  bei  Kindern  und  Jüngern  Individuen,  hauptsäch- 
lich aber  bei  Scrofulüsen  beobachtet,  und  führt  daher  auch  den  Namen  Ke- 
ratitis scrofulosa.  Sie  kommt  sowohl  in  Verbindung  mit  der  gleichnamigen 
Entzündung  der  Bindehaut,  als  auch  für  sich  allein  vor.  Unter  den  voraus- 
gehenden Erscheinungen  einer  mehr  oder  minder  stärkern  Reizung,  Licht- 
scheu, Thränenfluss  und  Injeclion  der  Scleralbindehaul  entwickelt  sich  an 
einer  Stelle  des  Hornhaulrandes  ein  Gefässbündel,  welches  gegen  die  Mitte 
der  Hornhaut  spitzig  zuläuft  und  an  seiner  Basis  sich  mit  den  Gefässen  der 
naheliegenden  Bindehaut  verbindet.  Bisweilen  ist  dieses  Gefässbündel  iso- 
lirt,  in  andern  Fällen  entstehen  zugleich  mehrere  solche  Gefässbündel. 
Nach  einigen  Tagen  erfolgt  eine  Auflockerung  des  Epitheliums  der  Horn- 
haut, und  es  erhebt  sich  an  der  Spitze  des  bezeichneten  Gefässbündels  ein 
hirse-  bis  hanfkorngrosses  grauliches  Bläschen.  Bisweilen  erscheinen 
gleichzeitig-  mehrere  solche  Phlyctaenen ,  welche  aus  einer  epithalia- 
len  Hülle  und  aus  einem  mehr  oder  minder  plastischen  Exsudatebestehen. 
Die  Sclerotica  ist  besonders  im  Umfange  der  Hornhaut  gcrüthet,  und  es  er- 
scheint dadurch  ein  zarler,  rosenrother  Gefässkranz  um  die  Cornea,  welcher 
durch  Injeclion  feiner,   gerade  verlaufender,    unter  der  Bindehaut  liegender 


77 

Gefässe  gebildet  wird.  Bisweilen  sind  viele  solche  feine  Gefässe  am  Rande 
der  Cornea  so  zusammengedrängt,  dass  sie  das  Ansehen  eines  ßlulexlravasates 
gewähren.  Die  regelmässige  Bildung  des  Exanthems  wird  durch  mancher- 
lei Umstände  gestört,  so  dass  man  bisweilen  keine  eigentliche  Bläschenbil- 
dung  an  der  Spitze  des  Gefässbündels,  wohl  aber  einen  trüberen  durch  ober- 
flächliche Exsudation  bedingten  Fleck  in  der  Hornhaut  unterscheidet. 

Der  weitere  Verlauf  ist  ganz  ähnlich  dem  der  bereits  beschriebenen 
puslulösen  Bindehautentzündung.  Es  erfolgt  entweder  eine  Resorption  des 
ergossenen  Exsudates,  oder  was  häufiger  der  Fall  ist,  das  Bläschen  bricht 
durch  Abstossung  des  Epithels  auf,  ergiesst  seinen  Inhalt  und  hinterlässt 
ein  Geschwürchen  der  Hornhaut,  welches  verschiedene  Charactere  darbie- 
ten kann.  War  nämlich  die  Exsudation  bloss  oberflächlich,  so  entsteht  nach 
abgestossenem  Epilhelium  bloss  ein  seichtes  Grübchen  mit  vollkommen 
klarem  Grunde  (Erosion  oder  Faceltirung  der  Cornea),  ist  jedoch  bei  länge- 
rem Bestehen  des  Bläschens  oder  bei  heftigerem  Verlaufe,  wobei  sich  der 
Inhalt  des  Bläschens  trübt,  auch  eine  Infiltration  des  Hornhautparenchyms 
eingetreten,  so  ist  die  Folge  des  Aufbruches  ein  tieferes  mit  trübem  Grunde 
versehenes  Geschwür,  welches  bei  weiterer  Zerstörung  der  Faserlage 
selbst  zur  Perforation  der  Hornhaut  führen  und  alle  üblen  Folgen  dieses 
Zuslandes  bedingen  kann,  welche  später  genauer  besprochen  werden. 

Wir  beobachten  diese  Krankheitsform  sehr  häufig  in  Verbindung  mit 
Entzündung  der  Haarzwiebeldrüsen ;  auch  in  Begleitung  anderer  ekzema- 
töser Eruptionen  im  Gesichte  oder  an  der  behaarten  Kopfhaut  kommt  das 
Uebel  nicht  selten  vor. 

Scrofulöse  und  tuberculöse  Dyscrasie  scheint  einen  besondern  Ein- 
fluss  auf  die  Entstehung  dieser  Entzündung  zu  äussern. 

Bei  der  Behandlung  dieses  Leidens  hat  man  vorerst  den  fast  immer 
vorhandenen  Reizungszustand  zu  beseitigen.  Diess  gelingt  in  den  meisten 
Fällen  durch  ein  verabfolgtes  Purgans  (Calomel  1  Gran  mit  Pulv.  rad.  Jalap. 
Gr.  6  und  10  Gr.  Zucker  pro  dosi,  nach  Umständen  3  —  4mal  wiederholt), 
durch  zweckmässige  Schützung  des  Auges  und  örtliche  Anwendung  der 
Narcotica  (Belladonna  oder  Hyoscyamus)  zur  Bekämpfung  der  übermässigen 
Sensibilität  des  Nervensystems  und  der  heftigen  Lichtscheu.  Innerlich  gibt 
man  bei  stärkerer  Irritation  auch  das  Coniin  (710  Gr.  pro  dosi  2  —  3mal 
täglich).  Will  man  eine  Ableitung  auf  die  Haut  machen,  so  wählt  man 
dazu  die  Resina  Elemi,  oder  auch  das  Empl.  Aulenriethi  im  Nacken,  min- 
der zweckmässig  hinter  dem  Ohre.  Bei  dieser  Behandlung  gelingt  es  nicht 
selten,  den  Krankheitsprocess  rückgängig  zu  machen;  das  Exsudat  wird 
resorbirl,  oder  die  Bläschen  platzen  und  die  oberflächlichen  Geschwürchen 
heilen    sehr  bald.    Wo    keine    beträchtliche  Reizung    besteht,    kann    man 


78 

sogleich  eine  sehwache  Solution  von  Sublimat  ('/4  Gran  auf  2  Unzen)  mit 
etwas  Mucilago  g.  arab.  in  Anwendung  bringen.  Besteht  jedoch  die  Exsu- 
dation länger,  zeigt  sich  eine  Neigung  zu  deren  weiteren  Ausbreitung,  ist 
insbesondere  auch  starke  Lichtscheu  zugegen,  so  wird  in  vielen  Fällen  die 
Einträuflung  einer  Solution  von  Nilras  argen ti  (%--t  Gr.  auf  die  Unze  Was- 
ser) bald  diese  Symptome  beseitigen.  Sind  die  Enlzündungserscheinungen 
gänzlich  beseitigt  und  bleibt  noch  eine  Trübung  des  Cornea  zurück,  so 
weicht  diese  meistens  der  Anwendung  einer  schwachen  Präcipitatsalbe. 

b.  Die  pannöseHornhautentzündung,  derPannus,  besieht 
in  einer  ausgebreiteten  Entzündung  des  oberflächlichen  Blattes  der  Cornea 
und  kommt  entweder  in  der  acuten  oder  chronischen  Form  vor. 

Der  anatomische  Character  besteht  in  einer  mehr  oder  weniger  bedeu- 
tenden Injeclion  des  Bindehautblätlchens  und  in  einer  unter  demselben 
stattfindenden  Exsudation.  Die  Gefässe,  welche  sich  bei  dem  Pannus  ent- 
wickeln, scheinen  vorzüglich  die  in  der  Cornea  befindlichen  Vasa  serosa 
zu  sein,  welche  sich  bei  heftigerem  Blutandrange  erweitern  und  auch  für 
die  Blulkügelchen  durchgängig  werden.  Man  sieht  auch  ganz  deutlich, 
wie  die  Gefässe  der  Bindehaut  sich  in  die  Hornhauloberfläche  hinein  ver- 
längern. Das  Exsudat,  welches  unter  das  Hornhaulepithel  ergossen  wird, 
hat  Anfangs  eine  mehr  seröse  Beschaffenheit,  wodurch  das  Bindehautblält- 
chen  gelockert,  etwas  gewulstet  und  die  Oberfläche  der  Cornea  leicht 
getrübt  wird;  bei  Zunahme  der  Exsudation  wird  es  mehr  plastisch,  gelrübt, 
graulich  oder  gelblich,  das  Bindehaulblätlchen  dadurch  mehr  verdickt. 
Nicht  immer  stehen  die  Gefässentwicklung  und  Exsudation  im  gleichen  Ver- 
hältnisse; bald  überwiegt  mehr  die  eine  bald  die  andere.  Die  Bindehaut 
der  Sclera  zeigt  bei  dieser  Entzündungsform  eine  mehr  oder  minder  bedeu- 
tende Injeclion  und  Auflockerung,  besonders  tritt  der  um  den  Umfang  der 
Cornea  gebildete  Gefässkranz  in  den  meisten  Fällen  deutlich  auf,  auch  bil- 
det sich  in  seltneren  Fällen  an  dieser  Stelle  eine  beträchtliche  Wulslung 
der  Conjunctiva. 

Die  subjecliven  Symptome  bestehen  in  Reflexionserscheinungen,  welche 
nach  Verschiedenheit  des  Grades  der  Entzündung  und  der  besondern  Indi- 
vidualität in  verschiedener  Intensität  auftreten.  Lichtscheu,  Lidkratnpf,  ver- 
mehrte Thränen-  und  Conjunclivalsecretion ,  brennende  und  stechende 
Schmerzen  fehlen  fast  nie  bei  dem  acuten  Auftreten  der  Krankheit;  in  der 
chronischen  Form  sind  diese  Symptome  unbedeutend  oder  fehlen  gänzlich. 
Das  Sehvermögen  ist  getrübt  nach  Maasgabe  der  Gefässinjeclion  und  Trü- 
bung der  Cornea;  es  kann  bei  umfangsreicher  Trübung  und  Verdickung 
des  Epithelialüberzuges  bis  zur  Lichtempfindung  aufgehoben  werden. 


79 

Nach  dem  Grade  der  Erkrankung  unterscheidet  man  den  pannus 
tenuis  (geringer  Grad  der  Gefässentwieklung  und  Exsudalion)  und  den 
pannus  crassus  oder  membranaceus,  in  welchem  Falle  die  Cornea  durch 
die  bedeutende  Entwicklung  der  Gefässe  und  Exsudation  verdickt,  getrübt 
und  einem  rolhen  Tuche  ähnlich  ist,  woher  der  Name  Pannus  rührt.  Man 
kann  diese  beiden  Entwicklungsstufen  auch  als  die  verschiedenen  Stadien 
des  Krankheitsprocesses  betrachten. 

Die  Rückbildung  des  Pannus  beginnt  mit  dem  allmäligen  Zurück- 
schreilen der  Gefässe  und  mit  der  Resorption  des  ergossenen  Exsudates, 
wodurch  die  Oberfläche  der  Cornea  sich  wieder  aufhellt.  Dieser  Vorgang 
kann  schneller  oder  langsamer  erfolgen.  Frische  Exsudate  werden  schnel- 
ler gehoben,  als  länger  bestehende.  Auch  bleibt  bei  langem  Bestehen  des  Pan- 
nus eine  Atonie  derGefässwandungen  zurück,  daher  sich  derlei  ausgedehnte 
Gefässe  erst  nach  längerer  Zeit  oder  kaum  je  verlieren.  Es  besieht  in  solchen  Fäl- 
len eine  grosse  Neigung  zu  Recidiven,  so  dass  bei  dem  geringsten  Anlasse  die 
entzündlichen  Erscheinungen  wiederkehren.  Bei  langer  Dauer  des  Pannus 
wird  das  Exsudat  organisirt,  und  die  Resorption  desselben  gelingt  sehr 
schwer  oder  gar  nicht  mehr.  Es  bleiben  in  diesem  Falle  Hornhauttrübungen 
zurück,  welche  je  nach  ihrer  Lage  und  ihrem  Umfange  das  Sehvermögen 
mehr  oder  weniger  beschränken.  War  die  Infiltration  in  die  Cornealober- 
iläche  bedeutender,  die  Substanz  der  Cornea  poröser,  lockerer,  (wie  bei 
Scrofulöscn)  so  treten  insbesondere  bei  stärkerer  Secrelion  der  Conjunctiva 
durch  Erweichung  der  Epilheliallage  und  selbst  der  Fasersubslanz  ober- 
flächliche Verschwärungen  ein ,  welche  beim  Forlwirken  schädlicher  Ein- 
flüsse auch  in  die  Tiefe  dringen  und  Perforation  der  Cornea  mit  ihren 
Folgen  veranlassen  können.  In  seltenen  Fällen  tritt  in  Folge  der  Durch- 
tränkung des  Hornhautparenchyms  eine  Erweichung  desselben  ein,  wodurch 
dann  die  Cornea  nach  Verlust  ihres  normalen  Tonus  dem  Andränge  des 
humor  aqueus  nachgibt,  und  kegelförmig  hervorgetrieben  wird  (Alonia 
corneae,  Kerectasia). 

Unter  den  Ursachen  des  Pannus  sind  hauptsächlich  zu  erwähnen: 

1.  Mechanische  Reizung  der  Oberfläche  der  Cornea.  Diese  findet 
sowohl  durch  das  Bindehaullrachom ,  als  auch  durch  Entropium  und  Tri- 
chiasis  Statt.  Man  nennt  einen  so  veranlassten  Pannus  den  traumalischen, 
und  er  Irilt  jederzeit  ein,  wenn  die  genannten  Ursachen  länger  einwirkten. 
Er  besteht  oft  nur  an  jener  Stelle,  wo  der  Reitz  stärker  einwirkte.  Daher 
begegnen  uns  Fälle,  wo  der  Pannus  nur  auf  die  obere  Hälfte  der  Cornea 
beschränkt  ist. 

2.  Forlpflanzung  der  Entzündung  von  der  Conjunctiva  auf  die  Cor- 
nealoberfläche.     Wir  sehen  daher  oft  nach  intensiven  oder  lange  währen- 


80 

den  Entzündungen  der  Bindehaut,  die  puiinöse  Entzündung  der  Cornea  ent- 
stehen ,  so  wie  sie  aueh  aus  einer  heftigeren  Keratitis  pustulosa  hervor- 
gehen kann. 

3.  Constilutionelle  Erkrankungen.  Eine  genaue  Beobachtung  vieler 
Fälle  wird  über  den  mächtigen  Einfluss  bestimmter  Erkrankungen  des 
Körpers,  insbesondere  der  scrofulösen  Dyscrasie,  so  wie  beim  weiblichen 
Gcschlechle  der  Anomalien  der  Menslration  (Menostasia)  auf  die  Erzeugung 
dieser  Krankheitsform  kaum  einen  Zweifel  entstehen  lassen.  Auch  lässl 
uns  der  Erfolg  der  Behandlungsweise  in  solchen  Fällen  das  ursprüngliche 
Verhältniss  dieser  Erkrankungen  nicht  verkennen. 

Die  Prognose  richtet  sich  nach  der  Verschiedenheit  der  zu  Grunde 
liegenden  Erkrankung,  je  nachdem  nämlich  dieselbe  schwer  oder  leicht  zu 
heben  ist.  Bei  eingewurzelter  scrofulöser  Dyscrasie  wird  auch  der  Pannus 
sehr  schwer  zu  beseitigen  sein,  oder  es  werden  wenigstens  oftmals  Recidi- 
ven  eintreten.  Auch  das  lange  Bestehen  eines  Pannus  macht  wegen  der 
bereits  herbeigeführten  Alonie  der  Gefässwandungen  die  Prognose  unsicher. 
Wo  bereits  Erweichung  und  Auflockerung  des  Hornhaulparenchyms  ein- 
getreten ist,  oder  wo  sich  Verschwärung  derselben  gebildet  hat,  ist  es 
sehr  schwer,  die  normale  Beschaffenheit  der  Theile  wieder  herzustellen. 

Bei  der  Behandlung  dieses  Leidens  ist  auf  die  Entfernung  der 
veranlassenden  Momente  die  erste  Rücksicht  zu  nehmen.  Die  Beseitigung 
eines  Trachoms,  die  Hebung  eines  Entropiums  oder  einer  Trichiasis,  die 
Heilung  eines  Hornhautexanthems  u.  s.  w.  wird  daher  vor  Allem  die 
Wirksamkeit  des  Arztes  in  Anspruch  nehmen.  Findet  man  eine  consti- 
lutionelle Erkrankung  als  Ursache  des  Pannus,  so  ist  auch  die  Hebung 
dieses  Grundleidens  von  grössler  Wichtigkeit.  Nach  gehobenem  Grund- 
leiden verschwindet  der  Pannus  oft  von  selbst  durch  die  alleinige  Thätig- 
keit  der  Natur.  Wo  jedoch  diess  nicht  geschieht,  kann  man  mit  geeigneten 
Mitteln  nachhelfen.  Die  gegen  den  Pannus  empfohlenen  Mittel  sind  sehr 
zahlreich,  und  es  ist  bei  der  Wahl  derselben  besondere  Umsicht  nölhig. 
Wo  sich  Erscheinungen  stärkerer  Reizung  und  Entzündung  zeigen,  wird 
eine  nach  dem  Grade  dieser  Erscheinungen  mehr  oder  minder  kräftige 
antiphlogistische  Behandlung  nöthig  sein;  demgemäss  Blutegel,  Ableitun- 
gen auf  den  Darmcanal  durch  gelinde  Purgantia,  innerlich  kühlende,  tem- 
perirende  Mittel  (Nitrum)  und  bei  heftigerer  Phlogose  selbst  das  Calomel 
zu  '/*  Gran  pro  dosi  2 — 3mal  täglich.  Oertlich  beseitigt  man  diesen  Rei- 
zungszustand durch  erweichende,  mucilaginöse  Bähungen.  Wo  eine  be- 
deutende Auflockerung  und  Secrelion  der  Conjunctiva  besteht ,  passen 
gelind  adstringirende  Augenwässer  aus  Acelas  plumbi,  Sulfas  zinci,  Nitras 
argenti;  bei  beginnender  Verschwärung  der  Cornea  der  Alaun.     Sind  die 


Symptome  der  Reizung  vorübergegangen  ,  so  unterstützt  man  die  Resorp- 
tion der  Exsudate  durch  örtlich  angewendete  Mercurial-  und  Jodpräparate 
(Sublimat,  rothen  und  weissen  Präcipitat,  Jodwasser  oder  Jodsalben).  Das 
Einstreuen  von  Calomelpulver  zu  1  Gran  pro  dosi  1 — 2mal  täglich  leistet 
bei  starker  Auflockerung  des  Bindehautblättchens,  oberflächlicher  Verschwö- 
rung und  heftiger  Lichtscheu  oft  sehr  gute  Dienste;  bei  stärkerer  Erschlaf- 
fung und  vermehrter  Secretion  gebührt  dem  Alaun  in  Verbindung  mit 
etwas  Opiumlinclur  der  Vorzug;  letztere  Tinctur,  mit  gleichen  Theilen 
deslillirlen  Wassers  verdünnt  oder  mittelst  eines  Pinsels  zwischen  die 
Lidränder  eingestrichen  passt  überhaupt  beim  chronischen  Bestehen  des 
Pannus  und  bei  Alonie  der  Gefässe.  Die  Anwendung  eines  Augenwassers 
von  Nilras  argenti  gewährt  bei  oberflächlicher  Exsudation  mit  noch  beste- 
hendem Erethismus  des  Nervensystems  oft  namhafte  Vorlhcile.  Die  ange- 
gebenen Mittel  sind  im  Allgemeinen  dem  Einstreuen  oder  Einblasen  von 
Pulvern  vorzuziehen,  welche  nur  durch  mechanischen  Reiz  die  Resorption 
belhäligen,  wie  z.  B.  von  Zinnfeile,  gestossenem  Zucker,  Glas,  Os  sepiae, 
rolhem  Präcipitat,  Pulvis  Baldingeri  (ausgleichen  Theilen  Cremor  tart.,  Bolus 
nd  Zucker  bestehend)  etc. 

Man  hat  auch  für  einzelne  Fälle  die  Scarificalion  der  erweiterten  in 
die  Cornea  hineinziehenden  Gefässe  vorgeschlagen.  Es  hat  diess  Verfah- 
ren selten  einen  hinreichenden  Erfolg,  kann  jedoch  bei  geringer  entzündlicher 
Reaction  versucht  werden.  Ueber  die  zur  Heilung  eines  sehr  hartnäckigen 
Pannus  empfohlene  Einimpfung  der  Ophthalmoblennorrhoe  gilt  dasselbe, 
was  bereits  bei  der  Besprechung  des  Trachoms  darüber  gesagt  wurde. 

B.  Die  parenchymatöse  Hornhautentzündung  (Keratitis 
parenchymatöse!,) .  Wir  bezeichnen  mit  diesem  Namen  jene  Enlzündungs- 
form  der  Cornea,  wo  die  Absetzung  des  entzündlichen  Products  in  die 
Faserlage  der  Cornea  selbst  stattfindet.  Anfangs  wird  daselbst  bloss  eine 
seröse  Flüssigkeit  abgelagert,  wodurch  eine  grauliche  Trübung  der  Horn- 
haut entsteht.  Durch  diese  Abscheidung  wird  jedoch  die  Fasersubstanz 
der  Cornea  allmälig  aufgelockert,  ihre  Fasern  auseinandergedrängt,  und 
die  Ablagerung  eines  reichlicheren  Enlzündungsproducles  ermöglicht.  Die 
Hornhaut  erscheint  grauweisslich  getrübt,  dicker,  weicher,  ihre  Fasern 
undurchsichtig,  grau ,  verdickt  und  aneinandergedrängt.  Das  Bildungs- 
materiale  zur  krankhaften  Exsudation  liefert  das  in  den  die  Cornea  umge- 
benden Gefässchen  enthaltene  Blut;  die  exsudirle  Flüssigkeit  verbreitet 
sich  in  den  Röhrchen  und  Interlamellarräumen  der  Cornea  durch  Imbibi- 
tion weiter.  Die  Exsudation  kann  rascher  oder  langsamer  erfolgen.  Nicht 
selten  erfolgt  wieder  die  Resorption  des  Exsudates ,  doch  bleibt  meistens 
eine  Trübung  der  Hornhautfasern   zurück.     Wenn   die  Entzündung  sehr 

Meyr  ,  Augenheilkunde.  6 


82 

heilig,  und  der  Erguss  rasch  ist,  so  zerfällt  das  Exsudat  zu  Eiter,  es  wer- 
den dadurch  die  Fasern  der  Cornea  auch  macerirt  und  aufgelösst,  die  La- 
mellen separiren  sich  von  einander,  und  es  entsteht  so  ein  Hörn  hau  l- 
abscess.  Man  beobachtet  bei  dieser  Entzündung  selten  Gefässe  in  der 
Cornea,  jedoch  können  sie  sich  später  entwickeln,  wo  sie  dann  zur  Re- 
sorption und  Entfernung-  der  neu  abgesetzten  Exsudate,  so  wie  zur  Vernar- 
bung der  Geschwüre  und  Ausgleichung  des  Substanzverlustes  beitragen. 
Wenn  die  Entzündung  der  Cornea  heftig  ist,  nehmen  gewöhnlich  auch 
andere  Gebilde,  die  Conjunctiva,  Iris,  der  Ciliarkörper  daran  Theil.  Man 
erkennt  eine  parenchymatöse  Hornhautentzündung  aus  folgenden  Symp- 
tomen: Die  Hornhaut  hat  ihren  natürlichen  hellen  Glanz  verloren,  ist 
malt,  sieht  wie  ein  angehauchtes  Uhrglas  aus,  oder  sie  hat  das  Ansehen 
eines  mit  einem  feinen  Staub  bestreuten  Glases ;  diese  Trübung  tritt  in  ein- 
zelnen Fällen  in  Form  von  discreten  Puncten  auf,  so  dass  die  Hornhaul- 
fläche  wie  punctirt  erscheint,  lieber  den  Sitz  der  Trübung  im  Parenchym 
der  Hornhaut  kann  man  bei  der  Betrachtung  in  der  Profilansicht  am  besten 
urtheilen.  Die  Bindehaut  der  Sclera  istgerölhet,  besonders  tritt  der  im 
Umkreise  der  Cornea  befindliche  Gefässring  deutlicher  hervor.  Die  Thrä- 
nensecretion  ist  vermehrt,  die  Lichtscheu  fast  immer  bedeutend,  vom 
Augenlidkrampf  begleitet,  die  Kranken  klagen  über  siechende  Schmerzen 
im  Auge,  die  sich  nicht  selten  über  die  entsprechende  Kopfhälfte  erstrecken. 
Wenn  nun  diese  Reactionserscheinungen  fast  jede  Keratitis  begleiten,  so 
gibt  es  doch  Fälle,  welche  ohne  dieselben  auftreten,  so  dass  der  Kranke 
weder  Schmerzen  noch  andere  lästige  Empfindungen  äussert.  Das  Seh- 
vermögen ist  bei  der  parenchymatösen  Hornhautentzündung  stets  nach  dem 
Grade  der  Suffusion  der  Cornea  gestört,  daher  in  den  meisten  Fällen  durch 
einen  mehr  oder  minder  dicken  Nebel  getrübt. 

Die  Dauer  einer  parenchymatösen  Entzündung  der  Cornea  ist  fast 
immer  langwierig,  weil  der  Stoffwechsel  in  der  Hornhaut  ihrer  eigentüm- 
lichen Organisation  wegen  nicht  so  rasch  vor  sich  geht.  Es  verstreichen 
5 — 6  Wochen  oder  selbst  noch  längere  Zeit  bis  zum  Eintritte  der  Heilung. 
Die  Neigung  zu  Rückfällen  ist  ziemlich  gross. 

Die  Ausgänge  des  Leidens  sind  ausser  der  vollkommenen  Z  e  r- 
theilung  der  Entzündung  und  Herstellung  der  normalen  Durchsich- 
tigkeit der  Cornea  noch  folgende:  1.  Es  bleiben  in  Folge  der  Organisation 
der  Exsudate  beschränktere  oder  ausgebreitete  Trübungen  der  Cor- 
nea (Hornhautflecken)  zurück,  deren  Sitz  in  der  Faserlage  der  Cornea 
ist.  2.  Es  bildet  sich  durch  eitriges  Zerfallen  des  Exsudates  ein  Horn- 
hautabscess.  Man  erkennt  den  Hornhaulabscess  an  der  begränzten, 
unregelmässigen  ,   graulich-  oder  weissgelblichen  Trübung  des  Hornhaut- 


S3 

parenehyms  ;  die  Hornhaut  ist  an  der  Stelle  des  Abscesses  aufgelockert, 
verdickt,  und  je  nachdem  der  Sitz  desselben  näher  der  vordem  oder  der  hin- 
tern Cornealwand  ist,  an  jener  Stelle  entweder  mehr  vorgetrieben,  oder  der 
Raum  der  vordem  Augenkammer  verengert.  Gleichzeitig  beobachtet  man 
noch  die  übrigen  Entzündungserscheinungen  oder  wenigstens,  die  Reste 
des  abgelaufenen  Entzündungsprocesses.  Zum  Hornhautabscesse  führen 
meistens  acute,  heftige  Entzündungen  des  Hornhautparenchyms;  auch  tritt 
er  bei  schwächlichen,  altern  Individuen  leichter  ein.  Der  abgelagerte 
Eiter  kann  aufgesaugt  werden;  doch  geschieht  diess  selten  vollständig; 
es  bleibt  meistens  eine  gelblichgraue  Trübung  (durch  Einlagerung  von 
Körnchen  zwischen  die  Fasern  der  Cornea)  zurück;  man  nennt  diesen 
Zustand,  wenn  er  in  etwas  grösserer  Ausbreitung  erfolgt,  den  vertrock- 
neten Hornhautabscess  (Onyx  oder  Unguis).  Der  Eiter  kann  aber 
auch  bei  der  Forldauer  schädlicher  Einflüsse  oder  bei  schwächlichen  Indi- 
viduen die  Substanz  der  Cornea  zerstören,  und  entweder  nach  vorne  oder 
nach  hinten  einen  Aufbruch  des  Abscesses  veranlassen.  Im  ersten  Falle 
ist  die  Folge  ein  Hornhautgeschwür,  im  zweiten  ergiesst  sich  der  Eiter  in 
die  vordere  Kammer,  und  stellt  jenen  Zustand  dar,  welchen  wir  Hypopyon 
spurium  nennen. 

Zu  den  Ursachen  der  Keratitis  parenehymatosa  gehören  vor  Allem 
Verletzungen  der  Cornea,  besonders  durch  stumpfere,  unreine  Instrumente, 
und  Reizung  durch  einen  fremden  Körper,  wie  z.  B.  Aehrenspitzen  bei 
dem  Landvolk.  Einwärts  gekehrte  Cilien  ,  so  wie  die  Granulationen  der 
Lidschleimhaut  führen  selten  diese  Enlzündungsform  herbei,  dagegen  kann 
sie  während  oder  nach  einer  Ophthalmoblennorrhoe  auftreten. 

Die  Prognose  ergibt  sich  aus  dem,  was  bereits  über  die  Dauer  und 
die  Ausgänge  der  Entzündung  gesagt  wurde. 

Theils  wegen  der  Hartnäckigkeit  des  Leidens ,  theils  wegen  der  Un- 
sicherheil der  empfohlenen  Mittel  und  der  grossen  Neigung  zu  Rückfällen 
isl  die  Therapie  dieser  Enlzündungsform  nicht  so  leicht,  in  vielen  Fällen 
äusserst  schwierig.  Es  lassen  sich  keine  allgemeinen  Regeln  der  Behand- 
lung aufstellen,  sondern  es  muss  der  Arzt  in  jedem  einzelnen  Falle  auf  die 
Ursache  und  Dauer  der  Entzündung,  auf  den  Grad  und  die  Ausgänge  der- 
selben Rücksicht  nehmen,  und  den  Zustand  des  Gesammtorganismus  gehö- 
rig würdigen.  Für  die  meisten  Fälle  passen  antiphlogistische  Mittel, 
namentlich  dann,  wenn  die  Enlzündungserscheinungen  heftig,  das  Auge 
sehr  lichtscheu  und  geröthet  ist,  der  Kranke  in  demselben  des  Gefühl  von 
Hitze  hat,  und  sonst  nicht  sehr  geschwächt  ist.  Wir  machen  in  solchen 
Fällen  örtliche  Blutentleerungen  durch  Blutegel  oder  blutige  Schröpfköpfe 
im  Nacken,  und  wiederholen  selbe  nöthigenfalls  bei  neuerdings  eintretender 

6* 


84 

Reaction.  Von  vorzüglichem  Nutzen  sind  Ableitungen  auf  den  Darmcanal 
durch  salinische  oder  (bei  stärkerer  Irritation  des  Nervensystems)  drastische 
Purganzen.  Haben  diese  Mittel  gewirkt  und  die  Congestion  nach  dem 
Kopfe  und  den  Augen  vermindert,  so  geben  wir  kühlende,  temperirende 
Mittel,  z.  B.  das  Nitrum  in  einer  Emulsion  oder  in  Pulverform.  Heftigeren 
Schmerzen  in  der  Supraorbilalgegend,  sowie  der  starken  Lichtscheu  begeg- 
net man  durch  örtliche  Anwendung  narcotischer  Mittel  (Hyoscyamus,  Bella- 
donna, Opium)  in  der  Supraorbilalgegend.  Wo  die  Entzündung  heftiger 
ist,  und  die  Exsudation  rascher  eintritt,  ist  die  Anwendung  des  Calomels 
innerlich  zu  %• — 1  Gran  pro  dosi  3 — 4mal  täglich  indicirt,  bis  es  seine 
Wirkung  auf  die  Schleimhaut  des  Mundes  äussert.  Man  kann  dem  Zu- 
stande des  Individuums  gemäss  dasselbe  mit  Hyoscyamus,  Belladonna, 
Opium  oder  Pulvis  Doweri  verbinden.  Bei  solchen  Individuen ,  welche 
die  Mercurialpräparate  nicht  gut  vertragen  ,  sahen  wir  von  der  innerlichen 
Anwendung  des  Jodkalis,  besonders  nach  vorausgeschicktem  Calomel,  sehr 
gute  Erfolge.  Wo  die  Entzündungserscheinungen  minder  heftig  sind, 
die  Aufregung  des  Nervensystems  jedoch  vorwaltet,  ist  das  Conium  macu- 
lalum  (als  Coniin  oder  als  tinctura  conii  radicalis)  innerlich  gereicht  ein 
passendes  Mittel.  Oertliche  Mittel  unmittelbar  auf  das  Auge  applicirt, 
haben  selten  einen  günstigen  Erfolg,  besonders  wendet  man  reizende  Mittel 
häufig  zu  früh  an.  Bei  längerer  Dauer  des  Uebels  kann  man  Ableitungen 
auf  die  Haut  durch  Blasenpflaster  oder  Unquentum  ex  tarlaro  emetico, 
doch  nie  in  zu  grosser  Nähe  des  Auges  vornehmen.  Hat  sich  bereits  ein 
Hornhautabscess  gebildet,  so  kommt  Alles  darauf  an,  den  Eiter  so  bald  als 
möglich  zur  Resorption  zu  bringen  und  der  weitem  Zerstörung  der  Cor- 
nealfasern  Einhalt  zu  thun.  Man  wendet  zu  diesem  Behufe,  wenn  die 
Entzündungserscheinungen  noch  heftig,  das  Individuum  robust  ist,  die 
oben  angegebenen  Antiphlogistica  innerlich  und  äusserlich  an.  Ist  das 
Individuum  jedoch  schwächlich,  die  Conjunctiva  sehr  gelockert,  ihre  Ge- 
fässe  erweitert,  sprechen  sich  überhaupt  die  Symptome  der  Alonie  aus, 
so  unterstützt  man  die  Aufsaugung  durch  innerlich  angewandte  Roboran- 
tia  (Amara,  China).  Oertlich  macht  man  nach  verminderter  Entzündung 
Ueberschläge  mit  einer  lauen  Lösung  von  Sublimat  (V2  Gran  auf  4  Unzen 
Wasser);  wo  jedoch  die  Tendenz  zur  Colliquation  mehr  hervortritt ,  oder 
wo  sich  bereits  schon  ein  Geschwür  gebildet  hat,  ist  die  Anwendung  ad- 
stringirender  Lösungen  (Alaun,  Tannin)  nöthig. 

Ist  die  Entzündung  beseitigt,  geht  jedoch  die  Aufsaugung  der 
Exsudate  und  die  Aufhellung  der  Cornea  zu  träge  und  langsam  von 
sich,  so  unterstütze  man  dieselbe  durch  vorsichtige  Anwendung  von 
Reizmitteln  (rolhem  Präcipital ,  Opiumtinclur ,  Nitras  arg.).     Das  Nähere 


85 

über  die  Anwendung-  dieser  Mittel  folgt  bei  der  Besprechung-  der  Horn- 
hautflecke. 

C.  Die  Entzündung  der  innern  Hornhautlamelle  oder 
der  D  e  s  c  ein  el'schen  Haut  (Hydromenyngitis)  kommt  seltener  vor. 
Man  trifft  sie  grösslentheils  nur  bei  jüngeren  Individuen.  Das  Exsudat 
wird  hier  an  der  hintern  Fläche  der  Cornea  abgeselzt.  Man  hat  dieser 
Entzündung-  verschiedene  Namen  gegeben  (Kerato-Iritis,  Iritis  serosa,  Iritis 
subacuta)  und  verschiedene  Symptome  derselben  angeführt,  weil  sie  wirk- 
lich nicht  immer  auf  die  Wasserhaut  beschränkt  ist,  sondern  sich  auf  die 
benachbarten  Gebilde  verbreitet. 

Die  Symptome  dieser  Entzündung  sind  folgende:  Die  Cornea  ver- 
liert ihre  normale  Durchsichtigkeit  und  ihren  Glanz ;  bei  oberflächlicher 
Betrachtung-  ist  es  aber  schwer  zu  entscheiden,  ob  die  nebeiförmige 
Trübung  von  einem  krankhaften  Zustande  der  Cornea  oder  von  Verände- 
rung der  wässrigen  Feuchtigkeit  herrührt.  Bei  genauer  Betrachtung  des 
Auges,  vorzüglich  in  der  Profilansicht,  überzeugt  man  sich  jedoch  von  dem 
Sitze  der  Trübung  in  der  hintern  Wand  der  Hornhaut.  Diese  Trübung 
ist  durch  Exsudation  daselbst  bedingt,  und  erscheint  in  den  meisten  Fällen 
in  Form  kleiner,  sehr  zahlreicher,  discreter  Punkte,  welche  der  Cornea  ein 
geflecktes  Ansehen  geben,  was  man  bei  der  Untersuchung  mittelst  einer 
Lupe  um  so  deutlicher  sieht.  Es  besieht  eine  ,  jedoch  nicht  bedeutende 
Röthe  der  Scleralbindehaut,  besonders  in  Form  eines  rosenrothen  Saumes 
um  die  Cornea.  Die  wässrige  Feuchtigkeit  wird  etwas  getrübt,  die  Iris 
verliert  ihren  Glanz  und  ihre  normale  Structur  ist  nicht  mehr  so  deutlich 
zu  erkennen;  ihre  Farbe  erscheint  durch  die  getrübten  Medien  hindurch 
etwas  verändert.  Ihre  Bewegungen  gehen  träge  vor  sich,  die  Pupille  ist 
etwas  contrahirt.  Es  findet  ein  Erguss  von  Exsudat  in  die  vordere  Kam- 
mer Statt,  welches  sich  der  wässrigen  Feuchtigkeit  beimischt  und  dieselbe 
trübt;  bisweilen  gerinnt  dieses  Exsudat  zu  Flocken  oder  selbst  zu  consi- 
stenteren  Massen,  die  sich  dann  in  der  vordem  Kammer  anhäufen;  diese 
erscheint  in  solchen  Fällen  strotzender,  die  wässrige  Feuchtigkeit  vermehrt. 
Letzterer  Umstand  scheint  vorzüglich  dadurch  bedingt  zu  sein,  dass  die 
Verdunstung  des  humor  aqueus  durch  die  erkrankte  Cornea  vermindert 
wird.  Geht  der  Entzündungsprocess  stürmisch  vor  sich,  so  ergiesst  sich 
selbst  eine  gelbliche  Masse  (Eiter)  in  die  vordere  Kammer.  Es  besieht 
ein  Gefühl  von  Spannung  und  Völle,  von  Schmerz  und  Brennen  im  Auge 
und  im  Vorderkopfe,  in  den  meisten  Fällen  von  hefliger  Lichtscheu  und 
vermehrter  Thränensecretion  begleitet.  Die  Zunge  ist  weisslich  belegt; 
ein  leichter  febriler  Zustand  gesellt  sich  zu  den  Erscheinungen.  Letztere 
Symptome  und   der  Schmerz  erscheinen  aber  nur  im  Anfange  der  Enlzün- 


86 

düng:,  so  dass,  wenn  der  Zustand  einige  Zeit  währte,  sich  diese  Erscheinun- 
gen allmälig  verlieren.  Das  Sehvermögen  ist  umflort,  in  höheren  Graden 
der  Erkrankung  bis  zur  Lichtempfindung  aufgehoben. 

Die  Krankheil  hat  fast  immer  einen  chronischen  Verlauf,  und  selbst 
wenn  sie  in  acuter  Form  auftritt,  so  treten  häufig  Recidiven  ein,  wodurch 
sie  sich  sehr  in  die  Länge  zieht. 

Der  gewöhnlichste  Ausgang  ist  Zerlheilung  der  Entzündung;  in 
manchen  Fällen  bleiben  jedoch  Trübungen  der  Cornea  zurück,  oder  es 
wird  diese  Membran  durch  Verlust  ihrer  Contraclilität  und  Durchlränkung 
mit  entzündlichem  Exsudat  konisch  hervorgetrieben.  Häufig  treten  zu 
dieser  auch  Entzündungen  tiefer  liegender  Organe  (der  Iris ,  des  Ciliarkör- 
pers)  hinzu,  wodurch  sich  sodann  Exsudationen  in  der  Pupille  und  krank- 
hafte Adhäsionen  ausbilden  können.  Plastische  Exsudate  in  der  vordem 
Kammer  zeigen  sich  bei  Jüngern,  grösstentheils  scrofulösen  Individuen. 
Der  Ausgang  in  Eiterung  und  die  Bildung  eines  Hypopyons  ist  ziem- 
lich selten. 

Wenig  bekannt  sind  noch  die  Ursachen  dieser  Erkrankung;  in 
manchen  Fällen  entwickelt  sie  sich  langsam  ohne  bekannte  Ursache ;  in  an- 
dern Fällen  lässt  sich  ihr  Entstehen  auf  die  Einwirkung  von  Zugluft  oder 
Feuchtigkeit,  auf  eine  vorausgegangene  Verletzung  oder  einen  operativen 
Eingriff  (Nadeloperation  durch  die  Cornea)  zurückführen.  Auch  die  scro- 
fulöse  Dyscrasie  scheint  an  dem  Entstehen  dieser  Entzündung  einen  An- 
theil  zu  haben. 

Die  Prognose  ist  wegen  der  langen  Dauer  der  Krankheit,  wegen 
zurückbleibender  Trübungen  der  Cornea  und  der  Unsicherheit  der  Behand- 
lung nicht  sehr  günstig,  sie  verschlimmert  sich,  wenn  sich  die  Entzündung 
auf  benachbarte  Organe  verbreitet,  und  eine  schwer  zu  tilgende  Dyscrasie 
das  Leiden  bedingt  oder  unterhält. 

Hinsichtlich  der  Beha  n  d  l  un  g  gilt  beinahe  dasselbe,  was  über  die 
der  Keratitis  parenchymatosa  gesagt  wurde,  sie  ist  aber  in  den  meisten 
Fällen  schwieriger  und  unsicherer.  Massige  örtliche  Blutenlleerungen, 
zeitweise  gereichte  Purgantia  und  innerliche  Verabreichung  des  Calomels 
sind  in  den  meisten  Fällen  indicirt.  Man  empfiehlt  ferner  bei  heftiger 
Reizung  und  Lichtscheu  Gegenreize  durch  Blasenpflasler,  und  Fomenta- 
lionen  des  Auges  mit  einem  schleimigen  oder  narcotischen  Decoclc,  wie 
z.  ß.  mit  einer  Abkochung  von  Mohnköpfen.  Bei  heftigem  Schmerz 
und  starker  Ueberfüllung  der  vordem  Kammer  kann  die  Paracentese 
des  Auges  (Punclion  der  Cornea  mit  einer  Staarnadel)  nach  Wardrop 
grosse  Erleichterung  verschaffen.  In  jenen  Fällen  ,  wo  das  Individuum 
sehr  geschwächt    und    die  Irritation    des  Nervensystems   sehr  bedeutend 


87 

ist,  hat  eine  tonische  Behandlung-  und  die  Verabreichung-  der  China 
noch  den   besten   Erfolg-. 

Eine  Krankheit,  welche  sich  bisweilen  in  Folg-e  einer  Hornhautent- 
zündung-, noch  öfter  jedoch  ohne  vorausgehende  Enlzündungserscheinungen 
entwickelt,  ist  der  Hydr  Ophthal  mu  s  anterior,  bedingt  durch  über- 
mässig-e  Ansammlung-  des  humor  aqueus.  Die  Erkrankung-  ist  hier  nicht,  wie 
andere  hydropische  Ansammlungen,  durch  allg-emeine  Krankheiten  bedingt, 
sondern  fast  immer  nur  localen  Ursprunges.  Der  Raum  der  vordem  Kam- 
mer ist  vergrösserl,  die  Form  der  Ausdehnung  der  Cornea  jedoch  verschie- 
den, indem  dieselbe  manchmal  sphärisch,  in  andern  Fällen  conisch  hervor- 
getrieben wird.  Die  erstere  Form  wird  in  specie  als  Hydrophthalmus  an- 
terior bezeichnet.  Die  Erscheinungen  sind  ausser  der  Hervortreibung  der 
Cornea  und  Capacilätsvermehrung  der  vordem  Kammer  noch  Erweiterung 
der  Pupille,  Trägheit  der  Bewegungen  der  Tris,  zuweilen  Supraorbital- 
schmerz  und  Kopfschmerz  durch  die  starke  Spannung  der  Membranen  des 
Bulbus,  vermindertes  Sehvermögen,  (hoher  Grad  von  Myopie)  oder  selbst 
unvollkommene  Amaurose. 

So  leicht  die  Erkennung  eines  solchen  Zustandes  ist,  um  so  missli- 
cher sieht  es  mit  der  Auffindung  der  Ursachen  aus.  Eine  Erkrankung  der 
Cornea  (Erweichung  ihres  Gewebes)  muss  wohl  angenommen  werden  ,  da 
an  einer  gesunden  Hornhaut  eine  solche  Ausdehnung  nicht  leicht  stattfin- 
den kann.  Die  Krankheit  ist  zuweilen  angeboren,  wie  Ware  und  Lawrence 
beobachteten.  Die  mit  dieser  Missbildung  behafteten  Kinder  sahen  ent- 
weder sehr  unvollkommen  oder  waren  blind.  Bisweilen  ist  die  Kammer- 
wassersucht eine  Folgekrankheil  oder  begleitende  Erscheinung  der  Hirn- 
höhlenwassersucht und  dann  immer  mit  Amaurose  und  Nystagmus  verbun- 
den. Entzündungen,  besonders  der  Hornhaut,  geben  auch  zuweilen  dazu 
Veranlassung.  Lawrence  sah  die  vordere  Kammer  auf  das  dreifache  erwei- 
tert, die  Cornea  ungetrübt,  und  die  Pupille  durch  eine  Pseudomembrane 
geschlossen  in  Folge  einer  heftigen  innern  Augenenlzündung ,  welche  das 
Sehvermögen  vernichtete.  Lange  anhallende  scrofulöse  Entzündung  führt 
auch  zuweilen  vermehrte  Absonderung  der  wässrigen  Feuchtigkeit  und 
Ausdehnung  der  vordem  Kammer  herbei;  diese  bleibt  nach  Ablauf  der 
Entzündung  zurück  und  bedingt  einen  hohen  Grad  von  Kurzsichligkeil. 
In  manchen  Fällen  lässt  sich  durchaus  keine  Ursache,  auffinden.  Die 
Behandlung  dieses  Zustandes  ist  nur  selten  von  Erfolg.  Wenn  die 
Krankheit,  welche  die  vermehrte  Absonderung  des  Kammerwassers  her- 
beiführte,  zu  Ende,  und  die  Ausdehnung  der  vordem  Kammer  nicht 
sehr  bedeutend  ist,  lässt  sich  nichts  thun.  Sollte  noch  Entzündung  beste- 
hen  mit  schmerzhafter  Spannung   des  Bulbus,  sollte  die  Ausdehnung  zu 


88 

gross  werden,  oder  mit  zeitweisen  Enlzündungserscheinungen  bestehen, 
welche  einen  schädlichen  sympathischen  Einfluss  auf's  andere  Auge  haben, 
so  kann  man  durch  Punction  der  Cornea  palliative  Hilfe  leisten;  unter 
gewissen  Umständen  selbst  eine  grössere  Oeffnung  zu  dem  Zwecke  ma- 
chen,  eine  reichlichere  und  anhaltendere  Entleerung  des  humor  aqueus 
zu  bewirken. 

Wenn  die  Ausdehnung  der  Cornea  in  Kegelform  auftritt,  diese  jedoch 
ihre  Durchsichtigkeit  wenigstens  zum  grüssten  Theile  behauptet,  so  nennt 
man  den  Zustand  Cornea  co  nie  a,  Hyperkeratosis  oder  auch  Staphy- 
loma  conicum  pellucidum.  Das  Auge  hat  einen  eigenthümlichen  Glanz,  was 
von  der  ungewöhnlichen  Brechung  der  Lichtstrahlen  herrührt.  Die  kegel- 
förmige Prominenz  der  Cornea  beobachtet  man  am  besten ,  wenn  man  den 
Kranken  von  der  Seite  betrachtet.  Die  Cornea  ist  meistens  ganz  durch- 
sichtig; doch  besteht  bisweilen  in  der  Mitte  der  Prominenz  eine  Trübung, 
so  wie  auch  daselbst  manchmal  seichte  Unebenheiten  und  Vertiefungen  zu 
beobachten  sind.  Die  peripherischen  Theile  der  Cornea  sind  verdickt, 
der  mittlere  Theil  verdünnt,  die  Lamellen  weniger  über  einander  ver- 
schiebbar. In  den  übrigen  Theilen  des  Auges  beobachtet  man  meislens 
keine  Veränderung,  doch  kann  nebenbei  ein  anderer  krankhafter  Zustand 
bestehen:  Staphylom  der  Sclerotica,  Cirsophthalmus.  Der  Kranke  hat  kei- 
nen Schmerz,  ist  aber  sehr  kurzsichtig,  und  das  Sehvermögen  nimmt  im- 
mer mehr  ab,  bis  endlich  ein  amaurotischer  Zustand  eintritt.  Von  der 
Seite  kann  der  Kranke  etwas  besser  sehen.  Doppelt-  und  Vielfachsehen 
der  Objecte  ist  nicht  constant.  Es  gibt  auch  eine  partielle  conische  Cornea, 
wenn  die  kegelförmige  Hervortreibung  nur  an  einer  Stelle  statlfindet.  Hat 
sich  einmal  eine  kegelförmige  Proluberanz  der  Cornea  gebildet,  wozu  ge- 
wöhnlich mehrere  Jahre  erfordert  werden,  so  bleibt  der  Zustand  stationär. 

Ueber  die  Ursachen  dieses  Leidens  haben  wir  keine  sichern  Daten. 
Es  kommt  bei  jugendlichen  Individuen  vor,  an  welchen  man  kein  Allge- 
meinleiden auffindet,  das  man  als  Ursache  betrachten  könnte.  Es  ist  sehr 
selten,  scheint  jedoch  in  England  öfter  beobachtet  worden  zu  sein. 
Manche  Beobachter  (Mackenzie,  Sichel)  nehmen  an,  dass  es  immer  von 
einer  Verdünnung  der  Cornea  herrühre,  welche  durch  ein  nicht  perfori- 
rendes  Geschwür  oder  durch  eine  Keratokele  (Vorfall  der  Membrana  Des- 
cemeli)  verursacht  wurde,  und  führen  zur  Bekräftigung  ihrer  Meinung  die 
getrübte  Stelle  an  der  Spitze  der  Hervorragung  an.  Ohne  die  Möglichkeit 
einer  solchen  Entslehungsweise  wegzuläugnen,  ist  jedoch  zuzugeben,  dass 
sie  nicht  für  alle  Fälle  gelte.  Die  Trübung  an  der  Spitze  ist  nicht  immer 
vorhanden,  sondern  bildet  sich  erst  später  aus,  da  die  hervorragendste 
Stelle  theils  durch  die  Reibung  der  Augenlider,  theils  durch  ihre   Lage 


89 

einerReizung"  und  oberflächlichen  Entzündung- ,  wohl  auch  einer  Ulceration 
leichler  unierliegt.  Wahrscheinlich  haben  Entzündungsprocesse  der  Cornea, 
vielleicht  auch  tieferer  Gebilde,  der  Choroidea  und  des  Ciliarkürpers,  wo- 
durch das  Gewebe  der  Cornea  mehr  erweicht  und  die  Absonderung  des 
humor  aqueus  vermehrt  wird,  mehr  Antheil  an  der  Entstehung  dieses 
Uebels.  Wenigstens  beobachtet  man  derlei  Ueberg-angsslufen  als  Folge- 
zustände des  Pannus,  oder  einer  chronischen  Entzündung  der  Choroidea 
und  des  Ciliarkürpers. 

Die  Therapie  leistet  gegen  diesen  Zustand  sehr  wenig  oder  Nichts. 
Man  hat  verschiedene,  theils  allgemeine,  theils  örtliche  Mittel  angewendet, 
fast  immer  ohne  Erfolg.  Empfohlen  wurden  die  Adstringentia,  das  schwe- 
felsaure Zink  oder  Kupfer,  Nilras  argenti ,  der  Alaun  ,  aufgelöst  in  einem 
Decoctum  cort.  quercus,  ferner  Reizmittel,  nämlich  ein  concentrirtes  Infu- 
sum  der  Tabaksblälter ,  die  Tinc.  Opii  crocala.  Die  öfters  wiederholte 
Punction  der  Cornea  führte  ebenfalls  zu  keinem  Resultate.  In  einzelnen 
Fällen  will  man  durch  diese  Punction  verbunden  mit  einer  leichten,  metho- 
dischen und  anhaltenden  Compression  bessere  Erfolge  gesehen  haben 
(Desmarres).  Auch  die  Zerstücklung  der  Krystalllinse  wurde  zur  Erzielung 
eines  bessern  Sehvermögens  empfohlen  (Vetch ,  Lawrence  und  Textor). 
Innerlich  wurden  verschiedene  resorplionsbefördernde  ,  tonische  und  alle- 
rirende  Mittel  zugleich  mit  Revulsionen  auf  die  Haut  angewendet.  Canle- 
risationen  der  Spilze  mit  Nitras  argenü  (alle  2 — 3  Tage)  und  nachträgliche 
Touchirung  mit  Opiumlinclur  empfahl  Sichel.  Wenn  die  Krankheit  wenig 
entwickelt  ist,  kann  man  biconeave  Brillen  zur  Verminderung  des  starken 
Lichtbrechungsvermögens  der  Cornea  tragen  lassen. 

3.  Entzündimg  der  Iris  (Iritis). 

Die  Entzündung  der  Iris  ist  eine  der  wichtigsten  am  Auge  vorkom 
menden  Entzündungen,  Iheils  wegen  der  Häufigkeit  des  Auftretens,  theils 
wegen  ihres  Einflusses  auf  das  Sehvermögen.  Sie  tritt  entweder  primär 
in  der  Iris  auf,  oder  sie  verbreitet  sich  von  anderen  Gebilden,  namentlich 
von  der  Hornhaut,  dem  Ciliarkörper  oder  der  Sclerotica  auf  dieselbe.  Man 
hat  einen  Unterschied  aufgestellt  zwischen  oberflächlicher  und  parenchy- 
matöser Entzündung  der  iiis;  da  jedoch  die  Erscheinungen  sich  nicht 
scharf  sondern  lassen,  da  der  seröse  Ueberzug  der  Iris  mehr  als  problema- 
tisch und  die  Behandlung  nicht  verschieden  ist,  so  gewährt  diese  Unterab- 
theilung der  Iritis  kein  praktisches  Interesse.  Von  grösserer  Wichtigkeit, 
besonders  für  die  Behandlung,  ist  die  Einlheilung  in  die  Iritis  acuta  und 
chronica  oder  lenla. 


90 

Die  Iritis  beginnt  mit  Congestionserscheinungen  und  Injection  der 
Gefässe,  theils  in  der  Iris  selbst,  theils  in  den  benachbarten  Gebilden; 
besonders  tritt  die  Ueberfüllung  der  tiefern  Conjunclivalgefässe  (der  vor- 
dem Ciliargefässe)  hervor.  Bei  heftigerem  Blutandrange  kann  es  auch 
zur  Berstung  feiner  Gefässe  der  Iris  kommen  ,  wodurch  eine  blutige  Tün- 
chung des  Gewebes  der  Iris,  oder  ein  Blutextravasat  in  die  vordere  Kammer 
(Haemophlhalmus)  erfolgt.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  bei  Iritis 
eintretende  Exsudation.  Anfangs  scheint  die  Abscheidung  eines  mehr 
serösen  Exsudates  auf  die  Oberfläche  der  Iris  statt  zu  finden  ,  welches  sich 
auch  dem  Kammerwasser  beimischt  und  dasselbe  trübt.  Im  zweiten  Sta- 
dium der  Entzündung  hat  das  Exsudat  eine  mehr  plastische  Beschaffenheit, 
ist  meistens  fasersloffhältig.  Es  wird  meistens  am  Pupillarrande  und  in 
dessen  Nähe  abgelagert;  seine  klebrige  Natur  veranlasst  bei  noch  beste- 
henden Pupillarbewegungen  die  Gerinnung  desselben  in  Form  von  Fäden 
oder  Klümpchen,  wodurch  leicht  Adhäsionen  mit  benachbarten  Gebilden 
zu  Stande  kommen.  Wird  das  Exsudat  in  grösserer  Menge  abgelagert, 
so  verursacht  es  sehr  häufig  Verengerung  oder  selbst  Verschliessung 
der  Pupille.  Das  Exsudat  wird  manchmal  vorzüglich  an  der  hinlern 
Fläche  der  Iris  abgelagert;  dieses  ist  sodann  von  zahlreichen  Pigment- 
kugeln durchsetzt,  und  es  drängt  sich  der  Pupillarrand  etwas  mehr  nach 
vorne,  was  zur  Annahme  einer  besondern  Species  der  Iritis  unter  dem 
Namen  der  Uveitis  führte,  eine  jedenfalls  willkürliche  Behauptung,  da  die 
Uvea  in  diesem  Sinne  gar  nicht  existirl.  Auch  das  Gewebe  der  Iris  selbst 
wird  zuweilen  von  einem  beträchtlichen  Exsudate  durchsetzt,  dadurch  mehr 
gelockert  und  brüchiger.  Beim  acuten,  heftigen  Auftreten  der  Iritis  zer- 
fliesst  zuweilen  das  Faserstoffexsudat  zu  Eiter,  ergiessl  sich  in  die  vordere 
Kammer  und  stellt  uns  den  Zustand  dar,  den  wir  Hypopyum  verum  nennen. 

a.  Die  Symptome  einer  acuten  Iritis  sind  folgende:  In  der  Iris 
selbst  beobachtet  man  vor  Allem  eine  Farbenveränderung.  Eine  blaue 
Iris  wird  durch  die  Entzündung  grün,  eine  braune  jedoch  dunkel  rothbraun 
gefärbt.  Gewöhnlich  beginnt  diese  Farbenveränderung  am  Pupillarrande, 
und  geht  sodann  auf  den  Citiarrand  der  Iris  über.  Ohne  Zweifel  rührt 
dieses  Symptom  von  einer  Blutstase  in  den  Gefässen  der  Iris  her;  denn  es 
ist  das  zuerst  auftretende  Symptom,  bevor  sich  noch  eine  Exsudation  gebil- 
det hat,  und  man  beobachtet  ferner  diese  Erscheinung  unter  Umständen, 
welche  eine  bedeutende  Congestion  zu  den  Ciliargefässen  und  zu  den  Ge- 
fässen der  Iris  herbeiführten,  wo  man  es  aber  durchaus  mit  keiner  Entzün- 
dung der  Iris  zu  thun  hat;  so  z  B.  nach  plötzlicher  Evacualion  der  vordem 
Kammer,  bei  der  Operation  des  Strabismus,  im  Momente,  wo  man  mit  dem 
Haken    den    Muskel    erfasst.      Deutlicher    ausgesprochen    ist    die  Farben- 


91 

Veränderung  immer  bei  hellgefärbter  Iris.  Ein  zweites  an  der  Iris  wahr- 
nehmbares Symptom  ist  Veränderung-  ihrer  Struclur.  Der  faserige  Bau  ist 
an  einer  entzündeten  Iris  nicht  mehr  deutlich  zu  erkennen ,  ihr  Gewebe 
erscheint  verwaschen  ,  glanzlos.  Es  beruht  diess  theils  auf  einer  Trübung 
der  wässrigen  Feuchtigkeit,  theils  auf  Durchtränkung  der  Iris  mit  dem  ent- 
zündlichen Exsudate.  Bei  weiterem  Verlaufe  und  massenreicher  Absetzung 
des  Exsudates  entweder  in  dem  Parenchyme  der  Iris  oder  an  ihrer  hintern 
Fläche  gewinnt  sie  einen  grösseren  Umfang,  und  ihre  Schwellung  bewirkt 
eine  Vorbauchung  derselben  in  die  vordere  Kammer.  Die  Beweglichkeit 
der  Iris  wird  schon  bei  bedeutender  Ueberfüllung  ihrer  Blutgefässe  ver- 
mindert; noch  mehr  leidet  dieselbe  aber  durch  die  eingetretene  Exsudation 
oder  durch  bereits  gebildete  Anheftungen  an  benachbarte  Organe,  so  dass 
eine  entzündete  Iris  keine  Pupillarbewegungen  mehr  gestattet.  Fernere 
Veränderungen  treten  an  der  Pupille  ein.  Diese  ist  in  der  Regel  bei  Iritis 
verengert.  Die  Verengerung  der  Pupille  rührt  her  von  der  Blutstasis  in 
den  Gefässen  der  Iris,  von  der  entzündlichen  Exsudation  und  von  der  bei 
Iritis  jederzeit  bestehenden  Reizung  des  Auges,  welche  schon  bei  massigem 
Lichtreize  Verengerung  des  Sehloches  bedingt.  Man  beobachtet  ferner 
Veränderung  der  Form  der  Pupille.  Diese  wird  in  den  meisten  Fällen 
entrundet,  man  sieht  eine  eckige,  winkliche  Gestaltung  derselben,  und 
diese  wird  theils  durch  exsudative  Anheftung  an  einzelnen  Stellen  oder 
bisweilen  auch  durch  partielle  Lähmung  der  Irisfasern  hervorgerufen.  Es 
erfolgt  bisweilen  eine  solche  Verziehung  der  Pupille,  dass  diese  nicht  mehr 
die  normale  Stelle  im  Augapfel  einnimmt.  Die  normale  Schwärze  der 
Pupille  wird  ebenfalls  durch  die  Exsudation  vermindert;  sie  bietet  eine 
matte,  grauliche  Färbung  dar,  und  man  kann  entweder  mit  freiem  Auge 
oder  mittelst  einer  guten  Lupe  Exudalfäden  und  Flocken  in  derselben 
unterscheiden.  Jede  acute  Entzündung  der  Iris  begleitet  eine  secundärc 
Hyperämie  der  Bindehaut.  Diese  tritt  am  meisten  in  der  Scleralbindehaut 
hervor,  besonders  sind  die  um  den  Umkreis  der  Cornea  liegenden  Ciliar- 
gefässe  stärker  injicirl,  daher  der  rosenrolhe,  feine  Gefässkranz  um  die 
Hornhaut  mit  zu'  den  Symptomen  der  Iritis  gehört.  Die  Augenlidränder 
sind  etwas  gerölhet  und  geschwellt,  bisweilen  oedematös  infillrirt. 

Unter  den  subjectiven  Erscheinungen  bei  Iritis  sind  zu 
erwähnen:  1.  Schmerz.  Er  ist  bei  acutem  Verlaufe  der  Iritis  sehr  heftig 
und  characteristisch.  Er  beginnt  in  dem  Auge  selbst  an  einem  oder  den 
andern  Winkel,  oder  in  der  Orbita,  ist  stechend,  reissend,  bohrend,  und 
strahlt  nach  den  Verzweigungen  des  N.  ophlhalmicus  aus,  daher  er  sich  über 
die  Supraorbitalgegend,  über  die  ergriffene  Kopfhälfte  bis  zum  Hinterhaupt 
verbreitet,   häufig  auch   mit  Gesichts-,   Zahn-  und  Ohrenschmerz  combinirl. 


Obwohl  das  Auge  fortwährend  empfindlich  ist,  so  macht  doch  dieser  Schmerz 
heftigere  Anfälle  von  2  —  3  —  4stündiger  Dauer  und  tritt  insbesondere 
häufig"  zur  Nachtzeit  ein.  Jede  Verkühlung",  Zugluft  u.  s.  w.  ruft  Anfälle 
hervor  oder  verstärkt  sie.  Das  Auge  ist  sehr  lichtscheu,  die  Thränense- 
cretion  vermehrt.  Der  beschriebene  Schmerz  lässt  sich  durch  die  Betheili- 
gung des  Ciliarnervensystems  und  durch  dessen  Zusammenhang-  mit  dem 
fünften  Paare  erklären.  Das  Sehvermögen  ist  bei  der  Iritis  jederzeit  gestört, 
und  zwar  nicht  allein  durch  die  Exsudation  in  die  Pupille,  denn  es  tritt  die 
Schwächuug  des  Sehvermögens  schon  im  Anfange  ein :  es  haben  auch  die 
Verengerung  der  Pupille  und  die  Hyperaemie  der  tiefern  Gebilde  (Choroidea 
und  Retina)  darauf  Einfluss.  Ist  die  Pupille  durch  Organisirung  der  Exsu- 
date verschlossen,  so  kann  das  Sehvermögen  bis  zur  Lichtempfindung  auf- 
gehoben werden. 

Bei  acuter  Iritis  leidet  oft  auch  der  Gesammtorganismus.  Fieberbewe- 
gungen bei  einzelnen  Individuen,  fast  bei  Allen  jedoch  Störungen  der  Ver- 
dauung, weisslich  belegte  Zunge,  retardirte  Stuhlenlleerung  (durch  Bethei- 
ligung des  sympathischen  Nervensystems)  gehören  zu  den  gewöhnlichsten 
Begleitern. 

Die  angegebenen  Erscheinungen  werden  sowohl  durch  die  Individua- 
lität des  Kranken,  als  auch  durch  den  Antheil  anderer  Gebilde  des  Augapfels 
bisweilen  modificirt.  Kommt  die  Iritis  zugleich  mit  Entzündung  der  Cornea 
vor,  in  welchem  Falle  meistens  die  erstere  zur  letzteren  hinzutritt,  so  trifft 
man  die  vereinten  Symptome  der  beiden  Entzündungen  zugleich  an.  Doch 
werden  dann  die  objectiven  an  der  Iris  und  Pupille  wahrnehmbaren  Er- 
scheinungen sehr  häufig  durch  die  getrübte  Cornea  maskirt,  und  man  muss 
zur  Bestimmung  der  genauen  Diagnose  des  Leidens  insbesondere  die  sub- 
jectiven  und  übrigen  begleitenden  Erscheinungen  der  Iritis  im  Auge  behal- 
ten. Bei  scrofulösen  Individuen,  so  wie  nach  Verletzungen  der  Cornea  ent- 
wickelt sich  diese  Entzündung,  die  man  Keralo -Iritis  nennt,  nicht  sehr 
selten.  Nimmt  die  Chorioidea  an  der  Entzündung  Antheil,  so  wird  das 
Sehvermögen  gleich  Anfangs  mehr  getrübt,  bei  Zunahme  der  Entzündung 
wohl  gänzlich  aufgehoben,  die  Pupille  ist  in  diesem  Falle  nicht  verengt, 
sondern  eher  erweitert,  und  zwar  durch  die  Lähmung  des  Ciliarnerven- 
systems, welche  bei  heftiger  Congestion  der  Choroidea  oder  durch  den 
Druck  der  von  ihr  gebildeten  Exsudate  erfolgt.  Die  Conjunctiva  des  Aug- 
apfels ist  dunkelroth  gefärbt,  schmutzig,  hie  und  da  von  erweiterten  Ge- 
fässen  durchzogen,  um  die  Cornea  herum  bemerkt  man  einen  grauen  oder 
bläulichen  Ring,  welcher  der  ausgedehnte,  von  Blut  überfüllte  Sinus  veno- 
sus  ist.  Da  hierbei  das  Venensystem  des  Augapfels  vorzüglich  belheiligl 
ist,  so  bezeichnet  man   diese  Entzündungsform  auch  als  Iritis  venosa,  und 


93 

da  sie  häufiger  bei  Individuen  auftritt,  welche  mit  der  Gicht  behaftet  sind, 
als  Iritis  arthritica. 

Die  acute  Iritis  dauert  2 — 3  Wochen.  Sie  endigt  entweder  in  voll- 
kommene Zertheilung,  wenn  die  Exsudate  vollkommen  durch  Resorption 
entfernt  werden,  worauf  das  normale  Sehvermögen  wieder  hergestellt  wird. 
Doch  bleibt  ein  solches  Auge  noch  längere  Zeil  empfindlich  und  erleidet 
durch  geringe  Anlässe  leicht  einen  Rückfall  der  Entzündung. 

Andere  Ausgänge  der  Iritis  sind  durch  Organisation  der  Exsudate  be- 
dingt. Durch  dieselben  können  Verwachsungen  derlris  mit  benachbarten  Or- 
ganen eintreten,  besonders  mit  der  vordem  Linsenkapsel,  welche  Verwachsung 
man  hintere  Synechie  (Synechia  •posterior)  nennt.  Sie  kann  entweder  an 
einer  oder  an  mehreren  Stellen  oder  im  ganzen  Umfange  der  Pupille  staltfin- 
den, demnach  partiell  oder  total  sein.  Da  die  beiden  Organe  einander  sehr 
naheliegen  und  der  Zwischenraum  durch  die  entzündliche  Schwellung  derlris 
und  die  Ablagerung  von  Exsudaten  an  ihrer  hintern  Fläche  noch  vermin- 
dert oder  aufgehoben  wird,  so  können  solche  Verwachsungen  leicht  ein- 
treten. Wird  das  Exsudat  in  grösserer  Menge  in  den  Pupillarrand  abge- 
setzt, und  nicht  wieder  aufgesaugt,  so  verursacht  es  eine  forldauernde  Ver- 
engerung oder  selbst  Verschliessung  der  Pupille  (Alresia 
pupillae).  Da  hier  das  geronnene,  grauliche  Exsudat  die  Pupille  wie  ein 
Pfropf  verschliesst  und  einige  Aehnlichkeit  mit  dem  grauen  Staare  darbie- 
tet, so  nennt  man  den  Zustand  auch  Cataracta  spuria,  lymphalica,  Lymph- 
staar.  Die  acule  Form  der  Iritis  kann  ferner  in  die  chronische  über- 
gehen. Ein  nicht  sehr  ungewöhnlicher  Ausgang  der  Iritis  ist  der  in  Eite- 
rung. Der  gebildete  Eiler  mischt  sich  der  wässrigen  Feuchtigkeit  bei, 
senkt  sich  jedoch  als  die  speeifisch  schwerere  Flüssigkeit  zu  Boden  und 
bildet  dann  das  Eiterauge  (Hypopyon).  Man  erkennt  dasselbe  durch 
die  Wahrnehmung  einer  trüben  gelblichweissen  Flüssigkeil  in  der  vordem 
Kammer,  welche  jederzeit  eine  bestimmte,  nach  dem  Grade  der  Ergiessung 
verschiedene  Gestalt  hat.  Ist  der  Eiler  nur  in  sehr  geringer  Menge  ange- 
sammelt, so  erscheint  er  in  Form  einer  schmalen  gelblichen  Linie  am  Bo- 
den der  vordem  Kammer.  Bei  etwas  grösserer  Ansammlung  hat  das  Hy- 
popyon eine  halbmondförmige  Gestalt.  Nach  unten  hat  es  einen  convexen 
Rand,  nach  oben  ist  es  in  einer  horizontalen  Linie  scharf  begrenzt.  Doch 
können  Veränderungen  der  Form  auch  durch  verschiedene  Lagerung  des 
Kranken  bedingt  werden,  indem  sich  die  besagte  Form  nur  bei  ruhiger 
Stellung  des  Kranken  bei  horizontaler  oder  schief  nach  unten  geneigter 
Kopflage  zeigt.  Neigt  jedoch  der  Kranke  den  Kopf  längere  Zeit  auf  eine 
Seite,  oder  nimmt  er  eine  seitliche  Lage  an,  so  verändert  sich  auch  die 
Stellung  des  Eiters,  so  dass  er  dann  statt  eines  horizontalen  einen  verticalen 


94 

Halbmond  bildet.  Hat  der  Eiter  eine  dickere  Consislenz,  so  treten  diese 
Formveränderungen  nicht  so  leicht  und  so  bald  ein.  Im  höhern  Grade  des 
Hypopyons  stellt  der  Eiter  eine  nach  oben  convexe,  mehr  als  die  Hälfte  der 
vordem  Kammer  füllende  Ansammlung  dar,  im  höchsten  Grade  ist  die  ganze 
vordere  Kammer  von  Eiter  erfüllt.  Die  Eileransammlung  in  der  vordem 
Kammer  ist  nicht  bloss  durch  Iritis  bedingt,  auch  ein  nach  innen  aufbrechen- 
der Hornhaulabscess  kann  dieselbe  veranlassen,  in  welchen  Falle  man  das 
Hypopyon  ein  H.  spurium  nennt.  Gab  jedoch  eine  Entzündung  der  Iris, 
des  Corpus  ciliare  oder  der  Choroidea  dazu  Veranlassung,  so  heisst  es  ein 
Hypopyon  verum.  Ob  auch  Eiter,  der  in  andern  Körperregionen  er- 
zeugt, dort  resorbirt  und  in  die  Blutmasse  aufgenommen  wurde,  in  die  vor- 
dere Kammer  deponirt  werden  könne,  ist  noch  nicht  erwiesen.  Solche 
Eitermetastasen  sind  gewiss  sehr  zweifelhaft.  Der  in  die  vordere  Kammer 
ergossene  Eiter,  selbst  wenn  dessen  Menge  ziemlich  bedeutend  ist,  wird 
sehr  häufig  durch  Resorption  entfernt,  und  zwar  ohne  Nachtheile  für  die 
Blutmischung.  Die  Resorption  erfolgt  bisweilen  in  sehr  kurzer  Zeit.  In 
seltneren  Fällen  bedingt  der  Eiler  eine  Anätzung  und  Erweichung  der  Horn- 
haut, es  erfolgt  endlich  Ruptur  derselben,  wodurch  sich  der  Eiter  zum 
Theile  entleert  und  es  besteht  dann  ein  Hornhautgeschwür.  Dieser  Durch- 
bruch erfolgt  unter  den  Zufällen  einer  heftigen  Aufregung  des  Kranken  und 
ist  oft  von  wüthenden  Schmerzen,  selbst  von  Delirium,  begleitet. 

Wenn  sich  die  Entzündung  auch  auf  innere  Gebilde  des  Augapfels 
(den  Ciliarkörper  und  die  Choroidea)  verbreitete,  wenn  die  Exsudate  mas- 
senreich in  die  vordere  und  hintere  Kammer  abgesetzt  werden,  so  dass  da- 
durch die  Ernährung  des  Bulbus  beeinträchtigt  wird,  so  kann  als  Folge 
eine  Verflüssigung  des  Glaskörpers  (Synchysis)  und  Verkleinerung  des  Aug- 
apfels eintreten,   welcher  sodann   einer  allmäligen  Atrophie  entgegengeht. 

Die  Ursachen  der  Iritis  sind  ähnlich  denen  der  übrigen  Entzündun- 
gen des  Auges.  Eine  grössere  Disposition  zu  ihr  besieht  im  reifen  Aller, 
Männer  werden  etwas  häufiger  befallen,  als  Weiber.  Zu  den  veranlassen- 
den Momenten  rechnen  wir  1.  Verletzungen  des  Auges.  Die  Verletzung 
muss  gerade  nicht  immer  die  Iris  treffen.  So  kann  durch  einen  fremden 
Körper,  der  längere  Zeit  in  der  Cornea  verweilt,  eine  Iritis  entstehen.  An- 
dererseits beobachten  wir  oft  bedeutende  Verletzungen  der  Iris,  ohne  dass 
sie  eine  Entzündung  derselben  zur  Folge  haben.  Operative  Eingriffe,  wie 
die  Staaroperalion  und  Pupillenbildung  können  zur  Iritis  Veranlassung  ge- 
ben. Sie  entsteht  zuweilen  auch  in  Folge  der  Reizung  der  Iris  durch  Slaar- 
stücke,  welche  in  der  Pupille  stecken.  Grelles  Licht,  Anstrengung  des 
Auges  mit  kleinen  und  glänzenden  Gegenständen  kann  ebenfalls  Iritis  be- 
dingen.   Verkühlung,  Einwirkung  der  Zugluft,  Forlpflanzung  der  Entzün- 


05 

düng  von  andern  Gebilden  des  Auges  (von  der  Sclerotica,  Cornea,  dem 
Ciliarkörper)  sind  nicht  seltene  Ursachen  der  Iritis.  Eine  ergiebige  Quelle 
der  Iritis  ist  ferner  eine  constitutionelle  Erkrankung  der  Individuen ;  wir 
beobachten  nämlich,  dass  sie  häufiger  bei  solchen  Individuen  entsteht, 
welche  an  Rheumatismen  und  Gicht  leiden,  oder  mit  der  Syphilis  behaftet 
sind.  Besonders  gilt  diess  von  letzterer  Krankheit.  Es  kann  bei  solchen  In- 
dividuen ein  geringer  äusserer  Anlass  die  Krankheit  hervorrufen,  zu  wel- 
cher schon  eine  grössere  Disposition  besteht. 

Die  Prognose  ist  günstig,  wenn  die  Entzündung  erst  entstanden, 
nicht  hochgradig  und  das  Individuum  ziemlich  gesund  ist.  Wenn  die  Exsu- 
dation nicht  bedeutend  ist,  kann  noch  vollkommene  Resolution  erfolgen. 
Sind  jedoch  die  Exsudate  massenreich  abgelagert,  die  Pupille  fast  oder  gänz- 
lich verschlossen,  so  ist  die  Prognose  sehr  zweifelhaft.  Ein  massiger  Grad 
des  Hypopyons  macht  die  Prognose  gerade  nicht  ungünstig;  sie  wird  es 
jedoch,  wenn  die  ganze  vordere  Kammer  mit  Eiler  erfüllt  isl.  Die  Prognose 
trübt  sich  um  so  mehr,  wenn  liefere  Gebilde  des  Augapfels  betheiligt  sind. 
Fast  hoffnungslos  ist  der  Fall,  wenn  wir  Veränderung  der  Farbe  der  ganzen 
Iris,  bedeutende  Contraction  der  Pupille  und  in  ihr  eine  trübe  Masse  finden, 
wenn  die  äussere  Rölhe  intensiv,  der  Schmerz  bedeutend  und  tiefsitzend, 
und  das  Sehvermögen  ganz  aufgehoben  isl.  Immer  ist  in  der  Stellung  der 
Prognose  bei  Iritis  Vorsicht  nöthig. 

Die  wichtigsten  Indicationen  bei  der  Behandlung  der  Iritis  sind 
Bekämpfung  der  Entzündung,  Verhütung  einer  weitern  Exsudation  und 
Beförderung  der  Aufsaugung  des  bereils  gebildeten  Enlzündungsproductes. 
Desshalb  ist  eine  strenge  antiphlogistische  Behandlung  nothwendig.  Ein 
allgemeine  Blutenlleerung  wird  wohl  nur  bei  sehr  heftiger  Entzündung  in 
einem  robusten  Individuum  erforderlich  werden;  desto  mehr  aber  ist  in 
den  übrigen  Fällen  eine  genügende  örtliche  Blutentleerung  durch  Blutegel 
(8 — 10  Stück)  oder  blutige  Schröpfköpfe  angezeigt.  Eine  hinreichende 
Quantität  Blut  auf  einmal  entzogen  nützt  mehr,  als  mehrere  kleinere  Blut- 
enlleerungen.  Nebstbei  reiche  man  ein  antiphlogistisches  Purgans  und 
lässt  den  Kranken  strenge  Diät  und  absolute  Ruhe  beobachten.  Das  Auge 
bewahre  man  vor  dem  grelleren  Lichteinflusse  und  halte  es  mit  einem 
trockenen  leichten  Leinwandläppchen  bedeckt.  Kalte  Ueberschläge  auf 
das  Auge  passen  nur  bei  einer  durch  Verletzung  entstandenen  Iritis.  Ab- 
leitungen auf  die  Haut  durch  Blasenpflaster  u.  s.  w.  wirken  im  acuten  Sta- 
dium der  Krankheit  schädlich  ein,  besonders  wenn  sie  in  der  Nähe  des 
Auges  applicirt  werden.  Durch  die  angegebenen  Mittel  wird  die  Entzün- 
dung vermindert,  allein  in  den  meisten  Fällen  noch  nicht  gehoben.  Das 
Hauptmittel  zur  Bekämpfung  der  Exsudation  ist  die  zweckmässige  Anwen- 


düng  des  Mercurs.  Er  wirkl  am  günstigsten  nach  vorausgeschickten  Blul- 
entleerungen.  Man  gibt  das  Calomel  in  der  Dosis  von  1 — 2  Gran  alle 
3 — 4  Stunden  entweder  allein  oder  in  Verbindung  mit  Opium  oder  Hyos- 
cyamus.  Wie  lange  man  dasselbe  fortsetzen  müsse,  lässl  sich  nicht  so 
leicht  bestimmen  und  bleibt  mehr  dem  Ermessen  des  Arztes  überlassen. 
Meistens  setzt  man  den  Gebrauch  desselben  so  lange  fort,  bis  es  die  Mund- 
schleimhaut afficirt ;  um  übrigens  diese  unangenehme  Erscheinung  zu  verhü- 
ten, lässt  man  den  Kranken  die  Pulver  in  Oblaten  eingehüllt  nehmen  und  den 
Mund  fleissig  ausspülen.  Es  ist  immerhin  schwierig,  genau  zu  erklären, 
wie  das  Calomel  in  der  Iritis  wirke;  wir  sehen  jedoch  unter  dessen  Ge- 
brauche die  Entzündung  aufhören  ,  und  abgelagerte  Exsudate  durch  Re- 
sorption schwinden.  Es  scheint,  dass  es  die  vermehrte  Thäligkeit  der 
Capillargefässe,  von  welchen  die  Exsudation  abhängt,  beschränke  und  die 
Plasticilät  des  Blutes  vermindere.  Ob  es  einen  directen  Einfluss  auf  die 
Resorption  habe,  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen.  Aus  allen  Be- 
obachtungen geht  jedoch  hervor,  dass  die  Iritis  im  Allgemeinen  und  beson- 
ders die  syphilitische  am  erfolgreichsten  durch  die  combinirte  Anwendung 
antiphlogistischer  Heilmittel  und  des  Mercurs  behandelt  wird.  Auch  ört- 
lich kann  der  Mercur  in  Form  der  grauen  Salbe  in  der  Supraorbitalgegend 
angewendet  werden;  da  jedoch  die  Einwirkung  dieser  Salbe  meistens 
eine  geringe  Reizung  veranlasst ,  so  ist  es  besser,  sie  erst  nach  bereits 
gebrocherer  Entzündung  in  Anwendung  zu  bringen,  und  mit  etwas  Opium 
oder  Ol.  Hyoscyami  zu  verbinden.  Die  heftigen  Schmerzen  beschwichtigt 
man  am  besten  durch  örtliche  Anwendung  eines  narcotischen  Linimentes 
(Hyoscyamus,  Opium,  Acetas  Morphii).  Die  örtliche  Anwendung  der  Bella- 
donna ist,  obwohl  die  Erweiterung  der  Pupille  von  grossem  Vortheile 
wäre ,  im  acuten  Stadium  der  Iritis  nicht  zu  empfehlen ;  denn  sie  verur- 
sacht eine  Irritation  und  würde  in  den  wenigsten  Fällen  eine  Erweiterung 
der  Pupille  bewirken.  Am  wenigsten  ist  die  Eintröpflung  einer  Belladonna- 
solution  in  das  Auge  gestattet.  Nach  bereits  gebrochener  Entzündung 
kann  man  die  äusserliche  Anwendung  derselben  mit  Vortheil  versuchen. 
In  jenen  Fällen,  wo  der  Mercur  nicht  günstig  einwirkt,  von  dem  Kranken 
wegen  Schwäche  nicht  vertragen  wird  ,  oder  zu  schnell  Salivalion  hervor- 
ruft, versuche  man  andere  Mittel.  Unter  diesen  verdient  das  von  Carmi- 
chael  empfohlene  Terpentinöl  die  meiste  Beachtung.  Man  kann  es  in  allen 
Formen  der  Iritis,  besonders  in  der  durch  Rheuma  und  Syphilis  bedingten 
anwenden.  Man  gibt  es  zu  1 — 2  Drachmen  täglich,  des  unangenehmen 
Geschmackes  wegen  am  besten  in  Form  einer  Emulsion  (z.  B.  Rp.  Olei 
tereb.  rectif.  Unc.  1  Vitelli  ovi  unius,  tere  sirnul  et  adde  sensim  Emuls. 
amygdal.  Unc.   4,    syrup.  cort.  aurant.  Unc.  2    Olei  Cinnam.   gult  3 — 4 


97 

D.  S.  ter.  d.  d.  cochl.  cib.  2.)  oder  bloss  in  Verbindung  mit  einigen  Unzen 
Syrup.  cort.  aurant.  Die  bisweilen  verursachte  Strangurie  weicht  dem 
Gebrauche  eines  Leinsamenthees,  und  einer  Kampher-Mixtur,  oder  man 
setzt  das  Mitte)  ein  paar  Tage  aus.  Auf  Beförderung  der  Stuhlentleerung 
ist  jederzeit  Rücksicht  zu  nehmen. 

Das  Eiterauge  erfordert  in  vielen  Fällen  keine  besondere  Berücksich- 
tigung. Bedeutende  Hypopyen  verschwinden  mit  dem  Rückgange  der 
Entzündung  durch  die  Resorptionsthätigkeit  der  Natur.  Die  Anwendung 
von  Blutentleerungen  und  von  Calomel  hat  bei  noch  bestehender  Entzün- 
dung meistens  einen  guten  Erfolg.  Man  hat  insbesondere  die  Radix 
polygalae  Senegae  bei  eitriger  Exsudation  in  das  Innere  des  Auges  em- 
pfohlen (Schmalz)  und  wirklich  äussert  sie  der  Erfahrung  zu  Folge  bei 
bedeutenden  Eileransammlungen  eine  sehr  günstige  Wirkung  auf  deren  Re- 
sorption. Man  gibt  sie  meistens  in  Pillenform  und  verbindet  sie  gerne  mit 
auflosenden  Mittelsalzen.  Wenn  das  Individuum  sehr  geschwächt  ist  und 
die  Resorption  des  Eiters  wegen  Atonie  der  Gefässe  nicht  eintreten  will, 
nützt  eine  tonische  Behandlung  mit  Roborantibus  und  China.  Von  der  Er- 
öffnung der  vordem  Kammer  zur  Entleerung  des  Eiters  lässl  sich  wenig 
erwarten.  Ein  kleiner  Einstich  genügt  nicht  zur  Herausbeförderung  des 
Eiters,  eine  grössere  Hornhaulwunde  setzt  bei  diesem  Zustande  das  Auge 
der  Gefahr  einer  Eiterinfiltration  der  Hornhaut  und  selbst  einer  Atrophie 
aus.  Da  übrigens  selbst  grössere  Eitermassen  durch  Resorption  schwinden, 
so  ist  die  Paracentese  der  vordem  Kammer  nur  in  jenen  seltenen  Fällen 
angezeigt,  wo  die  ganze  vordere  Kammer  mit  Eiter  erfüllt,  die  Resorption 
desselben  nicht  mehr  denkbar  ist,  wo  der  baldige  Durchbruch  desselben 
durch  Berstung  der  Cornea  droht,  und  der  Kranke  von  heftigen  Schmer- 
zen gequält  wird.  Die  Operation  wird  am  besten  mit  einem  Staarmesser 
vorgenommen,  mit  welchem  man  ungefähr  den  vierten  Theil  des  Umfanges 
der  Cornea  ablöst  und  den  Kranken  wie  jeden  Verwundeten  behandelt. 

b.  Die  chronische  Iritis  ist  durch  langsamen  Eintritt  und  un- 
merkliche Zunahme  der  objectiven  Erscheinungen  bedingt.  Der  Gefäss- 
kranz  um  die  Cornea  ist  unvollkommen  und  unterbrochen;  die  Verände- 
rung der  Farbe  beginnt  am  Ciliarrande  der  Iris;  es  werden  Enlzündungs- 
producle  gebildet,  welche  sich  entweder  in  dem  Gewebe  der  Iris,  als  auch 
in  der  Pupille  ablagern.  Diess  geschieht  ohne  die  gewöhnlichen  Reac- 
tionserscheinungen  ,  der  Kranke  äussert  niemals  Schmerz  ,  oder  höchstens 
sehr  unbedeutenden,  das  Auge  ist  wenig  geröthet,  weder  Lichtscheu  noch 
vermehrte  Thränensecretion  vorhanden.  Das  Sehvermögen  nimmt  jedoch 
immer  mehr  ab,  zuweilen  unter  den  Erscheinungen  des  Mückensehens. 
Bei  nicht  genauer  objectiver  Untersuchung  kann  man  die  Krankheit  leicht 

Mey  r  ,  Augenheilkunde.  7 


98 

für  amblyopische  Gesiehtsschwäche  der  Relina  ansehen.  Die  Krankheit  hat 
entweder  den  lymphatischen  oder  den  venösen  Charakter,  und  es  hängt 
derselbe  zum  grössten  Theile  von  der  Individualität  des  Kranken  ab. 
Während  bei  dem  lymphatischen  Charakter  die  Krankheitsphaenomene  den 
bereits  angeführten  so  ziemlich  entsprechen ,  findet  bei  dem  venösen  Cha- 
rakter der  Krankheit  eine  stärkere  Entwicklung  der  äussern  Augapfelvenen, 
Strotzen  des  sinus  venosus,  bläuliche  Tünchung  der  Sclerolica,  starke 
Entwicklung  dos  Pigmentes  an  der  hintern  Fläche  der  Iris  Statt,  welches 
zuweilen  am  Pupillarrande  sichtbar  hervortritt.  Die  Ursachen  sind  mei- 
stens unbekannt;  zuweilen  entwickelt  sich  diese  Form  aus  der  acuten 
Iritis;  constitutionelle  Leiden  können  dazu  disponiren ;  man  beobachtete 
schon  bei  mehreren  Personen  derselben  Familien  eine  besondere  Geneigt- 
heit dazu.  Wo  immer  eine  chronische  Iritis  besteht,  kann  durch  gering- 
fügige Veranlassungen  leicht  ein  acuter  Anfall  hinzutreten.  Bei  der  Be- 
handlung sucht  man  insbesondere  den  Blutandrang  vom  Auge  abzuleiten 
und  die  Exsudation  zu  bekämpfen.  Hierzu  passen  innerlich  Mercurialia, 
das  pulvis  Plummeri,  der  Sublimat,  das  Jodkali,  äusserlich  das  Ung.  hydr. 
einer,  mit  etwas  Belladonnaextract  oder  Opium  in  die  Supraorbitalgegend 
eingerieben ,  zeitweise  Einlräuflungen  von  saturirter  Belladonnasolution  in 
das  Auge,  und  Ableitungen  auf  die  Haut  (Fontanell  am  Arme  oder  ein 
reizendes  Pflaster).  Wo  eine  Dyscrasie  dem  örtlichen  Leiden  zu  Grunde 
liegt,  ist  auf  diese  in  der  Behandlung  Rücksicht  zu  nehmen.  Der  Kranke 
muss  sein  Auge  schonen,  und  nie  im  grellen  Lichte  viel  arbeiten;  er  ver- 
meide insbesondere  auch  Verkühlungen. 

4.  Entzündung  des  Ciliarkörpers. 

Die  Entzündung  des  Ciliarkörpers  ist,  da  er  ein  so  gefäss-  und  ner- 
venreiches  Gebilde  ist,  gewiss  nicht  sehr  seilen,  kommt  aber  gewöhnlich 
nicht  für  sich  allein  vor.  Bei  Iritis  und  Choroideitis  ist  in  den  meisten 
Fällen  der  Ciliarkörper  mit  betheiligl.  Das  Exsudat,  welches  diese  Ent- 
zündung liefert,  ist  theils  ein  plastisches,  wodurch  der  Ciliarkörper  ge- 
schwollen und  aufgelockert  erscheint,  theils  ein  seröses,  welches  zwischen 
ihm  und  Sclerotica,  oder  zwischen  ihm  und  dem  Glaskörper  ergossen  wird, 
und  zu  Ausdehnungen  der  Sclera  Veranlassung  gibt.  Die  Erscheinungen 
dieser  Entzündung  sind  eine  intensive  Röthung  um  die  Cornea  herum, 
(die  Injection  erstreckt  sich  bisweilen  auch  auf  die  letztere)  Trübung  der 
hintern  Cornealwand  durch  zu  starke  Spannung  der  Membr.  Descemeli, 
heftige  Lichtscheu,  starker  Supraorbitalschmerz ,  welcher  in  die  Stirn, 
Schläfe,  Wange  und  Zähne  ausstrahlt,  mehr  oder  minder  bedeutende  Be- 
einträchtigung   des   Sehvermögens.       Durch   Ansammlung    der   Exsudate 


99 

wird  die  Iris  bisweilen  am  Ciliarrande  vorgebaucht,  während  der  Pupillar- 
rand  zurückgezogen  und  an  die  vordere  Kapsel  angelöthet  erscheint.  Der 
Verlauf  der  Krankheit  ist  ziemlich  langsam.  Die  Behandlung  ist  jener  der 
Iritis  gleich. 

5.  Entzündung  der  Choroidea. 

Bei  dem  Gefässreichlhume  der  Aderhaut ,  und  der  Lage  derselben  in 
unmittelbarer  Nähe  der  Retina  ist  es  einleuchtend,  dass  Congestiv-  und  ent- 
zündliche Zustände  derselben  nicht  nur  ziemlich  oft  vorkommen  können, 
sondern  auch  von  der  höchsten  Wichtigkeit  hinsichtlich  des  Sehver- 
mögens sind. 

Es  kann  sowohl  eine  active  als  auch  eine  passive  Hyperaemie 
in  der  Choroidea  eintreten  .  letztere  noch  häufiger,  da  wegen  des  Vor- 
herrschens  der  venösen  Gefässe  leicht  eine  Störung  im  Rückflüsse  des 
Blutes  eintreten  kann.  Dieser  Zustand  gibt  sich  durch  Störung  des  Sehver- 
mögens zu  erkennen,  welche  nach  dem  Grade  der  Hyperaemie  mehr  oder 
weniger  ausgeprägt  ist,  und  sich  vorzüglich  durch  Nebel-  und  Mücken- 
sehen kund  gibt.  Nicht  selten  tritt  auch,  besonders  im  Dunkeln,  Funken- 
sehen ein.  Alle  Umstände,  welche  Blutcongestion  nach  dem  Kopfe  her- 
vorrufen ,  verschlimmern  das  Uebel ,  daher  die  demselben  Unterworfenen 
in  höherer  Temperatur,  in  gebeugter  Stellung  des  Körpers  oder  bei  abhän- 
giger Kopflage,  nach  Anstrengung  und  Erhitzung,  nach  dem  Genüsse  gei- 
stiger Getränke  oder  erhitzender,  gewürzler  Speisen,  bei  Gemüthsaffeclen 
etc.  über  bedeutendere  Störung  des  Gesichtes  zu  klagen  pflegen.  Ein  Ge- 
fühl von  Schwere  und  Wüstigkeit  im  Kopfe,  besonders  in  der  Stirn-  und 
Hinterhauptsgegend,  Druck  und  Völle  in  den  Augen,  Unvermögen  diesel- 
ben anzustrengen,  Schwindel,  Sausen  in  den  Ohren  und  andere  subjective 
Symptome  sind  gewöhnliche  Begleiter.  Die  Hyperaemie  ist  vorübergehend, 
oder  sie  hält  längere  oder  kürzere  Zeit,  wohl  auch  fortwährend  an.  Jede 
etwas  länger  dauernde  Anstrengung  der  Augen  ,  besonders  im  grelleren 
Lichte  und  während  der  wärmeren  Tageszeit  ruft  diese  Erscheinungen 
hervor.  Schonung  der  Sehkraft,  zweckmässige  Diät  und  angemessenes 
Verhalten ,  zuweilen  das  Eintreten  eines  Blutflusses  (Nasenbluten  oder 
Haemorrhoiden)  bringen  Erleichterung. 

Am  Augapfel  selbst  beobachtet  man  höchstens  einzelne  der  unter 
der  Bindehaut  verlaufenden  Gefässe  turgescirend ,  die  Sclerolica  weiss- 
bläulich  durch  die  durchschimmernde  blutreiche  Choroidea,  die  Iris  strot- 
zend, ihre  Beweglichkeit  etwas  träger. 

Dem  genannten  Uebel  sind  vorzüglich  Personen  unterworfen,  welche 
häufig  am  Blutandrang  zum  Kopfe  leiden ,  inbesondere ,  bei  welchen  die 

7* 


100 

Circulation  des  venösen  Blutes  eine  Störung  erleidet;  daher  die  mitHaemor- 
rhoiden  oder  Anomalien  der  Menstruation  Behafteten  (Frauen  häufig  in  der 
climacterischen  Periode) ,  diejenigen ,  deren  Circulation  durch  Unterleibs- 
oder Herzkrankheiten  unregelmässig  vor  sich  geht,  Leute,  die  ihre  Augen 
mit  kleinen,  glänzenden  Gegenständen  anstrengen,  die  sich  bei  der  Arbeit 
viel  bücken  müssen,  welche  bei  künstlichem  Lichte,  oder  schwacher  Be- 
leuchtung viel  lesen,  schreiben,  nähen,  sticken,  Feuerarbeiter  etc.  Leicht 
kann  sich  bei  solchen  Individuen  die  Hyperaemie  der  Choroidea  zum  Ent- 
zündungszuslande erheben,  daher  die  Choroideitis  grösstentheils  bei  jenen 
vorkommt,  welche  schon  eine  Zeit  lang  Symptome  von  Choroidealhyperae- 
mie  darboten.  Sie  tritt  entweder  in  acuter  oder  in  chronischer  Form, 
häufiger  in  letzterer  auf. 

Die  chronische  Choroideitis  ist  durch  das  minder  stürmische 
Auftreten  oder  fast  gänzliche  Fehlen  der  gewöhnlichen  Enlzündungssymp- 
tome,  durch  allmälige  Zunahme  der  Erscheinungen  und  Veränderungen  im 
Augapfel,  so  wie  durch  langsamen  Verlauf  ausgezeichnet,  und  ist  eine 
gefährliche  Erkrankung  des  Auges,  wegen  des  insidiösen  Auftretens,  der 
Hartnäckigkeit  ihres  Bestehens  und  der  Störung  des  Sehvermögens,  welche 
sie  herbeiführt.  Ihre  Symptome  sind  denen  der  Hyperaemie  der  Aderhaut 
ganz  ähnlich,  bestehen  daher  oft  nur  in  subjecliven  Empfindungen  und  all- 
mäliger  Abnahme  des  Sehvermögens  (Nebelsehen  etc.),  so  wie  überhaupt 
die  chronische  Entzündung  aus  dem  Congestivzuslande  allmälig  sich  her- 
ausbilden kann.  Die  Farbe  der  Sclera  ist  gewöhnlich  etwas  bläulich,  der 
Augapfel,  mit  Ausnahme  einiger  wenigen  ausgedehnten  Gefässe,  die  in 
und  unter  der  Bindehaut  verlaufen  ,  wenig  geröthet ,  die  Pupille  etwas 
weiter,  zuweilen  unregelmässig,  die  Bewegungen  der  Iris  träge  oder  auf- 
gehoben. Die  Krankheit  führt  durch  Absetzung  und  Veränderung  der 
Entzündungsproducte  verschiedene  Folgen  herbei,  welche  wir  sogleich 
näher  besprechen  werden.  Sie  kann  durch  irgend  eine,  selbst  leichte 
Veranlassung,  sich  zur  acuten  Entzündung  steigern.  Letztere  ist  durch 
den  rascheren  Verlauf,  so  wie  durch  die  stärkere  Ausprägung  der  entzünd- 
lichen Erscheinungen  ausgezeichnet. 

Die  Symptome  der  Choroi  de  i  tis  acuta  sind:  Leichte  Schwellung 
und  Röthe,  zuweilen  Oedem  der  Lidränder,  Hyperaemie  der  Conjunctiva 
palp.  und  bulbi;  die  Röthe  ist  ziemlich  dunkel  und  zoigl  ausgedehnte  venöse 
Gefässe  in  der  Bindehaut  der  Sclera,  die  Subconjunctivalgefässe  im  Um- 
fange der  Cornea  stark  injicirt,  um  den  Rand  der  Cornea  meistens  ein 
bläulich  grauer  Ring  (der  überfüllte  circulus  venosus  Hovii),  die  Hornhaut 
etwas  matt,  die  vordere  Kammer  normal  oder  etwas  enger,  die  Iris  lurges- 
cirend,  nach  vorne  gebaucht,  ihre  Beweglichkeil  aufgehoben,  die  Pupille 


101 

weit,  häufig- auch  unregelmässig,  hinter  derselben  beobachtet  man  eine 
rauchige  oder  grauliche  Trübung.  Das  Auge  ist  lichtscheu,  die  Thränen- 
secrelion  vermehrt,  der  Kranke  hat  heftige  stechende  Schmerzen  im  Aug- 
apfel, die  sich  nach  der  Ramification  des  fünften  Hirnnerven  auf  die  Um- 
gebung des  Auges,  Stirn,  den  Vorderkopf,  selbst  bis  in's  Hinterhaupt  er- 
strecken ;  er  klagt  hauptsächlich  über  das  Gefühl  von  Spannung  und  Druck 
im  Augapfel ,  als  ob  dieser  für  die  Orbita  zu  gross  würde.  Das  Sehvermö- 
gen ist  sehr  vermindert  oder  vollkommen  erloschen ,  der  Kranke  jedoch 
von  Lichterscheinungen  (Funken-,  Flammensehen)  gequält,  welche  auch 
bei  geschlossenen  Lidern  auftreten.  Kopfschmerz,  Gefühl  von  Druck  und 
Schwere  in  der  Slirngegend,  Ohrenklingen,  Schwerhörigkeit,  etwas  belegte 
Zunge,  gestörte  Esslust,  Druck  in  der  Magengegend,  Brechneigung,  Gefühl 
von  Mattigkeit  und  Fieberbewegungen  sind  begleitende  Erscheinungen. 

Bei  sehr  stürmischer  Gefässthäligkeit  kann  es  zur  Berstung  einzelner 
Gefässe  kommen,  worauf  das  ergossene  Blut  sich  entweder  zwischen  Cho- 
roidea  und  Sclera  ansammelt,  und  letzlere  ausdehnt,  oder  in  der  vordem 
Augenkammer  als  Hämophthalmus  internus  erscheint.  Tritt  Eiterung  ein,  so 
bildet  sich  durch  Ergiessung  desselben  in  die  vordere  Kammer  Hypopyum, 
welches  einen  namhaften  Grad  erreichen  kann.  Sowohl  die  Blutergiessung 
als  auch  die  Eiterung  im  Innern  des  Auges  hat  häufig  ein  Oedem  der  Con- 
juncliva  oder  auch  der  Lider  zur  Folge.  Die  Choroideitis  kann  sich  mit 
einer  Entzündung  der  Iris  combiniren ,  in  welchem  Falle  die  Symptome 
der  Iritis  sich  mit  den  bereits  angeführten  vereinen ,  die  Pupille  aber 
grösstenteils  weiter  bleibt,  durch  Exsudate  jedoch  unregelmässig  und 
getrübt  wird. 

Hinsichtlich  der  Ursachen  der  Choroidealentzündung  wurde 
bereits  bemerkt,  dass  sie  bei  solchen  Individuen  am  häufigsten  vorkommt, 
welche  schon  mit  Hyperaemie  derselben  behaftet  sind.  Reizungen  und  An- 
strengung des  Auges,  Diätfehler,  Verkühlung  u.  s.w.  rufen,  wenn  diese  Ge- 
legenheilsursachen kräftig  genug  einwirken,  die  acute  Entzündung  hervor. 
Vor  allem  aber  sind  hier  Verletzungen  des  Augapfels  zu  erwähnen,  welche 
namentlich  dann  ,  wenn  fremde  Körper  in's  Innere  des  Auges  gelangen 
und  daselbst  zurückbleiben  ,  gerne  Entzündung  der  Choroidea  zur  Folge 
haben.  Man  beobachtet  sie  auch  nach  operativen  Eingriffen,  z.  B.  nach 
der  Depression  des  grauen  Staares  durch  die  Sclerotica.  Vorausgegangene 
entzündliche  Krankheiten,  Typhus,  das  Puerperalfieber,  unterdrückte  Blut- 
flüsse und  anderweitige  Secrelionen  lassen  sich  zuweilen  als  Ursachen 
nachweisen. 

Wenn  die  chronische  Entzündung  der  Choroidea  einen  auf  Monate, 
selbst  Jahre   ausgedehnten   Verlauf   hat,    so  ist  hingegen   die   acute    viel 


102 

rascher  verlaufend,    und  wird  entweder  in  kürzerer  Zeit  gehoben,   oder 
führt  schon  nach  einigen  Wochen  mannigfache  Folgezustände  herbei. 

Diese  Folgen  beruhen  auf  der  Absetzung  der  Entzündungsproducte 
an  verschiedenen  Stellen  ,  auf  der  Metamorphose  derselben  und  den  Ver- 
änderungen, welche  die  verschiedenen  Gebilde  des  Augapfels,  sowie  der 
ganze  Bulbus  erleiden.  Sowohl  an  der  äusseren  als  an  der  inneren  Fläche 
der  Aderhaut  zeigen  sich  die  Entzündungsproducte,  vorzugsweise  auf  der 
letztern,  weil  sich  daselbst  das  Capillargefässsystem  befindet.  Die  Choroi- 
dealexsudate  enthalten  entweder  eine  vorwaltende  Menge  von  Eiweiss,  und 
bleiben  sodann  lange  oder  immer  in  einem  flüssigen  Zustande  oder  es  sind 
faserstoffhältige  Producte,  welche  organisationsfähig  sind. 

1.  Die  nahegelegene  Retina  muss  natürlich  sehr  bald  durch  den  Druck 
der  Entzündungsproducte  leiden ,  wodurch  die  Function  derselben  sehr 
gehemmt  oder  ganz  aufgehoben  wird,  und  so  wie  Gesichtsschwäche 
und  amaurotische  Blindheit  schon  als  Symptome  der  Choroideitis 
bezeichnet  wurden,  so  werden  sie  auch  häufig  als  Folgen  dieses  Leidens 
beobachtet.  Viele  der  congestiven  und  entzündlichen  Amaurosen  haben 
in  vorausgegangenen  acuten  oder  noch  fortbestehenden  chronischen  Ent- 
zündungen der  Aderhaut  ihren  nächsten  Grund.  Aber  auch  bei  den  zu- 
nächst zu  erwähnenden  Folgezuständen  ist  bedeutende  Störung  oder  totale 
Aufhebung  des  Sehvermögens  vorhanden. 

2.  Als  eine  Folge  der  Choroidealentzündung  ist  auch  das  Glaucom 
zu  betrachten.  Man  begreift  mit  diesem  Namen  einen  Complex  von  Er- 
scheinungen, welche  durch  Veränderungen  der  verschiedenen  Gebilde  des 
Augapfels  in  Folge  von  Choroidealentzündung  bei  gichtischen  Individuen 
eintreten,  wobei  namentlich  eine  eigenthümliche  meergrüne  Trübung  hin- 
ter der  Pupille  bemerkbar,  und  das  Sehvermögen  sehr  geschwächt  oder 
total  aufgehoben  ist.  Die  Symptome  sind  etwas  verschieden,  je  nach  dem 
Grade  der  Ausbildung  des  Glaucoms ,  und  je  nachdem  ein  oder  das  andere 
Gebilde  des  Bulbus  vorzugsweise  afficirt  wird.  Bei  dem  noch  unvollkommen 
entwickelten  Glaucome  trifft  man  am  Augapfel  grösstenteils  die  Erschei- 
nungen der  chronischen  Entzündung  der  Choroidea  mit  bedeutender  Ab- 
nahme oder  bis  zur  Lichtempfindung  aufgehobenem  Sehvermögen  an.  Die 
Abnahme  des  Sehvermögens  steht  mit  dem  Grade  der  schwachen,  concaven, 
meergrünen  Trübung  im  Hintergrunde  der  Pupille  in  keinem  Verhältnisse 
und  ist  häufig  von  Lichterscheinungen  begleitet.  Mehr  oder  minder  hef- 
tige, reissende,  bohrende  Schmerzen  im  Augapfel,  in  der  Supraorbital-  und 
Scheitelgegend,  zuweilen  nach  dem  Verlaufe  der  Pfeilnaht  oder  im  Hinler- 
haupte, denen  die  Erscheinungen  einer  Neuralgia  ciliaris  nicht  selten  vor- 
ausgehen, quälen  in   der  Mehrzahl  dei   Fälle  die  Kranken.     Witterungs- 


103 

Wechsel,  besonders  die  Einwirkung  kalter  und  feuchter  Atmosphäre ,  so 
wie  das  Liegen  in  Federbetten  steigern  gewöhnlich  den  Schmerz.  Auch 
die  Störung  des  Sehvermögens  ist  nicht  zu  allen  Zeiten  gleich;  die  Kran- 
ken zählen  hellere  und  dunklere  Tage.  Der  Fortschritt  des  Uebels  ist  bald 
schneller,  bald  langsamer;  öfters  eintretende  intercurrirende  Entzündungs- 
anfälle, welche  grösstenteils  durch  Verkühlung  oder  Durchnässung  her- 
vorgerufen werden,  und  welche  auch  mit  andern  gichtischen  Affectionen, 
z.  B.  Gelenksleiden  abzuwechseln  pflegen,  beschleunigen  die  vollkommene 
Entwicklung  des  Glaucoms.  Deprimirende  Gemüthsaffecte ,  insbesondere 
plötzlicher,  heftiger  Schrecken,  haben  daran  bedeutenden  Antheil ,  so  dass 
nicht  selten  in  Folge  derselben  plötzliche  Erblindung  eintritt.  Das  Glaucom 
ergreift  zuerst  ein  Auge,  und  wenn  es  daselbst  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  fortgeschritten  ist,  auch  das  andere.  Nicht  selten  sind  auch  jene 
Fälle,  wo  der  Krankheitsprocess  auf  dem  zuerst  ergriffenen  Auge  durch 
einige  Zeit  sistirt  wird ,  während  er  auf  dem  später  ergriffenen  Auge  zur 
vollkommenen  Entwicklung  gedeiht. 

Das  ausgebildete  Glaucom  hat  folgende  Erscheinungen  :  Die  Augen- 
lider von  erweiterten  Hautvenen  durchzogen,  an  den  Lidrändern,  so  wie 
den  Winkeln  zuweilen  das  schaumige  Secret  der  Bindehaut  und  der  Mei- 
bomischen Drüsen ,  an  der  Conjunctiva  sclerae  einzelne  dunkelrothe, 
gewundene ,  erweiterte  Gefässe ,  die  Cornea  von  einem  bleigrauen  Ringe 
umgeben,  malt,  glanzlos,  abgeflacht,  die  vordere  Kammer  kleiner,  die  Iris 
hervorgelrieben,  ihres  lebhaften  Colorits  verlustig,  unbeweglich,  die  Pupille 
erweitert,  in  die  Quere  (wie  die  der  Wiederkäuer)  oder  in  die  Länge  ver- 
zogen, hinler  ihr  eine  meergrüne  Trübung,  oder  wie  in  den  meisten  Fällen 
ein  weicher,  grauer  Linsenstaar  mit  Dehiscenz  der  Linsensubstanz ,  (daher 
Cataracta  slellala,  glaucomatosa)  der  Iris  ganz  anliegend,  der  Augapfel 
von  härterer  Consislenz,  seine  Beweglichkeit  träge.  Das  Sehvermögen 
und  auch  die  Lichtempfindung  aufgehoben;  (subjective  Lichlempfindungen 
sind  zuweilen  vorhanden,  und  täuschen  sowohl  den  minder  geübten  Arzt, 
welcher  noch  an  das  Bestehen  von  Lichtempfindungsvermögen  glaubt,  als 
auch  den  unglücklichen  Kranken).  Neuralgische  Schmerzen,  welche  zu 
verschiedenen  Zeiten  ihre  Anfälle  machen,  in  der  Stirne ,  Wangengegend 
und  der  leidenden  Kopfhälfte  auftreten ,  martern  den  Kranken ,  sie  fehlen 
wohl  auch  bei  manchen  Individuen  mit  ausgebildetem  Glaucome. 

Die  meergrüne  Trübung  im  Hintergrunde  des  Augapfels ,  die  man 
als  wesentliches  Symptom  des  Glaucomes  betrachtet,  ist  eigentlich  nur 
eine  physicalische  Farbe,  und  beruht  darauf,  dass  die  blutreiche,  dunkel- 
blaue Aderhaut  durch  die  noch  halbdurchsichlige ,  grauliche  Linse  durch- 
schimmert und  ein  grünliches   Colorit  gibt.      Sie  macht  daher  bei  bereits 


104 

ausgebildetem  Linsenstaare  einer  lichteren  graulichen  Trübung  Platz. 
Da  die  Gefässe  der  Choroidea  und  des  Ciliarkörpers  einen  bedeutenden 
Einfluss  auf  die  Ernährung  der  Linse  und  des  Glaskörpers  haben,  so  ist 
die  Bildung  einer  Cataracte  im  Verlaufe  des  Glaucoms  begreiflich.  Die 
Erweiterung  und  Unbeweglichkeit  der  Pupille  beruht  auf  der  Lähmung  der 
Ciliarnerven,  ihre  oblonge  Verziehung  wahrscheinlich  auf  der  hauptsäch- 
lichen Affection  der  langen  Ciliarnerven.  Durch  Druck  und  Zerrung  der- 
selben von  Seite  der  Exsudate  lassen  sich  auch  die  neuralgischen  Schmer- 
zen, ihre  Ausstrahlung  und  Richtung  erklären,  so  wie  die  totale  Amaurose 
durch  Lähmung  der  Retina  in  Folge  des  Druckes,  den  sie  erleidet,  bedingt 
ist.  Selbst  bei  vollkommen  entwicheltem  Glaucome  treten  zeitweise  Enl- 
zündungsanfälle  auf,  welche  sich  durch  wüthende,  reissende  und  bohrende 
Schmerzen  im  Auge  und  den  Umgebungen ,  durch  Injection  des  Subcon- 
junctivalringes,  vermehrte  Secretion  der  Conjunctiva  und  der  Thränen- 
drüse  ,  Steigerung  dieser  Zufälle  durch  Nässe  und  Einwirkung  der  Zugluft 
charakterisiren ,  den  armen  Kranken  die  nächtliche  Ruhe  rauben,  und  sich 
schwer  beseitigen  lassen. 

Das  Glaucom  ist  vorzüglich  dem  reifen  und  höhern  Alter  eigen ;  es 
kommt  häufiger  bei  Frauen  als  bei  Männern  vor.  Fast  immer  sind  glau- 
comatöse  Individuen  gichtischen  Zufällen  unterworfen ,  oder  waren  früher 
mit  der  Arthritis  behaftet.  Häufig  gehen  unterdrückte  Gichtanfälle  in  den 
Gelenken  der  Bildung  des  Glaucoms  voraus.  Man  begegnet  dem  Uebel 
häufig  bei  der  dürftigeren  Classe  der  Israeliten  ,  und  kann  demnach  ver- 
muthen  ,  dass  Mangel  der  nöthigen  Lebensbedürfnisse,  Elend  und  Unrein- 
lichkeit  einen  mächtigen  Antheil  an  der  Entstehung  des  Glaucoms  haben. 
Es  bleibt  nach  vollendeter  Ausbildung  lange  Zeit  stationär,  ohne  dass  man 
wesentliche  Veränderungen  in  den  Symptomen  beobachtete.  Leiden  ande- 
rer Sinnesorgane,  besonders  Schwerhörigkeit  und  Taubheit  gesellen  sich 
bisweilen  zur  Erblindung.  Ein  nicht  seltener  Ausgang  ist  auch  Atrophie 
des  Augapfels,  welche  auf  die  zunächst  zu  besprechende  Weise  erfolgt. 

3.  Durch  die  Ansammlung  der  Entzündungsproducte  an  der  innern 
Fläche  der  Chorioidea,  durch  die  Metamorphose  derselben  und  den  Druck, 
den  sie  auf  verschiedene  Gebilde  ausüben,  wird  die  Ernährung  des  Aug- 
apfels sehr  beeinträchtigt,  es  erfolgt  seeundäre  Atrophie.  Die  Choroi- 
dealexsudate  lagern  sich  an  der  innern  Fläche  der  Aderhaut  als  kleine, 
grauliche,  discrete  Puncte  ab  ;  wo  sie  in  grösserer  Menge  erscheinen,  wie 
um  den  Umfang  des  Nerv,  opticus,  so  wie  am  Ciliarkörper,  bilden  sie  dickere 
Schichten,  welche  sich  gerne  incrusliren,  und  die  sogenannten  Verknöche- 
rungen und  Concretionen  im  Innern  des  Augapfels  bilden.  Die  erdige  Ma- 
terie wird  hier  in  Form  von  unregelmässig  gestalteten  Körnchen  oder  Mas- 


105 

sen  abgelagert ;  bei  weiterer  Metamorphose  des  Blastems  erscheinen  dunkle, 
nicht  genau  begränzte  Körper,  von  denen  einfache  oder  sich  verzweigende 
Aeste  nach  allen  Seiten  hin  ausstrahlen,  die  somit  den  Knochenkör 
perchen  schon  ähnlich  sind,  und  auf  der  höchsten  Stufe  der  Entwicklung 
ihnen  gleichkommen.  Es  bilden  sich  im  Innern  des  Auges  dann  zusammen- 
hängende schalige  Massen  oder  Platten,  welche  durch  den  Druck,  den  sie 
ausüben,  eine  allmählige  Resorption  des  Glaskörpers  herbeiführen.  Derselbe 
wird  somit  weicher,  flüssiger,  und  erscheint  als  trübe,  bräunliche  oder 
gelbliche  Flüssigkeit.  Man  nennt  diesen  Zustand  des  Auges,  die  beginnende 
Atrophie  nämlich,  Synchysis,  und  sie  äussert  sich  durch  etwas  vermindertes 
Volumen  des  Augapfels,  verminderte  Consistenz  desselben,  so  dass  er  sich 
weich  und  matsch  anfühlen  lässt,  Abplattung  der  Cornea  und  Floltiren  der 
Iris  von  vor-  nach  rückwärts  (Iridodonesis).  Mit  der  Verkalkung  und  Ver- 
knöcherung der  Exsudate  geht  häufig  auch  Fettbildung  einher.  Es  werden 
Cholestearinkryslällchen  im  Innern  des  Auges  (im  Glaskörper,  in  der  Linse, 
zwischen  der  Aderhaut  und  Sclerotica)  abgelagert.  Man  bemerkt  dann  an 
der  getrübten  Linse  kleine  metallisch  glänzende  Schüppchen  (Cataracta 
cholestearina)  oder  ähnliche  bei  der  Bewegung  des  Auges  zitternde  Körper- 
chen im  Glaskörper  (Synchysis  scintillans) .  Der  allmälige  Eintritt  der  Atro- 
phie des  Augapfels  macht  sich  in  solchen  Fällen  gewöhnlich  bemerkbar. 
Bei  der  weitern  Entwicklung  des  Krankheitsprocesses  schwindet  der  Glas- 
körper völlig  und  an  seine  Stelle  tritt  das  veränderte,  verkalkte  oder  ver- 
knöcherte Exsudat.  In  dem  Masse,  als  die  Verknöcherung  des  Exsudates 
und  Atrophie  des  Bulbus  fortschreitet,  verliert  sich  allmälig  dessen  Weich- 
heit und  macht  einer  fühlbaren  Härte  Platz.  Das  Pigment  der  Chorioidea 
schwindet  in  Folge  des  Druckes,  welchen  das  plastische  Exsudat  auf  selbe 
ausübt,  sie  erscheint  dann  dünner,  graulicher.  Auch  die  Krystalllinse  muss 
sich,  wenn  kalkartige  Deposita  in  derselben  auftreten,  in  Folge  des  gestör- 
ten Ernährungsactes  verdunkeln,  sie  schrumpft  bisweilen  ein,  oder  verän- 
dert sich  Lage  für  Lage  mit  ihrer  Kapsel.  Der  daraus  hervorgehende  Staar 
erscheint  entweder  als  Gypsstaar,  oder  durch  Schrumpfung  der  Linsenfasern 
an  ihren  Segmenten  als  Cataracta  dehiscens,  stellata  oder  als  Cholestearin- 
staar.  Die  Lichtempfindung  ist  bei  solchen  Staaren,  wegen  der  krankhaften 
Processe  in  den  innern  Gebilden  des  Augapfels  stets  sehr  undeutlich,  oft 
ganz  fehlend ;  Operationen  können  daher  niemals  mit  der  Aussicht  auf 
einen  günstigen  Erfolg  angestellt  werden.  Wo  nicht  ein  grauer  Staar  die 
Ansicht  der  tiefern  Gebilde  hindert,  können  sich  die  an  der  innern  Fläche 
der  Aderhaut  gebildeten  Exsudate  durch  eine  schwache,  gelblich-grüne  Trü- 
bung in  der  Tiefe  des  Bulbus  kund  geben.  Die  Veränderung  der  Netzhaut 
besteht  in  einer  allmäligen  Verdünnung  und  Atrophie  derselben;  sie  ist 


106 

zuweilen  strangförmig  zusammengedreht,  beim  höhern  Grade  des  Leidens 
fehlt  jede  Spur  derselben.  Die  Sclera  ist  bei  vorgeschrittener  Atrophie  be- 
deutend verdickt,  besonders  in  ihrem  hintern  Umfange;  sie  zeigt  nach  dem 
Verlaufe  der  geraden  Augenmuskeln  Einschnürungen,  welche  sich  auch  in 
der  Concretion  selbst  zuweilen  wiederholen.  Der  gänzlich  atrophische  Bulbus 
hat  daher  seine  normale  Gestalt  verloren,  er  wird  abgeplattet  und  eckig; 
von  der  Cornea  sieht  man  grösstenteils  nur  mehr  ein  Rudiment  und  auch 
diese  verkümmerte,  in  die  Quere  verzogene  Cornea  ist  in  der  Mitte  narbig 
eingezogen,  fühlt  sich  daselbst  härtlich,  zuweilen  knochenhart  an,  und  ist 
getrübt,  so  dass  dadurch  die  Ansicht  der  hinter  ihr  gelegenen  Gebilde  ge- 
nommen ist. 

4.  Als  Ausgang  der  Choroideitis  ist  auch  der  Hydophlhalmus  po- 
sterior und  die  Bildung  von  Scleroticalstaphylomen  zu  betrachten. 
Die  Ablagerung  des  albuminösen  Exsudates  erfolgt  bisweilen  in  grösserer 
Menge,  und  bedingt  eine  allmälige  Vergrösserung  und  Formveränderung  des 
Augapfels  durch  Ausdehnung  der  Sclera.  Geschieht  die  Ablagerung  mehr 
gleichförmig  zwischen  Choroidea  undSclerotica  oder  zwischen  Choroidea  und 
Retina,  so  tritt  die  Volumsvermehrung  des  Bulbus  als  Hydrophthalmus  poste- 
rior auf.  Die  Vergrösserung  und  vermehrte  Hervorragung  rindet  nicht  bloss 
von  Seite  der  Hornhaut  Statt,  sondern  vorzüglich  die  Sclerotica  ist  allseilig 
umfangreicher,  ringförmig  ausgedehnt,  verdünnt  und  daher  bläulich.  Die 
Iris  ist  bisweilen  zurückgewichen,  die  Pupille  sehr  erweitert,  die  Irisbewe- 
gungen sehr  träge,  später  tritt  vollkommene  Iridoplegie  ein.  Der  Augapfel 
fühlt  sich  hart,  prall  und  gespannt  an  ;  stechende  und  reissende  Schmerzen 
in  demselben  und  dessen  Umgebung  treten  besonders  Anfangs  auf,  und 
gehen  in  ein  Gefühl  von  Druck  und  Spannung  im  Auge  über.  Auch  Licht- 
scheu, wohl  auch  Photopsie  zeigt  sich  im  Anfange  des  Leidens.  Das  Seh- 
vermögen ist  schon  frühzeitig  beschränkt  oder  ganz  aufgehoben.  In  der 
Tiefe  des  Augapfels  bemerkt  man  eine  rauchige,  dunkelgraue  Trübung.  Im 
weitem  Stadium  nimmt  das  Volumen  des  Bulbus  zu,  so  dass  er  von  den 
Augenlidern  nicht  mehr  bedeckt  werden  kann,  wesshalb  die  äussern  Augen 
häute  sich  entzünden  und  die  Conjunctiva,  so  wie  auch  die  Lider  häufig  von 
Oedem  ergriffen  werden.  Der  Augapfel  wird  auch  in  seiner  Form  geändert, 
sieht  dunkelbläulich  aus,  die  Beweglichkeit  desselben  ist  vermindert  oder 
ganz  aufgehoben,  der  humor  aqueus  erscheint  trübe,  gelbgrünlich,  die  Linse 
und  der  Glaskörper  verdunkeln  sich,  die  Schmerzen  werden  heftiger  und 
steigern  sich  selbst  zu  Delirien  und  Convulsionen,  und  endlich  kann  der 
verbildete  Augapfel  bersten. 

Findet  die  Verdünnung  und  Ausdehnung  der  Sclerotica  nur  an  ein- 
zelnen Stellen  Statt,  so  bilden   sich  dunkelblaue  wursl-  oder  kropfartige 


107 

Hervorragungen,  welche  man  als  Staphylo me  der  Sei  erotica  bezeich- 
net. Die  Grösse  dieser  Hervorragungen  ist  verschieden,  so  wie  auch  ihr  Sitz. 
Am  häufigsten  erscheinen  sie  nach  vorne  zu  im  Umfange  der  Cornea.  Sie 
wurden  auch  weiter  nach  rückwärts  im  Umfange  des  Sehnerven  beobachtet, 
daselbst  jedoch  nicht  während  des  Lebens  diagnosticirt.  Bildet  sich  die 
Verdünnung  und  Ausdehnung  der  Sclerolica  nach  vorne  im  Umfange  des 
Ciliarkörpers,  so  hat  das  Staphylom  eine  mehr  oder  weniger  ringförmige 
Gestalt  und  zeigt  selbst  deutliche  Einkerbungen  (Slaphyloma  corporis  cilia- 
ris).  Je  mehrere  solche  Hervorragungen  der  Sclerotica  entstehen,  desto 
mehr  wird  die  Form  des  Bulbus  verändert;  derselbe  wird  höckerig,  uneben, 
grösser  in  seinem  Volum,  so  dass  ihn  selbst  die  Augenlider  kaum  mehr  de- 
cken, in  welchem  Zustande  man  die  Krankheit  Cirsopthalmus  oder  Cir- 
sophthalmie  nennt.  Niemals  jedoch  sind  die  hervorragenden  Wülste  aus- 
gedehnte Venen,  da  bei  der  Punction  derselben  eine  seröse  Flüssigkeit  oft 
im  Bogen  heraussprilzt.  Es  ist  jedoch  neben  dem  flüssigen  Exsudate  eine 
mehr  weniger  bedeutende  Menge  faserstoffiger  Producte  abgelagert,  daher 
man  sowohl  an  der  innern  Fläche  der  Sclera  als  der  Choroidea  Schichten 
geronnenen  Faserstoffs  angelöthet  findet.  Dadurch  bilden  sich  leicht  Ver- 
wachsungen im  Innern  des  Auges;  am  innigsten  ist  die  Verwachsung  zwi- 
schen Sclera  und  Choroidea  an  der  Stelle  der  Hervorragung.  Die  Cornea 
ist  meistens  etwas  abgeflacht  und  oberflächlich  getrübt  durch  stärkere 
Spannung  ihrer  Fasern.  Die  Sclerotica  wird  daselbst  sehr  verdünnt  ange- 
troffen, es  kommen  auch  wirkliche  Durchlöcherungen  derselben  in  Folge 
von  Resorption  ihres  Gewebes  vor,  worauf  die  Choroidea  nach  auswärts 
getrieben  wird  und  eine  Hernia  choroideae  darstellt,  da  sie  von  der  Binde 
haut  bedeckt  ist.  Es  kann  bei  Scleroticalstaphylomen  durch  zunehmende 
Ausdehnung  auch  zur  Berstung  kommen,  wodurch  sich  flüssige  Exsudate, 
Blut  und  zuweilen  die  Linse  und  ein  Theil  des  Glaskörpers  nach  aussen 
entleeren.  Auch  Blutergiessungen  im  Innern  des  Augapfels  erfolgen  in 
solchen  Fällen  durch  starke  Ausdehnung  und  Spannung  der  Gefässe. 

Die  genannte  Verbildung  des  Augapfels  ist  zuweilen  schmerzlos; 
allein  in  manchen  Fällen  treten  durch  die  starke  Spannung  der  Augenhäule 
und  durch  die  Zerrung  der  Ciliarnerven  heftige  Schmerzen  ein,  welche 
consecutive  Rölhung  und  Injection  der  Conjunctiva  bulbi,  besonders  des 
Subconjunctivalringes  nach  sich  ziehen.  Das  Sehvermögen  ist  beim  höhein 
Grade  des  Leidens,  so  wie,  wenn  Scleroticalstaphylome  sich  in  der  hintern 
Partie  des  Augapfels  entwickeln,  aufgehoben;  kommen  die  Staphylome 
nur  im  Umfange  der  Cornea  vor,  so  kann  noch  Sehvermögen,  wohl  nur  im 
geschwächten  Zustande,  bestehen. 

Zur  Entstehung  der  Scleroticalstaphylome  geben  ausser  der  chroni- 


108 

sehen  Entzündung  der  Choroidea  noch  Quetschungen  und  Verletzungen 
des  Augapfels  Veranlassung,  wodurch  Berstung  der  Choroidea  oder  des 
Ciliarkörpers  und  Blutergiessung  erfolgt.  Auch  Ablagerung  krankhafter 
Producte  im  Innern  des  Auges  kann  eine  solche  Verbildung  zur  Folge 
haben.  Ob  die  genannten  Staphylome  degeneriren  können,  ist  noch  nicht 
entschieden;  die  Melanosis  bulbi  jedoch  kann  ganz  unter  den  äussern  Er- 
scheinungen eines  Cirsophthalmus  auftreten,  in  welchen  Fällen  eine  explo- 
ratorische  Punction  vielen  Aufschluss  verschaffen  kann.  Das  Staphylom 
der  Sclerotica  kann  auch  mit  Staphylom  der  Cornea  und  Iris,  mit  Glaucom, 
mit  Amaurose,  mit  Cataract  complicirt  sein. 

Die  Prognose  richtet  sich  bei  allen  bisher  genannten  Krankheitsfor- 
men nach  dem  Grade  der  Krankheit  und  der  Dauer  derselben,  sie  hängt 
auch  von  der  Möglichkeit  ab,  die  ursächlichen  Verhältnisse  zu  beseitigen. 
Es  ist  in  manchen  Fällen  der  ungünstigen  Verhältnisse  des  Kranken  wegen 
sehr  schwer,  eine  blosse  Hyperaemie  der  Choroidea  zu  bekämpfen.  Unge- 
wiss ist  die  Prognose  bei  acuter,  ungünstig  bei  chronischer  Choroideitis. 
Das  bereits  ausgebildete  Glaucom  gestaltet  nicht  einmal  Aussicht  auf  Besser 
rung.  Hoffnungslos  ist  der  Fall,  wenn  bereits  Atrophie  des  Augapfels  ein- 
getreten ist. 

Beseitigung  der  Ursachen  und  möglichste  Ableitung  von  dem  Auge 
sind  die  leitenden  Grundsätze  der  Behandlung.  Der  mit  Hyperaemie  der 
Choroidea  Behaftete  strenge  sein  Auge  so  wenig  als  möglich  an,  oder  ent- 
schlage  sich  gänzlich  für  einige  Zeit  seiner  Beschäftigung.  Grelles  Licht 
werde  durch  graue  oder  blaue  Gläser  gemildert.  Die  Diät  sei  reizlos,  be- 
stehe in  wenig  Fleischnahrung;  zum  Getränke  diene  Wasser,  höchstens  kann 
wenig  slarkgewässerter  Wein  gestattet  werden.  Der  Kranke  vermeide  jede 
Erhitzung  und  Anstrengung  des  Körpers,  jede  Beschäftigung  mit  kleinen 
glänzenden  Gegenständen  besonders  beim  Feuer.  Da  der  Einfluss  der  Ge- 
mülhsaffecte  auf  diese  Krankheiten  entschieden  ist,  so  sei  man  auch  darauf 
bedacht  und  nehme  den  kräftigen  Willen  des  Kranken  in  Ansprueh.  Einem 
stärkern  Blutandrange  gegen  Kopf  und  Augen  begegne  man  durch  Blut- 
entleerungen (Blutegel,  blutige  Schröpfköpfe),  kalte  Ueberschläge,  kalte 
Begiessungen  des  Kopfes  oder  kalte  Douche,  durch  antiphlogistische  Pur- 
gantia,  kühlende  Gelränke,  Nitrum,  ziehende  warme  Fussbäder  etc.  Die 
freie  Circulalion  des  venösen  Blutes  ist  stets  zu  unterhallen,  daher  Ecco- 
prolica,  Miltelsalze  (Cremor  tart.  mit  Nitrum),  solvirende  und  purgirende 
Pillen,  auflösende  Mineralwässer  (Mühlbrunnen,  Kreuzbrunnen,  Eger-Salz- 
quelle  ,  Pillnaer  Wasser)  zweckmässig  verordnet  werden.  Letztere  Mittel 
passen  vorzugsweise  bei  Unterleibskrankheiten  und  Stockungen  im  Leber- 
und  Pforladersysteme.    Dem  Torpor  des  Darmkanals  wird  zuweilen  durch 


109 

kalte  Clystiere  abgeholfen.  Bei  Haemorrhoiden  und  Anomalien  der  Men- 
struation sei  man  darauf  bedacht,  dass  diese  heilsamen  Blutungen  wieder 
auftreten  (Blutegel  um  den  After,  an  die  innere  Fläche  der  Schenkel,  Senf- 
teige daselbst,  die  warme  Uterusdouche).  Auf  die  Augen  selbst  wende  man 
nichts  an,  als  zeitweise  kalte  Ueberschläge.  Dieselbe  Behandlung  erfordert 
die  chronische  Entzündung  der  Choroidea,  bei  welcher  man  sich  noch  kräf- 
tigerer Ableitungen  auf  die  Haut  (Fontanelle,  reizende  Pflaster,  Vesicatore), 
besonders  auf  den  Oberarm  oder  die  Nackengegend  bedient,  und  in  die  Um- 
gebung des  Auges  Ungt.  hydrarg.  ein.  Drachm.  2  mit  6 —  8  Gr.  Opium  ein- 
reiben lässt. 

Die  acute  Entzündung  der  Choroidea  erfordert  strenge  Antiphlogose, 
ein  rasches,  entschiedenes  Einwirken.  Es  gelingt  zuweilen,  durch  Ader- 
lässe, oder  eine  genügende  Anzahl  von  Blutegeln  und  blutigen  Schröpf- 
köpfen, durch  Purgantia  anliphlogistica  und  reichliche  Dosen  von  Calomel 
die  Entzündung  zu  heben.  Bei  allen  den  genannten  Entzündungsformen  ist 
das  Allgemeinbefinden  des  Kranken  und  der  Zustand  seiner  Verdauungs- 
organe vorzüglich  zu  berücksichtigen.  Daher  bei  Schwächezuständen  to- 
nische Mittel  unumgänglich  nöthig  sind.  Insbesondere  ist  die  China  und 
das  Chinin  bei  der  chronischen  Form  der  Choroideitis  und  bei  passiver 
Hyperaemie  ihrer  Gefässe  (Gesichtsschwäche,  Muscae  volilantes)  als  ein 
schätzbares  Mittel  zu  empfehlen.  Je  remiltirender  der  Character  der  Krank- 
heit, desto  schätzbarer  ist  die  Rinde  als  Heilmittel.  Mackenzie  hat  in  eini- 
gen Fällen  von  Choroideitis  das  Kali  arsenicosum  3mal  täglich  V8!I  Gran 
in  Pillenform  mit  Erfolg  angewendet. 

Beim  noch  nicht  völlig  entwickelten  Glaucom  gelingt  es  durch  die 
gegen  Choroideitis  chronica  empfohlene  Behandlung  öfters,  den  Krankheits- 
process  aufzuhalten  und  wenigstens  Ein  Auge  längere  Zeit  zu  erhalten. 
Solche  Kranke  müssen  sich  vor  Zugluft,  Durchnässung  und  Gemüthsaffecten 
sehr  in  Acht  nehmen,  ihr  Gesicht  nicht  kalt  waschen  und  beständig  eine 
Ableitung  auf  der  Haut  unterhalten.  Der  Gebrauch  von  Schwefelbädern 
gegen  die  Gichtzufälle  ist  zu  widerrathen,  da  der  Krankheitsprocess  am  Auge 
sich  dadurch  um  so  rascher  entwickelt.  Gegen  die  heftigen  Schmerzen  be- 
diene man  sich  der  äussern  Anwendung  der  Opiate.  Beim  ausgebildeten 
Glaucom  ist  oft  nichts  anders  zu  thun,  als  die  Schmerzen  durch  Narcotica 
zu  beschwichtigen.  Bei  intermillirendem  Character  der  Schmerzen  mit  gleich- 
zeitigen Entzündungsanfällen  ist  das  Chinin  das  wirksamste  Mittel. 

Wir  kennen  bisher  kein  Mittel,  um  der  beginnenden  Atrophie  des  Aug- 
apfels Einhalt  zu  thun  und  das  Sehvermögen  in  diesem  Falle  zu  erhalten.  Mer- 
curialia  mit  tonischen  Mitteln  (Sassaparilla)  werden  hin  und  wieder  empfohlen. 


110 

Auch  die  Cur  des  Hydrophthalmus  posterior  gelingt  höchst  selten.  Eine 
zweckmässig  durchgeführte  Sublimatcur,  Jodpräparate,  ätherisches  Terpen- 
tinöl, die  künstliche  Erregung  einer  krankhaften  Secrelion  (Einziehung  des 
Eiterbandes  im  Nacken)  kann  in  einzelnen  Fällen  verursacht  werden.  Bei 
Staphylomen  der  Sclerotica  werden  die  zeilweise  eintretenden  heftigen 
Schmerzen  durch  öftere  Punctionen  der  hervorragendsten  Stellen  mittelst 
einer  Staarnadel  am  schnellsten  und  sichersten  gehoben.  Auch  lässt  sich 
durch  Einstiche  mittelst  eines  Staarmessers  und  Entleerung  einer  grössern 
Quantität  des  Exsudates  und  des  humor  vitreus  oft  eine  Formverbesserung 
des  Augapfels  herbeiführen.  Ist  die  Verbildung  umfangsreicher,  so  ist  nur 
die  partielle  Exstirpation  (Amputation)  des  Bulbus  oder  selbst  dessen  totale 
Exslirpation  angezeigt,  letztere  vorzüglich,  wenn  man  eine  Degeneration 
des  Bulbus  vermulhen,  oder  bedeutende  Blutungen  nach  der  Amputation 
des  Bulbus  befürchten  müsste. 

6.  Die  Entzündung  des  ganzen  Augapfels  (Ophthalmitis). 

Diese  ergreift  alle  Gewebe  desselben  schnell  und  verbreitet  sich  auch 
auf  die  umgebenden  Theile.  Ihre  Ursachen  sind  heftige  Verletzungen  des 
Augapfels  und  Pyaemie.  Entsteht  sie  aus  erslerer  Ursache  (Ophthalmitis 
phlegmonosa  oder  traumatica),  so  tritt  sie  unter  folgenden  Erscheinungen 
auf:  Anfangs  erscheint  die  Bindehaut  oedematös  geschwellt  und  gerölhet 
(Chemosis  serosa) ;  die  wässrige  Feuchtigkeit  ist  getrübt,  die  Iris  entzünd- 
lich verändert,  die  Pupille  contrahirt;  die  Krankheit  kann  leicht  mit  Iritis 
verwechselt  werden.  Die  Linsenkapsel  wird  zuweilen  getrübt;  im  Grunde 
des  Augapfels  und  in  der  Orbila  wülhet  ein  heftiger,  klopfender  Schmerz, 
der  sich  bis  in  die  Schläfe  und  Stirn  erstreckt  und  von  dem  Gefühle  beglei- 
tet ist,  als  wäre  der  Augapfel  für  die  Orbita  zu  gross.  Das  Auge  ist  gegen 
das  Licht  sehr  empfindlich,  es  treten  Lichlerscheinungen  ein,  verschwinden 
aber  allmälig,  da  die  Netzhaut  durch  Texlurveränderung  alsbald  unempfindlich 
wird.  Im  weiteren  Verlaufe  erscheint  der  Augapfel  mehr  aus  der  Orbita 
hervorgedrängt.  Dieses  Hervorquellen  beruht  nicht  allein  auf  einem  innern 
Ergüsse  und  Eiterung  in  demselben,  sondern  vorzüglich  auf  einer  Er- 
giessung  in  die  Augenkapsel.  Der  Bulbus  ist  sehr  starr,  indem  der  Schmerz 
und  die  Geschwulst  jede  Conlraction  der  Muskeln  unmöglich  macht.  Bleibt 
die  Linse  und  ihre  Kapsel  durchsichtig,  so  erscheint  die  Glasfeuchtigkeit  in 
Folge  einer  Eiterergiessung  grünlich.  Zuletzt  entsteht  Eilerinfiltration  und 
Absterben  der  Cornea,  diese  löst  sich  ab,  das  Auge  läuft  aus  und  der  Bul- 
bus wird  atrophisch.  Zuweilen  berstet  die  Sclerotica  oder  nur  die  Kapsel, 
der  Augapfel  bleibt  ganz,  wird  aber  auch  dann  atrophisch.  Das  Allgemein- 
leiden ist  meistens  sehr  heftig  und  besteht  in  Angst,  Schlaflosigkeit,  Deli- 


111 

rien  und  zuweilen  Convulsionen.  Vollständige  Genesung  ist  sehr  selten. 
Bisweilen  nimmt  das  Leiden  einen  tödtlichen  Ausgang  durch  Verbreitung 
der  Entzündung  auf  die  Gehirnhäute.  Wenn  das  Uebel  durch  Pyaemie  her- 
vorgerufen wurde,  wie  es  nicht  selten  nach  Phlebitis  uterina  bei  Wöchne- 
rinnen geschieht  (Ophthalmophlebitis) ,  so  ist  der  Ausgangspunkt  grössten- 
teils die  Chorioidea.  Es  tritt  unter  den  allgemeinen  Symptomen  der  Venen- 
entzündung plötzlich  vollkommene  Blindheit  ein,  mit  oder  ohne  schnell 
eintretende  Lichtscheu  und  feurige  Gesichtserscheinungen,  unter  Gefühl 
von  Druck  und  Brennen  im  Auge.  Die  Bindehaut  des  Augapfels  schwillt 
zu  serösen  Wülsten  an,  die  Sclerotica  ist  in  einzelnen  Stellen  dunkler  ge- 
färbt, livide.  Die  Iris  ist  entzündlich  entfärbt,  unbeweglich,  die  Pupille 
klein,  winklich,  die  hintere  Wand  der  Cornea  getrübt.  Bisweilen  erscheint 
Eiteransammlung  in  der  vordem  Kammer,  in  vielen  Fällen  auch  Trübun- 
gen der  vordem  Kapsel  durch  Exsudationen.  Die  Schmerzen  nehmen  zu, 
der  Bulbus  wird  unbeweglich  und  erscheint  etwas  grösser.  Vor  dem  Tode 
schwinden  meist  alle  genannten  Erscheinungen  ausser  der  Blindheit  und 
Unbeweglichkeit  der  Iris.  Die  Krankheit  endet  sonst  auch  in  Amaurose 
oder  in  Atrophie  des  Bulbus. 

Die  Symptome  der  traumatischen  Ophthalmitis  sind  daher  der  durch 
Eiterresorption  bedingten  sehr  ähnlich  und  weichen  nur  dadurch  ab,  dass 
bei  der  letztem  die  amaurotischen  Erscheinungen  den  entzündlichen  vor- 
hergehen. 

Bei  der  Ophthalmitis  traumatica  ist  die  zu  empfehlende  Behandlung 
eine  kräftige  Antiphlogose;  Aderlässe,  Blutegel  oder  blutige  Schröpfköpfe, 
Purganzen,  so  wie  grosse  Gaben  von  Calomel  in  Verbindung  mit  Opium 
haben  bisweilen  einen  günstigen  Erfolg.  Im  ersten  Stadium  der  Krankheit 
sind  kalte  Ueberschläge,  später,  wenn  einmal  Zeichen  der  Eiterung  eintre- 
ten, warme  Breiumschläge  die  besten  örtlichen  Mittel.  Letztere  sind  oft 
allein  im  Stande,  die  heftigen  wüthenden  Schmerzen  zu  lindern.  Zuletzt 
kann  man  auch  den  serösen  oder  eitrigen  Erguss  entleeren,  Indem  man 
einen  Einschnitt  in  die  Bindehaut  macht,  und  das  Messer  hinterwärts  an 
der  Seite  des  Augapfels  zwischen  diesem  und  der  untern  und  innern  Wand 
der  Orbita  hinführt ,  so  dass  man  den  Muskeln  rect.  infer.  und  internus 
vermeidet.  In  der  Ophthalmophlebitis  ,  welche  nach  Fiebern  eintritt ,  hat 
man  von  der  innern  Anwendung  der  China  gute  Erfolge  gesehen.  Ins- 
besondere hat  sie  Wallace  auch  in  solchen  Fällen  mit  gutem  Erfolge  gege- 
ben, wo  die  Mercurialpräparate  ohne  Wirkung  blieben. 

Die  Atrophie  des  Bulbus ,  welche  nach  eitriger  Zerstörung  desselben 
durch  die  eben  beschriebenen  Entzündungsformen ,  durch  die  Ophthalmo- 
blennorrhoe ,  oder  nach  bedeutender  Verletzung  und  Ausfluss  der  Feuch- 


112 

tigkeiten  des  Augapfels  zurückbleibt,  kann  man  Ophthalmophthisis  nennen. 
Auf  die  dabei  eintretende  Schrumpfung-  der  Sclerotica  haben  die  geraden 
Augenmuskeln  einen  grossen  Einfluss.  Sie  ziehen  den  Bulbus  mit  sich  in 
die  Orbita  zurück,  wo  nur  das  Fett  einen  geringen  Widersland  leistet,  so 
dass  das  Auge  oft  die  Form  eines  Hutpilzes  erhält.  Zugleich  drücken  sie 
in  ihrem  Verlaufe  die  noch  übrigen  Contenta  des  Bulbus  zusammen  ,  so 
dass  sich  in  dem  atrophischen  Auge  Einkerbungen ,  die  dem  Verlaufe  der 
geraden  Muskeln  entsprechen,  beobachten  lassen.  Die  Sclerotica  gewinnt 
in  dem  Masse,  als  sie  sich  zusammenzieht,  durch  Contraction  ihres  Faser- 
gewebes an  Dicke.  Die  Atrophie  eines  Auges  zieht  nach  längerer  Zeit 
auch  die  Atrophie  des  entsprechenden  Sehnerven  nach  sich,  und  hat  zu- 
weilen Verkleinerung  der  Orbita  zur  Folge. 

III.  Entzündung  der  Thränenorgane. 

Die  Entzündung  derThränendrüse,  welche  ihrer  versteck- 
ten Lage  wegen  schädlichen  Einwirkungen  mehr  entzogen  ist ,  gehört  zu 
den  seltensten  Krankheiten.  Sie  würde  sich  ausser  der  Functionsslörung 
dieses  Organs  und  dem  heftigen  Schmerze  in  der  besagten  Gegend  noch 
wegen  der  Volumszunahme  durch  ihren  Einfluss  auf  die  Stellung  und  Be- 
weglichkeit des  Augapfels,  so  wie  durch  Spannung,  Anschwellung  und 
Rölhe  des  obern  ,  wohl  auch  des  untern  Augenlides  erkennen  lassen.  Sie 
kann  in  Zertheilung  oder  Abscessbildung  endigen.  Die  Behandlung  ist 
die  gewöhnliche  antiphlogistische.  Abscesse  in  der  Thränendrüse  oder 
in  der  Gegend  derselben  ,  so  wie  Wunden  derselben  haben  bisweilen  eine 
Thränendrüsenfistel  zur  Folge,  nämlich  eine  feine  Öffnung  am  obern 
Augenlide,  durch  welche  man  in  die  Thränendrüse  gelangt,  und  aus  wel- 
cher von  Zeit  zu  Zeit  ein  Thränentröpfchen  hervordringt.  Alle  Versuche, 
eine  solche  Fistel  zur  Heilung  zu  bringen,  sind  meistens  erfolglos ,  das 
Uebel  übrigens  geringfügig.  Viel  häufiger  besteht  eine  Reizung  der 
Thränendrüse,  welche  mit  vermehrter  Absonderung  der  Thränen  ver- 
bunden ist  Der  Thränenfluss  durch  vermehrte  Thränensecrelion ,  so  dass 
die  ableitenden  Thränenwege  sie  nicht  aufnehmen  können,  heisst  Epiphora. 
Nur  sehr  selten  ist  die  Epiphora  eine  primäre,  selbstständige  Krankheit, 
sondern  meistens  symptomatisch  bei  jeder  Reizung  der  Verzweigungen 
des  Trigeminus,  daher  bei  vielen  Ophthalmien,  namentlich  bei  scrofulösen 
mit  starker  Lichtscheu  verbundenen  zu  beobachten.  Auch  im  Typhus  ver- 
salilis,  bei  hysterischen  und  hypochondrischen  Paroxysmen,  und  besonders 
nach  acuten  Exanthemen,  wie  Masern,  Scharlach  stellt  sich  Epiphora  ein, 
die  oft  durch  längere  Zeit  anhält.     Die  symptomatische  Epiphora  erfordert 


113 

die  Behandlung-  und  Beseitigung  des  zu  Grunde  liegenden  Krankheitszu- 
standes; bleibt  sie  nach  Hebung  desselben  längere  Zeit  zurück,  so  suche 
man  die  übermässige  Empfindlichkeit  und  vermehrte  Secretion  durch  Bähun- 
gen mit  Aq.  dest.  Opii  oder  mit  einer  Lösung-  von  Sublimat  mit  etwas  Opium- 
tinclur  zu  beschränken. 

Die  En  tz  ü  n  d  ün  g-  des  Th  ränen  s  acks  (Dacryocyslitis)  ergreift 
entweder  das  umgebende  Zellgewebe  und  die  fibröse  Hülle,  welche  den 
Thränensack  nach  aussen  deckt,  oder  die  Schleimhaut,  welche  ihn  ausklei- 
det. Erstere  wird  auch  die  entzündlicheNasenwinkelgeschwulst 
(Anchylops)  genannt.  Nach  vorausgegangener  Spannung  erhebt  sich  im 
innern  Augenwinkel  in  der  Gegend  des  Thränensackes  eine  harte,  bohnen- 
grosse  nicht  genau  begränzte,  hochrothe  Geschwulst,  welche  schnell  zu- 
nimmt, sich  über  die  Augenlider  und  die  Wange  verbreitet,  wo  sich  zugleich 
eine  erysipelatöse  Rüthe  zeigt.  Der  Kranke  empfindet  Anfangs  grössere 
Spannung,  später  heftige,  reissende,  stechende,  bohrende  Schmerzen,  die 
Thränencarunkel  und  membr.  semilunaris  sind  angeschwollen  und  geröthet, 
die  Aufsaugung  der  Thränen  fast  immer  unterbrochen,  daher  Thränenträu- 
feln  vorhanden,  oft  fieberhafte  Zufälle  zugegen.  Die  Entzündung  endet  in 
Zertheilung  oder  geht  in  Eiterung  über.  Im  letztern  Falle  bildet  sich  ein 
Abscess,  welcher  nach  aussen  aufbricht  und  eine  unebene  eiternde  Fläche 
mit  ziemlich  stark  gewulsteten  Rändern  darstellt,  welche  man  das  Nasen- 
wi  nkelgeschwür  (Aegilops)  nennt.  Es  kann  aber  durch  die  Eiterung 
auch  die  vordere  "Wand  des  Thränensackes  zerstört  werden,  so  wie  sich 
die  äussere  Entzündung  des  Thränensackes  sehr  häufig  mit  der  Schleim- 
hautentzündung combinirt.  Bilden  sich  durch  verbreitete  Zellgewebseiterung 
und  Eitersenkung  Hohlgänge  und  Fisteln  nach  dem  untern  Augenhöhlen- 
rande und  der  Wange  zu,  so  ist  diess  als  äussere  incomplete  Thränensack- 
fistel  zu  betrachten,  welche  jedoch  bei  Durchbohrung  der  vordem  Wand 
des  Sackes  zu  einer  completen  werden  kann. 

Die  Entzündung  der  Schleimhaut  des  Thränensackes  ist 
meistens  seeundär,  indem  sich  die  Entzündung  der  Nasenschleimhaut  oder 
die  der  Bindehaut  auf  sie  fortsetzt.  Eine  ziemlich  genau  begränzte,  bohnen- 
förmige  Geschwulst  in  der  Gegend  des  Thränensackes,  Röthe  der  Haut,  die 
sich  nicht  weit  über  die  Geschwulst  ausbreitet,  spannende,  stechende  Schmer- 
zen, gestörte  Ableitung  der  Thränen.  daher  Thräncnträufeln  und  Trocken- 
heit der  Nase  sind  die  gewöhnlichen  Symptome  dieser  Entzündung.  Diese 
kann  sich  auf  die  Schleimhaut  des  ganzen  Thränenschlauches  erstrecken, 
oder  aber  auf  den  Thränensack  sich  beschränken.  Veranlassung  dazu  geben 
häufige  catarrhalische  Erkrankungen  der  Nasenschleimhaut,  Quetschungen 
und  Verwundungen    der    Thränensackgegend,    Reizung   der  Schleimhaut 

M  e  y  p  ,  Augenheilkunde  S 


114 

durch  scharfe  Stoffe,  Entzündung-  der  Conjunctiva  der  Augenlider,  Gesichts- 
rothlauf, gastrische  Reize.  Dyscrasische  Leiden  haben  ganz  gewiss  einen 
Einfluss,  indem  bei  scrofulösen  und  syphilitischen  Individuen  diese  Entzün- 
dung häufiger  vorkommt.  Die  grüsste  Disposition  bildet  aber  der  chronische 
Schleimfluss  des  Thränensackes,  welcher  bei  der  geringsten  catarrhalischen 
oder  rheumatischen  Reizung  in  acute  Entzündung  übergeht. 

Die  Ausgänge  dieser  Entzündung  sind  Zertheilung  und  Eiterung-.  Hat 
sich  unter  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  ein  Abscess  gebildet,  so  ent- 
leert sich  bei  der  Eröffnung  desselben  mit  Thränen  gemischter  Eiter,  worauf 
die  Geschwulst  fällt  und  nur  die  Gegend  des  Thränensackes  noch  aufgetrie- 
ben und  geröthet  zurückbleibt.  Die  Folgen  dieser  Entzündung  sind  ver- 
schieden und  hängen  von  der  normalen  oder  krankhaften  Beschaffenheit  des 
Thränenschlauches  und  der  denselben  umgebenden  Knochen  ab.  Bleibt 
die  Oeffnung-  des  Thränensackes  nach  der  Entleerung  des  Eiters  permanent, 
so  ist  diess  als  eine  complete  Thränensackfistel  zu  betrachten.  Zuweilen 
entstehen  ulceröse  Zerstörungen  des  Thränensackes,  wodurch  auch  die 
nahegelegenen  Knochen  entblösst  und  cariös  werden.  Andere  Folgen  sind 
Verwachsung  der  Thränenkanälchen,  der  Schleimfluss  und  die  Erweiterung 
des  Thränensackes,  von  welchen  Uebeln  später  gehandelt  wird. 

Die  Dacryocystitis  erfordert  ein  antiphlogistisches  Verfahren.  Bis- 
weilen gelingt  es,  durch  Anwendung  kalter  Ueberschläge  (vorzüglich  bei 
traumalischer  Entzündung)  oder  lauer,  bleihaltiger  Fomente  (Aqua  Goulardi 
oder  aqua  saturnina)  die  Zertheilung  herbeizuführen.  Bei  erysipelatöser 
Röthe  und  oedematöser  Geschwulst  gibt  man  dem  Blei  den  Vorzug.  Da 
die  Entzündung  eine  grosse  Neigung  zur  Eiterung  hat,  so  wird  man  in  den 
meisten  Fällen  sogleich  zur  Anwendung  der  Cataplasmata  emollientia 
schreiten  können,  deren  Wirkung  man  durch  Leitung  erweichender  Dämpfe 
in  die  Nasenhöhle  der  leidenden  Seite  mittelst  eines  trichterförmig-  zu- 
sammengerollten Papieres  unterstützt.  Selbst  die  Zertheilung  wird  durch 
Anwendung  erweichender  Mittel  bisweilen  noch  herbeigeführt.  Hat  sich 
Eiterung  gebildet,  so  überlässl  man  die  Eröffnung  des  Abscesses  der  Natur, 
oder  man  eröffnet  ihn  mit  einem  spitzigen  Bistourie,  welches  man  in  die 
Geschwulst  einsenkt  und  die  Oeffnung  nach  unten  und  aussen  erweitert, 
wobei  man  gewöhnlich  hinter  dem  Kranken  steht.  Man  setzt  nach  eröffne- 
tem Abscesse  die  erweichenden  Umschläge  so  lange  fort,  bis  die  Härte  in 
der  Umgebung  der  Oeffnung  schmilzt,  oder  man  wendet  zu  diesem  Zwecke 
das  Ungt.  hydr.  ein.  oder  ein  erweichendes  Pflaster  (Empl.  Cicuta,  Hydrarg. 
Diach.  comp,  aa.)  an.  Die  Behandlung  der  etwa  eintretenden  Folgezustände 
findet  später  ihre  Erörterung. 


115 
IV.  Entzündungen  der  Gebilde  der  Orbita. 

Sie  betreffen  'entweder  das  Zellgewebe  oder  die  fibröse  Hülle  der 
Orbita. 

Das  Zell-  und  Fettgewebe  der  Orbita  ist  nur  selten  der  Sitz 
einer  phlegmonösen  Entzündung  und  Eiterung.  Sie  ist  höchst  wichtig 
wegen  des  Gefäss-  und  Nervenreichthums  der  Orbita  und  wegen  der  Nähe 
der  benachbarten  Schädelhöhle.  Sie  charakterisirt  sich  durch  einen  sehr 
heftigen,  tiefsilzenden  Schmerz,  der  sich  über  den  ganzen  Kopf  erstreckt, 
und  von  Spannung  und  dem  Gefühle,  als  wäre  die  Orbita  für  den  Aug- 
apfel zu  klein,  begleitet  ist.  Da  die  knöcherne  Orbita  nicht  nachgeben  kann, 
so  wird  der  Augapfel  durch  die  Anschwellung  des  Zellgewebes  vorwärts 
getrieben  und  die  Lider  werden  auseinander  gedrängt,  zugleich  geröthet 
und  ödematös.  Der  geringste  Versuch,  das  Auge  zu  bewegen,  verursacht 
lebhaften  Schmerz,  daher  es  der  Kranke  ganz  starr  hält.  Durch  die  von 
Affection  des  Ganglion  ciliare  bedingte  Erweiterung  der  Pupille  und  durch 
Druck  auf  den  Bulbus  wird  das  Sehvermögen  bedeutend  gestört.  Diese 
Erscheinungen  begleitet  entzündliches  Fieber,  der  Kranke  delirirt  häufig. 
Die  Krankheit  kann  sich  bis  zu  den  Hirnhäuten  fortsetzen  und  daher  auch 
tödtlich  endigen.  Mit  dem  Fortschreiten  der  Krankheit  steigern  sich  die 
Symptome  zu  einer  bedeutenden  Höhe;  der  Bulbus  wird  selbst  vor  die 
Augenlider  herausgetrieben  (Exophthalmus) ;  die  Retina  verliert  unter  sol- 
chen Umständen  die  Empfindlichkeit  gegen  das  Licht  gänzlich,  der  Kranke 
fühlt  klopfende  Schmerzen  und  öfters  Schüttelfrost;  es  erfolgt  Eiterung  in 
der  Orbita,  ohne  dass  eine  Erleichterung  eintritt,  da  die  knöchernen  Wände 
der  Orbita  nicht  nachgeben  können.  Endlich  bahnt  sich  der  Eiter  einen 
Weg  entweder  durch  das  Augenlid  an  einer  Stelle  des  Orbitalrandes,  oder 
unter  dem  Augenlide,  in  welchem  Falle  er  eine  Falle  der  Conjunctiva  vor- 
wärts drängt  und  durchbohrt. 

Die  Krankheit  combinirt  sich  auch  mit  einer  Entzündung  des  Aug- 
apfels, welche  an  der  Conjunctiva  und  Sclerolica  beginnt  und  sich  auf  die 
Iris  und  die  tiefern  Gebilde  fortpflanzt.  Ihre  Ausgänge  sind  ausser  der 
Eiterung  auch  Verhärtung  durch  Infiltration  des  Zellgewebes  und  Amaurose 
durch  Druck  auf  den  Sehnerven. 

Kommt  ein  solcher  Fall  frühzeitig  zur  Behandlung,  so  ist  strenge 
Antiphlogose  nothwendig.  Reichliche  Blutentleerungen,  Ruhe  und  anti- 
phlogistische Diät,  Abführmittel  und  grosse  Dosen  von  Calomel  bis  zum 
Speichelfluss  nebst  Einreibung  der  Quecksilbersalbe  mit  Opium  in  die  Sup- 
raorbitalgegend  werden  sich  zuweilen  wirksam  zeigen.  Sobald  sich  jedoch 
die   ersten  Spuren  der  Eiterung  zeigen,  suche  man  durch  warme  Breium- 

8* 


116 

schlage  dieselbe  zu  befördern.  Ist  irgendwo  Fluctuation  bemerkbar,  so  er 
öffne  man  den  Abscess  entweder  durch  die  Conjunctiva  zwischen  dem  Augen- 
lid und  Augapfel  oder  durch  das  Augenlid  selbst.  Wenn  die  Symptome 
die  Gegenwart  von  Eiter  andeuten,  ohne  dass  sich  Fluctuation  fühlen  lässt, 
so  mache  man  mit  einer  Lanzette  einen  Einschnitt  in  der  Gegend,  wo  man 
die  Eiterung  vermuthet,  mit  der  nöthigen  Vorsicht,  wichtige  Theile  nicht 
zu  verletzen. 

In  andern  Fällen  ist  der  Sitz  der  Entzündung  das  Periostium  der 
Orbita.  Die  Periostitis  der  Orbita  (Periorbitis)  entsteht  in  Folge  von 
Verletzungen,  von  Verkühlungen,  in  Folge  mancher  Dyscrasien,  vorzüglich 
der  Scrofulosis  und  Syphilis,  und  auch  durch  Verbreitung  der  Entzün- 
dung von  benachbarten  Theilen.  Ihre  Symptome  sind  Anfangs  ein  heftiger 
reissender  Schmerz  in  der  Augenhöhle,  der  sich  auch  auf  die  benachbarte 
Stirn-  und  Schläfengegend  verbreitet  mit  leichler  Fieberbewegung.  Später 
schwellen  die  Augenlider  ödemalös  oder  erysipelatös  an,  die  Conjunctiva 
bulbi  wird  geröthet  und  ödematös.  Der  Verlauf  ist  in  der  Regel  langsam. 
Die  Krankheit  des  Periostiums  hat  immer  einen  bedeutenden  Einfluss  auf 
die  Knochen.  Die  Ausgänge  des  Leidens  sind  demnach  1.  Zertheilung  in 
seltenen  Fällen  und  bei  geringem  Grade  des  Leidens.  2.  Eiterung;  es  bil- 
det sich  ein  Abscess  in  der  Orbita  und  durch  Zerstörung  der  Gewebe  kön- 
nen Adhaesionen  zwischen  den  naheliegenden  Theilen,  insbesondere  zwi- 
schen diesen  und  dem  Augapfel  eintreten.  3.  Caries  oder  Necrose  der 
Orbitalknochen.  Die  Symptome  der  letzteren  sind:  Eine  fistulöse  Oeffhung 
an  irgend  einer  Stelle,  welche  callös  oder  fungös  ist;  die  Haut  um  dieselbe 
ist  hart,  geröthet,  deprimirl  und  in  die  Orbita  hineingezogen,  das  Lid  ver 
kürzt  und  dadurch  bisweilen  Ectropium  oder  Unmöglichkeit  das  Auge  zu 
schliessen  (Lagophthalmus)  verursacht.  Es  besteht  Ausfluss  einer  eitrigen 
Flüssigkeit  in  grösserer  Menge,  als  dass  sie  von  dem  fistulösen  Gange  allein 
geliefert  werden  könnte.  Mit  einer  Sonde  kann  man  bis  in  die  Orbita  hin- 
eindringen und  fühlt  meistens  ein  blossgelegtes,  rauhes,  bisweilen  beweg- 
liches Knochenstück ;  zuweilen  jedoch  machen  fungöse  sich  vordrängende 
Wucherungen  die  Wahrnehmung  desselben  bei  der  Sondirung  unmöglich. 
Die  Abstossung  solcher  Knochenstücke  erfolgt  zeilweise  unter  dem  Eintritte 
heftigerer  Schmerzen  oder  einer  ziemlich  intensiven  erysipelatösen  Entzün- 
dung der  Lider  oder  der  ganzen  Gesichtshaut.  Die  Krankheit  kann  die 
untere  oder  innere  Wand  der  Orbita  zerstören,  der  Ausfluss  kann  in  die 
Nasenhöhle  oder  in  den  Sinus  maxillaris  gelangen.  Sie  kann  in  der  Tiefe 
der  Orbita  (am  Keilbeine)  bestehen,  wobei  das  Auge  amaurotisch  ist,  ohne 
dass  äusserlich  sichtbare  Symptome  des  Leidens  auftreten.  Die  Einwirkung 
auf  den  Augapfel  besteht  zuweilen  in  einer  partiellen  oder  totalen  Deslruc- 


117 

tion  desselben,  die  in  manchen  Fällen  durch  den  Lagophthalmus  herbeige- 
führt wird.  Eine  blosse  örtliche  Untersuchung  macht  die  Bestimmung-,  wes- 
sen Ursprunges  der  Krankheitsprocess  sei,  unmöglich.  Die  anamnestischen 
Data  müssen  hier  entscheiden,  so  wie  andere  gleichzeitig  am  Körper  be- 
stehende Affectionen.  Die  Prognose  ist  zweifelhaft,  günstiger  noch  bei  trau- 
matischer als  bei  dyscrasischer  Ursache.  Was  die  Behandlung  betrifft,  so 
muss  bei  Caries  die  ulceröse  Zerstörung  sistirt,  bei  Necrose  die  Exfoliation 
der  abgestorbenen  Knochenpartien  befördert  werden.  Diese  geht  im  Zeit- 
räume von  einem  bis  mehreren  Monaten  vor  sich.  Dazu  dient  die  Erweite- 
rung der  fistulösen  Oeffnung,  die  Einführung  eines  in  Oel  getauchten  Lein- 
wandläppchens oder  einer  Charpiewicke ;  fungöse  Granulationen  sind  mit 
dem  Lapis  inf.  zu  zerstören.  Jeden  zweiten  oder  dritten  Tag  soll  eine  starke 
Lösung  von  Nitras  arg.  eingespritzt  werden,  oder  man  führe  einen  zuge- 
spitzten Höllenstein  bis  zum  blossgelegten  Knochen.  Die  Abstossung  des 
Knochens  ist  nicht  jederzeit  sinnlich  wahrnehmbar.  Wir  haben  auch  keine 
sichern  Kennzeichen,  dass  der  Knochen  geheilt  ist,  indem  sich  die  Fistel 
bei  noch  erkranktem  Knochen  schlicssen  kann.  Bei  der  Behandlung  dieses 
Uebels  ist  es  höchst  wichtig,  auf  ein  mitbestehendes  Allgemeinleiden  Rück- 
sicht tax  nehmen.  Bei  scrofulösen  Individuen  passen  daher  Tonica,  China, 
die  Landluft  etc.  Die  als  speeifisch  gerühmten  Mittel  (Asa  foetida,  aeidum 
phosphoricum)  scheinen  ohne  Erfolg  zu  sein. 

Fall.  F.  F.,  26  Jahre  alt,  Hausknecht,  war  seit  seiner  Jugend  stets 
gesund  und  ist  ein  ziemlich  gut  genährtes ,  kräftig  aussehendes  Individuum.  Er 
trat  den  16.  Jänner  1851  in  die  Clinik  ein.  Die  gegenwärtige  Krankheit  begann 
vor  6  Monaten  und  zwar  nach  Aussage  des  Kranken  durch  die  Einwirkung  der 
Zugluft  und  Verkühlung ,  da  er  im  kalten  Wasser  stehend  beschäftigt  war.  Er 
verspürte  am  Abend  desselben  Tages  heftige  ziehende  und  rcissende  Schmerzen 
in  der  Umgebuug  der  linken  Augenhöhle,  in  den  benachbarten  Knochen  und  in 
der  Nase.  Es  trat  Geschwulst  und  Röthe  um  das  Auge  herum  hinzu  ,  welcher 
Zustand  gleichzeitig  von  Fieber  begleitet,  4  Tage  lang  anhielt,  worauf  Geschwulst 
und  Röthe  sich  verminderten,  die  Schmerzen  aufhörten,  jedoch  eine  eiterartige 
Secretion  am  innern  Augenwinkel  sich  einstellte.  Das  Sehvermögen  war  bisher 
normal,  die  Eröffnung  des  Auges  nicht  gestört.  Vor  zwei  Monaten  bildete  sich, 
abermals  nach  einer  Verkühlung,  von  Neuem  eine  Geschwulst  und  Röthe  um 
das  Auge  herum  mit  heftigen  Knochenschmerzen,  und  nach  3  Tagen  brach  am 
obern  Augenlide  unter  den  Orbitalrande  ein  Abscess  auf,  aus  welchen  sich  pu- 
rulente  Materie  entleerte.  Seit  dieser  Zeit  konnte  Pat.  die  Augenlider  nicht  mehr 
öffnen,  war  jedoch  von  Schmerzen  frei.  Vor  14  Tagen  gingen  kleine  Knochen- 
stückchen aus  der  Oeffnung  ab.  Bei  seiner  Aufnahme  fand  man  die  Lider  des 
rechten  Auges  geröthet,  abgeplattet,  unbeweglich,  am  obern  Lide  gerade  unter 
dem  Rande  des  Daches  der  Orbita  eine  mit  Fungositaeten  besetzte  und  Eiter 
ergiessende  Oeffnung,  durch  welche  man  mittelst  der  Sonde  in  einen  von  fun- 
gösem,  leicht  blutenden  Gewebe  ausgefüllten  Gang  gelangle,  welcher  zur  obern 
Wand  der  Orbita  führte,  an  der  man  eine  rauhe  etwas  gelockerte  Knochenstelle 


118 

verspürte.  Die  Lidspalte  verwachsen,  bloss  nach  innen  zu  besteht  eine  etwa 
V"  lange  Spalte,  und  nach  innen  von  ihr  in  der  Gegend  des  innern  Augenwin- 
kels eine  feine  Oeffnung,  durch  welche  die  Sonde  in  die  Thränensackgegend 
führt,  ohne  jedoch  in  denselben  gelangen  zn  können.  An  der  Lidspalte  fungöse 
Stellen.  Der  Bulbus,  so  viel  sich  durch  die  Lider  hindurch  fühlen  liess,  kleiner, 
minder  consistent,  in  seiner  Bewegung  sehr  gehemmt.  Es  wurden  erweichende 
Umschläge  angeordnet.  Am  22.  Febr.  wurde  der  Kranke,  nachdem  einige  Tage 
Kopfschmerz  vorausging,  plötzlich  von  Fieber  mit  heftigerem  Kopfschmerz  be- 
fallen; Stuhlverstopfung;  am  nächsten  Tag  stellte  sich  Gesichtserysipel  ein,  der 
Athem  erschwert;  Puls  120.  (Venaesect.  Unz.  10.  Emuls.  nitrat.;  Klystier  mit 
Küchensalz;  Erweiterung  der  Oeffnung  durch  Einschnitte  und  Cataplasm.  emoll.) 
Den  24.  Besserung;  Puls  98,  Kopfschmerz  gelinder,  das  Erysipel  ausgebreitet. 
In  den  nächsten  Tagen  besserte  sich  der  Zustand  etwas,  Puls  80,  jedoch  der  Kopf- 
schmerz heftig,  dabei  leichtes  Delirium.  Am  27.  Febr.  Pat.  hustet  blutige,  dick- 
schleimige Sputa  aus,  die  Respiration  etwas  rauher,  nach  hinten  und  unten  Cre- 
pitation  ;  das  Erysipel  geht  in  Abschuppung  über;  der  Ausfluss  aus  der  Oeffnung 
sehr  gering;  der  Puls  langsamer,  schwächer.  Am  28.  Pat.  transpirirte  sehr 
stark,  die  Respiration  ruhiger;  beim  tiefen  Einathmen  Schmerz  an  der  untersten 
Stelle  des  thorax,  Puls  82.  Der  Zustand  besserte  sich  in  den  nächsten  Tagen 
etwas ,  die  Gesichtshaut  war  abschuppend,  die  Respirationsbeschwerden  geringer, 
der  Kopfschmerz  minder  heftig,  Durst  gelinder,  der  Puls  verminderte  sich  stets 
an  Frequenz  und  sank  auf  ^8  Schläge;  der  sehr  rothe  und  trübe  Harn  machte 
viel  Sediment  von  Harnsäure.  Am  6.  März.  Bedeutende  Erleichterung,  Puls 
60;  Harn  klarer;  aus  der  Oeffnung  entleert  sich  reichlicher  Eiter.  Am  10.  März 
fühlte  sich  Pat.  wieder  vollk' ."•  men  wohl.  Am  6.  April  traten  abermals  heftige 
Kopf-  und  Supraorbitalschm.  xn  ein,  welche  durch  3  bis  4  Tage  anhielten. 
Am  vordem  Rande  der  Orbita  igte  ein  bewegliches  Knochenstück  mit  der  Spitze 
durch  die  Oeffnung  hervor,  welches  den  19.  April  durch  die  Natur  abgestossen 
wurde.  Am  l.  und  2.  Mai  bildete  sich  eine  Anschwellung  mit  drückenden 
Schmerzen  am  innern  Winkel,  gegenüber  dem  Thränensacke,  daselbst  entstand 
eine  kleine  Oeffnung,  aus  der  sich  Eiter  entleerte,  welche  hierauf  durch  einen 
Einschnitt  erweitert  wurde.  Die  Absonderung  an  der  obern  Oeffnung  hörte  fast 
ganz  auf.     Am  7.  Mai  verliess  Pat.  bedeutend  gebessert  das  Krankenhaus. 

V.  Von  dem  Einflüsse  der  constitutionellen  Erkrankungen 
(Dyscrasien)  auf  die  Augenentzündungen.    Die  speeifischen 

Ophthalmien. 

Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  Krankheiten  des  Gesammtorganismus 
einen  unverkennbaren  Einfluss  auf  die  Entstehung  und  Gestaltung  der 
Augenentzündungen  äussern  und  jeder  praktisch  beschäftigte  Augenarzt  wird 
von  dem  Gesagten  genügend  überzeugt  sein.  Wir  nennen  daher  jene  Ent- 
zündungsformen, welche  durch  Dyscrasien  entweder  hervorgerufen  oder  un- 
terhalten werden,  unechte  oder  speci fische  Ophthalmien,  im 
Gegensatze  zu  den  reinen  oder  echten,  welche  weder  in  ihrem  Verlaufe 
noch  in  ihren  Erscheinungen  von  den  angeführten  Krankheitsbildern  be- 


119 

deutend  abweichen,  welche  keine  besondern  Eigentümlichkeiten  an  sich 
tragen.  Als  Prototyp  der  letztem  gellen  insbesondere  die  traumatischen 
Entzündungsfo.rmen  bei  sonst  gesunden  Individuen. 

Man  hat  in  der  neuern  Zeit  das  Vorkommen  specifischer  Entzündungs- 
formen gänzlich  geläugnet  (Velpeau,  Roser)  und  den  Einfluss  der  Allgemein- 
leiden auf  sie  nicht  gewürdigt;  jedoch  mit  Unrecht.  Denn  1.  wenn  eine 
constitutionelle  Erkrankung  sich  durch  bestimmte  Erscheinungen  in  gewis- 
sen Geweben  und  Organen  des  Körpers  äussert,  was  wir  täglich  beobach- 
ten, warum  soll  sie  sich  gerade  nicht  durch  Krankheitsphaenomene  am 
Auge  äussern  können,  welches  fast  alle  Gewebe  des  Körpers  im  Kleinen 
repräsentirt?  2.  Wenn  auch  die  Pathologie  des  Blutes  noch  nicht  gehörig 
erforscht  ist,  so  müssen  wir  doch  annehmen,  dass  bei  manchen  Allgemein- 
leiden qualitative  Veränderungen  der  Blutmasse  stattfinden,  welche  ihrer- 
seits wieder  auf  die  Bildung  und  Metamorphose  der  entzündlichen  Exsu- 
date einen  Einfluss  haben  können.  3.  Wir  sehen  oftmals  Entzündungen 
im  Auge  mancher  Individuen  auftreten,  für  welche  sich  durchaus  keine 
andere  Ursache,  als  die  im  Körper  bestehende  Dyscrasie  auffinden  lässt. 
4.  Auch  lehrt  uns  die  Beobachtung,  dass  solche  Entzündungen  am  besten 
gehoben  werden,  wenn  man  auf  das  Grundleiden  gehörige  Rücksicht  nimmt, 
dass  wir  zwar  in  einzelnen  Fällen  die  Ophthalmie  auch  bloss  durch  ört- 
liche Mittel  zu  beseitigen  im  Stande  sind,  dass  aber  dadurch  das  Uebel  nicht 
gründlich  und  dauernd  gehoben  wird,  indem  sehr  häufig  Recidiven  eintre- 
ten, so  lange  das  Individuum  mit  der  Dyscrasie  behaftet  ist.  5.  Endlich  ha- 
ben selbst  jene,  welche  die  specifischen  Opthalmien  läugneten,  eine  Species 
derselben,  nämlich  die  syphilitische,  angenommen;  was  aber  von  dieser 
gilt,  kann  mit  demselben  Rechte  von  den  übrigen  gelten. 

Die  Eigenthümlichkeilen  der  specifischen  Ophthalmien  bestehen  in 
Folgendem  :  1.  Was  das  Entstehen  betrifft,  so  kann  eine  hochgradige  Dys- 
crasie eine  Entzündung  im  Auge  veranlassen  ohne  jedes  weitere  Causal- 
moment;  oder  es  kann  durch  irgend  eine  äussere  Veranlassung  eine  Oph- 
thalmie entstehen,  welche  Anfangs  die  Charactere  der  genuinen  Entzündung 
kürzere  Zeit  behauptet,  bald  jedoch  durch  den  Einfluss  des  Allgemeinlei- 
dens auf  bestimmte  Weise  modificirt  wird.  2.  Die  specifischen  Entzündun- 
gen haben  eine  entschiedene  Neigung,  gewisse  Gewebe  des  Augapfels  und 
seiner  Umgebungen  zu  ergreifen.  3.  Ihr  Verlauf  ist  mehr  weniger  unregel- 
mässig und  in  den  meisten  Fällen  sich  in  die  Länge  ziehend.  4.  Die  Ent- 
zündungsprodukle  sind  zwar  die  nämlichen,  wie  bei  den  reinen  Entzündun- 
gen, jedoch  wird  die  Metamorphose  und  weitere  Entwicklung  derselben 
durch  das  bestehende  Allgemeinleiden  in  mancher  Hinsicht  modificirt,  so 
dass  gewisse  Entzündungsausgänge  vorzugsweise  bei  den  specifischen  Oph- 


120 

thalmien  beobachtet  werden.  5.  Speciiische  Entzündungen  haben  bei  noch 
nicht  völlig  getilgter  Dyscrasie  eine  grosse  Neigung  zu  Recidiven.*  Sie 
wechseln  oft  mit  krankhaften  Erscheinungen  derselben  Dyscrasie  an  andern 
Theilen  des  Körpers  ab.  6.  Auf  ihre  Heilung  hat  die  Besserung  oder  gänz- 
liche Tilgung  des  Allgemeinleidens  einen  bedeutenden,  nicht  zu  verken- 
nenden Einfluss.  Zur  Diagnose  der  specifischen  Entzündungen  dient  uns 
daher  nicht  nur  die  Form  des  Entzündungsproduktes  oder  die  Materie  des- 
selben, sondern  Alles,  Ursache,  Form  und  Charakter  der  Entzündung, 
Sitz,  Verlauf  und  Ausgang  derselben  und  der  allgemeine  Zustand  des 
Organismus. 

Die  wichtigsten  specifischen  Entzündungsformen,  welche  wir  erörtern 
wollen,  sind  die  durch  die  scrofulose,  rheumatische,  arthritische  und  durch 
die  syphilitische  Dyscrasie  bedingten. 

/.  Die  scrofulose  Ophthalmie. 

Wir  begegnen  dieser  Entzündungsform  so  häufig,  dass  sie  in  Län- 
dern, wo  die  Scrofulosis  zu  Hause  ist,  beinahe  ein  Drittheil  aller  Augen- 
krankheiten ausmacht.  Der  Ausdruck  Scrofulosis  bezeichnet  entweder  die 
Gesammtheit  von  Phaenomenen,  welche  eine  bestimmte  Krankheit  andeuten, 
oder  die  Eigenlhümlichkeit  einer  Constitution,  bei  welcher  derlei  Erkran- 
kungen häufig  eintreten.  In  letzterem  Falle  sprechen  wir  von  einer  scro- 
fulösen  Dialhese,  im  ersteren  von  der  Scrofelkrankheit  oder  Scrofeldyscrasie. 
Die  Lymphdrüsen  ,  die  Schleimhäute  und  die  äussere  Haut ,  die  Lunge, 
Knochen  und  Gelenke  haben  die  meiste  Geneigtheit  zu  derartigen  Erkran- 
kungen. Man  unterscheidet  ferner  die  erethische  und  die  torpide  Scro- 
fulosis. Bei  der  erstem  sind  die  Individuen  mager,  gracilen  Körper- 
baues, schlank,  ihre  Haut  ist  zart,  dünn,  die  Wangen  geröthel,  die  Circu- 
lation  rapid,  das  Nervensystem  reizbar,  die  Geisteskräfte  meistens  vorzeitig 
entwickelt.  Bei  der  zweiten  Form  sind  die  Individuen  aufgedunsen,  haben 
eine  dicke,  angeschwollene  Oberlippe ,  breites  Kinn ,  ein  blasses  aufgedun- 
senes Angesicht,  leiden  an  Hypertrophie  der  Lymphdrüsen,  an  Physconien 
der  Eingeweide,  an  Muskelschwäche,  verspäteter  Entwicklung  des  Nerven- 
systems und  seiner  Centralorgane,  daher  an  allgemeiner  Trägheit  aller 
psychischen  und  somalischen  Functionen.  Störungen  der  Verdauungs- 
organe treten  durch  geringfügige  Ursachen  ein.  Jede  der  beiden  Formen 
hat  eine  besondere  Geneigtheit  zu  gewissen  Augenleiden. 

Von  den  Ursachen  der  Scrofeldyscrasie  ist  die  nächste  die  Einwir- 
kung der  Kälte,  verbunden  mit  Feuchtigkeit,  daher  in  manchen  Gegenden, 
wie  in  England,  dem  nördlichen  Theile  von  Frankreich  und  Deutschland 
diese  Krankheit  so  häufig  vorkommt.    Eine  andere  Ursache  ist  nicht  genü- 


121 

gende  und  unzweckmässige  Nahrung,  Ueberfütterung  und  unregelmässige 
Diät.  Sitzende  Lebensweise,  Mangel  an  Bewegung,  Aufenthalt  in  schlech- 
ter Luft,  insbesondere  in  feuchten,  niedrigen,  überfüllten  Wohnzimmern 
üben  einen  bedeutenden  Einfluss  aus.  Frühzeitige  Anstrengung  der  Gei- 
steskräfte der  Kinder  hat  sehr  häufig  mangelhafte  Entwicklung  des  Korpers, 
Schwäche  und  scrofulüse  Erkrankungen  zur  Folge.  Mehrere  der  genann- 
ten Ursachen  wirken  insbesondere  bei  den  ärmeren  Einwohnern  grosser 
Städte  zusammen,  und  sind  eine  Hauptquelle  der  Frequenz  dieses  Uebels 
(z.  B.  in  den  Fabriksstädlen  mancher  Länder).  Die  Geneigtheit  zu  der 
Scrofulosis  und  namentlich  zu  der  scrofulösen  Augenentzündung  tritt 
hauptsächlich  im  kindlichen  Alter  auf,  doch  nicht  so  sehr  bei  ganz  kleinen 
Kindern,  welche  an  der  Mutterbrust  genährt  werden,  da  es  diesen  an  der 
nöthigen  Wärme  und  zweckmässigen  Nahrung  kaum  mangelt.  Am  öftesten 
wird  sie  von  dem  Ende  des  Säuglingsalters  bis  zur  Pubertät  beobachtet ; 
letztere  übt  nicht  selten  einen  günstigen  Einfluss  auf  die  Besserung  oder 
Heilung  des  Uebels  aus.  Auch  bei  erwachsenen  Individuen  kommen  scro- 
fulüse Entzündungsformen  bisweilen  vor,  sind  aber  dann  meistens  aus  der 
Kindheit  oder  dem  Jugendalter  verschleppt.  Die  scrofulöse  Ophthalmie 
tritt  am  häufigsten  im  Frühjahre  und  Herbste  auf. 

Erscheinungen,  welche  derselben  mehr  oder  weniger  eigenthümlich 
sind,  sind  folgende:  1.  Geneigtheit  zu  Affectionen  der  Bindehaut,  der 
Augenliddrüsen  und  der  Cornea.  2.  Neigung  zur  Phlyctaenen-  und  Ge- 
schwürsbildung in  der  Conjunctiva  und  Cornea.  3.  Hoher  Grad  von 
Lichtscheu,  Augenlidkrampf,  verstärkte  Thränensecretion.  4.  Aufgedun- 
senheit und  erhöhte  Venosität  der  Augenlider.  5.  Eintritt  der  Exacerba- 
tion am  Morgen;  Nachlass  der  Erscheinungen  Abends. 

Die  hauptsächlichsten  Formen,  unter  welchen  scrofulöse  Augenleiden 
auftreten,  sind  : 

a.  Der  Erethismus  scrofulosus  (Blepharospasmus  scrofulosus)  ist 
blosses  Nervenleiden.  Die  Augenlider  sind  krampfhaft  geschlossen;  das  Kind 
verhüllt  die  Augen  mit  den  Händen,  oder  liegt  auf  denselben,  das  Gesicht 
bohrend  in  den  Polster  steckend  wegen  heftiger  Lichtscheu ,  es  schreit  oft 
plötzlich  auf,  wegen  eines  heftig  stechenden  Schmerzes  im  Auge,  der  aber 
bald  wieder  verschwindet.  Gelingt  es,  die  Augenlidspalte  zu  öffnen,  so 
stürzt  ein  Strom  von  scharfen  Thränen  hervor.  Kann  man  die  Bindehaut 
zu  Gesichte  bekommen,  so  findet  man  dieselbe  entweder  gar  nicht  gerö- 
thet,  oder  von  einzelnen  gewundenen  Gefässen  wie  gestriemt.  Diese  Form 
ist  besonders  der  erethischen  Scrofulöse  eigen.  Sie  beruht  auf  einer  Hy- 
perästthesie  der  Verzweigungen  des  Augenastes  vom  N.  quintus,  und  ist 
oft  eine  sehr  hartnäckige  Form  des  scrofulösen  Augenleidens, 


122 

b.  Die  scrofulöse  Entzündung  derBindehaut  (Ophthalmia 
scrofulosa  externa).  Sie  tritt  meistens  als  Syndesmitis  puslularis  auf,  zeigt 
daher  in  der  Scleroticalbindehaut  zerstreute  rothe  Gefässbündel ,  Phlyctae- 
nen  an  der  Conjunctiva  oder  Cornea,  heftiges  Thränen,  starke  Lichtscheu. 

c.  Blepharoadenitis  scrofulosa.  Sie  hat  ihren  Sitz  in  den 
Haarzwiebeldrüsen,  seltener  in  den  IVleibomischen,  und  zeigt  nebst  den 
Erscheinungen  der  scrofulösen  Ophthalmie  die  bekannten  Symptome  der 
Blepharoadenitis  ciliaris,  Neigung  zum  Ausgange  in  Tylosis  und  Exulcera- 
tion  der  Lidränder.  Die  Neigung  zur  Bildung  von  Gerstenkörnern  ist  bei 
scrofulösen  Individuen  bedeutender;  solche  entstehen  auch  nicht  seilen 
gleichsam  als  Krise  gegen  das  Ende  einer  scrofulösen  Entzündungsform, 
besonders  im  Frühjahre  und  Herbste. 

d.  Die  Keratitis  scrofulosa  tritt  entweder  als  Keratitis  pustula- 
ris  auf,  oder  als  oberflächliche  Hornhautentzündung  mit  stärkerer  Infiltra- 
tion. Ist  das  Bindehautblättchen  durch  die  Gefässentwicklung  und  reich- 
lichere Exsudation  sehr  getrübt  und  verdickt,  so  nennt  man  diese  Entzün- 
dungsform gewöhnlich  Pannus  scrofulosus. 

e.  Die  Blepharoblennorrhoea  scrofulosa.  Die  Bindehaut  der 
Augenlider  ist  stark  geröthet,  bedeutend  infiltrirt,  und  sondert  eine  blen- 
norrhoische  Flüssigkeit  ab.  Meistens  schwellen  die  Augenlider  sehr  an, 
werden  durch  Infiltration  in  das  Gewebe  derselben  verdickt ,  ihr  Knorpel 
erweicht  und  aufgelockert  und  vergrössert.  (Tarsomalacie.)  In  einzelnen 
Fällen  gewinnt  dadurch  das  obere  Augenlid  eine  solche  Länge  und  Breite, 
dass  es  wie  ein  Sack  herabhängt  und  den  Rand  des  untern  Lides  deckt. 
Meistens  bei  der  torpiden  Scrofulosis. 

Es  combiniren  sich  auch  öfters  manche  der  angegebenen  Entzün- 
dungsformen, so  z.  B.  die  Blepharoadenitis  mit  Entzündung  der  Bindehaut 
oder  der  Hornhaut,  die  Blepharoblennorrhoea  mit  pannöser  Entzündung 
der  Cornea.  Ausserdem  kommen  bei  scrofulösen  noch  Hordeola,  Entzün- 
dungen des  Thränensackes,  Affectionen  des  Zellgewebes  oder  der  Knochen 
der  Orbita  nicht  sehr  selten  vor. 

Neben  den  scrofulösen  Augenleiden  bestehen  sehr  häufig  andere 
scrofulöse  Affectionen;  am  häufigsten  Affectionen  der  Haut,  Ekzem  der 
Gesichts-  oder  behaarten  Kopfhaut  oder  hinter  den  Ohren,  Drüsenanschwel- 
lungen am  Halse  und  Nacken,  Knochenleiden,  besonders  an  den  Phalangen 
der  Finger  und  Zehen,  Anschwellung  und  Exulceration  der  Nasenschleim- 
haut, Ohrenfluss  u.  s.  w.  Die  Scrofeldyscrasie  kann  übrigens  auch  bloss 
auf  das  Auge  beschränkt  sein ;  es  können  nämlich,  laut  Erfahrung,  Schäd- 
lichkeiten ,  die  das  Scrofelleiden  begünstigen ,  nur  am  Auge  einen  frucht- 
baren Boden  finden,  während  sie  an  andern  Theilen  des  Körpers  abprallen. 


123 

Von  den  acuten  Exanthemen  ist  zu  bemerken,  dass  nach  denselben,  beson- 
ders nach  den  Masern  und  Scharlach,  sehr  häufig  scrofulöse  Augenleiden 
auftreten,  und  die  früher  latent  gewesene  Scrofeldyscrasie  sich  äussert. 

Die  Ausgänge  der  scrofulösen  Augenentzündung  sind  mannigfaltig. 
Sie  endigt  entweder  in  vollkommene  Gesundheit  oder  hinterlässt  Nach- 
krankheiten am  Augapfel  oder  den  Lidern ,  welche  das  Sehvermögen  mehr 
oder  weniger  beeinträchtigen.  Nebst  der  Verdickung  des  Gewebes  der 
Lider  und  Tylosis  kann  durch  Verwachsen  der  Augenlider  an  der  äussern 
Commissur  in  Folge  von  Excoriation  und  starkem  Lidkrampf  ein  Entropium 
oder  wenigstens  eine  Blepharophimosis  erfolgen.  An  der  Hornhaut  bleiben 
oft  ausgebreitete  Trübungen ,  und  nach  Verschwärung  derselben  Narben, 
vordere  Synechien  ,  Verengerung  oder  selbst  Verschliessung  der  Pupille, 
Staphylome  etc.  zurück;  Krankheitszustände ,  deren  Entstehung  in  der 
Lehre  über  die  Hornhautgeschwüre  und  ihre  Folgen  umständlich  bespro- 
chen werden  wird 

Die  Prognose  ist  verschieden  und  hängt  ab:  1.  Von  der  Wichtig- 
keit des  ergriffenen  Gebildes.  Ist  bereits  die  Hornhaut  ergriffen  ,  und  be- 
sonders,  wenn  sich  schon  tiefere  Geschwüre  derselben  gebildet  haben,  so 
ist  der  Ausgang  zweifelhaft.  2.  Von  dem  Grade  der  bestehenden  Dyscrasie. 
3-  Von  der  Ausbreitung  der  localen  scrofulösen  Affeclion.  4.  Von  äussern 
Umständen.  Die  Prognose  trübt  sich  stets,  wenn  die  Verhältnisse  des  Indi- 
viduums (Wohnung,  Kost,  Pflege  etc.)  von  der  Art  sind,  dass  sie  mehr  der 
Krankheit,  als  der  Heilung  Vorschub  leisten.  Die  Prognose  hängt  auch 
zum  Theile  von  der  Jahreszeit,  von  dem  Alter  des  Individuums  ab.  Auch 
ist  der  Aufenthalt  in  Spitälern  der  Heilung  von  scrofulösen  Ophthalmien 
aus  bekannten  Gründen  nicht  günstig. 

Behandlung.  Sie  zerfällt  in  die  des  Allgemeinleidens  und  in  die 
der  örtlichen  Affectionen.  Vor  Allem  muss  auf  den  Zustand  der  Verdau- 
ungsorgane und  der  Haut  Rücksicht  genommen  werden,  da  diese  gewöhn- 
lich Störungen  darbieten,  und  eine  Kräftigung  des  Organismus  wohl  nur 
erst  nach  Regulirung  dieser  wichtigen  Functionen  zu  erwarten  steht.  Die 
Anwendung  von  Purganzen  ist  in  vielen  Fällen  nöthig,  um  den  Darmcanal 
von  angesammelten  Cruditäten  zu  reinigen.  Man  gibt  nach  Umständen 
das  Calomel  mit  Jalapa  oder  ein  milderes  Purgans,  bei  Kindern  das  Hydro- 
mel  infantum.  Hierauf  ist  der  länger  fortgesetzte  Gebrauch  von  alteriren- 
den  und  tonischen  Mitteln  von  grossem  Nutzen,  unter  diesen  werden  kleine 
Gaben  Calomel  mit  Rheum  oder  von  Calomel  mit  Antimon  u.  s.  w.  empfoh- 
len. Ein  Decoct  vom  auflösenden  und  gelinde  tonisch  wirkenden  Arzneien 
(Gramen,  Taraxacum,  Jacea,  putam.  nuc.  Jugland)  leistet  gewöhnlich  sehr 
erspriessliche  Dienste.     Bei  dem  Zustande  von  Schwäche,  in  welchem  sich 


124 

die  Kinder  sehr  oft  nach  langwierigen,  scrofulösen  Affeclionen  befinden, 
sind  tonische  Mittel  angezeigt.  Das  beste  unter  diesen  ist  die  China,  be- 
sonders das  schwefelsaure  Chinin.  Man  gibt  dasselbe  nach  vorhergegan- 
gener Reinigung  des  Darmcanals  zu  1  Gran  3mal  täglich  in  Pulverform 
oder  in  Auflösung  mit  einigen  Tropfen  verdünnter  Schwefelsäure;  bei  sehr 
kleinen  Kindern  reicht  %  Gran  pro  dosi  hin.  Es  hat  in  vielen  Fällen  einen 
überraschend  guten  Erfolg.  Bei  sehr  blassen ,  aufgedunsenen  Individuen 
passt  die  zweckmässige  Anwendung  von  Eisenpräparaten  (Carbonas  ferri, 
tartras  ferri  etc.).  Auch  der  Leberthran  zu  einem  Löffel  voll  2mal  täglich, 
so  wie  der  umsichtige  Gebrauch  von  Jodkali  ist  gegen  Scrofulosis,  wie 
bekannt  von  Erfolg. 

Von  der  grössten  Wichtigkeit  ist  die  diätetische  Pflege  und  das  Re- 
gimen. Die  Diät  der  Scrofulösen  soll  nahrhaft,  aber  nicht  stimulirend  sein. 
Eine  Mischung  von  Fleisch-  und  vegetabilischen  Nahrungsmitteln  hat  sich 
für  Scrofulöse  stets  am  besten  bewährt.  Für  erethistische  Subjecte  hin- 
gegen ist  der  tägliche  Genuss  von  Fleischnahrung  zu  reizend.  Schwache 
Verdauungsorgane  vertragen  auch  nicht  grosse  Nahrungsmengen  auf  ein- 
mal; doch  gestatte  man  nicht  mehr  als  3—4  Mahlzeiten  täglich.  Das  beste 
Getränk  ist  reines  Wasser ,  nur  bei  laxen ,  schwachen  Iudividuen  ist  der 
massige  Genuss  eines  leichten  Hopfenbiers  zuträglich.  Zu  vermeiden  sind 
blähende,  fette,  schwer  verdauliche  Nahrungsstoffe,  der  Genuss  von  vielem 
Brole  oder  Kartoffeln. 

Wenn  die  Haut  blass ,  trocken,  rauh  ist,  die  Circulation  und  Secre- 
lionen  in  derselben  unvollkommen  vor  sich  gehen,  so  sind  warme  Bäder 
oder  wenigstens  warme  Waschungen  und  Reibungen  des  Körpers  sehr 
zweckmässig.  Scrofulöse  Kinder  soll  man  warm  kleiden,  besonders  in 
der  kältern  Jahreszeil,  doch  sollten  sie  täglich,  auch  bei  kälterem  Wetter 
Bewegung  machen.  Der  Aufenthalt  in  gesunder  Luft,  besonders  auf 
dem  Lande,  ist  von  so  grosser  Wichtigkeit,  dass  oft  dadurch  allein  Hei- 
lung erfolgt. 

Die  örtliche  Behandlung  muss  dem  jedesmaligen  localen  Uebel  ange- 
messen sein,  und  ist  daher  aus  dem  über  die  Behandlung  der  einzelnen 
Entzündungsformen  Gesagten  zu  entnehmen.  Besonderer  Erwähnung  be- 
darf noch  der  hohe  Grad  von  Lichtscheu  nebst  dem  Lidkrampfe.  Die 
Menge  der  dagegen  empfohlenen  Mittel  deutet  schon  an ,  dass  er  in  vielen 
Fällen  schwer  zu  bekämpfen  ist.  Nicht  selten  versucht  man  eine  Reihe 
von  Mitteln  umsonst;  auch  schwindet  er  bisweilen  plötzlich,  ohne  dass 
man  etwas  gegen  ihn  gethan  hat.  Die  wichtigsten  Mittel  dagegen  sind: 
Ein  drastisches  Purgans  aus  Calomel  mit  Jalapa;  der  Brechweinstein  in 
kleinen  Gaben ,  allein  oder  mit  etwas  Conium ;  die  Tinct.  Conii  maculati, 


125 

oder  das  Coniin  zu  l/i0  Gran  3mal  täglich.  Aeusserlich  empfahl  man:  Nar- 
cotica  (Opium,  Hyoscyamus  oder  Belladonna)  in  die  Umgebung  des  Auges; 
(Lawrence  empfahl  ausgewundene  in  eine  Abkochung  von  Mohnköpfen 
oder  Chamillen  getauchte  Flanelllappen,  so  warm  als  man  es  erleidet, 
überzuschlagen.  Lebert  empfielt  Umschläge  mit  einem  Decoctum  Herb. 
Hyoscyami  aus  2  Drachmen  auf  5  Unzen  Wasser  mit  l/2  Drachme  Borax) ; 
das  Bestreichen  der  äussern  Lidfläche  mit  Lapis  inf.  oder  mit  einer  Salbe 
aus  Merc.  praec.  alb.  Gr.  3,  Extr.  Beilad.  Gr.  8,  But.  rec.  ins.  Dr.  1;  das 
Bestreichen  der  Lidränder  mit  Ungt.  compositum;  Umschläge  mit  Sublimat- 
oder Boraxsolution ;  das  Eintröpfeln  von  Tinct.  bignon.  catalp.  1  scrup. 
auf  1  Dr.  destillirten  Wassers;  in  vielen  Fällen  hat  die  Instillation  einer 
schwachen  Lösung  von  Nitras  arg.  (1 — 2  Gran  auf  1  Unze  Wasser)  den 
besten  Erfolg.  Ableitungen  auf  die  Haut  durch  das  Ungt.  Authenriethi 
auf  die  Nacken-  oder  Scheitelgegend  hatte  bisweilen  Erfolg ,  steigerte  aber 
auch  in  manchen  Fällen  die  Reizbarkeit  des  Individuums  noch  mehr.  Ueber- 
haupt  ist  der  zu  ausgedehnte  Gebrauch  von  äussern  Hautreizen ,  besonders 
bei  Scrofulösen  mit  zartem  Hautorgan  nicht  sehr  vortheilhaft,  indem  die 
dadurch  erregte  Hyperaesthesie  der  Hautnerven  sich  auf  die  Augennerven 
verbreitet.  Einen  massigen  Hautreiz  kann  man  durch  die  Resina  Elemi 
in  der  Nackengegend  unterhalten.  —  Wo  kein  heftiger  Lidkrampf  besteht, 
kann  man  ein  schleimiges  Collyrium  mit  einem  narkotischen  Extracle  an- 
wenden; bei  Pustelbildung  bediene  man  sich  des  Sublimats;  bei  stärkerer 
Secretion  und  Auflockerung  der  Conjunctiva  der  Adstringentia;  bei  Ble- 
pharoblennorrhoe  mit  Tarsomalacie  leistet  eine  Alaunlösung  mit  etwas 
Tinct.  Opii  simpl. ,  so  wie  auch  Einträuflungen  mit  einer  Lösung  von  Lapis 
infern,  gute  Dienste.  Die  Blepharoadenitis,  Keratitis  etc.  werden  nach  den 
bei  diesen  Krankheitsformen  entwickelten  Grundsätzen  behandelt.  Horn- 
hautgeschwüre erfordern  eine  besondere  Aufmerksamkeit.  Die  Behandlung 
derselben ,  sowie  der  Folgezustände  erhellt  aus  dem  in  dem  betreffenden 
Abschnitte  darüber  Erwähnten. 

2.  Die  rheumatische  Ophthalmie. 

Dieselbe  ergreift  grösstentheils  die  fibrösen  und  serösen  Gebilde  des 
Sehorgans  und  seiner  Umgebungen,  und  wird  durch  Verkühlung,  Einwir- 
kung der  Zugluft,  schnellen  Temperaturwechsel  veranlasst.  Sie  tritt  im 
Frühjahre  und  Herbst  und  im  Anfange  des  Winters  häufiger  auf.  Die  ge- 
wöhnlichste Entzündungsform  ist  jene,  welche  in  dem  fibrösen  Gewebe 
haftet,  das  die  Augenmuskeln  umhüllt,  die  Sclerotica  deckt,  und  3ich  an 
dieselbe  im  Umfange  der  Cornea  anheftet.  (Scleritis  rheumatica).  Ihre  Er- 
scheinungen sind:    Ein   doppeltes  Blutgefässnelz;    das   oberflächliche   be- 


126 

wegliche  hat  seinen  Sitz  in  der  Scleralbindehaut ,  das  tiefe,  rosenrothe  aus 
feinen  Gefässen  bestehende  in  der  oberflächlichen  Lage  der  Sclera.  Im 
Bindehautblättchen  der  Cornea  erscheinen  bisweilen  ein  oder  mehrere 
Phlyctaenen ;  die  Thränensecretion  ist  verstärkt,  die  Lichtscheu  bedeutend; 
das  Sehvermögen  etwas  gestört  (Nebelsehen);  reissender,  stechender,  vager 
Schmerz  im  Auge,  in  dessen  Umgegend  und  in  der  leidenden  Kopfhälfte, 
oft  auch  im  Nacken.  Dazu  gesellen  sich  nicht  selten  anderweitige  rheu- 
matische Affectionen,  vorzüglich  rheumatische  Gelenksschmerzen,  so  wie 
auch  die  Augenenlzündung  mit  derartigen  Affectionen  bisweilen  abwechselt. 
Die  Entzündung  geht  bei  unzweckmässigem  Verhalten  gerne  auf  die  Cor- 
nea und  Iris  über.  Sie  macht  ziemlich  oft  Rückfälle.  Die  Prognose  ist 
günstig,  so  lange  die  tiefern  Gebilde  (Iris)  noch  nicht  ergriffen  sind.  Die 
Behandlung  dieser  Entzündung  besteht  bei  höherm  Grade  des  Leidens  in 
örtlichen  Blutentleerungen  durch  Blutegel ,  oder  noch  besser  durch  blutige 
Schröpfköpfe,  in  der  innerlichen  Anwendung  von  Nitrum  zu  5 — 10  Gran 
pro  dosi  und  in  der  Application  narcolischer  Mittel  (Hyoscyamus,  Opium, 
Acetas  Morphii)  in  der  Supraorbitalgegend.  Auch  die  Pulveres  Plummeri 
mit  Extr.  Aconiti,  oder  das  Vinum  sem.  Colchici  können  innerlich  gegeben 
werden.  Wo  sich  Neigung  zur  Transpiration  zeigt,  lasse  man  Abends  eine 
Schale  warmen  Lindenblüthenthee  trinken.  Beim  Nachlasse  der  heftigem 
Entzündungssymplome  ist  die  Application  eines  Vesicators  auf  den  Nacken 
oder  die  Zitzengrube  angemessen.  Wenn  die  Entzündung  die  Iris  zu 
ergreifen  droht,  gehe  man  bald  zur  Anwendung  von  Calomel  über,  (siehe 
Pag.  96).  Die  rheumatische  Entzündung  haftet  auch  zuweilen  in  den 
fibrösen  Gebilden  der  Orbita  (siehe  Entzündung  der  Orbita). 

3.  Die  arthritische  Ophthalmie. 

Diese  schlägt  ihren  Sitz  meistens  in  den  tiefern  Gebilden  des  Seh- 
organs, namentlich  in  der  innern  Fläche  der  Sclera ,  in  der  Choroidea  und 
Iris  auf.  Bisweilen  jedoch  beobachtet  man  bei  gichtischen  Individuen  auch 
eine  äussere  Augenentzündung  mit  eigenthümlichen  Phänomenen.  Die  Ge- 
fässe  der  Conjunclivah  aben  eine  entschiedene  Neigung  varicös  zu  werden, 
sind  daher  erweitert,  geschlängelt,  mit  dunkelrothem  Blute  erfüllt.  Sie  errei- 
chen den  Rand  der  Cornea  nicht,  sondern  in  der  nächsten  Umgebung  der- 
selben erscheint  ein  bläulicher  Ring  (wahrscheinlich  der  ausgedehnte  Sinus 
venosus).  Die  Augenlidränder  sind  dunkel  geröthet ,  etwas  angewulstet, 
und  häufig  tritt  an  der  äussern  Lidfläche  ein  acutes  Oedem ,  ähnlich  der 
Blasenbildung  nach  Einwirkung  eines  Vesicators  auf.  Zuckende  Bewegun- 
gen des  Orbicularrnuskels  sind  zuweilen  zu  bemerken,  durch  diese  wird  das 
von  der  Conjunctiva  und  den  Meibomischen  Drüsen  gelieferte  albuminöse 


127 

Secret  häufig-  zu  einer  schaumigen  Flüssigkeit  geschlagen ,  die  man  unter 
dem  Namen  arthritischen  Schmeer  als  pathognomonisches  Symptom  der 
arthritischen  Ophthalmie  bezeichnete,  was  aber  nicht  der  Fall  ist,  da  sie 
auch  bei  andern  Entzündungen,  bei  der  Trichiasis  u.  s.  w.  beobachtet  wird. 
Die  Kranken  haben  das  Gefühl  von  Kälte  und  Wüstigkeit  in  der  Stirn- 
gegend; heftige,  reissende  Schmerzen  wülhen  in  der  Supraorbitalgegend, 
und  verbreiten  sich  nach  dem  Verlaufe  der  zwei  ersten  Aeste  des  Trige- 
minus.  Sie  exacerbircn  insbesondere  bei  Witterungsveränderungen  und 
in  Federbetten.  Das  Auge  hat  ein  mattes,  abgelebtes  Ansehen ;  die  Iris 
erscheint  in  der  Regel  atrophisch,  dünn,  graulich,  entfärbt  (Pigmentmangel), 
die  Bewegungen  derselben  träge,  die  Pupille  etwas  erweitert.  Arthrilische 
Anfälle  an  andern  Theilen  des  Körpers  wechseln  mit  dieser  Entzündung 
ab.  Wo  die  arthritische  Entzündung  tiefere  Gebilde  ergreift,  hat  sie  ihren 
Sitz  in  der  Iris,  in  der  Choroidea  oder  in  beiden  zugleich.  Sie  hat  dann 
die  bereits  oben  bemerkten  Phänomene  und  führt  nicht  selten  zur  glauco- 
matusen  Erblindung.  Die  Prognose  ist  im  Ganzen  eine  minder  günstige, 
indem  es  selten  gelingt,  die  Entzündung  ganz  zu  beseitigen.  Das  Handeln 
des  Arztes  beschränkt  sich  vielmehr  darauf,  alle  Schädlichkeiten  so  viel  als 
möglich  zu  beseitigen,  und  dem  Eintritte  arthritischer  Anfälle  auf  das  Auge 
vorzubeugen.  Nebst  genauer  Befolgung  des  für  gichtische  Individuen  passen- 
den Regimens  sorge  man  insbesondere  für  freie  Leibesüffnung  durch  Mittel- 
salze oder  auflösende  Mineralwässer  (Seidschütz,  Pilnau,  Carlsbad,  Marien- 
bad). Warme  Schwefelbäder  dürfen  nur  mit  der  grössten  Vorsicht  gebraucht 
werden.  Von  grossem  Nutzen  und  beinahe  unentbehrlich  bei  Augenleiden 
gichtischer  Individuen  sind  Ableitungen  auf  die  äussere  Haut  durch  warme, 
reizende  Fussbäder,  Frictionen,  Anwendung  reizender  Pflaster  und  Salben, 
Anlegung  künstlicher  Geschwüre  (Fontanelle).  Blutentziehungen  durch 
Blutegel  oder  blutige  Schröpfköpfe  sind  bei  höhern  Graden  der  Entzündung 
des  Auges  angezeigt.  Aeusserlich  dienen  zur  Linderung  der  Schmerzen 
Opiatinfrictionen  der  Supraorbitalgegend.  Augenwässer  werden  fast  nie- 
mals vertragen,  nur  bei  stärkerer  Secrelion  der  Bindehaut  und  Excoriation 
der  Lidränder  und  Winkel  passt  die  Anwendung  einer  lauen  aqua  saturnina. 
Die  Behandlung  der  Iritis  und  Choroideitis  erfordert  die  Berücksichtigung 
der  oben  entwickelten  Grundsätze. 

4.  Die  syphilitische  Ophthalmie. 

Dieselbe  tritt  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  als  Iritis  syphilitica  auf. 
Bisweilen  tritt  bei  mit  Syphilis  behafteten  Individuen  in  Folge  einer  äussern 
Veranlassung  eine  äussere  Augenentzündung  (Scleritis)  ein,  welche  mit 
der  rheumatischen  Ophthalmie  die  grösste  Aehnlichkeit  hat,   nach  einigen 


128 

Tagen  jedoch  auf  die  Iris  übergeht,  und  charakteristische  Zeichen  der 
syphilitischen  Iritis  darbietet.  Sie  ist  eine  Theilerscheinung  der  secundären 
Syphilis  und  bedarf  zu  ihrer  Entstehung-  nicht  immer  eines  besondern 
nachweisbaren  Causalmomentes.  In  allen  gut  constatirten  Fällen  ging  als 
primäre  Affection  immer  ein  syphilitisches  Geschwür  voraus.  Die  Symp- 
tome der  Iritis  syphilitica  haben  keine  conslanten  charakteristischen  von 
denen  der  Iritis  genuina  abweichenden  Eigenschaften.  Grösstenteils  aber 
ist  der  Thränenfluss  und  die  Lichtscheu  nicht  sehr  gross,  ausser,  wenn  die 
Krankheit  zugleich  andere  Organe  ergreift.  Die  Cornea  und  der  hurnor 
aqueus  erscheinen  in  vielen  Fällen  etwas  getrübt.  Die  Schmerzen  wüthen 
vorzüglich  zur  Nachtszeit.  Die  Entzündung  erstreckt  sich  bisweilen  auf 
tiefere  Gebilde  des  Auges,  ihr  Product  ist  selten  Eiter;  dagegen  tritt  die 
plastische  Exsudation  schnell  und  massenreich  ein ;  das  Exsudat  bildet 
sehr  häufig  kleine,  bräunliche,  zackenförmige  Verlängerungen  am  Pupillar- 
oder  Ciliarrande,  oder  gelbröthliche  oder  grauliche  Knötchen,  welche  Beer 
mit  dem  Namen  der  Condylome  belegte;  sie  sind  jedoch  kein  constanles 
Symptom  der  Iritis  syphilitica.  Die  Ausgänge  sind  die  gewöhnlichen  der 
Iritis ,  nicht  selten  Verengerung  oder  Verschliessung  der  Pupille.  —  In 
den  meisten  Fällen  bestehen  neben  der  Ophthalmie  noch  andere  syphiliti- 
sche Affectionen,  nämlich  Geschwüre  der  Rachenschleimhaut,  syphilitische 
Eruptionen  an  der  äussern  Haut  (papulöses,  schuppiges,  pustulöses,  vesi- 
culöses,  am  seltensten  ein  tuberculöses  Exanthem),  Condylome  an  den 
äussern  Genitalien  oder  am  After,  syphilitische  Knochenaffectionen.  Die 
genaue  Diagnose  des  Augenleidens  wird  daher  aus  der  genauen  Berück- 
sichtigung der  Entstehung  des  Leidens,  vorausgegangener  Affectionen,  aus 
dem  Mitbestehen  anderer  syphilitischer  Krankheitsformen  geschöpft.  Wo 
an  der  Iris  die  als  sogenannten  Condylome  beschriebenen  knötchen-  oder 
zackenförmigen  Exsudalionen  zu  beobachten  sind,  ist  wenigstens  der  Grund 
der  Erkrankung  in  der  syphilitischen  Dyscrasie  zu  vermuthen.  Bei  der 
Behandlung  verdienen  die  entzündlichen  und  exsudativen  Vorgänge  am 
Auge  die  meiste  Berücksichtigung.  Sind  diese  Erscheinungen  heftig,  die 
Schmerzen  bedeutend,  so  ist  die  Behandlung  dieselbe,  wie  die  der  genuinen 
Iritis,  und  besteht  in  örtlichen  Blutentziehungen,  der  innern  Anwendung 
von  Purganzen ,  und  hierauf  von  Calomel  bis  zur  beginnenden  Mundaffec- 
tion.  Sind  die  acuten  entzündlichen  Erscheinungen  zurückgetreten,  so 
muss  die  passende  antisyphilitische  Behandlung  eingeleitet  werden.  Die 
Behandlung  mit  Sublimat  in  Piilenform  oder  mit  Jod  hat  in  der  Regel  den 
besten  Erfolg.  Auch  das  Terpentinöl  leistet  viel  und  wird  von  Mehreren 
empfohlen  (Carmichael,  Middlemore,  Heibert).  Eisüberschläge  auf  Kopf 
und  Stirn  bringen  bei  grossen  Schmerzen  vorübergehende  Erleichterung ; 


129 

mehr  leistet  dagegen  die  örtliche  Anwendung  der  Narcotica.  Das  Ungt. 
hydr.  ein.  in  Verbindung  mit  Belladonna-Extract  oder  Opium  wird  nach 
beseitigten  entzündlichen  Zufällen  in  der  Supraorbitalgegend  eingerieben. 

Als  eine  besondere  Form  der  syphilitischen  Ophthalmie  verdient  noch 
die  von  Lawrence  beschriebene  gonnorrhoische  Entzündung  der 
Sclerolica  beschrieben  zu  werden,  da  sie  wirklich  bisweilen  vorkommt. 
Die  Gefässe  zwischen  der  Bindehaut  und  Sclera  sind  injicirt,  der  vordere 
Theil  der  letztem  wird  hellroth;  dabei  besteht  heftiger  Schmerz  im  Auge 
mit  dem  Gefühle  grösserer  Spannung,  Lichtscheu  und  verstärkte  Thränen- 
secretion.  Die  Iris  wird  bald  glanzlos,  ihre  Farbe  entzündlich  verändert, 
die  Pupille  verengert  und  es  treten  Exsudate  in  ihr  auf.  Auch  die  Cornea 
wird  neblich  getrübt  und  das  Sehvermögen  mehr  oder  weniger  gestört. 
Adhäsionen  der  Pupille  bleiben  nach  einem  höhern  Grade  dieser  Entzün- 
dung häufig  zurück.  Diese  Entzündungsform  tritt  bei  Individuen  auf, 
welche  längere  Zeil  an  Blennorrhoeen  der  Harnröhre  gelitten  haben.  Rheu- 
matische Affeclionen  der  Gelenke  begleiten  sie  häufig;  die  Entzündung 
besieht  zuweilen  zu  gleicher  Zeit  in  der  Urethra,  in  den  Augen  und  Gelen- 
ken, in  andern  Fällen  werden  diese  Theile  nach  einander  afficirt.  Da  die 
Krankheit  sehr  häufige  Anfälle  macht  und  oft  lange  Zeil  hindurch  das  In- 
dividuum an  verschiedenen  Theilen  davon  befallen  wird,  so  lässt  sich  ver- 
muthen,  dass  eine  eigentümliche  Constitution  dem  Entstehen  des  Uebels 
zu  Grunde  liege.  Lawrence  empfiehlt  Blutentziehungen,  Purgiermiltel 
und  milde  laue  Fomente  aus  einer  Abkochung  von  Mohnköpfen  auf  das 
Auge.  Ist  die  Entzündung  gemildert,  so  wendet  er  Plumers  Pulver  oder 
das  Colchicum  nebst  Blasenpflastern  und  warmen  Bädern  an.  Wenn  das 
Individuum  sehr  geschwächt,  die  Lichtscheu  heftig  und  überhaupt  das  Ner- 
vensystem sehr  irritirt  ist,  ist  von  der  innern  Anwendung  des  schwefelsau- 
ren Chinins  das  Meiste  zu  erwarten. 

5.  Die  exanthemaiische  Ophthalmie. 

Bei  mehreren  acuten  Exanthemen  (Masern,  Scharlach,  Blattern)  tre- 
ten theils  schon  während  des  Verlaufes  derselben  ,  theils  nach  denselben 
Entzündungen  am  Auge  auf,  daher  man  primäre  und  seeundäre  exanthe- 
maiische Ophthalmien  unterscheidet.  Sie  haben  ihren  Sitz  grösstenteils 
in  der  Bindehaut  und  mehr  oder  weniger  die  Charaktere  der  calarrhali- 
schen  Augenentzündung.*) 

Den  Ausbruch  der  Masern  begleitet  fast   constant  eine  stärkere  enl- 


*)  Das  eigentliche  Bindehautexanthcm    wurde  bereits  pag.  59  beschrieben. 

Me  y  r  ,  Augenheilkunde.  Q 


130 

zündliche  Affection  der  Conjunctiva  mit  Lichtscheu  und  vermehrter  Thrä- 
nensecretion.  Sie  tritt  mit  dem  acuten  Exantheme  auch  wieder  zurück, 
und  erfordert  höchstens  Schützung  des  Auges  vor  grellerem  Lichte.  Auch 
im  Scharlach  tritt  nicht  selten  eine  Bindehautentzündung  auf,  ähnlich  der 
morbillösen ;  bisweilen  erstreckt  sich  aber  hier  die  Entzündung  tiefer ,  auf 
die  Iris,  den  Ciliarkörper  und  die  Choroidea  und  kann  durch  bedeutende 
Hyperaemie  dieser  Gebilde,  wie  auch  durch  Exsudation  amaurotische  Zu- 
fälle herbeiführen.     Die  Behandlung  ist  antiphlogistisch-derivirend. 

Die  wichtigste  exanthematische  Ophthalmie  ist  wegen  ihrer  schweren 
Folgen  die  variolöse.  In  der  gelindern  Form  als  ganz  gewöhnliche 
Bindehautentzündung  auftretend  führt  sie  jedoch  in  schwereren  Fällen  zur 
Bildung  von  Blatterpusteln  in  der  Conjunctiva  und  Cornea.  Durch  den 
Aufbruch  derselben  entstehen  tiefere  Geschwüre  mit  ihren  schädlichen 
Folgen ,  so  dass  die  variolöse  Ophthalmie  schon  in  vielen  Fällen  die  Ur- 
sache unheilbarer  Erblindungen  (durch  Bildung  von  Staphylomen ,  Phthisis 
und  Atrophie  des  Bulbus)  wurde.  Man  sucht  die  Eruption  von  Blatter- 
pusteln im  Auge  während  des  Verlaufs  der  Variola  durch  Bestreichen  der 
Lidränder  mit  Mandelöl,  Ungent.  hydr.  einer,  oder  durch  Belegen  mit  einer 
dünnen  Speckschichte  zu  verhüten.  Bilden  sich  kleine  Pusteln,  so  wende 
man  ein  Collyrium  aus  Sublimat  mit  etwas  Opiumlinctur  an.  Bei  bereits 
gebildeten  Geschwüren  ist  sorgfältige  Behandlung  derselben  nöthig. 

6.  Endlich  ist  noch  des  Einflusses  zu  gedenken,  welchen  der  Scor- 
but  auf  bestehende  Augenentzündungen  ausübt.  Man  beobachtet  solche 
scorbulische  Zufälle  im  Auge  vorzüglich  bei  Seeleuten,  und  in  Gefängnissen 
und  Arbeitshäusern.  Die  Zufälle  bestehen  in  dunklerer,  violetter  Färbung 
der  Bindehaut,  schmutziger  Rölhe  derselben,  erweiterten  Gefässen  ,  Trü- 
bung des  humor  aqueus,  mattem  Ansehen  der  Hornhaut  und  leichtem  Ent- 
stehen von  Geschwüren  in  ihr  und  der  Bindehaut.  Häufig  treten  Eechy- 
mosen  in  der  Conjunctiva  bulbi  und  Blutergiessungen  in  der  vordem  Kam- 
mer ein,  welche  letztere  oft  schnell  wieder  durch  Resorption  verschwinden. 
Die  Erscheinungen  erinnern  sehr  viel  an  diejenigen  der  nach  der  Durch- 
schneidung des  Trigeminus  entstehenden  passiven  Stase  des  Augapfels, 
und  es  scheint  daher  ein  Leiden  der  Gefässnerven  des  Trigeminus  den  im 
Scorbute  auftretenden  Erscheinungen  im  Augapfel  auch  zu  Grunde  zu 
liegen.  Die  Therapie  besteht  in  der  Sorge  für  reine  Luft  und  zweck- 
mässige Nahrung,  in  der  Verabreichung  vegetabilischer  Säuren ,  von  Ca- 
lamus  aromaticus,  Arnica,  China.  Als  Augenwässer  passen  vorzüglich 
Lösungen  von  Acelas  plumbi ,  und  das  reine  Wasser  mit  dem  Zusätze 
von  etwas  Essigsäure. 


131 


VI.  Gesell würe  der  Cornea  und  deren  Folgen. 

Die  im  Gefolge  mancher  Augenentzündungen  und  anderer  Leiden 
auftretenden  Geschwüre  der  Cornea  verdienen,  da  sie  für  die  Integ- 
rität des  Sehorgans  hohe  Bedeutung  haben ,   die  grösste  Berücksichtigung. 

Zersetzung  des  Gewebes ,  demnach  Substanzverlust  der  Cornea  in 
grösserer  oder  geringerer  Ausbreitung,  ist  der  Begriff  eines  Hornhaut- 
geschwüres. 

Die  wichtigsten  Arten  der  Hornhautgeschwüre  sind:  1.  Ablösungen 
des  Epithels  von  der  Faserlage  in  grösserer  oder  geringerer  Ausbreitung; 
Resorptionsgeschwüre  (Erosionen,  Facetten,  auch  catarrhalische 
Geschwüre  genannt).  Solche  Geschwüre  haben  einen  reinen  Grund,  sehen 
wie  kleine  Grübchen  oder  abgeschliffene  Stellen  der  Cornea  aus,  entgehen 
oft  der  Beobachtung ,  und  werden  am  leichtesten  wahrgenommen ,  wenn 
man  die  Cornea  bei  seillicher  Ansicht  durch  Einfallen  der  Lichtstrahlen 
spiegeln  lässt.  2.  Erweichungsgeschwüre;  der  Grund  und  die 
Ränder  des  Geschwürs  sind  trübe,  gelblichweiss ,  die  Fasersubstanz  der 
Cornea  ist  erweicht,  aufgelockert,  ein  Theil  derselben  zerstört.  Sie  dringen 
mehr  in  die  Tiefe  des  Gewebes  der  Cornea  ein  ,  und  durchbohren  dieselbe 
nicht  selten  (perforirende  Hornhautgeschwüre).  3.  Brandiges  Absterben 
der  Cornea  (Necrosirung  oder  Sphacelescenz  [Malacie]  derselben) 
in  Folge  verminderter  oder  aufgehobener  Ernährung.  Sie  sind  den  Er- 
weichungsgeschwüren ähnlich,  nur  ist  der  Verlauf  rascher,  und  die  Aus- 
breitung bedeutender. 

Dem  Orte  des  Entstehens  nach  unterscheidet  man  peripherische  und 
centrale  Hornhautgeschwüre. 

Hornhautgeschwüre  entstehen  desshalb  so  leicht ,  weil  der  Process 
der  Ernährung  derselben  langsam,  ziemlich  unthätig  ist,  und  daher  leicht 
gestört  wird.  Man  beobachtet  das  Vorkommen  von  Hornhaulgeschwüren 
in  folgenden  Fällen : 

1.  Bei  calarrhalischen  Entzündungen  der  Bindehaut. 
Diese  bewirken  meistens  durch  Einwirkung  des  Secretes  Abstossung  des 
Epitheliums  und  daher  seichte  Geschwürchen  (Erosionen),  welche  auch 
selten  gefährlich  sind.  2.  Bei  B  len  n  orihoe  e  n.  Sie  führen  theils  durch 
Einwirkung  des  blennorrhoischen  Secretes  zur  Ablösung  des  Epithels  in 
grösserem  Umfange ,  zur  Anätzung  und  Erweichung  der  Faserlage  der 
Cornea,  theils  bedingen  sie  durch  den  Druck  des  Bindehautwalles  Störung 
in  der  Ernährung,  und  Absterben  kleinerer  oder  grösserer  Partien  der 
Cornea;   sie  sind  daher  höchst  gefährlich.      3.  Bei  scrofulöser  Oph- 

9* 


132 

thalmie.  Die  Geschwüre  entstehen  hier  meistens  durch  Berstung  von 
Pusteln  und  Phlyctänen,  sind  daher  meistens  rund,  und  entweder  ober- 
flächlich und  klar,  oder  tiefer,  der  Grund  und  die  Ränder  eitrig  infiltrirt. 
4.  Bei  Entzündung  der  Cornea,  möge  sie  traumatischen  oder  rheu- 
matischen Ursprunges  sein.  In  solchen  Fällen  zerfällt  das  zwischen  den 
Fasern  der  Cornea  angesammelte  Exsudat  zu  Eiter,  es  bildet  sich  ein  Horn- 
hautabscess,  und  dieser  führt  durch  Eröffnung  nach  aussen  oder  nach  in- 
nen zu  einem  Geschwüre.  Am  leichtesten  geschieht  diess,  wenn  die  Ent- 
zündung heftig,  der  Erguss  rasch  ist,  bevor  sich  neue  Blutgefässe  bilden 
können,  besonders  wenn  das  Individuum  schwächlich  ist.  5.  Die  Malacie 
der  Cornea  oder  das  brandige  Absterben  derselben  erfolgt  bei  verminderter 
oder  aufgehobener  Ernährung  der  Cornea  durch  gehemmten  Nerven- 
einfluss  (Lähmung  des  Quintus)  oder  bei  sehr  geschwächten,  schwer 
erkrankten  Individuen,  wo  sich  (z.  B.  beim  Typhus,  Cholera,  Puerperal- 
fieber) am  untern  Segmente  der  Cornea  grauliche  erweichte  Stellen  und 
wirkliche  Geschwüre  ausbilden;  Einfluss  auf  die  Entstehung  derselben  hat 
hier  der  mehr  oder  minder  gehemmte  Augenlidschlag,  so  wie  die  Einwir- 
kung der  atmosphärischen  Luft  auf  das  halb  offen  stehende  Auge. 

Das  Entstehen  der  Hornhautgeschwüre  begünstigt  vorzüglich  eine 
Schwäche  im  Gesundheitszustande  des  Totalorganismus,  wodurch  die  Er- 
nährung eines  Gebildes,  wie  die  Cornea,  leicht  beeinträchtigt  wird.  Hier- 
aus erklärt  sich  das  brandige  Zerfallen  der  Cornea  (absolute  Atrophie  der- 
selben) bei  Störungen  in  der  Ernährung,  das  häufige  Auftreten  der  Hörn 
hautgeschwüre  bei  geschwächten,  scrofulösen  oder  scorbutischen  Indivi- 
duen, und  die  günstige  Einwirkung  von  Reizmitteln,  welche  die  Thätigkeit 
der  Ernährung  wieder  anregen. 

DerRegenerativ-Process,  welcher  zur  Heilung  der  Hornhautgeschwüre 
erforderlich  ist,  geht,  so  wie  das  Wachsthum  und  die  Ernährung  der  Cornea, 
gewöhnlich  ohne  Blutgefässe  vor  sich.  In  der  Nähe  der  Wunde  oder  des 
Geschwüres  erscheinen  in  grosser  Anzahl  kleine  Partikelchen  (nuclei  oder 
Cytoblasten),  welche  die  Zwischenräume  des  Gewebes  ausfüllen,  und  tem- 
poräre Vereinigung  bewirken.  Daher  tritt  daselbst  eine  milchige  Trübung 
auf.  Das  neue  Material  wird  in  Producte  umgewandelt,  welche  dem  Horn- 
hautgewebe sehr  ähnlich  sind,  daher  in  solchen  Fällen  die  normale  Durch- 
sichtigkeit der  Cornea  wiederkehrt,  oder  welche  die  Eigenschaften  der 
Elemente  der  Cornea  nicht  annehmen  ,  sondern  auf  der  Stufe  des  Narben- 
gewebes stehen  bleiben.  Wenn  obiger  Process  zur  Heilung  nicht  hinreicht, 
so  geht  die  Entwicklung  von  Gefässen  in  der  Tiefe  der  Hornhautsubstanz 
voraus,  bei  lieferen  Geschwüren  bilden  sich  auch  im  Limbus  conjunctivae 
oberflächliche  Gcfässe  in  grosser  Anzahl.     Zur  völligen  Heilung  und  Rege- 


133 

neration  der  Cornea  ist  erforderlich,  dass  die  Descemetischc  Membran  un- 
versehrt oder  der  Riss  sehr  klein  ist ,  und  ihre  Wundränder  sich  sehr  bald 
vereinigen  ,•  dass  der  Zustand  der  Ernährung-  des  Individuums  ein  günsti- 
ger sei,  und  dass  der  nöthige  Grad  von  Reaction  eintrete.  Die  sogenann- 
ten Epithelialgeschwüre  heilen  gewöhnlich  leicht,  und  ohne  Trübung, 
indem  sich  das  Epithelium  wieder  vollkommen  ersetzt;  in  einzelnen  Fällen 
sind  sie  aber  auch  sehr  torpid  und  lassen  lange  eine  abgeschliffene  Stelle 
der  Cornea  zurück. 

Bei  der  Heilung  der  Geschwüre  ist  demnach  der  Charakter  der- 
selben sehr  zu  berücksichtigen  ,  welcher  entweder  entzündlich  (Auftreten 
von  Blutgefässen,  Röthung  des  Auges,  Thränenfluss,  Lichtscheu,  Schmerz) 
oder  torpid  ist,  wobei  die  genannten  Erscheinungen  fehlen-,  und  das  Ge- 
schwür in  der  Heilung  nicht  fortschreitet,  sondern  stationär  bleibt  oder 
weiter  um  sich  greift. 

Die  Folgen  der  Hornhautgeschwüre  sind  verschieden,  je  nachdem 
sie  entweder  die  Hornhaut  durchbohren  oder  nicht.  Im  letzteren  Falle 
wird  der  Subslanzverlust  entweder  durch  vollkommen  durchsichtiges  oder 
durch  Narbengewebe  ausgeglichen.  Die  Narbe  zeigt  je  nach  der  Masse 
des  abgesetzten  Productes  entweder  Depression  oder  Abplattung  oder  auch 
eine  Hervorragung. 

Ist  die  Substanz  der  Cornea  bis  auf  die  Wasserhaut  zerstört,  so  wird 
letztere  durch  den  humor  aqueus  in  Gestalt  eines  Bläschens  hervorgetrieben 
(Vorfall  der  Wasserhaut,  Keratocele).  Dieses  Bläschen  hält  sich 
meistens  nicht  lange,  sondern  reisst  ein,  wobei  die  etwas  relrahirten  Zipfel 
desselben  nach  Art  einer  Halskrause  die  Oeffnung  in  der  Cornea  ausfüllen. 
In  sehr  seltenen  Fällen  kann  die  Keratocele  permanent  werden,  und  stellt 
dann  eine  kleine  durchsichtige  Erhabenheit  dar,  deren  Umfang  ein  undurch- 
sichtiger Streifen  umgibt. 

Ist  es  zum  totalen  Durchbruche  der  Cornea  gekommen,  so  fliesst 
durch  die  Compression ,  welche  der  Augapfel  in  Folge  der  Elasticität  seiner 
Wandungen  erleidet ,  der  humor  aqueus  ab.  Hierbei  wirken  auch  die 
Augenmuskeln  mit,  da  sie  den  Bulbus  comprimiren  können,  wenn  die 
Cornea  an  einer  Stelle  geborsten,  der  Widerstand  daselbst  aufgehoben  ist. 
Die  Iris,  der  Krystallkörper  und  der  Glaskörper  rücken  vor.  Die  Iris  legt 
sich  meistens  an  die  Oeffnung  der  Cornea  an. 

Von  mancherlei  Umständen  hängt  es  nun  ab,  ob  vollkommene  Hei- 
lung, ob  und  welche  Folgezustände  zu  erwarten  sind. 

Dem  weitern  Abfluss  des  humor  aqueus  werden  durch  mechanische 
Verschliessung  oder  Verstopfung  der  Ausgangsöffnung,  weiterhin  durch 
organische  Verwachsung  Schranken  gesetzt.    Zur  mechanischen  Verlegung 


134 

der  Oeffnung  dient  meistens  die  Iris  allein,  seilen  mit  ihr,  oder  allein  die 
vordere  Kapsel  der  Linse.  Wenn  eine  feine  Oeffnung-  längere  Zeit  besteht, 
insbesondere  die  Hornhautsubstanz  in  einer  etwas  schiefen  Richtung-  durch- 
bohrt ist,  und  durch  dieselbe  permanent  oder  wiederholt  das  Kammerwasser 
aussickert,  so  nennt  man  den  Zustand  Hornhautfistel.  Wird  organi- 
sche Verschliessung  durch  Verwachsung  der  Geschwürsränder  herbeige- 
führt, so  kann  sich  die  Iris  und  die  vordere  Kapsel  wieder  zurückziehen, 
falls  noch  keine  innige  Verwachsung  dieser  Gebilde  unter  einander  einge- 
treten ist,  die  wässrige  Feuchtigkeit  sammelt  sich  wieder  an ,  und  die  ein- 
zige Folge  ist  eine  kleine  Hornhautnarbe  an  der  Stelle  des  Geschwüres 
In  andern  Fällen  wird  die  Iris  durch  Exsudat  an  die  Cornealöffnung  ange 
löthet,  und  bleibt  nach  der  Vernarbung  derselben  an  die  Cornea  angewach- 
sen,  welchen  Zustand  man  vordere  Syn  echie  nennt,  die  entweder  je 
nach  der  Grösse  des  Hornhautgeschwüres  mehr  oder  weniger  ausgebreitet 
sein  kann.  Die  vordere  Synechie  heissl  eine  partielle,  wenn  nur  ein  Theil 
der  Iris  mit  der  Cornea  verwachsen,  der  übrige  Theil  frei  ist,  total  jedoch, 
wenn  der  ganze  Pupillarrand  der  Iris  an  die  Cornea  angewachsen  ist.  Es 
kann  ferner  nach  Retraction  der  vordem  Kapsel  die  Mitte  derselben  durch 
Exsudatauflagerung  getrübt  bleiben ,  und  somit  eine  Cataracta  capsulari\ 
centralis  die  Folge  eines  perforirenden  Hornhautgeschwüres  sein. 

Ist  die  Oeffnung  nach  der  Perforation  der  Cornea  etwas  grösser,  so 
wird  gewöhnlich  ein  mehr  oder  weniger  grosser  Theil  der  Iris  in  dieselbe 
hineingedrängt  und  hervorgetrieben,  was  man  Vorfall  der  Iris  (Pro- 
lapsus iridis)  nennt.  Frisch  nennt  man  den  Vorfall  der  Iris ,  so  lange  das 
Gewebe  derselben  noch  nicht  verändert  ist.  Kleinere  und  frische  Irisvor- 
fälle können  sich  wieder  zurückziehen ,  und  die  Oeffnung  ohne  Verwach- 
sung der  Cornea  mit  der  Iris  verheilen.  War  jedoch  der  vorgefallene  Thei 
der  Iris  grösser,  oder  in  die  Hornhaulöffnung  eingeklemmt,  so  entzündet 
er  sich,  theils  durch  den  Conlact  mit  der  atmosphärischen  Luft  und  den 
Secrelen  des  Auges,  theils  durch  die  Reibung  der  Lider;  die  biossliegende 
Partie  der  Iris  schwillt  an,  wird  dunkler,  blass  oder  fleischrolh  gefärbt,  oft 
granulös,  und  bedeckt  sich  mit  einer  Schichte  plastischen  Exsudates,  wel- 
ches mit  dem  von  der  Cornea  ausgeschwitzten  verschmilzt  und  eine  blei- 
bende Verwachsung  zwischen  Cornea  und  Iris  (Synechia  ant.)  herbeiführt. 
In  die  Hornhautnarbe  sind  sehr  häufig  Partikelchen  vom  Pigmente  der  Iris 
eingeheilt,  und  sie  erscheint  bräunlich  oder  schwärzlich  gefleckt. 

Der  mit  einer  Exsudatschichte  überkleidete  Vorfall  der  Iris,  welcher 
dadurch  graulich  wird,  und  wo  das  Gewebe  der  Iris  namhaft  verändert 
erscheint,  heisst  ein  veralteter  Vorfall  der  Iris.  Er  erhielt  je  nach  der 
verschiedenen  Form  und  Grösse  von  den  Autoren  die  Namen  Mückenkopf 


135 

(Myokephalon),  Nagelkopf  (Clavus).  Bisweilen  erreicht  der  Irisvorfall  durch 
massenreiche  Exsudate  eine  namhafte  Grösse,  es  entwickeln  sich  in  dem- 
selben Gefässe,  und  er  gewinnt  ein  rölhliches,  fleischfarbenes,  fungöses 
Ansehen,  in  welchem  Zustande  man  ihn  den  wuchernden  Irisvorfall 
(prolapsus  iridis  luxurians)  nennt.  Die  vorgefallene  Partie  der  Iris  flacht 
sich  nach  und  nach  immer  mehr  ab ,  und  es  bleibt  zuletzt  ein  bräun- 
licher oder  bläulichgrauer  Fleck  an  der  Stelle  der  vordem  Synechie  ohne 
sichtbare  Hervorragung,  bisweilen  mit  Verdickung  der  Narbe  der  Horn- 
haut zurück. 

Sowohl  der  Vorfall  der  Iris  als  auch  die  vordere  Synechie  bedingt  * 
eine  Verziehung  und  eine  mehr  oder  minder  bedeutende  Verengerung  der 
Pupille,  welche  dadurch  oft  einer  Spalte  ähnlich  wird.  Grössere  Vorfälle 
der  Iris  können  selbst  eine  totale  Verschliessung  der  Pupille  herbeiführen ; 
namentlich  geschieht  diess  dann,  wenn  das  Hornhautgeschwür  in  dem 
Centrum  gelagert  war  und  der  ganze  Pupillarrand  der  Iris  mit  der  Horn- 
haut verwächst. 

Nicht  selten  kommt  es*  in  Folge  von  Hornhautgeschwüren  zur  Bil- 
dung von  Staphylomen  der  Hornhaut.  Zum  Begriffe  eines  Hornhaul- 
slaphylomes  gehört  Hervorragung  der  in  ihrem  Gewebe  veränderten,  ge- 
trübten und  mit  der  Iris  verwachsenen  Cornea.  Man  nennt  ein  solches 
Hornhautstaphylom  auch  das  undurchsichtige  (opacum),  um  es  von  einem 
andern  Zustande  zu  unterscheiden,  welcher  durchsichtiges  Hornhautstaphy- 
lom genannt  wurde  (S.  Cornea  conica  pag.  88)  *). 

Man  unterscheidet  vor  Allem  : 

1.  Das  Slaphyloma  simplex,  das  einfache  Staphylom,  ein  Zu- 
stand, der  auf  die  Vordergebilde  des  Bulbus  beschränkt  ist,  wobei  das  vor- 
treibende Agens  der  angesammelte  Humor  aqueus  ist,  die  tieferen  Gebilde, 
Sclerolica,  Choroidea  und  Retina  jedoch  nicht  afficirl  sind,  demnach  noch 
Lichlempfindung  vorhanden  ist. 

2.  Das  compl  icirle  Staphylom  (St.  complicalum),  wo  nicht  nur 
Cornea  und  Iris  afficirl  sind,  sondern  der  Krankheitsprocess  sich  auch  auf 
die  liefern  Gebilde,  die  Sclerotica  und  Choroidea  ausbreitet,  die  Lichtenl- 
wicklung  aufgehoben  und  die  Form  des  ganzen  Augapfels  mehr  verändert 


*)  Es  wurden  früher  unter  dem  Namen  Staphylom  überhaupt  jene  Krank- 
heitszuslände  zusammcngefasst,  welche  eine  Hervorragung  am  Augapfel  dar- 
stellten. So  gibt  es  Staphylomc  der  Cornea,  der  Iris,  des  Ciliarkörpers ,  der 
Sclerotica;  als  Staphyloma  corneae  pellucidum  bezeichnete  man  die  Cornea 
conica,  so  wie  auch  den  Hydrophthalmus  anterior,  somit  sehr  heterogene  Zu- 
stände mit  dem  Namen  Staphylom. 


136 

ist,  das  Vortreibende  ist  in  diesem  Falle  der  humor  vitreus,  so  wie  Exsudat- 
massen in  der  hintern  Hemisphäre  des  Bulbus,  die  grösstentheils  durch  Ent- 
zündung der  Choroidea  geliefert  wurden. 

Das  Hornhautstaphylom  heisst  ein  partielles,  wenn  ein  Theil  der 
Cornea  und  Iris  noch  normal  ist,  mithin  die  krankhaften  Veränderungen 
sich  nur  auf  eine  Partie  der  Cornea  und  Iris  erstrecken,  ein  totales  hin- 
gegen, wenn  die  Verbildung  die  ganze  Cornea  und  Iris  betrifft. 

Hinsichtlich  der  Form  unterschied  man  das  kugelförmige  (St.  globo- 
sum)  und  das  kegelförmige  Staphylom  (St.  conicum).  Allein  diese  Einthei- 
•  lung  ist  desshalb  nicht  sehr  wesentlich,  weil,  wie  es  aus  dem  Folgenden 
hervorgehen  wird,  die  Verschiedenheit  der  Form  von  der  Ausbreitung  des 
Krankheitsprocesses  abhängt  und  es  auch  zwischen  dem  conischen  und  ku- 
gelförmigen Staphylome  mannigfache  Abstufungen  gibt. 

Die  Bedingungen  zur  Entstehung  des  Staphyloms  sind 
Entzündung  der  Cornea  und  der  Iris,  der  Contact  beider  Gebilde,  so  wie, 
dass  die  Quellen  des  humor  aqueus  nicht  versiegt  sein  dürfen,  sonst  bleibt 
es  bloss  bei  vorderer  Synechie.  Grösstentheils  ist  es  geschwürige  Destruc- 
tion  der  Cornea,  welche  zur  Staphylombildung  führt.  Die  Faserschichlen 
der  Cornea  müssen  nicht  nur  in  der  Tiefe,  sondern  auch  in  grösserer  Breite 
zerstört  sein.  Wenn  dann  die  Iris  sich  an  die  Oeffnung  anlegt,  mit  der 
Cornea  verwächst,  die  Aussickerung  oder  der  Abfiuss  des  humor  aqueus 
verhindert  ist  und  beide  Gebilde,  nämlich  Cornea  und  Iris  erweicht  sind, 
so  werden  sie  durch  den  neu  abgesonderten  humor  aqueus,  so  wie  durch 
die  Contraction  der  Augenmuskeln  allmälig  nach  vorne  gedrängt.  An  der 
Oberfläche  dieser  Gebilde  wird  eine  Exsudatschichle  abgesetzt,  welche  nach 
und  nach  zu  einer  pseudomembranösen  Schichte  wird.  Wenn  sich  ohne 
Perforation  der  Hornhaut  ein  Staphylom  entwickelt,  so  muss  die  Entzün- 
dung der  Cornea  und  Iris  einen  hohen  Grad  erreicht  haben,  wodurch  beide 
Gebilde  sich  auflockern,  anschwellen  und  durch  temporäre  Unterdrückung 
der  Secretion  des  humor  aqueus  in  Contact  kommen;  secernirt  später  der 
Ciliarkörper  wieder  wässrige  Feuchtigkeit,  so  werden  beide  Gebilde  nach 
vorwärts  getrieben  und  ausgedehnt. 

Wenn  bei  der  Bildung  des  Staphyloms  nur  ein  Theil  der  Cornea 
afficirt  ist,  ein  grösserer  Theil  derselben  von  der  Verbildung  frei  bleibt,  so 
wirkt  die  vis  a  tergo  nur  auf  die  erkrankte  Partie,  es  entsteht  ein  partielles 
Hornhautstaphylom,  welches  daher  mehr  oder  weniger  eine  kegelförmige 
Gestalt  haben  wird.  Ein  solches  Staphylom  kann  durch  wiederholte  Ent- 
zündungsanfälle, wodurch  auch  der  übrige  Theil  der  Cornea  und  Iris  er- 
weicht, hervorgetrieben  wird  und  diese  mit  einander  verwachsen  können,  zu 
einem  totalen  werden. 


137 

Von  der  Reichlichkeit,  Raschheit  undGleichmässigkeit  der  fibrös-albu- 
minösen  Ausschwilzung,  und  ob  diese  nur  an  der  Oberfläche  oder  auch  in 
den  vergröss'erlen  Zwischenräumen  der  Hornhautlamellen  abgelagert  wird, 
hängt  die  Veränderung  der  Form  und  Wölbung  des  Bulbus  ab.  Das  Staphy- 
lom  der  Cornea  besteht  aus  folgenden  Schichten:  1.  Einer  Epithelialschicht, 
welche  ziemlich  dick  ,  oft  runzlig  und  besonders  in  älteren  Staphylomen 
von  ausgedehnten  Gefässen  durchzogen  ist;  2.  aus  einer  pseudomembra- 
nösen Schichte,  welche  theils  amorphe  Materie,  theils  wirkliche  Fasern  ver- 
dichteten Zellstoffs  enthält;  hie  und  da  sieht  man  nicht  alterirte  Horn- 
hautfasern; sie  hat  verschiedene  Dichtigkeit  und  neu  gebildete  Gefässe; 
von  der  Wasserhaut  finden  sich  nur  noch  Spuren.  3.  Von  der  Iris  sind 
nur  grössere  oder  kleinere  membranöse  Stückchen  oder  Häufchen  von  Pig- 
mentkügelchen  übrig,  die  in  den  Grübchen  an  der  hinteren  Fläche  des 
Staphyloms  zerstreut  liegen ;  diese  dritte  Schichte  verdünnt  sich  Immer 
mehr  und  kann  zuletzt  gänzlich  schwinden. 

Das  Staphylom  der  Iris  ist  nichts  anders,  als  ein  totaler  mit  einer 
mehr  oder  minder  mächtigen  Exsudatschichle  überkleideler  und  hervorge- 
triebener  Vorfall  der  Iris.  Wenn  es  geschieht,  dass  derbere  oder  feslere  Strei- 
fen oder  Balken  des  Exsudates  der  vis  a  tergo  mehr  widerstehen,  die  dazwi- 
schen liegenden  Partien  dagegen  nachgeben,  so  bekommt  das  Ganze  eine 
Aehnlichkeit  mit  einer  Brombeere  und  wird  der  Aehnlichkeit  wegen  Sta- 
phylo ma  racemosum  (Traubenstaphylom)  genannt.  Hat  der  ausge- 
dehnte Irisvorfall  sammt  seiner  Bedeckung  einen  gewissen  Grad  von  Festig- 
keit erlangt,  so  dass  er  nicht  weiter  ausgedehnt  werden  kann  und  erfolgt 
wegen  der  Fortdauer  des  Congestions-  und  Reizungszustandes  der  Ciliar- 
gefässe  vermehrte  Abscheidung  von  humor  aqueus,  so  wird  auch  der  vor- 
derste Theil  der  Sclerotica  in  Mitleidenschaft  gezogen,  es  bildet  sich  ein 
complicirtes  Staphylom  aus.  Dessgleichen  kann  auch  aus  einem  einfachen 
Hornhautslaphylom  ein  complicirtes  werden,  wenn,  wie  diess  bei  gichtischen 
Individuen  vorzugsweise  geschieht,  der  Entzündungsprocess  auf  tiefere  Ge- 
bilde (Choroidea)  übergreift. 

Das  partielle  Staphylom  beschränkt  oder  hebt  das  Sehvermögen  nur 
in  so  fern  auf,  als  die  Pupille  durch  dasselbe  verzogen,  verengt,  gänzlich 
geschlossen  oder  durch  die  Trübung  der  Cornea  bedeckt  ist.  Das  totale 
Hornhaulstaphylom  verursacht  stets  eine  bedeutende  Entstellung  des  Aug- 
apfels, ferner  dadurch,  dass  es  von  den  Augenlidern  nicht  gehörig  bedeckt 
werden  kann,  und  deren  Reibung,  so  wie  der  Einwirkung  fremder  Körper 
ausgesetzt  ist,  eine  bedeutende  Reizung,  welche  sich  sowohl  per  consensum 
dem  andern  etwa  gesunden  Auge  mittheilen,  als  auch  zur  Entzündung,  Ver- 
schwärung  und  Berstung^des  Staphyloms  selbst  führen  kann. 


138 

Als  Folge  durchbohrender  Hornhautgeschwüre  hat  man  noch  die  Ab- 
plattung des  Augapfels,  die  Phlhisis  corneae  und  bulbi  zu  betrach- 
ten. Phthisis  corneae  ist  jener  Zustand,  wo  die  Cornea  grösstenteils  oder 
ganz  zerstört,  durch  Narbengewebe  ersetzt  und  dieses  abgeplattet  ist.  Die 
Iris  ist  dabei  an  das  Narbengewebe  fest  angewachsen.  Ein  solcher  Zustand 
bildet  sich  aus,  wenn  vor  der  Vernarbung  dem  humor  aqueus  der  Abfluss 
durch  längere  Zeit  gestattet  war,  und  somit  keine  Hervortreibung  stattfin- 
den konnte.  Zur  Phthisis  bulbi  (Schrumpfung  und  Verkleinerung  des  Aug- 
apfels) kommt  es,  wenn  die  Ernährung  desselben  sehr  beeinträchtigt  wurde, 
oder  nach  der  Zerstörung  der  Cornea,  durch  Geschwüre  oder  grössere  Wun- 
den der  grösste  Theil  der  Augenfeuchligkeiten  entleert  wurde. 

Die  Behandlung  der  besprochenen  Zufälle  erfordert  zur  Verhütung  übler 
Folgen  die  grösste  Aufmerksamkeit.  Hornhautgeschwüre  werden  ihrem  Cha- 
rakter gemäss  behandelt,  und  zwar  mit  antiphlogistischen  Mitteln,  so  lange  sie 
den  Charakter  heftiger  Reizung  zeigen;  wo  diess  nicht  der  Fall  ist,  sucht  man 
durch  örtliche  Anwendung  adstringirender  Mittel  (Alumen,Nitr.  arg.)  das  Ge- 
schwür so  schnell  als  möglich  zur  Vernarbung  zu  bringen.  Hat  letzteres  den 
torpiden  Charakter,  so  suche  man  durch  örtliche  Reizmittel  (Nitr.  arg.,  Lapis 
divin.  mit  tinet.  Opii,  oder  das  reine  Laud.  liq.  Sydenh.)  den  nöthigen  Grad 
von  Reaction  einzuleiten,  mit  Nitras  arg.  in  Substanz  sei  man  vorsichtig. 
Droht  das  Geschwür  zu  perforiren,  so  wende  man,  wenn  es  im  Centrum  der 
Cornea  oder  nahe  demselben  gelagert  ist,  örtlich  Belladonna  an,  um  die 
Pupille  zu  erweitern.  Ist  jedoch  das  Geschwür  der  Cornea  an  ihrer  Peri- 
pherie befindlich,  so  ist  die  örtliche  Anwendung  der  Belladonna  nicht  nur 
nutzlos,  sondern  wegen  der  dadurch  herbeigeführten  Retraclion  der  Iris 
sogar  schädlich. 

Wenn  bereits  Keratokele  oder  Vorfall  der  Iris  eingetreten  ist,  so  ist 
Vermeidung  jeder  Muskelanslrengung  und  stärkerer  Bewegung,  selbst 
ruhige  Rückenlage ,  und  Verklebung  der  Lidspalte  nothwendig.  So  lange 
Zeichen  von  Entzündung  da  sind,  muss  antiphlogistisch,  wenigstens  nicht 
reizend,  verfahren  werden.  Einträuflungen  von  Belladonna  können  sich  nütz 
lieh  bewähren,  wenn  der  Vorfall  der  Iris  nicht  sehr  peripherisch  gelagert  ist 
dadurch  kann  man  auch  einer  ausgebreiteten  Verwachsung  vorbeugen.  Alle 
Reposilionsversuche  sind  schädlich  oder  gefährlich,  namentlich  auch  das 
Wegschneiden  der  vorgefallenen  Irispartie,  oder  das  Wegätzen  mit  Lapis 
inf.  oder  Butyr.  antim.  Bildet  die  vorgefallene  Iris  eine  kolbige  Blase,  so 
punklire  man  dieselbe  mit  einer  Nadel,  und  falls  die  Vernarbung  nicht  er- 
folgen sollte,  touchire  man  die  Stelle  mit  einem  fein  zugespitzten  Lapis, 
oder  trage  mittelst  eines  Haarpinsels  Tinet.  Opii  simpl.  oder  croc.  auf.  Wenn 
eine  Hornhautfistel  besteht,  kann  man  mit  Lapis  inf.  gelinde  ätzen,  jedoch 


139 

immer  mit  grosser  Vorsicht,  weil  man  dadurch  nur  einen  hinreichenden 
Grad  von  Reaction  zur  Verschliessung  der  fistulösen  Oeffnung  erregen  will. 

Resorplionsgeschwüre  erfordern,  wenn  sie  tiefer  sind  und  länger  be- 
stehen, die  Anwendung  der  Opiumtinctur. 

Wo  immer  die  Bildung  des  Staphyloms  im  Anzüge  ist,  sei  man  dar- 
auf bedacht,  den  hydropischen  Zustand  zu  heben  und  die  Gewebe  in  den 
gehörigen  Grad  von  Resistenz  zu  versetzen.  Durch  antiphlogistische  Be- 
handlung, Anwendung  adstringirender  Mittel  und  zeitweise  Punction  der 
am  meisten  hervorgelriebenen  Partie  kann  man  diesen  Zweck  zuweilen 
erreichen.  Ist  die  Pupille  beim  partiellen  Staphylome  gesperrt,  zu  einer 
feinen  Spalte  verzogen,  oder  durch  unheilbare  Hornhauttrübung  verdeckt, 
so  ist  die  Bildung  einer  künstlichen  Pupille  allein,  oder  zugleich  mit  der 
Abtragung  des  Staphyloms  angezeigt,  vorausgesetzt,  dass  die  übrigen  Be- 
dingungen dazu  vorhanden  sind. 

Beim  totalen  Staphylom  hat  man  die  Compression,  die  Einziehung 
eines  Seidenfadens  durch  die  Basis,  die  Anwendung  der  Aelzmillel,  die 
partielle  oder  gänzliche  Abtragung  empfohlen.  Die  Anwendung  der  Caustica 
ist  schädlich,  da  sie  meistens  heftige  Entzündung  und  Schmerz,  wohl  auch 
eitrige  Schmelzung  des  Bulbus  veranlasst.  Nur  die  gänzliche  Abtragung 
nach  Beer's  Methode  ist  zu  empfehlen,  und  man  verrichtet  diese  Operation, 
um  den  Kranken  von  den  lästigen  Zufällen  der  Reizung,  die  auch  das  etwa 
gesunde  Auge  treffen  könnte,  zu  befreien,  die  Entstellung  zu  heben  und 
das  Auge  zur  Application  eines  künstlichen  geeignet  zu  machen.  Die  Ab- 
tragung geschieht,  indem  man  ein  Staarmesser  an  der  Seite  der  Basis  des 
Staphyloms  ein-  und  an  der  entgegengesetzten  Seite  aussticht,  so  dass  man 
beim  Fortschieben  der  Klinge  die  Hälfte  oder  zwei  Drittel  der  Basis  durch- 
schneidet. Den  hierdurch  gebildeten  Lappen  fasst  man  mit  einer  gutgezähn- 
len  Pinzette,  zieht  ihn  etwas  an  und  schneidet  mittelst  einer  nach  der  Fläche 
gekrümmten  mit  der  Convexilät  gegen  den  Bulbus  gehaltenen  Scheere  den- 
selben ab.  In  diesem  zweiten  Momente  muss  der  Gehülfe  beide  Augenlider 
fixiren,  im  ersten  kann  der  Operateur  selbst  das  untere  Augenlid  abziehen. 
Den  Schnitt  soll  man  nicht  hinter  dem  erkrankten  Theile  führen,  sondern 
noch  einen  kleinen  Rand  desselben  zurücklassen,  weil  sich  sonst  der  Bul- 
bus fast  ganz  entleeren  und  die  leeren  Häute  keinen  hinreichenden  Stumpf 
desselben  formiren  würden.  Wo  nach  dem  Abtragen  des  Staphyloms  die 
Linse  vorwärlsgedrängt  erscheint,  bewirke  man  deren  Austreten  durch 
einen  Kreuzschnitt  in  die  vordere  Kapsel,  weil  sonst  die  Wunde  sehr  schwer 
heilt.  Die  Wunde  heilt  durch  Vernarbung.  Es  verlängern  sich  die  Gefässe 
von  der  Peripherie  der  Cornea  und  bilden  ein  Gefässnetz,  welches  eine 
fibrös-albuminöse  Flüssigkeil  aushaucht,  die  auf  der  vordem  Fläche  der 


140 

Hyaloidea  sich  ablagert  und  das  Materiale  zur  spätem  Vernarbung  bildet. 
Wenn  der  Vernarbungsprocess  langsam  vor  sich  geht  und  die  Exsudat- 
masse eine  dünne  Schichte  bildet,  können  die  Operirten  durch  die  schwärz- 
liche Scheibe  selbst  Gegenstände  eine  Zeit  lang  undeutlich  ausnehmen. 
Man  lasse  die  Operirten  nach  der  Operation  mehrere  Tage  lang  bei  ver- 
klebter Lidspalte  eine  ruhige  Rückenlage  beobachten  und  jede  stärkere 
Bewegung  vermeiden.  Sollte  durch  einen  Druck  die  Choroidea  vorfallen 
und  durch  Berstung  der  Gefässe  derselben  eine  stärkere  Blutung  auftre- 
ten, so  kann  man  diese  durch  Abschneiden  der  vorgefallenen  Partie,  An- 
wendung kalter  Ueberschläge  und  möglichste  Beobachtung  der  Ruhe  am 
besten  stillen. 

Beim  complicirten  Staphylome  kann  man  auf  gleiche  Weise  durch 
Amputation  des  Bulbus  die  Form  verbessern  und  die  Reizung  beseitigen. 
Hätte  man  jedoch  bei  bedeutender  Ausbreitung  der  Verbildung  und  Varico- 
sität  des  Bulbus  eine  heftigere  Blutung  oder  eine  phlebitische  Entzündung 
zu  befürchten,  so  wäre  die  Exstirpation  des  ganzen  Bulbus  vorzuziehen. 

Nach  der  Operation  eines  Staphyloms,  so  wie  bei  Atrophie  und  Phthise 
des  Augapfels  lässt  sich  die  Difformität  einigermassen  durch  Einsetzung 
eines  künstlichen  Auges  (Prothesis  ocularis)  verbergen. 

Künstliche  Augen  werden  aus  Glas,  Fayence,  Porzellan  oder  aus 
einer  Goldplatte  mit  aufgetragenem  Email  verfertigt.  Gläserne  sind  zwar 
wohlfeil,  aber  gebrechlich;  emaillirte  haben  den  Vorzug.  Sie  wurden  in 
Paris  von  Hasard  Mirauld  verfertigt,  gegenwärtig  von  Boissonneau,  welcher 
sich  zur  Verfertigung  einer  Verbindung  des  Wismuths  mit  der  Kieselsäure 
bedient.  Ein  künstliches  Auge  ist  eine  convex-concave  Scheibe,  welche 
nach  aussen  und  oben  die  grösste  Breite  hat.  Es  muss  dieselbe  Wölbung 
wie  die  Hornhaut  des  gesunden  Auges  besitzen.  Die  Farbe  der  Iris  soll  der 
natürlichen  Farbe  derselben  des  andern  Auges  entsprechen ,  die  Pupille  in 
der  Mitte  stehen  und  den  mittleren  Grad  der  Erweiterung  haben.  Ein  künst- 
liches Auge  darf  nur  dann  eingesetzt  werden,  wenn  der  Augapfelstumpf  und 
sämmtliche  Orbitalgebilde  sich  in  einem  reizlosen,  entzündungsfreien  Zu- 
stande befinden.  Das  obere  Augenlid  wird  etwas  in  die  Höhe,  das  untere 
herabgezogen  und  sein  Rand  leicht  umgestülpt,  man  schiebt  das  mit  Oel 
überzogene  künstliche  Auge  in  den  Interpalpebralraum  von  unten  nach 
oben  ein,  lässt  dasselbe  leicht  und  sanft  hineingleiten,  gibt  rasch  das  obere 
und  untere  Augenlid  frei,  sie  legen  sich  an  das  künstliche  Auge  und  halten 
dasselbe  fest,  welches  bei  Beweglichkeit  des  Stumpfes  noch  grössere  Täu- 
schung gewährt.  Im  Anfange  verursacht  das  künstliche  Auge  immer  einige 
Reizung  der  Schleimhaut  und  vermehrte  Schleimabsonderung.  Es  muss 
daher  zur  Nachtszeit  herausgenommen  und  der  Stumpf  gereinigt  werden. 


141 

Einlegen  und  Herausnehmen  lernt  der  Kranke  bald  selbst.  Man  zieht  das 
untere  Augenlid  ab,  schiebt  eine  Stecknadel  mit  ihrem  Kopfe  unter  den 
Rand  des  künstlichen  Auges  und  hebt  es  etwas  nach  aufwärts,  worauf  es 
von  selbst  herausfällt. 

Ein  künstliches  Auge  hebt  nicht  nur  die  Deformität,  sondern  ver- 
hütet auch  die  Verkleinerung  der  Orbita,  das  Herabsinken  der  Augenbraue 
und  das  Abflachen  des  obern  Theiles  des  Gesichtes,  begünstigt  das  Ab- 
fliessen  der  Secrete  des  Auges,  beseitigt  das  durch  Abwesenheit  und  Klein- 
heit des  Bulbus  bedingte  Entropium,  so  wie  es  der  Reizung  des  Stumpfes 
durch  einwärts  gekehrte  Cilien  entgegenwirkt. 


DRITTER  ABSCHNITT. 


Krankheiten  der  Form  und  Bildung. 

Theils  in  Folge  von  Entzündungen,  Iheils  ohne  dieselben  durch 
andere  pathologische  Zustände  bedingt  ergeben  sich  an  den  Gebilden  des 
Augapfels  und  dessen  Nebentheilen  mancherlei  organische  Veränderungen 
und  Formfehler.  In  einigen  Individuen  werden  auch  Abnormitäten  der 
Bildung  von  Geburt  aus  sowohl  an  den  Augenlidern  als  auch  am  Augapfel 
beobachtet  (angeborne  Missbildungen).  Je  nach  dem  Baue  und  den  Ver- 
richtungen der  einzelnen  Gebilde  treten  die  organischen  Fehler  auf  als 
Trübungen  durchsichtiger  Gebilde  (Adiaphanoses),  als  Vere  ngeru  n- 
gen  von  Canälen,  Verwachsungen  einzelner  Gebilde  (Synechien  und  Atre- 
sien),  als  Veränderungen  der  Lage  und  Richtung  gewisser  Or- 
gane (Ectopien). 

Zu  dieser  Krankheitsklasse  gehören  auch  die  durch  abnorme  Pro- 
duction  entstehenden  Neugebilde  oder  Ps  eudop  lasmen.  Die  Rich- 
tung der  Organisation  ist  bei  ihnen  eine  verschiedene,  so  dass  entweder 
den  normalen  Geweben  ähnliche  (homologe  Neugebilde)  oder  von  densel- 
ben in  ihrer  Entwicklung'und  Ausbildung  verschiedene,  helerologe  Neuge- 
bilde oder  Krebse  entstehen.  Sie  kommen  sowohl  am  Augapfel,  als  auch 
in  dessen  Nebengebilden  vor  und  haben  je  nach  ihrem  Charakter  und  ihrem 
Einflüsse  auf  die  Ernährung,  Function,  Form  und  Lage  der  einzelnen  Ge- 
bilde verschiedene  Folgen. 

Einzelne  der  hieher  gehörigen  Krankheiten  sind  unheilbar;  manche 
von  ihnen  sind  durch  Anwendung  pharmaceutischer  Mittel  zu  verbessern 
oder  zu  heilen ;  zur  Hebung  der  meisten  jedoch  ist  das  Einschreilen  der 
operativen  Kunslhülfc  erforderlich. 


143 


I.  Angeborne  Missbildungen. 


Sie  kommen  theils  an  den  Augenlidern,  theils  am  Augapfel  vor. 

1.  Zu  den  angebornen  Bildungsfehlern  der  Augenlider 
gehören  das  Colobom  und  der  Epicanthus.  Das  C  o  1  o  b  o  m  der  Lider  besteht 
in  einer  durch  die  ganze  Dicke  des  Augenlides  hindurchgehenden  länglichen 
Spaltung  des  Lides,  analog  der  Hasenscharte.  Die  Scharte  hat  eine  trianguläre 
Gestalt,  indem  die  Zurückziehung  der  Spaltränder  am  Ciliarrande  die  grösste 
ist.  Das  Colobom  kommt  vorzugsweise  am  obern,  fast  nie  am  untern  Lide 
vor.  Das  angeborne  Colobom  ist  als  Folge  einer  pathologischen  Richtung 
der  Bildung  des  Lides  zu  betrachten  (Ammon),  da  in  keiner  Periode  des 
Fötallebens  die  Augenlider  eine  solche  Spaltung  zeigen.  Auch  accidentell 
kann  das  Colobom  der  Augenlider  in  Folge  von  Verwundungen  und  Sub- 
stanzverlust durch  Brand  vorkommen.  Geheilt  wird  es  durch  Anfrischung 
der  Spaltränder  mittelst  einer  Scheere  und  Vereinigung  dieser  Ränder  mit- 
telst der  umschlungenen  Naht. 

Eine  bedeutende  Difformität  und  Entstellung  des  Gesichts  verursacht 
der  Epicanthus,  nämlich  ein  Hautwulst,  welcher  vom  obersten  Theile 
des  Rückens  der  Nase  ausgeht  und  sichelförmig  den  innern  Augenwinkel 
zu  beiden  Seiten  deckt,  so  dass  die  Lidspalte  sehr  verengt  erscheint  und 
die  Cornea  sich  hinter  der  Falte  fast  verbirgt.  Der  Epicanthus  ist  immer 
angeboren  und  meistens  mit  fehlerhafter  Bildung  der  Kopfknochen,  beson- 
ders des  Stirnbeines  (Kürze  und  Depression  des  Nasenfortsatzes  desselben) 
verbunden.  Eine  Besserung  kann  erzielt  werden  durch  die  Rhinorhaphie, 
eine  Operation,  welche  in  Abtragung  einer  halbmondförmigen  Haulstelle 
über  dem  Rücken  der  Nasenwurzel  und  in  Vereinigung  der  Wundränder 
durch  die  umschlungene  Naht  besteht. 

2.  Unter  den  angebornen  Missbildungen  des  Augapfels  sind 
die  wichtigsten  : 

a.  dieMonophthalmie  oder  derjenige  Zustand,  wo  nur  ein  Auge 
vorhanden  ist,  welches  seine  Stelle  und  Lage  behalten  hat,  während  das 
zweite  Auge  ganz  fehlt.    Verschieden  davon  ist 

b.  die  Cy  cl  opie,  wo  beide  Augen  in  der  Mittellinie  des  Angesichts 
einander  sehr  nahe  gerückt  oder  in  eines  verschmolzen  sind.  Dabei  fehlen 
einzelne  Theile  des  Gehirnes,  die  Augenhöhlen,  Nasenhöhlen  und  einzelne 
Knochen  der  obern  Gesichlshälfte ;  oft  ist  ein  Rüssel  über  dem  Auge  vor- 
handen. Bisweilen  zeigen  sich  in  einem  cyclopischen  Auge  zwei  Horn- 
häute und  zwei  Linsen.  Der  Sehnerve  kann  einfach  oder  doppelt  sein  und 
im  letztem  Falle  getrennt  in  die  verschmolzenen  Augen  verlaufen.  Sie 
gehört  den  Verschmelzungsbildungen  an. 


144 

c.  Bei  der  Anophthalmie,  dem  gänzlichen  Mangel  beider  Augen, 
findet  man  die  Augenlider  mehr  oder  weniger  entwickelt  und  leicht  ver- 
einigt oder  ganz  geschlossen.  Die  Augenhöhlen  sind  entweder  ganz  leer 
oder  enthalten  ein  aus  zelligem  oder  Fettgewebe   bestehendes  Rudiment. 

d.  Beim  Microphthalmus  ist  der  Facialtheil  des  Schädels  ver- 
kümmert, die  Orbitae  sind  wenig  entwickelt,  die  Bulbi  klein,  die  Hornhäute 
partiell  getrübt,  dabei  Schwachsichtigkeit  oder  Blindheit  vorhanden. 

e.  Wird  die  Bildung  des  Pigmentes  verhindert,  so  tritt  jene  Hem- 
mungsbildung auf,  welche  man  Albinismus  oder  Leucosis  nennt.  Die 
Haut  solcher  Individuen  (Kakerlaken  oder  weisser  Mohren)  ist  sehr  zart, 
blass,  die  Haare  fein,  hell  gefärbt,  die  Augenlidspalte  zusammengezogen, 
die  Sclerotica  dünn,  die  Iris  erscheint  blassrosenroth  und  zeigt  weissliche 
Streifen.  Bei  erweiterter  Pupille  sieht  man  in  der  Tiefe  des  Auges  die  Ge- 
fässhaut  roth  schimmern  und  in  der  Gegend  der  Papilla  nervi  opt.  einen 
weisslichen  Fleck.    Solche  Individuen  sind  sehr  lichtscheu. 

Wird  das  Pigment  in  der  Iris  nicht  in  gleichförmiger  Weise  abge- 
lagert, so  können  dadurch  mannigfaltige  Flecken  und  Streifen  in  dersel- 
ben entstehen,  die  zuweilen  in  regelmässiger  Anordnung  eine  bestimmte 
Zeichnung  darstellen,  oder  es  ist  der  Pupillartheil  auffallend  anders  gefärbt 
als  der  äussere  Theil  der  Iris;  es  gibt  selbst  Fälle,  wo  die  Iris  an  beiden 
Augen  eine  verschiedene  Färbung  darbietet. 

f.  Das  Colobom  der  Iris  ist  jene  Missbildung,  wo  die  Iris  einen 
Spalt  zeigt,  der  mit  seiner  Spitze  nach  unten  oder  nach  unten  und  innen 
gerichtet  ist.  Es  erklärt  sich  dieser  Fehler  aus  der  Entwicklungsgeschichte 
der  Aderhaut,  welche  von  der  Stelle,  wo  sie  sich  zu  bilden  beginnt,  über 
die  Netzhautblase  allmälig  wächst,  und  demnach  einen  Spalt  zeigt.  Die  Iris 
bildet  sich,  indem  der  vordere  Rand  der  Choroidea,  nachdem  die  Spalte 
geschlossen  ist,  weiter  nach  innen  vorwächst.  Wird  nun  das  Wachslhum 
der  Choroidea  an  den  Endspitzen  gehemmt,  und  bildet  sich  die  Iris  vor 
dem  Verschlusse  der  Spalte,  so  behält  das  Sehloch  seine  birnförmige 
Gestalt  und  in  der  Iris  bleibt  der  Spalt  zurück. 

g.  Die  Irideremie  ist  der  vollkommene  Mangel  der  Iris,  wenn 
nämlich  die  Ausbildung  derselben  gehindert  wird.  Beim  totalen  Irismangel 
sieht  man  den  Grund  des  Auges  dunkelbraun  oder  rubinroth,  eigenthümlich 
glänzend.  Sehr  häufig  besteht  zugleich  Cataract.  Gewöhnliche  Begleiter 
sind  Lichtscheu,  Myopie,  bisweilen  auch  Amblyopie.  Man  beobachtete  die- 
ses Uebel  auch  erblich  in  einzelnen  Familien. 

Als  angeborne  Bildungsfehler  sind  noch  zu  erwähnen  eine  fehler- 
hafte (excenlrische)  Stellung  der  Pupille,  welche  dann  meistens  auch  unre- 
gelmässig erscheint,  eine   angeborne  Hornhauttrübung    als  Stillstand  der 


145 

Cornea  auf  einer  niedern  Bildungsstufe,  die  angeborne  Pupillensperre, 
durch  das  Fortbestehen  der  Membrana  pupillaris  nach  der  Geburt,  und  der 
angeborne  graue  Staar. 

Zu  jenen  Anomalien  der  Augen,  welche  auf  fehlerhafter  Brechung 
der  Lichtstrahlen   beruhen,   gehört  die  Kurzsichtigkeit  und  Fernsichtigkeit. 

Die  Kurzsichtigkeit  (Myopia)  ist  derjenige  Zustand  des  Sehver- 
mögens, welcher  durch  eine  Erhöhung  des  Refractionsv ermögen s  hervor- 
gebracht wird,  so  dass  nur  Lichtstrahlen  naher  Objecte  zu  einem  klaren 
Bilde  auf  der  Netzhaut  vereinigt  werden,  während  die  Bilder  ferner  Objecte 
vor  der  Netzhaut  in  dem  Glaskörpersich  vereinigen,  und  aufderRelinaalsZer- 
strcuungskreise  erscheinen.  Die  gewöhnliche  Sehweite  ist  zwischen  12  und 
20  Zoll  Entfernung.  Die  Myopie  kann  durch  eine  Abnormität  in  der  Form, 
Consistenz  oder  Lage  der  brechenden  Medien  bedingt  sein,  oder  von  einem 
Fehler  der  Accomodation  herrühren.  Eine  der  häufigsten  Ursachen  ist  eine 
grosse  Convexität  der  Hornhaut,  der  Krystalllinse  oder  beider.  Zu  grosse 
Dichtigkeit  der  brechenden  Medien  kann  gleichfalls  Myopie  bedingen. 
Manche  Krankheiten  des  Auges,  nämlich  der  Hydrophthalmus  anterior  und 
die  Cornea  conica,  nicht  vollkommen  entwickelter  grauer  Staar  sind  häufig 
mit  Kurzsichtigkeit  verbunden.  Accomodationsfehler  führen  dann  Myopie 
herbei,  wenn  sich  Individuen  lange  Zeit  mit  Gegenständen  beschäftigen, welche 
ein  Sehen  in  grösserer  Nähe  erfordern,  z.  B.  Lesen,  Schreiben,  microsco 
pische  Arbeiten,  das  Sehen  in  der  Ferne  jedoch  vernachlässigen.  Die  Acco- 
modation des  Auges  für  nahe  Objecte,  zu  welcher  ausser  den  im  Innern  des 
Auges  vor  sich  gehenden  Veränderungen  auch  die  Thätigkeit  der  Augen 
muskeln,  namentlich  der  recti  interni,  mitwirkt,  scheint  in  solchen  Fällen 
durch  die  lange  Uebung  zur  Gewohnheit  geworden  zu  sein  und  die  dabei 
betheiligten  Gebilde  scheinen  eine  stärkere  Ausbildung  erlangt  zu  haben. 
Es  kommt  daher  die  Kurzsichligkeit  vorzüglich  bei  Schülern  und  Studen- 
ten, Gelehrten,  Männern  höherer  Stände,  Schreibern  u.  s.  w.  vor,  häufiger 
aus  demselben  Grunde  bei  Männern  als  bei  Frauen.  Insbesondere  trägt  zur 
Erzeugung  von  Kurzsichtigkeil  das  anhaltende  Lesen  beim  schwachen 
Lichte  viel  bei;  denn  beim  schwachen  Lichte  erweitert  sich  die  Pupille; 
diese  Erweiterung  ist  aber  dem  deutlichen  Sehen  naher  Gegenstände  sehr 
ungünstig;  desshalb  kostet  es  uns  noch  mehr  Anstrengung,  unsere  Augen 
dieser  geringen  Entfernung  anzupassen,  als  beim  Tageslichte,  und  diese 
öfters  wiederholte  Anstrengung  bewirkt  leicht,  ein  Verharren  des  Auges  in 
diesem  Zustande  der  Kurzsichtigkeit,  Vollsaftige  Leute  sind  eher  in  den 
Jüngern  Jahren  zur  Kurzsichtigkeit  geneigt,  weil  auch  der  Augapfel  in  der 
Jugend  mehr  strotzend  ist.  Die  Kurzsichtigkeil  nimmt  bei  beiden  Geschlech- 
tern  mit  dem  Alter   bedeulend   ab.    Nicht  in   allen  Füllen  jedoch   wird  das 

M  e  y  r  ,  Augenheilkunde.  10 


146 

Sehvermögen  Kurzsichtiger  im  hohem  Alter  besser,  sondern  sie  bleiben 
selbst  dann  kurzsichtig".  Der  unzeitige  Gebrauch  von  Brillen  veranlasst 
ebenfalls  Kurzsichtigkeit.  Die  Hohlgläser  haben  nämlich  die  Eigenschaft, 
dass  sie  auch  dem  gesunden  Auge  entferntere  Gegenstände  in  schärferen 
Umrissen,  gleichsam  reiner  zeigen.  Hält  man  also  ein  Hohlglas  vor  das 
Auge,  so  braucht  es  die  zum  deutlichen  Sehen  entfernter  Gegenstände 
nöthige  Veränderung  entweder  gar  nicht  oder  nur  im  geringen  Grade  zu 
bewirken,  bei  häufig  wiederholtem  oder  gar  beständigem  Gebrauche  solcher 
Gläser  verliert  es  allmälig  die  Fertigkeit,  ja  selbst  die  Fähigkeit,  die  zum 
Fernsehen  nöthige  Veränderung  zu  bewirken,  es  wird  also  kurzsichtig. 
Bisweilen  entsteht  die  Kurzsichtigkeit  in  Folge  einer  Affection  des  Nerven- 
systems plötzlich;  sie  kann  in  solchen  Fällen  bald  wieder  vorüber  gehen. 
Ware  kannte  zwei  junge  Leute,  die  nach  dem  Nervenfieber  plötzlich  kurz- 
sichtig wurden;  Beer  einen  hypochondrischen  Mann,  der  öfters  bis  auf 
6  Zoll  myopisch  wurde;  ein  practischer  Arzt  theilte  Hueck  einen  Fall  mit, 
wo  eine  Wöchnerin  durch  eine  schwere  Geburt  plötzlich  kurzsichtig  wurde. 

Der  Kurzsichtige  sieht  kleine  Gegenstände  deutlicher,  weil  dieselben, 
in  grosser  Nähe  besehen,  unter  einem  viel  grösseren  Gesichtswinkel  erschei- 
nen. Auch  sieht  er  bei  schwachem  Lichte  kleine  Gegenstände  deutlicher, 
weil  ein  nahe  gehaltenes  Object  mehr  Lichtstrahlen  in  das  Auge  schickt, 
als  wenn  es  ferne  vom  Auge  sich  befindet,  er  liest  daher  in  der  Dämmerung 
noch  mit  Leichtigkeit,  wo  ein  Mensch  mit  gesunden  Augen  kaum  zu  lesen 
vermag.  Kurzsichtige  sehen  helle,  ausserhalb  ihrer  Sehweite  liegende  Ge- 
genstände oft  doppelt  und  mehrfach,  weil  sich  wegen  der  unregelmässigen 
Krümmungen  der  brechenden  Medien  gesonderte  Zerslreuungskreise  auf 
der  Retina  bilden,  die  nur  bei  richtiger  Accomodalion  ein  einfaches  reines 
Bild  geben  Durch  eine  kleine  Oeffnung  in  einem  Kartenblatle  nehmen  sie 
einen  Gegenstand  in  grösserer  Entfernung  deutlicher  wahr,  als  ohne  diese 
Vorrichtung,  daher  sie  auch,  um  entfernte  Gegenstände  deutlich  zu  sehen, 
die  Augenlidspalte  durch  Blinzeln  verengern.  Die  Schärfe  des  Gesichtes 
innerhalb  der  dem  Auge  zukommenden  Glanzpunkte  unterscheidet  die  wahre 
Kurzsichtigkeil  vorzüglich  von  der  Stumpfsichligkeit  (Myopia  spuria)  *). 

Die  Kurzsichtigkeit  lässt  in  manchen  Fällen  Heilung  oder  wenigstens 
Besserung  zu.  Ist  starker  Blutandrang  zum  Kopfe  und  zu  den  Augen  vor- 
handen, wie  diess  bei  jungen  Leuten  öfters  der  Fall  ist,  so  wird  eine  wie- 
derholte örtliche  Blutentleerung  nebst  dei  Anwendung  kühlender  ableitender 


*)  Zur  Entdeckung  simulirter  Kurzsichtigkeil  hat  ßoürjot-St.  Hilaire  einen 
eigenen  Apparat  erfunden  (Revue  med.  Juillet  1839). 


147 

Mittel  einen  guten  Erfolg-  haben.  Uebt  sich  der  Kurzsichtige  consequent, 
gedruckte  Schrift  in  grösserer  und  nach  und  nach  zunehmender  Entfernung 
zu  lesen,  übt  er  das  Auge  überhaupt  in  der  Betrachtung  fernerer  Gegen- 
stände im  Freien,  so  wird  seine  Sehweite  allmälig  verbessert.  Auf  diesem 
Principe  der  langsam  sich  steigernden  Entfernung  des  Gedruckten  vom  Auge 
beruht  ein  eigenes  für  Kurzsichtige  gebautes  Lesepult,  welches  Berthold 
unter  dem  Namen  des  Myopodiorthoticon  angegeben  hat.  Das  Gesicht  ruht 
auf  einem  festgestellten  Nasenstege,  der  nach  Massgabe  der  Umstände  all- 
mälig höher  geschraubt  werden  kann. 

Ist  die  Kurzsichligkeit  durch  unzweckmässigen  Gebrauch  der  Augen 
oder  durch  eine  Krankheit  entstanden,  wodurch  das  Accomodations-Vermö- 
gen  für  die  Ferne  verloren  ging,  so  ist  der  Gebrauch  von  Brillen  nicht 
zweckmässig.  Der  Kranke  enthalte  sich  von  den  Studien  und  allen  Be- 
schäftigungen in  grosser  Nähe,  er  halle  sich,  wenn  möglich,  auf  dem  Lande 
auf,  und  übe  sein  Auge  bei  wohl  geordneter  Diät  und  Lebensweise,  in  der 
Betrachtung  entfernterer  Gegenstände. 

Bei  einem  etwas  höhern  Grade  der  Kurzsichligkeit  ist  der  Gebrauch 
von  Gläsern  (Concav-Brillen)  angezeigt.  Jedoch  gebrauche  der  Kurzsichtige 
keine  zu  scharfen  Brillen,  und  nur  bei  Betrachtung  entfernterer  Gegen- 
stände, nicht  fortwährend.  So  kann  auch  durch  den  zweckmässigen  Ge- 
brauch der  Brillen  die  Myopie  sich  verbessern. 

Man  hat  zur  Heilung  der  Kurzsichligkeit  auch  die  Myotomie  der  in- 
nern  Recti  empfohlen  (Bonnet).  Nur  in  jenen  sehr  seltenen  Fällen,  wo  die 
Kurzsichligkeit  auf  einer  zu  starken  Conlraction  der  innern  geraden  Augen- 
muskeln beruht,  könnte  diese  Operation  hülfreich  sein.  Auch  wurde  zur 
Heilung  eines  sehr  hohen  Grades  von  Myopie  die  Zerstücklung  der  Kryslall- 
linse  vorgeschlagen  (Kilchener),  um  durch  Entfernung  der  Linse  die  zu 
starke  Brechung  der  Lichtstrahlen  zu  vermindern. 

Die  Fernsichtigkeit  (Presbyopia)  ist  derjenige  Zustand,  wo  das 
Auge  zwar  die  fernen  Gegenstände  deutlich  sieht,  aber  das  Vermögen,  nahe 
Objecte  deutlich  zu  sehen,  entweder  gar  nicht,  oder  nur  im  geringen  Grade 
besitzt,  so  dass  z.  B.  eine  massig  grosse  Druckschrift  über  20  Zoll  vom 
Auge  entfernt  werden  muss,  um  deutlich  gesehen  zu  werden,  Je  weiter 
ein  Gegenstand  vom  Auge  entfernt  wird,  desto  weniger  scharf  wird  der 
dadurch  erhaltene  Eindruck,  es  ist  daher  für  den  Fernsichligen  eine  slarke 
Beleuchtung  nothwendig.  Daher  stellt  er  sich  beim  Lesen  mit  dem  Rücken 
gerne  gegen  das  Fenster,  bringt  bei  künstlicher  Beleuchtung  das  Buch  gerne 
hinler  das  Kerzenlicht  und  hält  die  Hand,  wie  einen  Schirm,  über  die  Augen, 
um  sie  zu  beschatten. 

10* 


148 

Die  nächste  Ursache  dieses  Leidens  beruht  auf  der  zu  langsamen 
Brechung-  der  Lichtstrahlen,  so  dass  das  Bild  naher  Objecte  hinter  die  Netz- 
haut fällt.  Es  ist  der  zweiten  Lebenshälfte  und  dem  hühern  Alter  eigen. 
Zur  Presbyopie  geben  Veranlassung:  1.  Abflachung  der  Cornea  in  Folge 
mangelhafter  Secretion  der  wässiigen  Feuchtigkeit.  2.  Veränderungen  in 
der  Consislenz  und  Verminderung  der  Convexitaet  der  Krystalllinse.  3. 
Verminderte  Dichtigkeit  der  Feuchtigkeiten  des  Auges. 

Die  Accomodationskraft  des  Auges  für  nahe  Gegenstände  wird  ge- 
schwächt oder  gehl  verloren.  Die  Presbyopie  ist  sehr  häufig  mit  der  Ve- 
getation ss  chwäch  e  des  Auges  (Decrepiditaet)  verbunden.  Diese 
zeigt  sich  durch  das  malle  Ansehen  der  Augen,  Eingesunkensein  der  Bulbi, 
kleine,  platte,  häufig  mit  Greisenbogen  versehene  Cornea,  Mangel  des  Pig- 
ments, daher  graue  oder  grauliche  Färbung  der  Pupille,  mindere  Lebhaftig- 
keit der  Irisfarbe  und  trägere  Bewegung  der  Augen. 

Vernachlässigung  der  Uebung  des  Accomodationsvermögens  für  nahe 
Gegenstände  ist  oft  eine  Ursache  der  Fernsichtigkeit.  Sie  ist  daher  bei  See- 
leuten, Bauern,  Jägern,  Soldaten  u.  s.  w.  häufiger  zu  beobachten.  Auch 
durch  den  Verlust  der  Krystalllinse  nach  Staaroperationen  oder  Verletzun- 
gen ist  Fernsichtigkeit  bedingt.  Sie  tritt  auch  bei  Schwächung  oder  Läh- 
mung der  zur  Accomodation  nöthigen  muskulösen  Apparate  ein,  wie  bei  einer 
Lähmung  des  Oculomotorius,  nach  Einträuflung  der  Pupillen  erweiternden 
Mitlei.  Andere  Ursachen  der  Fernsichtigkeit  sind  noch  ein  zu  starker  Para- 
lellismus  derSehaxen,  welcher  durch  ein  Uebergewicht  der  äussern  geraden 
Augenmuskeln  entsteht,  der  unzweckmässige  Gebrauch  von  Convexbrillen. 
Die  Presbyopie  kann  auch  angeboren  sein,  oder  im  jugendlichen  Aller  plötz- 
lich oder  nach  schweren  Krankheiten  entstehen.  Bisweilen  folgt  auf  eine 
Presbyopie  die  Myopie,  oder  umgekehrt,  in  welchem  Falle  aber  die  letztere 
keinen  Bestand  hat,  sondern  sich  allmälig  wieder  verliert. 

Wenn  Individuen  bemerken,  dass  ihre  Augen  fernsichtig  werden,  so 
sollen  sie  jede  übermässige  Anstrengung  der  Augen,  und  Alles,  was  die 
Sehkraft  derselben  schwächt,  sorgfällig  meiden  und  zeitlich  genug  zur  An- 
wendung passender  Gläser  schreiten.  Da  die  Sammellinse  die  Divergenz 
der  Strahlen  vermindert,  so  führt  sie  auch  mehr  Licht  ins  Auge,  was  der 
Weitsichtige  besonders  im  vorgerückten  Alter  sehr  benüthigel.  Bei  Deere- 
pidität  und  verminderter  Vegetationskraft  des  Auges  kann  man  der  abneh- 
menden Lebenskraft  durch  Einreibung  von  verdünntem  Branntwein,  Kül- 
nerwasser  oder  Spiritus  lavandulae  in  die  Stirn-  und  Schläfengegend  auf- 
zuhelfen suchen.  Die  für  Fcrnsiehlige  passenden  Gläser  sind  die  Con- 
vexbrillen. 


1  10 

Da  die  Augengläser  den  wirksamsten  Arzneimitteln  an  die  Seile 
gestellt  werden  können,  so  ist  es  von  der  grössten  Wichtigkeit,  dass  die 
ßrillenbedürttigen  bei  der  Wahl  derselben  mit  der  grössten  Sorgfalt  und 
Aufmerksamkeit  zu  Werke  gehen.  Wer  daher  Augengläser  ohne  ärztliche 
Bcrathung  wählt,  kann  leicht  dadurch,  dass  er  die  dem  Zustande  seiner 
Augen  nöthigen  Rücksichten  nicht  kennt,  oder  vernachlässigt,  an  der  zu- 
nehmenden Schwäche  seines  Sehvermögens  selbst  Schuld  werden. 

Die  einfachen  Brillen  sind  entweder  Concav-  oder  Convexgläser.  Den 
Zweck  der  Lichtbrechung  erreichen  die  Optiker,  indem  sie  nur  eine  Fläche 
entweder  gewölbt  oder  concav  schleifen,  die  andere  flach  lassen:  Plancon- 
vex-  oder  Planconcavgläser,  oder  indem  beide  Oberflächen  des  Glases  ent- 
weder convex  oder  concav  sind(Biconvex-  oderBiconcavgläser),  oder  indem 
die  eine  Fläche  erhaben,  die  andere  hohl  geschliffen  ist,  und  bei  den  einen 
die  Convexität,  bei  den  andern  die  Concavität  vorwaltet,  so  dass  die  erste- 
ren  in  der  Mitte  dicker,  die  letzteren  in  der  Mitte  dünner  sind,  als  gegen 
den  Rand  hin.  Letztere  Arten  der  Gläser  heissen  periscopische  Brillen,  sie 
besitzen  mehrere  Brennpunkte,  wodurch  sie  den  Vortheil  haben,  dass  man 
auch  die  seitwärts  gelegenen  Gegenstände  noch  deutlich  sieht,  daher  man 
sie  heutzutage  grösstenteils  anwendet.  Man  hat  auchCylindergläser,  solche 
nämlich,  deren  Oberflächen  Abschnitte  von  Cylindern  darstellen.  Sie  sind 
jedoch  seit  ihrer  Erfindung  nicht  sehr  in  Aufnahme  gekommen,  obwohl  sie 
manche  schätzenswerlhe  Eigenschaften  zu  besitzen  scheinen.  Nach  Ver- 
schiedenheit der  Brennweilen  sind  die  Gläser  verschieden  nummerirt.  Die 
stärkste  noch  brauchbare  Nummer  ist  2,  die  schwächste  100.  Je  niedriger 
die  Nummer,  desto  wichtiger  für  das  Auge  sind  allmälige  Abstufungen, 
daher  man  hier  Zwischenglieder,  also  Gläser  von  5%,  5,  i3/^,  4%,  4% 
u.s.  w.  hat,  während  man  bei  den  höhern  Nummern  mehrere  Zwischenzahlen 
überspringt  *).  Aus  dem  Einflüsse  der  Dichtigkeit  des  Glases  auf  dessen 
Brechungskraft  leuchtet  ein,  dass,  wenn  auch  alle  Optiker  nach  allgemein 
übereinstimmenden  Kugelabschnitten  schleifen  würden,  die  Stärke  der  als 
gleich  bezeichneten  Nummern  dennoch  etwas  verschieden  sein  kann.  Daher 
bleibt  für  das  Publikum  das  Numero  des  Glases  nur  ein  beiläufiger  Anhalts- 
punkt, wenn  man  sich  immer  bei  einem  und  demselben  Optiker  bedient. 


*)  Plössl  in  Wien  hat  bei  seinen  Brillen  folgende  Nummern:  2,  2'/4,  2'/,, 
2J/4,  3,  3'/4,  3'/2,  a»/4,  4,  4 Vi,  4'/2,  4%,  5,  5»/,,  6,  6'/„  7,  7%,  8,  9,  10,  11, 
12,  13,  14,  15,  16,  17,  18,  20,  22,  24,  27,  30,  33,  36,  40,  48,  60,  80,  100. 
Prokesch  in  Wien  verfertigt  nicht  die  Nummern  17,  22,  33,  statt  40  und  48 
hat  er  45,  statt  100  gewöhnlich  90. 


150 

Bei  den  plan-  und  biconvexen  oder  concaven  Gläsern  ist  es  von  der 
grössten  Wichtigkeit,  dass  das  Centrum,  die  dickste  oder  dünnste  Stelle, 
genau  im  Mittelpuncte  der  Fassung  liege ,  und  gerade  der  Pupille  gegen- 
über zu  stehen  komme ;  denn  nur  in  und  nächst  dem  Centrum  geschieht 
die  Strahlenbrechung  so,  wie  man  sie  von  diesen  Gläsern  zu  erwarten  be- 
rechtigt ist,  durch  den  Randtheil  angesehen,  erscheinen  die  Gegenstände 
immer  mehr  oder  weniger  verzogen ,  schief  und  nicht  in  ihrer  natürlichen 
Lage  und  Gestalt. 

Um  die  passende  Brennweite  der  Brillen  zu  finden,  verfährt  man  auf 
folgende  Weise :  die  Sehweile  des  myopischen  oder  presbyopischen  Auges 
sei  =v,  die  des  gesunden  =p,  und  es  soll  die  Grösse  v,  wenn  die  Brenn- 
weite der  Brille  f  ist ,  nach  p  rücken ,  so  ist  ~  = ;  daraus  f  = 

f  p  v 

— — .  Bei  den  Kurzsichtigen  ist  v — p  negativ,  und  das  f  muss  einer 
v  — p 

Zerstreuungslinse  gehören,  bei  den  Fernsichtigen  umgekehrt.  Zur  Bestim- 
mung des  Grades  der  Kurz-  oder  Fernsichligkeit  hat  man  auch  eigene  In- 
strumente, Optometer  genannt. 

Bei  der  Wahl  derBrillen  beobachte  man  ferner  folgende  Regeln: 
1.  Man  wähle  kein  zu  scharfes  Glas,  sondern  mache  den  Anfang  mit  schwa- 
chen, d.  i.  mit  solchen,  die  eine  grosse  Brennweite  haben.  Man  nennt 
solche  Conservationsbrillen,  obwohl  es  Conservationsgläser  im  eigentlichen 
Sinne  nicht  gibt.  2.  Man  benütze  nicht  blindlings  alte ,  vorfindliche  Bril- 
len. 3.  Man  nehme  zum  Probiren  nicht  zu  feinen  Druck.  4.  Man  wähle 
die  Brillen  nicht  nach  unmittelbar  vorher  stattgefundener  Anstrengung  der 
Augen.  5.  Man  probire  nicht  viele  Gläser  nach  einander,  weil  dadurch 
das  Auge  ermüdet,  und  seine  Sehweite  auf  einige  Zeit  geändert  wird. 
6.  Man  nehme  Rücksicht  auf  die  Beleuchtung  des  Ortes,  wo  man  die  Brille 
kauft,  und  auf  die  Entfernung  der  Objecte.  7-  Man  beobachte  wohl,  dass 
das  Glas  für  jedes  Auge  besonders  gewählt  werden  muss ,  weil  sowohl 
die  Sehkraft  als  auch  die  Sehweile  beider  Augen  verschieden  sein 
kann.  8.  Dem  Kurzsichligen  darf  das  Glas  die  Gegenstände  in  der  be- 
stimmten Entfernung,  für  welche  er  es  gewählt,  nicht  kleiner  zeigen,  son- 
dern bloss  schärfer  begrenzt  und  reiner.  9.  Dem  Weilsichligen  darf  das 
gewählte  Glas  die  Schrift  nicht  vergrössern,  oder  doch  kaum  merklich, 
sobald  er  sie  in  der  gewünschten  Entfernung  vom  Auge  hält,  die  Buchsta- 
ben müssen  reiner,  schwärzer,  schärfer  begränzt,  deutlicher  erscheinen. 
10.  Auch  das  beste  Glas  ist  immer  nur  für  gewisse  Beschäftigungen  in 
bestimmter  Entfernung  und  bei  einem  bestimmten  Grade  der  Beleuchtung 
passend.    11,  Ein  Zeichen,  dass  das  Glas  zu  stark  ist,  gibt  das  eigenthüm- 


151 

liehe  Gefühl  von  Anstrengung,  von  Ergriffe nsein  des  Auges  selbst  nach 
kürzerem  und  zweckmässigem  Gebrauche  der  Gläser  ab. 

Während  Weitsichtige  in  der  Regel  immer  zu  stärkeren  Gläsern  über- 
gehen müssen,  geschieht  es  bei  Kurzsichtigen  bisweilen,  besonders  um  das 
30.  Lebensjahr  herum,  dass  sie  zu  einem  schwächern  Glase  übergehen 
können.  Bei  diesen  gelingt  eine  Verminderung  und  Heilung  des  Uebels 
bisweilen  durch  allmäliges  Uebergehen  zu  immer  schwächeren  Gläsern. 

Die  Lorgnetten  sind  in  sofern  allerdings  eine  wohlthälige  Erfindung, 
als  sie  Viele  von  dem  beständigen  Tragen  convexer  oder  coneaver  Augen- 
gläser abhalten ,  bequem  jeden  Augenblick  vorgehalten  und  beseitigt  wer- 
den können  ,  so  wie  man  ihrer  bedarf  oder  nicht.  Da  sie  nach  Belieben 
mit  einer  oder  der  andern  Fläche  gegen  das  Auge  gekehrt  werden,  so 
müssen  sie  auf  beiden  Seiten  gleiche  Krümmungen  haben.  Die  einfachen 
sind  aber  geradezu  verwerflich,  weil  sie  nur  ein  Auge  in  Anspruch  nehmen 
und  dadurch  Ungleichheit  der  Sehkraft  und  Sehweite  herbeiführen.  Die 
doppellen  haben  nur  dann  einen  Nachlheil,  wenn  die  Gläser  die  Fehler  der 
Brillen  haben,  oder  beim  genauen  Besehen  der  Gegenstände  nicht  ruhig 
vor  dem  Auge  gehalten  werden.  Aus  letzterem  Grunde  sind  auch  die 
sogenannten  Lesegläser  durchaus  nicht  zu  billigen. 

II.  Trübungen  durchsichtiger  Gebilde. 

A.   Trübungen  der  Hornhaut. 

Störung  der  Durchsichtigkeit  der  Cornea  wird  als  Hornhautfleck 
bezeichnet,  wenn  dieselbe  auf  eine  kleinere  Stelle  beschränkt  ist,  als  Horn- 
hauttrübung im  engern  Sinne  jedoch,  wenn  sie  über  die  ganze  Cornea 
ausgebreitet  -erscheint.  Dem  Wesen  nach  unterscheidet  man  mehrere 
Arten  von  Hornhauttrübungen,  nämlich: 

1.  Epitheliale  Übungen  und  Wucherungen.  Sie  bilden  sich 
aus  beim  Pannus,  wenn  das  abgelagerte  Exsudat  nach  dem  Verschwinden 
der  Gefässe  in  ein  fibroides  Gewebe  umgewandelt  wurde,  welches  der 
Hornhaut  einen  eigenthümlichen  Silberschein  ertheilt.  Eine  schwielen- 
ähnliche Verdickung  des  Epilheliums  der  Cornea  erfolgt  auch  durch  fort- 
dauernde partielle  Reizung  bei  Trichiasis.  Eine  Anhäufung  des  Epitheli- 
ums  und  dadurch  bedingte  Trübung  der  Oberfläche  der  Cornea  ist  sehr 
häufig  Folge  von  oberflächlichen  Geschwüren ,  so  wie  sich  nach  Excoria- 
tionen  in  den  dadurch  entstehenden  Verliefungen  der  Cornea  Partikelchen 
von  Schleim  u.  s.  w.  absetzen,  welche  daselbst  incrustiren. 

2.  Trübungen  in  der  Substanz  der  Cornea  durch  Ablagerung  gerinn- 
fähigen Exsudates  in  Folge  von  Entzündung  (Lymphtrübungen).     Sie 


152 

sind  bei  weitem  die  häufigsten ,  und  haben  hinsichtlich  des  Grades  dersel- 
ben verschiedene  Namen  erhalten.  Man  unterscheidet  halbdurchsichtige 
(Nebel-  oder  Wolkenflecke,  Macula,  Nephelium ,  Nubecula)  und  undurch- 
sichtige (Achlys,  Margarita  seu  Perla,  Albugo,  Leucoma,  Kreiden-Perlen- 
fleck). Sie  sind  bedingt  durch  Ablagerung  faserstoffigen  Exsudates  zwi- 
schen die  mehr  weniger  unversehrten  Hornhautfasern,  oder  durch  Ex- 
sudat, welches  an  die  Stelle  der  zerstörten  Gornealfasern  trat,  und  in 
wahres  Hornhautgewebe  wieder  umgewandelt  wurde;  Entzündungen  und 
Verschwärungen  der  Cornea  geben  zu  ihrer  Entstehung  Anlass.  Puncl- 
oder  fleckenartige  Trübungen  an  der  hintern  Cornealwand  entstehen 
durch  Anlagerung  von  Exsudaten  bei  Hydromeningitis  oder  Iritis;  biswei- 
len erscheinen  daselbst  auch  bräunliche  Pünctchen  und  Flecken. 

3.  Wurde  nach  Zerstörung  der  Hornhautfasern  das  Exsudat  nicht  in 
Cornealgewebe  verwandelt,  sondern  blieb  es  als  unveränderliches  Faser- 
oder Narbengewebe  stehen  ,  so  entsteht  jene  Trübung,  die  wir  als  Horn- 
hautnarbe bezeichnen.  Die  Form  der  Hornhautnarbe  ist  verschieden, 
sie  hat  ein  weisslich  glänzendes,  riffartiges  Aussehen,  ziemlich  scharfe 
Gränzen  ,  ist  jedoch  sehr  häufig  von  einem  getrübten  Hofe  umgeben ,  der 
durch  Exsudatabsetzung  entstand.  Bei  der  Hornhautnarbe  hat  man  zu 
unterscheiden,  ob  dabei  vordere  Synechie  bestehe  oder  nicht.  Geschwüre 
und  Abscesse  der  Hornhaut,  sowie  Verletzungen  derselben  (zufällige  und 
operative)  geben  zur  Entstehung  der  Hornhautnarben  Veranlassung. 

4.  Eitrige  Trübungen  der  Cornea  entstehen,  wenn  bei  Abscesse  n 
derselben  der  Eiter  sich  zwischen  den  Faserschichten  senkt  und  nicht  völlig 
resorbirt  wird;  dabei  besteht  meislenlheils  Destruction  der  Hornhautfasern. 

5.  Durch  Mangel  an  Ernährung  entstehen  in  der  Cornea  die  soge- 
nannten atrophischenTrübungen.  Hierher  gehören  :  a.  angeborne 
Hornhauttrübungen,  welche  wahrscheinlich  durch  Hemmung  in  der 
Entwicklung  entstehen,  und  sich  nach  und  nach  wieder  aufhellen,  b.  Der 
Greisenbogen  (Arcus  senilis,  Gerontoxon),  eine  lichtgraue  Trübung  in 
Form  eines  Bogens  im  peripherischen  Theile  der  Cornea;  nach  aussen  hin 
ist  sie  vom  Limbus  conjunctivae  stets  durch  einen  durchsichtigen,  schmalen 
Streifen  getrennt.  Der  Greisenbogen  kommt  nur  im  hohen  Alter  vor;  aus- 
nahmsweise schon  um  das  36.  bis  40.  «lahr  ;  meistens  ist  dabei  Weitsichtigkeit, 
sehr  häufig  beginnende  oder  vollkommene  Cataracl  vorhanden.  Der  Grei- 
senbogen beginnt  zuerst  nach  oben  und  nach  unten,  und  besteht  in  vielen 
Fällen  aus  der  Anwesenheit  von  unzähligen  Oeltröpfchen  in  der  Substanz 
des  Hornhautgewebes  (Fettenlarlung  der  Fasern).  Er  ist  analog  dem  Er- 
grauen der  Haare  und  dem  Trübwerden  der  Linse, 


153 

Hinsichtlich  des  Sitzes  unterscheidet  man  bei  Hornhauttrübungen 
centrale  und  peripherische. 

Die  nachtheiligen  Wirkungen  der  Hornhauttrübungen 
sind: 

1.  Störung  des  Sehvermögens;  diese  ist  um  so  bedeutender,  je  dich- 
ter der  Fleck,  je  grosser  derselbe,  je  mehr  er  dem  Centrum  der  Cornea 
genähert  ist,  oder  in  demselben  liegt,  obwohl  es  Individuen  gibt,  welche 
ganz  feine  Trübungen  in  der  Mitte  der  Cornea  haben  ,  ohne  dass  das  Seh- 
vermögen gestört  wäre. 

2.  Kurzsichtigkeit  kann  durch  kleine  Trübungen  in  der  Mitte  der 
Cornea  entstehen ,  weil  von  einem  nahen  Gegenstände  mehr  Lichtstrahlen 
neben  einem  kleinen  Hornhautfleck  zur  Pupille  gelangen  als  von  einem 
entfernteren. 

3.  Schielen  entsteht  sehr  häufig,  namentlich  wenn  die  Trübung  in 
der  Kindheit  und  frühen  Jugend  entstand,  wo  die  Augenmuskeln  noch 
nicht  die  gehörige  Kraft  und  Uebung  erlangt  haben ,  und  somit  das  schwä- 
chere Auge  leicht  abweicht  (siehe  Strabismus).  Ruete  hat  Unrecht ,  die 
Entstehung  des  Strabismus  durch  Centrallrübung  der  Cornea  allgemein  zu 
läugnen.  Aus  einem  gleichen  Grunde  erfolgt  durch  Trübungen  seit  der 
frühesten  Kindheit  der  Nystagmus  (Oscilliren  des  Augapfels). 

Bei  der  Stellung  der  Prognose  hat  man  den  Sitz  der  Trübung, 
ihre  Ausbreitung,  die  Zeit  ihres  Bestehens,  den  Umstand,  ob  blosses  Exsu- 
dat zwischen  den  Fasern  der  Cornea  angesammelt  sei,  oder  Narbengewebe 
dieselbe  ersetzt  habe,  endlich  den  Zustand  des  Gesammlorganismus  zu 
berücksichtigen.  Wo  zur  Beseitigung  der  Trübung  bloss  einfache  Resorp- 
tion des  Exsudates  nolhwendig  ist,  kann  die  Trübung  gehoben  werden, 
nicht  jedoch,  wenn  nach  der  Zerstörung  des  Cornealgewebes  Narbensub- 
slanz  den  Verlust  ausglich.  So  können  oberflächliche  Trübungen  bei  übri- 
gens gleichen  Umständen  leichler  gehoben  werden,  als  tiefersilzende.  Auf 
die  Ausbreitung  der  Trübung  kommt  es  nicht  so  sehr  an,  als  auf  ihr  Alter. 
Frische  Trübungen,  welche  halbdurchsichtig  oder  durchscheinend,  aufge- 
lockert, bläulichgrau  erscheinen,  sind  leichter  und  schneller  zu  heben,  als 
solche,  wo  das  Exsudat  dichter  und  fester  geworden  ist,  welche  ein  silber- 
oder  schneeartig  glänzendes  Aussehen  erhalten  haben.  Jugendliches  Alter, 
und  sonstiges  lebenskräftiges  Aussehen  kann  viel  zum  Verschwinden  der 
Hornhauttrübungen  beitragen. 

Zu  den  Mitteln ,  welche  gegen  Hornhauttrübungen  angewendet  wer- 
den, gehören  theils  solche,  welche  eine  allmälige  Erweichung  und  Auflocke- 
rung und  eine  gesteigerte  Resorption  bewirken,  theils  solche,  welche  durch 


151 

chemische  oder  mechanische  Wirkung  die  Trübung  mehr  weniger  rasch 
beseitigen.  Erslere  wirken  fast  alle  dadurch,  dass  sie  einen  an  Entzündung 
gränzenden  Reizungszustand  hervorrufen,  durch  welchen  dann  eine  allmä- 
lige  Erweichung,  Verflüssigung  und  Resorption  der  feslgewordenen  Exsu- 
date erzielt  wird. 

Zu  diesen  Mitteln  gehören : 

1.  Fette  Oele,  wie  das  Wallnussöl,  Mandelöl,  Aalrutenleberöl, 
das  Vipernfett ,  das  frische  Knochenmark ,  das  Eieröl ;  die  ranzigen  Oele, 
brenzliche  Oele  (Papieröl),  ätherische  Oele,  z.  B.  das  Oleum  Juniperi;  fer- 
ner das  Oleum  jecoris  aselli,  die  Ochsen-  oder  Fischgalle. 

2.  Lösungen  bitterer  Extracte,  das  Extr.  taraxaci,  calendulae, 
cicutae,  chelidonii  maj.  aloes  aq.  (10 — 15  Gr.  in  2  Dr.  aq.  dest.  gelöst) 
das  Kali  oder  Natron,  carb.  (2 — 3  Gr.  ad.  aq.  dest.  dr.  2). 

3.  Resorptionbefördernde  Mittel:  die  Tinct.  Opii  simpl. 
und  comp.,  der  Sublimat,  Arg.  nilr.  Cadmium  sulf.,  Salmiak,  Borax,  Murias 
barylae,  Kali  caust. ,  das  Jod  und  Jodkali,  der  rothe  und  weiss«  Präcipitat. 

4.  Mechanisch  wirkende  Mittel:  der  fein  gepulverte  Zucker,  das  Os 
sepiae  pulver. ,  der  Lapis  pumicis  pulv.,  das  fein  gepulverte  Glas,  Wein- 
stein, Borax,  die  Limatura  stanni. 

Man  beobachte    bei  der  Anwendung  dieser  Mittel  folgende  Regeln: 

1.  Man  wähle  Anfangs  die  schwächeren  Mittel  und  gehe  allmälig  zu 
den  stärkeren  über. 

2.  Eben  so  wähle  man  Anfangs  eine  minder  eingreifende ,  nämlich 
die  flüssige  Form,  später  die  Salben-  und  nur  selten  die  Pulverform. 

3.  Die  wirksamen  Bestandtheile  müssen  gleichmässig  vertheilt  sein. 
Man  nehme  bei  der  flüssigen  Form  nie  weniger  Menstruum  ,  als  zur  voll- 
kommenen Auflösung  des  Mittels  hinreicht.  Auch  ist  es  bei  Augenwässern, 
welche  Salze,  Schleim,  Auflösungen  von  Opium  u.dgl.  vereinigt  enthalten, 
wichtig,  dieselben  so  zu  bereiten,  dass  eine  Hälfte  des  flüssigen  Vehikels 
mit  dem  Salze,  die  andere  mit  dem  Schleime  und  den  Tincluren  gemischt, 
und  erst  hierauf  beide  Mischungen  zu  einer  gemeinsamen  zusammenge- 
gossen und  filtrirt  werden.  Bei  der  Salbenform  sind  die  beizumengenden 
Bestandtheile  sehr  fein  zu  reiben,  und  mit  einigen  Tropfen  Wasser,  oder 
mit  Mandelöl  abzureiben,  ehe  man  sie  dem  gewärmten  Excipiens  beimischt. 
Diese  Beimischung  muss  allmälig  unter  beständigem  Reiben  und  bis  zur 
völligen  Erkaltung  stattfinden.  Zum  Excipiens  wählt  man  Schweinefett, 
Butter  (frisch  und  ungesalzen)  das  Ungt.  comm.  oder  Ungt.  rosatum.  Um 
dem  Schweinefett  mehr  Consistenz  zu  geben ,  wird  es  mit  etwas  geschmol- 
zenem Wachse  vermischt,   dagegen  der  oft  zu  festen  Cacaobutter  durch 


155 

beigemengtes  Irisches  Mandelöl  eine  weichere  Consistenz  verliehen  wird. 
Man  verschreibe  nie  eine  grosse  Menge,  höchstens  1  oder  2  Drachmen  als 
Excipiens,  um  das  Ranzigwerden  der  Salbe  zu  verhüten,  wesshalb  man 
sie  auch  an  einem  kühlen  Orte  aufbewahren,  und  in  sehr  heisser  Jahreszeit 
lieber  die  flüssige  Form  wählen  soll.  Auch  Pulverformen  sollen  stets  gut 
verrieben,  und  wenn  mehrere  Ingredienzen  gebraucht  werden,  gut  ver- 
mischt sein. 

4.  Der  beste  Zeitpunct  zur  Anwendung  dieser  Mittel  ist  Abends  unmit- 
telbar vor  dem  Schlafengehen ;  sind  sie  öfters  binnen  24  Stunden  zu  ge- 
brauchen, so  wende  man  sie  nicht  gleich  nach  dem  Erwachen,  nach  der 
Mahlzeit  oder  nach  einer  Erhitzung  an,  ausser  bei  sehr  torpidem  Zustande, 
wo  eine  stärkere  Aufregung  nöthig  erscheint. 

5.  Flüssige  Stoffe  werden  zu  1 — 4  Tropfen  bei  der  Rückenlage  des 
Kranken  mittelst  eines  feinen  Pinsels  oder  Tropfglases  durch  den  äussern 
Augenwinkel  eingeträufelt.  Von  der  Salbe  wird  ein  Stückchen  in  der 
Grösse  einer  Linse  mittelst  eines  feinen  Haarpinsels  oder  des  kleinen  Fin- 
gers in  den  äussern  Augenwinkel  bei  abgezogenem  untern  Lide  eingestri- 
chen, und  durch  leichtes  Reiben  des  obern  Augenlides  mit  dem  Finger  an 
der  Augapfelfläche  verbreitet.  Nach  der  Anwendung  soll  das  Auge  vor 
grellerem  Licht-  und  Luftreize  bewahrt,  und  nach  einer  halben  oder  ganzen 
Stunde  mit  lauem  Wasser  vorsichtig  gereinigt  und  abgetrocknet  werden. 
Pulver  bringt  man  mittelst  eines  vorläufig  benetzten  feinen  Pinsels  auf  das 
Auge,  oder  bläst  sie  mittelst  einer  Krähenfederspule  in  geringer  Menge 
in's  Auge  ein. 

6.  Als  Zeichen,  aus  denen  man  auf  den  gewünschten  Grad  von  Re- 
action  schliessen  darf,  gelten:  massiger  Thränenfluss,  leichte  Röthe  und 
Schwellung  der  Lidränder  oder  der  Bindehaut,  erhöhte  Empfindlichkeit 
gegen  das  Licht,  mehr  weniger  lebhafter  Schmerz,  welche  Zufälle  jedoch 
nicht  über  eine  Stunde  anhalten  sollen.  Je  nach  dem  Grade  und  der  Dauer 
dieser  Zufälle  mag  man  dann  beurtheilen ,  ob  man  die  Dosis  vermindern, 
oder  ein  milderes  Mittel  wählen ,  oder  dasselbe  nur  jeden  zweiten  oder 
dritten  Tag  anwenden  soll. 

7.  Da  sich  das  Auge  oft  bei  längerem  Gebrauche  an  ein  Mittel  so 
gewöhnt,  dass  es  von  demselben  nicht  mehr  afficirt  wird,  so  ist  es  zweck- 
mässig, von  Zeit  zu  Zeit  entweder  den  Gebrauch  eines  Mittels  auszusetzen, 
und  den  Kranken  ohne  Arznei  zu  lassen ,  oder  die  Form  oder  das  Mittel 
selbst  zu  wechseln. 

8.  Manchmal  leistet  eine  inzwischen  vorgenommene  seichte  Scarifi- 
cation  der  Hornhauttrübung,  so  wie  der  ihr  zulaufenden  Gefässe,  gute 
Dienste. 


156 

9.  Endlich  ist  bei  der  Cur  der  Hornhauttrübungen  viele  Geduld  und 
Ausdauer  von  Seite  des  Arztes  und  der  Kranken  erforderlich. 

Die  Anwendung-  des  Galvanismus,  der  Electricität  und  der  Acupunc- 
tur  wurde  gleichfalls  gegen  Hornhauttrübungen  empfohlen. 

Als  operative  Methoden  gegen  Hornhauttrübungen  sind  zu  erwähnen : 

1.  Die  Ausschneidung  oder  Abtragung  der  verdunkelten  Partie 
(Abrasio  corneae,  Kerectomia),  wenn  man  hoffen  kann ,  dass  die  hintern 
Lamellen  der  Cornea  ihre  normale  Durchsichtigkeit  besitzen. 

2.  Unter  gewissen  Umständen  lässt  sich  durch  Anlegung  einer  künst- 
lichen Pupille  ein  mehr  oder  minder  gutes  Sehvermögen  wieder  herstellen. 
Das  Nähere  darüber  siehe  bei  Pupillenbildung. 

3.  Die  totale  Resection  der  unheilbar  verbildeten  Cornea  und  die 
Transplantation  einer  durchsichtigen  thierischen  Cornea  verspricht  durch- 
aus keinen  günstigen  Erfolg,  indem  es  sehr  problematisch  ist,  ob  eine 
solche  Cornea  wirklich  anheilen  würde ,  und  indem  es  auch  in  den  an 
Thieren  gemachten  Versuchen  der  Keratoplastik  nicht  gelang,  nur  einige 
Durchsichtigkeit  der  angeheilten  Cornea  zu  erhalten. 

B.   Trübung  des  Krystallköiyers.  Der  graue  Staar. 

Der  graue  Staar  (Cataracta)  ist  eine  theilweise  oder  totale  Trübung 
des  Krystallkörpers,  wodurch  das  Sehvermögen  mehr  oder  weniger  beein- 
trächtigt, oder  selbst  ganz  aufgehoben  wird.  Man  bezeichnet  auch  zum 
Unterschiede  von  andern  Trübungen  in  der  Pupille  jene,  die  im  Kryslall- 
körper  ihren  Sitz  hat,  als  ächten  grauen  Staar,  und  man  könnte  somit  die- 
sem den  Namen  Kryslallstaar  beilegen. 

Der  Krystallkörper  besteht  aus  der  Kapsel  und  aus  der  Linse,  daher 
sowohl  die  Erkrankungen  der  einen  als  auch  der  andern  zur  Staarbildung 
führen  können. 

Da  manche  Krankheitsprocesse  zunächst  an  der  Linsenkapsel  ihre 
Producte  absetzen,  wodurch  die  normale  Durchsichtigkeit  derselben  gestört 
wird,  so  ist  die  Einlheilung  des  grauen  Staares  je  nach  seinem  Sitze  in 
den  Kapsel-  und  Linsenslaar,  so  wie  in  den  Kapsellinsenstaar  von  pracli- 
scher  Seile  noch  immerhin  gerechtfertigt,  obwohl  die  Existenz  des  Kapsel- 
staares als  einer  Trübung  der  Linsenkapsel  selbst,  von  mehreren  Schrift- 
stellern (Malgaigne,  Ructe,  Vogel,  B.  Langenbeck)  geläugnet  wird. 

Wir  bezeichnen  als  Kapselstaar  eine  durch  Auflagerung  auf  die 
äussere  oder  innere  Fläche  der  Linsenkapsel  bedingte  Trübung  derselben. 
Die  Linsenkapsel  kann  aber  auch  durch  andere  abnorme  Zustände,  z.  B. 


157 

durch  Schrumpfung,  ihre  Durchsichtigkeit  ganz  oder  zum  Theile  wäh- 
rend des  Lebens  einbüssen.  Da  die  normale  Beschaffenheil  der  Linse 
grösstenteils  auf  der  Integrität  der  Kapsel  Wandungen  beruht,  so  wird 
jede  namhaftere  pathologische  Veränderung  derselben  auch  eine  Trübung 
oder  Störung  der  Ernährung  der  Linse  herbeiführen  :  die  Folge  davon  ist 
der  sogenannte  Kapsellinsenstaar  (Trübung  der  Kapsel  und  der  Linse). 
Man  unterscheidet  ferner  den  vordem  und  den  hintern  Kapselstaar,  je 
nachdem  die  Trübung  an  der  vordem  oder  an  der  hintern  Kapselhälfle 
ihren  Sitz  hat;  letzterer  ist  jedoch  sehr  schwer  zu  erkennen,  und  dürfte 
bloss  im  Anfange  seiner  Entstehung  als  solcher  zu  diagnosticiren  sein,  da 
eine  Vegetalionsstörung  an  der  hintern  Kapsel  noch  rascher  eine  Trübung 
der  Linsensubstanz  nach  sich  zieht,  wodurch  die  Ansicht  der  hintern  Kap- 
selhälfle gehindert  wird. 

Die  Kapselslaare  werden  grösstentheils  durch  Entzündungsprocesse 
veranlasst,  welche  ihren  Sitz  in  der  nächsten  Umgebung  der  Linsenkapsel 
haben.  Namentlich  werden  bei  der  Entzündung  der  Iris,  des  Ciliarkörpers 
und  der  Zonula  Exsudate  auf  der  vordem  Kapselwand  abgesetzt,  welche 
mit  dem  Epilhelium  derselben  in  eine  innige  Berührung  treten,  daselbst 
kleben  bleiben  und  organisiren  oder  verschiedene  Metamorphosen  durch- 
machen können.  Eben  so  kann  bei  einer  Entzündung  der  Zonula  und  des 
Ciliarkörpers  das  flüssige  Exsudat  die  Kapsel  durchdringen ,  sich  an  der 
innern  Fläche  derselben  niederschlagen  und  organisiren. 

Je  nachdem  die  Auflagerung  auf  die  Kapselwand  in  geringerer  oder 
grösserer  Ausdehnung,  in  dieser  oder  jener  Form  erscheint,  und  je  nach 
den  Metamorphosen,  welche  solche  Exsudate  eingehen,  entstehen  verschie- 
dene Staarformen,  welche  im  Laufe  der  Zeit  verschiedene  Namen  erhielten. 
So  beobachtet  man  den  Streifenstaar,  Perlenstaar,  Balken- 
staar,  Fensterstaar  als  Formen  des  vordem  Kapselslaares.  Erscheint 
die  Ablagerung  isolirt  auf  dem  Centrum  der  Kapsel,  so  wird  diese  Form 
als  Centralkapselstaar  bezeichnet.  Ist  bei  letzterem  die  centrale 
Auflagerung  so  bedeutend,  dass  sie  die  Form  einer  Pyramide  darstellend 
in  die  Pupille  hereinragt,  so  ist  diess  der  Pyram  i  de  ns  taar.  Die  Cen- 
tralkapselstaare  können  übrigens  ausser  auf  entzündlichem  Wege  noch  auf 
andere  Weise  (durch  Hemmung  der  Entwicklung)  sich  bilden. 

Die  Exsudate,  welche  sich  auf  die  besprochene  Weise  an  der  Kapsel 
bilden,  sind  im  Anfange  weich,  und  bestehen  wie  die  der  naheliegenden 
Gebilde,  aus  feinkörnigen,  amorphen  Massen,  die  später  zum  Theile  orga- 
nisiren, und  dann  meistens  noch  mit  kohlensauren  und  phosphorsauren 
Erdsalzen  u.  s.  w.  imprägnirt   sind.      Solche  plastische  Exsudate   können 


158 

bei  ihrem  Rückbildungsprocesse  gänzlich  verkalken,  worauf  die  Incrusta- 
tion  der  Kapsel  oder  die  sogenannte  Verknöcherung  derselben  beruht. 

Die  Entzündungen  ,  welche  zur  Entstehung  der  genannten  Slaare 
führen,  sind  fast  immer  von  heftiger  Lichtscheu  und  Enge  der  Pupille  beglei- 
tet, daher  häufig  Pigmentzellen  von  der  hintern  Fläche  der  Iris  abgestreift 
und  mit  den  Exsudaten  auf  der  vordem  Kapselwand  verleihet  werden. 
Ein  solcher  Staar  enthält  dann  einzelne  schwärzliche  Puncte  oder  Strei- 
fen,  und  wird  Pigmentstaar  (Cataracta  pigmentosa  oder  choroidealis) 
genannt. 

Aus  demselben  Grunde  entstehen  bei  der  entzündlichen  Anschwel- 
lung der  Gebilde,  wodurch  die  Iris  der  vordem  Kapselwand  genähert  wird, 
leicht  an  einzelnen  Stellen  oder  im  ganzen  Umfange  der  Pupille  Adhäsi- 
onen der  Iris  an  die  vordere  Kapsel  der  Linse  (Synechia  posterior).  Ein 
Staar,  welcher  diese  Erscheinungen  darbietet,  heisst  ein  angewachse- 
ner Staar  (Cataracta  adcrela).  Er  ist  stets  ein  Beweis  eines  vorausgegan- 
genen Entzündungsprocesses. 

Verdunklungen  der  hinlern  Kapsel  sind  auch  grösstentheils  durch 
innere  Augenentzündungen  bedingt.  Wird  die  hintere  Kapsel  trübe,  so 
wird  es  auch  bald  die  Linse.  Der  hintere  Kapselstaar  wäre  daher 
höchstens  im  Anfange  seiner  Entstehung,  oder  nach  bereits  geschwunde- 
ner oder  entfernter  Linse  zu  erkennen,  und  er  stellt  sich  als  eine  strei- 
fige, concenlrische,  coneave,  von  der  Pupille  ziemlich  weit  entfernte  Trü- 
bung dar  *). 

Verdunklungen  der  ganzen  Kapsel  erscheinen  als  sogenannte  häu- 
tige Staare;  sie  bestehen  in  einer  Verbildung  des  ganzen  Linsensystems 
in  eine  Membrane ,  die  durch  das  Zusammenrücken  der  Kapselwände  nach 
mehr  oder  weniger  vollständiger  Resorption  der  Linse  entsteht;  die  Kapsel 
schrumpft  dabei  ein  und  wird  kleiner. 

Die  Trübung  der  Linse,  der  Li  n  sen  staar,  wird  durch  mannigfache 
Krankheitsprocesse  herbeigeführt,  welche  wir  vorzüglich  auf  zwei  reduciren 
können,  nämlich  auf  die  Erweichung  und  die  Verhärtung  der  Linse. 

1.  Die  Erweichung  der  Linse  (Phacomalacie)  besteht  in  der 
Zerstörung  ihrer  Elementarfasern  ,  welche  in  eine  weiche,  breiige  Masse 
verwandelt,  und  zuletzt  entweder  verflüssigt ,  oder  anderweitig  verändert 
werden.     Es  können  somit  wieder  manche  Staarformen  als  Folge  dieses 


*)  Eine  kreisförmige  Trübung  im  timfange  der  hintern  Kapsel  soll  zugleich 
mit  Arcus  senilis  in  manchejjt Augen  sehr  aller  Individuen  nach  Ammon  vorkom- 
men, ist  aber  nicht  constant  an  alten  Augen  zu  beobachten. 


159 

Processes  auftreten.  Die  Erweichung-  der  Linse  erfolgt  sowohl  durch  Ein- 
wirkung- der  umgebenden  Flüssig-keilen  bei  Störung-  des  Eig-enlebens  der 
Linse,  bei  anomaler  Mischung-  derselben,  vorzüglich  jedoch  durch  Enlzün- 
dungsprocesse. 

Er  dringt  nämlich  bei  Entzündung  derZonula  oder  anderer  Gebilde  im 
Innern  des  Bulbus  ein  Theil  des  Exsudates  in  die  Höhle  der  Linsenkapsel 
ein ,  und  macerirt  die  oberflächlichen  Linsenfasern ,  während  der  Kern  der 
Linse  noch  einige  Zeit  erhalten  wird.  Man  findet  daher  in  der  oberflächli- 
chen Lage  der  Linse  ihre  Fasern  zerstört,  und  ausserdem  viele  Körnchen 
und  Körnerhaufen.  Die  Erweichung  der  Linse  beginnt  immer  auf  der 
Oberfläche,  daher  der  daraus  hervorgehende  weiche  Staar  häufig  als 
sogenannte  Cataracta  corticalis  auftritt. 

Indem  sich  die  Linse  erweicht,  theill  sie  sich  manchmal  durch  Spaltung 
in  mehrere  Segmente  nach  dem  Verlaufe  der  Curven  der  Linsenfasern;  es 
entstehen  dadurch  mehr  durchsichtige,  daher  dunkel  erscheinende  Spalten; 
diese  Staarform  bezeichnet  man  als  Cataracta  dehiscens.  Indem  diese 
Spalten  sich  vermehren,  erhält  der  Staar  öfters  ein  sternförmiges  Ansehen, 
und  wird  auch  Sternstaar  (Cataracta  stellata)  genannt.  Letztere  Staar- 
form entwickelt  sich  häufig  in  glaukomatösen  Augen;  der  Staar  ist  ein 
weicher  Linsenstaar  von  graugrüner  Farbe  mit  radienförmigen  Streifen ; 
man  nennt  ihn  dann  auch  Cataracta  glaueomalosa;  er  entsteht  jedesmal  durch 
einen  innern  Entzündungsprocess.  Nicht  jeder  grünlich  aussehende  Staar 
ist  übrigens  eine  Cataracta  glaueomalosa.  Denn  der  weiche  Linsenstaar 
besitzt  bisweilen  im  Anfange  seiner  Bildung  eine  grüne  Färbung,  welche 
darauf  beruht,  dass  die  Linsensubstanz  noch  durchscheinend,  die  Aderhaut 
aber  sehr  hyperaemisch  ist  (Cataracta  viridis).  Solche  Staarformen  sieht 
man  zuweilen  nach  Verletzungen  des  Auges  sich  entwickeln ;  die  grüne 
Färbung  macht  später  der  graulichweissen  Platz,  nachdem  die  Linsensub- 
stanz ganz  undurchsichtig  geworden,  die  Hyperaemie  der  Choroidea  aber 
beseitigt  ist. 

Wenn  die  Erweichung  der  Linsensubstanz  in  einem  noch  höhern 
Grade  stattfindet,  so  dass  die  Fasern  derselben  zerfliessen,  so  geht  daraus 
der  flüssige  Staar  (Cataracta  fluida)  hervor.  Die  Linse  wird  dunkel, 
käsig,  und  besteht  nur  noch  aus  einem  kleinen,  harten  Kern,  der  in  der 
Flüssigkeit  schwimmt,  und  zuletzt  sich  ganz  auflöst.  Die  flüssige  Masse 
gleicht  entweder  der  Milch  oder  dem  Eiter,  und  es  wird  daher  der  Staar 
im  ersten  Falle  der  Milch  staar,  im  letzteren  Ei  terstaar  genannt.  In 
solchen  Fällen  bildet  sich  zuweilen  aus  den  Exsudaten  ein  vollständiger 
Sack,  welcher  eine  gelbliche,  breiige,  manchmal  übelriechende  Masse  enl- 


160 

hält,  die  aus  körniger  Masse,  Erdsalzen  und  aufgelöster  Linsensubstanz 
besieht.  Man  nennt  einen  solchen  Staar  auch  Cataracta  cystica.  Auch 
jene  Staarform ,  welche  sich  durch  die  Gegenwart  von  Entozoen  in  der 
Linse  entwickelt  (Cataracta  hydatoidea),  gehört  zu  den  weichen  oder  flüssi- 
gen Linsenstaaren. 

Bei  den  weichen  und  flüssigen  Staaren  erfolgt  nicht  selten  eine  Auf- 
saugung der  flüssigeren  Bestandtheile.  Es  enthält  dann  die  etwas  ge- 
schrumpfte und  corrugirte  Kapsel  einen  Linsenrest  als  einen  kleinen,  gelbli- 
chen oder  graulichen  Körper,  welcher  zuweilen  aus  rhomboidalen  Tafeln  von 
Cholestearin,  Fettkugeln  und  einigen  granulirten  Faserlagen  besteht.  Einen 
solchen  Staar  nennt  man  den  t  r  o  c  k  e  n  h  ü  1  s  i  g  e  n  S  t  a  a  r  (Cataracta  arida 
siliquata).  Er  kommt  sowohl  bei  Kindern,  als  auch  bei  Erwachsenen  vor. 
Wird  aber  die  Linsensubstanz  ganz  aufgesaugt,  so  treten  die  beiden  Kap- 
selwandungen an  einander,  schrumpfen  ein,  und  stellen  jene  Staarform 
dar,  welche  wir  den  hau ti gen  Staar  (Cataracta  membranacea)  nennen. 

Die  Phacomalacie  führt  bisweilen  zur  Verkalkung  der  Linse. 
Man  findet  in  diesen  Fällen  an  der  Stelle  der  durch  Resorption  entfernten 
Linse  einen  harten,  spröden,  gelblichen  oder  weisslichen  Körper,  welcher 
aus  kohlensaurem  und  phosphorsaurem  Kalk,  etwas  thierischer  Materie  und 
einzelnen  Resten  von  Linsenfasern  besteht,  um  welchen  sich  die  geschrumpfte 
Kapsel  schmiegt.  Man  nennt  einen  solchen  Staar  den  Gypsstaar  (Cata- 
racta gypsea).  Er  wird  gewöhnlich  als  Product  einer  Entzündung  der  Cho- 
roidea  betrachtet,  und  kommt  demnach  sowohl  bei  gichtischen  Individuen, 
als  auch  nach  Verletzungen  vor.  Auch  tritt  die  Verkalkung  zuweilen  nach 
Dislocation  des  Linsensystems  ein,  wenn  die  Linse  mit  ihrer  Kapsel  sich 
lange  in  der  vordem  Augenkammer  befindet. 

Bei  den  letztgenannten  Staarformen  (Cataracta  arida-siliquata ,  mem- 
branacea, gypsea)  sind  häufig  die  normalen  Verbindungen  der  Linsenkapsel 
gelockert ,  theihveise  oder  ganz  gelöst.  Diess  geschieht  durch  Ablagerung 
von  Exsudaten  auf  die  Zonula  Zinnii,  und  durch  das  lange  Bestehen  des 
Staares.  Ist  der  Staar  nur  zum  Theil  aus  seinen  Verbindungen  gelöst,  so 
zitiert  er  bei  der  Bewegung  des  Auges  (Z  i  1 1  e  r  s  t  a  a  r,  Cataracta  tremulans) ; 
nach  totaler  Lösung  schwimmt  er  in  der  wässrigen  Feuchtigkeit  (Seh  wi  mm- 
staar,  Cataracta  natans). 

2.  Ein  der  Auflösung  und  Erweichung  ganz  entgegengeselzter  Zu- 
stand der  Linse  ist  ihre  Atrophie  mit  Verhärtung  (Phacosclerom), 
welche  den  harten  Linsenstaar  herbeiführt.  Sie  kommt  zu  Stande 
durch  verminderte  Ernährung  (Marasmus  des  Linsensyslems).  Die  Faser- 
struclur  wird  hierbei  nicht  zerstört;  die  Linsenfasern  sind  normal,  nicht 
mit  fremden  Stoffen  besetzt,  oft  deutlicher  und  mehr  von  einander  gelrennt, 


161 

als  in  der  gesurtden  Linse.  Die  beginnende  Verhärtung-  verursacht  jedoch 
eine  Veränderung  im  Molecülarzustande  der  Linse,  vermöge  welcher  ihre 
Refraction  und1  Reflexion  modiflcirt  wird.  Die  dicht  geschichtete  Fasersub- 
stanz hat  eine  gelbliche  Färbung;  da  im  reflectirten  Lichte  die  violetten 
Strahlen  die  stärksten  sind,  so  erscheint  die  Cataracta  in  einer  dunkleren 
gelblichen  oder'  bernsteinartigen  Farbe.  In  seltenen  Fällen  ist  die  Färbung 
des  harten  Linsenstaares'  eine  sehr  dunkelbraune ;  man  nannte  solche 
Staare,  wo  die  Pupille  beinahe  schwarz  erscheint,  Calaractae  nigrae, 
schwarze  graue  Staate,  und  erklärte  ihre  Bildung  durch  Einsaugung 
von  Pigment  (Jüngken,  Pauli),  durch  Ablagerung  von  Manganoxyd  (Rossi, 
Langenbeck)  oder  von  Melanose  der  Linsensubstanz  (Jäger,  Rosenmüller). 
Es  scheint  die  dunkle  Farbe  vorzüglich  durch  die  möglichste  Verdichtung 
des  Linsengewebes  bei  Verhornung  ihrer1  Fasern  hervorgebracht  zu  sein. 

Man  findet  beim  harten  Linsenstaare  die  Linse  klein,  hart ,  abgeplat- 
tet, oft  nur  locker  in  ihren  Sectoren  zusammenhängend,  gelb,  trocken.  Die 
Trübung  beginnt  hierbei  im  Kern  der  Linse  und  schreitet  allmälig  gegen 
die  Peripherie  vor,  daher  auch  der  Name  Cataracta  nuclearis  (Kern- 
staar).  In  dieser  tritt  später  auch  Coagulation  ein  ;  eine  Schichte  grauer, 
breiiger,  slruclurloser  Masse  umhülltdann  die  Linse.  Man  nennt  solche  Staare, 
deren  Kern  hart,  die  Corticalsubstanz  jedoch  weicher  ist,  auch  halbharle 
Staare  oder  Staare  von  gemischter  Consislenz.  Diese  Schichte  des  Coa- 
gulums  wird  jedoch  bei  längerer  Dauer  des  Staares  dünner  und  allmälig 
ganz  aufgesaugt,  und  der  Linsenkern  berührt  fast  unmittelbar  die  Kapsel. 

Nachdem  wir  bisher  die  mannigfachen  Slaarformen  besprochen  ,  und 
dieselben  so  viel  als  möglich  auf  ihre  pathologischen  Verhältnisse  zurück- 
geführt haben,  lässt  sich  folgendes  Schema  zur  leichleren  Uebersichl  auf- 
stellen : 

I.  Aechter  grauer  Staar,  Krystallstaar. 

Varietäten: 
Centralkapselslaar, 
Pyramidenstaar, 
Streifenstaar, 

Vorderer  Kapselstaar        (  Fensterstaar, 
1.  Kapselstaar  \  ] Perlenstaar, 

Balkenstaar, 
Pigmenlslaar, 
angewachsener  Staar. 

Hinterer  Kapselstaar, 

Häutiger  Staar. 

Meyr,  Augenheilkunde.  11 


Weicher  Linsenstaar 


2.  Linsenstaar 


162 


Varietäten  j 
Cataracta  dehiscens, 
„         stellata, 
„         glaucomatosa, 
„         viridis, 
„         corticalis. 
Milchstaar, 
Eiterstaar, 
Balgstaar, 
Hydatidenstaar, 

1  Cataracta  nuclearis, 
nigra. 

3.  Kapsellinsenstaar:  Varietäten:   Cataracta  gypsea, 

„  arida  siliquata, 

„         tremulans, 
„         natans. 

4.  Secundärer  Staar  oder  Nachstaar, 


Flüssiger  Staar 


Harter  Staar 


II.  Unächter  grauer  Staar. 

Cataracta  lymphatica  (Lymphstaar), 

„         lymphatieo-grumosa  (Blutstaar). 
Um  einen  ausgebildeten  grauen  Staar  gut  zu  diagnosticiren,  was  auf 
die  Prognose  und  Behandlung  den   grössten  Einfluss  hat,   muss  man   auf 
fünf  Punkte  Rücksicht  nehmen  und  zwar : 

1.  Auf  den  Sitz  desselben,  ob  wir  es  mit  einem  Kapsel-  oder  Lin- 
senstaar zu  thun  haben.  Die  differenliellen  Eigenschaften  der  Kapsel-  und 
Linsenstaare  sind  folgende : 

Kapselstaare.  Linsenstaare. 

Die  Trübung  bildet  meistens  Her-  Die  Trübung  bildet  keine  Hervor- 

vorragungen  über  die  Oberfläche  des    ragung,    entsteht    häufig    ohne   eine 
Krystallkörpers  ;  Entstehen  grössten-    Entzündung, 
theils  durch  Entzündung. 

Die  Oberfläche  uneben,  daher  die  Die  Oberfläche    mehr   eben,    die 

Trübung  ungleich,  ihre  Farbe  weiss-  Trübung  gleichmässig  grau,  bläulich 
lieh,  kreidenartig,  unregelmässige  oder  gelblich,  oft  regelmässige  Strei- 
Streifen  oder  Flecken  zeigend.  fen  zeigend. 

Schlagschalten*)  fehlend.  DerSchlagschatten  meistenswahr- 

zunehmen. 


*)  Der  Schlagschatten   ist  jener  Schatten,    welchen   der  Rand   der  Iris  auf 
den  getrübten  Krystallkörper  wirft,  und  er  ist  von  dem  schwarzen  Pupillarrande 


163 

Die   Iris    minder    oder  gar  nicht  Die  Iris  beweglich,   ohne  Adhae- 

beweglich,  häufig  an  einzelnen  Stel-    renzen  mit  der  Kapsel, 
len  mit  der  vorderen  Kapsel  adhae- 
rent. 

Die  Diagnose  der  einzelnen  Varietäten  des  Kapsel  -  und  Linsenstaars 
ergibt  sich  aus  dem  früheren.  Jedoch  könnte  die  Cataracta  corlicalis  sein 
leicht  mit  dem  Kapselslaare  verwechselt  werden.  Es  erscheint  der  Rinden- 
staar  als  oberflächliche  vollständige  oder  unvollständige  Trübung  der  Linse, 
gebildet  durch  mehr  oder  weniger  regelmässige  Streifen  und  Flecken, 
welche,  durch  die  durchsichtige  Kapsel  betrachtet,  einen  eigenthümlichen 
perlmutlerartigen  oder  jaspisarligen  Glanz  darbieten.  Von  dem  Kapselstaar 
unterscheidet  sich  die  Cataracta  corticalis  ant.  dadurch,  dass  die  Flecken 
und  Streifen  an  der  vordem  Fläche  der  Linse  weder  Erhabenheiten  noch 
Vertiefungen  zeigen,  durch  die  malte  glanzlose  Farbe  und  die  gleichmässige 
Beschaffenheit  der  Kapsel,  so  wie  durch  das  Fehlen  von  Verwachsungen 
mit  dem  Pupillarrande  und  durch  Berücksichtigung  der  Entstehung. 

Die  Diagnose  von  Trübungen  an  der  hintern  Kapsel  und  der  teller- 
förmigen Grube  ist  meistens  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden.  In 
manchen  Fällen  kann  das  Purkinje -Sanson'sche  Experiment  Aufschluss 
geben.  Hält  man  nämlich  vor  ein  mit  klaren  Medien  versehenes  Auge  ein 
brennendes  Licht,  so  sieht  man  drei  Bilder  im  Auge.  Das  erste,  grösste 
und  deutlichste  ist  aufrecht  und  ein  Spiegelbild  der  Hornhaut,  das  zweite 
kleinere  hinler  ihm  befindliche  steht  verkehrt  und  ist  ein  Spiegelbild  der  hin- 
tern coneaven  Kapselwand,  das  dritte  hinterste,  aufrechte  und  schwache  Bild 
kommt  von  der  vordem  convexen  Kapselwand.  Bewegt  man  das  Licht  vor 
dem  Auge,  so  bewegt  sich  das  mittlere  Bild  in  entgegengesetzter  Richtung, 
während  die  beiden  aufrechten  dem  Lichte  folgen.  Ist  nun  die  vordere 
Kapselwand  getrübt,  so  sieht  man  nur  das  erste,  aufrechte  Bild;  ist  die 
Linse  oder  die  hintere  Kapselwand  verdunkelt,  so  sieht  man  die  beiden  auf- 
rechten Bilder;  fehlt  die  vordere  Kapselwand  und  die  Linse,  so  sieht  man 
das  vordere  aufrechtstehende  und  das  mittlere  umgekehrte  Bild,  dagegen 
alle  drei  Bilder,  wenn  die  Trübung  im  Glaskörper  oder  noch  liefer  liegt. 

2.  Auf  die  Consistenz.  Wir  unterscheiden  in  dieser  Beziehung 
harte,  weiche  und  flüssige  Staare.    Es  gilt  diess   namentlich   von  den  Lin- 


wohl  zu  unterscheiden.  Zu  seiner  Bildung  ist  nolhwendig,  dass  sich  zwischen 
Iris  und  Cataract  noch  ein  freier  Raum  befindet,  daher  bei  einem  grössern  Staare, 
der  den  hintern  Pupillarraum  mehr  ausfüllt,  wie  beim  vordem  Kapselstaar,  oder 
bei  einem  grossen,  weichen  Linsenstaar  der  Schlagschatten  gewöhnlich  nicht 
bemerkt  wird. 

11* 


164 

senstaaren,  da  blosse  Kapselstaare  durchgehends  eine  etwas  härtliche  oder 
eine  zähe  Consistejiz  besitzen.    Die  Unterschiede  sind  folgende: 

Harter  Staar.  WeicherStaar. 

Die  Trübung-  schreitet  vom  Cen-  Die    Trübung   schreitet   von    der 

trum  gegen  die  Peripherie  der  Linse  Oberfläche   gegen    das.  Centrum  der 

fort.    Die  Circumferenz   oft  noch  et-  Linse  fort.    Die  Circumfenenz,  immer 

was  durchsichtig.  getrübt. 

Die  Farbe  mehr  dunkel,  gelblich,  Die   Farbe    bläulich    weiss    oder 

bernsteinfarbig.  graulich. 

Das  Volumen  der  Linse  etwas  Das  Volumen  der  Linse  grösser, 
kleiner,  daher  die  hintere  Kammer  daher  die  hintere  Kammer  klein  oder 
geräumiger,  der  Schlagschatten  deut-  aufgehoben,  der  Schlagschatten  feh- 
lich, die  Iris  leicht  beweglich,  das  lend,  die  Iris  minder,  beweglich,  das 
Sehvermögen  im  massigen  Lichte  noch  Sehvermögen  ganz  aufgehoben» 
etwas  vorhanden. 

Langsame  Entwicklung;  Ent-  Schnellere  Entwicklung;  Ent- 
stehen durch  gehemmte  Ernährung,  stehen  öfters  durch  Entzündung  oder 
Atrophie  der  Linse.  Verletzung,  so  wie  bei  Dyscrasien. 

Vorkommen  im  höhern  Alter.  Vorkommen  im  Jüngern  und  mitt- 

leren Lebensalter. 

Der  flüssige  Staar  theilt  mehrere  der  angegebenen  Eigenschaften  mit 
dem  weichen  Staare,  als  dessen  höhere  Potenzirung  er  auch  erscheint.  Bei 
der  flüssigen  Beschaffenheit  der  Linsensubstanz  senken  sich  die  dichteren 
Bestandteile  mehr  nach  abwärts,  und  drängen  den  untern  Theil  der  Iris 
selbst  mehr  nach  vorne.  Dadurch  erscheint  der  obere  Theil  der  Pupille 
freier,  die  Trübung  daselbst  viel  weniger  gesättigt,  als  in  der  untern  Hälfte: 
der  Staarkranke  kann  Gegenstände  ausnehmen.  Diess  findet  jedoch  nur 
beim  ruhigen  Stehen  oder  Sitzen  oder  in  der  ruhigen  Rückenlage  mit  etwas 
erhöhtem  Kopfe  Statt.  Bei  heftiger  Bewegung  und  veränderter  Stellung 
steigen  vom  Boden  der  Pupille  gleichsam  Wolken  auf,  die  Trübung  geht 
in  eine  gleichmässige  über,  das  Sehen  ist  ganz  aufgehoben.  Bei  dem  flüs- 
sigen Staare  sowohl,  als  als  auch  bei  jenen  Slaarformen ,  welche  mit  par- 
tieller oder  totaler.  Auflösung  der  Linsensubstanz  verbunden  sind,  wie  bei 
der  Cataracta  arida-siliquata,  membranacea,  beobachtet  man  an  der  Iris  zu- 
weilen ein  Schwanken  von  vor-  nach  rückwärts  (Iridodonesis). 

3.  Auf  die  Reife  (Malurität)  des  Staares.  Wir  nennen  einen  Staar 
reif,  wenn  der  Krankheilsprocess ,  welcher  der  Staarbildung  zu  Grunde 
liegt,  bereits  abgelaufen  ist,  und  die  Trübung  nicht  mehr  zunimmt.  Ob 
ein  Staar  reif  oder  unreif  sei,   lässt  sich  weder  aus  dem  Umfange  der  Trü- 


165 

bung,  nach  daraus  bestimmen,  dass  beim  reifen  Staare  das  Sehvermögen 
ganz  aufgehoben  sei.  Es  gibt  nämlich  Staare ,  welche  auch  vollkommen 
entwickelt,  nur -in  einem  kleinen  Theile  des  Krystallkörpers  ihren  Sitz 
haben;  z.  B.  der  Cenlralstaar.  Ferner  ist  das  Sehvermögen  bei  manchen 
Staaren  trotz  ihrer  vollständigen  Entwicklung  nie  ganz  aufgehoben ,  wie 
beim  Centralstaar,  bei  einem  kleinen  harten  Linsenslaai,  wobei  der  Kranke 
unter  Umständen,  wo  sich  sich  die  Pupille  erweitert,  daher  in  der  Dämme- 
rung, nach  Einlräuflung  von  Belladonna  selbst  noch  Gegenstände  unter- 
scheidet; andererseits  kann  bei  einem  nicht  reifen  Staare  das  Sehvermögen 
durch  gleichzeitig  bestehende  Anaesthesin  der  Netzhaut  ganz  aufgehoben 
sein.  Wir  beurtheilen  demnach  die  Maturität  des  Staares  zum  Theile  aus 
dem  Mangel  jener  Symptome,  welche  einen  dem  Staare  zu  Grunde  liegen- 
den Krankheitsprocess  andeuten,  zum  Theile  auch  aus  der  Angabe  des 
Kranken,  dass  während  einer  geraumen  Zeitperiode  keine  weitere  Abnahme 
des  Sehvermögens  erfolgte. 

4.  Auf  die  Verbindung  des  Staares.  Es  kann  aber  die  nor- 
male Verbindung  des  Krystallkörpers  bei  dem  grauen  Staare  t'heil weise 
oder  ganz  gelockert,  oder  es  kann  der  graue  Staar  abforme  Verbindungen 
eingegangen  (haben.  Durch  Entzündungsproeesse  in  der  Zonuia ,  so  wie 
in  der  Tiefe  des  Bulbus  werden  bisweilen  die  Anheftungen  des  Staares  an 
die  Zonuia  theilweise  gelöst,  und  der  Staar  igeräth  in  eine  zitternde,  schwan- 
kende Bewegung  (Cataracta  treinulans,  Zitterstaar).  Wird  diese  Verbindung 
ganz  aufgehoben,  so  schwimmt  ein  kleiner  Staar  bisweilen  in  der  wässrigen 
Feuchtigkeit  (Schwimm staar,  Cataracta  natans),  oder  er  begibt  sich  in  die  vor- 
dere Kammer.  Derlei  Erschein imgen  begegnen  wir  zuweilen  bei  derCataracla 
arida-siliquata,  beim  häutigen  Staare,  beim  Gypsstaar.  Auch  durch  Verlet- 
zungen des  Augapfels  kann  der  Staar  oder  der  ungetrübte  Krystallkörper 
entweder  ganz  oder  zum  Theile  aus  seinen  Verbindungen  gerissen  werden. 
Abnorme  Verbindungen  geht  der  Staar  mit  der  Iris  ein  (Cataracta  adereta, 
Synechia  posterior) ,  und  zwar  entweder  an  einer  oder  mehreren  Stellen 
des  Pupillarrandes  oder  im  ganzen  Umfange  desselben.  Zu  diesen  Ver- 
wachsungen des  Staares  geben  Entzündungen  der  Iris  Anlass,  und  es  sind 
daher  meistens  Kapseistaare ,  welche  solche  Verwachsungen  darbieten. 
Man  erkennt  die  Verwachsung  theils  durch  die  Autopsie ,  Wozu  man  sich 
einer  Lupe  bedienen  mag,  theils  durch  folgende  Erscheinungen:  Die  Pu- 
pille ist  etwas  unregelmässig,  meistens  einen  oder  mehrere  Winket  bildend, 
die  Bewegung  der  Iris  etwas  gehemmt  oder  ganz  aufgehoben ,  jedenfalls 
aber  ungleichmässig.  An  der  vordem  Fläche  der  Kapsel  beobachtet  man 
weissliche  Stellen  oder  Unebenheiten.  Zuweilen  ist  die  Verwachsung  nur 
unbedeutend,  nicht  genau  zu  erkennen,   ihr  Bestehen  lässl  sich  jedoch 


166 

entweder  aus  einer  vorausgegangenen  Iritis ,  oder  aus  Pigmentfleeken  des 
Staares  vermuthen.  In  einem  solchen  Falle  ist  die  Einträuflung  einer 
ßelladonnasolution  behufs  einer  genaueren  Diagnose  vorzunehmen.  Die 
darauf  eintretende  Pupillenerweiterung  wird  durch  ihre  Unregelmässigkeit 
und  Unvollsländigkeit  auffallen  ,  und  lässt  auch  einen  grösseren  Theil  der 
vordem  Kapselwand  überblicken. 

5.  Auf  die  allenfalls  bestehende  Complication.  Der 
graue  Staar  kann  frei  von  jeder  Complication ,  oder  er  kann  mit  örtlichen 
oder  allgemeinen  Leiden  complicirt  sein.  Zu  letzteren  gehören  die  ver- 
schiedensten acuten  und  chronischen  Krankheitsformen.  Von  ihrem  Ein- 
flüsse auf  die  Operation  wird  später  die  Rede  sein.  Die  örtliche  Compli- 
cation kann  in  mannigfachen  Krankheiten  der  Augenlider  und  des  Bulbus, 
theils  entzündlicher,  theils  nicht  entzündlicher  Natur  bestehen.  Diese  Lei- 
den können  entweder  in  ursächlichem  Zusammenhange  mit  der  Entwick- 
lung des  grauen  Staares  stehen ,  oder  unabhängig  neben  demselben  beste- 
hen ,  und  in  letzterem  Falle  entweder  schon  vor  dem  grauen  Slaare  ent- 
standen oder  erst  nach  der  Bildung  desselben  hinzugetreten  sein.  Auch 
sie  haben  einen  Einfluss  auf  die  Prognose  und  Behandlung  des  Staares. 
Die  wichtigsten  localen  Complicalionen  sind  die  mit  Glaucom,  mit  Synchy- 
sis  und  mit  Amaurose. 

Der  Staar,  welcher  das  Glaucom  begleitet,  ist  gewöhnlich  ein  wei- 
cher, grosser,  zuweilen  sternförmig  zerklüfteter  Linsenstaar.  Er  liegt  der 
Iris  sehr  nahe  und  drängt  sie  nach  vorwärts.  Seine  Farbe  ist  graulich 
weiss,  bisweilen  in's  Grünliche  spielend.  Die  Diagnose  sichern  die  übrigen 
Erscheinungen  des  Glaucoms ,  die  sehr  schwache  oder  gänzlich  mangelnde 
Lichtempfindung,  die  charakteristischen  Schmerzen  u.  s.  w. 

Die  Complication  mit  Synchysis  oder  beginnender  Atrophie  des 
Augapfels  gibt  sich  durch  eine  weichere  Consistenz  des  Bulbus,  zuweilen 
durch  bemerkbare  Volumsveränderung  desselben ,  durch  ein  Schwanken 
der  Iris,  durch  sehr  mangelhafte  oder  gänzlich  fehlende  Lichlempfindung 
zu  erkennen.  In  solchen  Fällen  ist  eine  Ophthalmia  interna  der  Staar- 
bildung  vorausgegangen.  Die  Staarformen  ,  bei  welchen  diese  Complica- 
tion vorzukommen  pflegt,  sind  der  trockenhülsige  Staar,  der  Cholestearin- 
staar,  der  Gypsstaar,  der  Eiterstaar,  der  Balgstaar,  und  manche  durch  Ver- 
letzung entstandene  Staarformen. 

Die  Complication  mit  Amaurose  ist  von  der  grössten  Wichtigkeit. 
Die  Amaurose,  welche  den  grauen  Staar  begleitet,  kann  entweder  Coeffect 
derselben  Krankheitsursache  mit  dem  grauen  Staare  sein ,  wie  z.  B.  bei 
einem  durch  innere  Entzündungsprocesse,  oder  durch  Verletzung  entstan- 
denen Staare.     Derlei  Slaare,  z.  B.  die  Cataracta  gypsea,   arida-siliquata 


167 

adultorum,  erhalten  sodann  zuweilen  auch  den  Namen  Cataracta  amaurotica. 
Die  Amaurose  .kann  sich  aber  auch  in  Folge  der  Cataracta  entwickeln, 
wenn  nämlich  letztere  sehr  lange  Zeit  besteht.  Die  Netzhaut,  längere  Zeit 
des  Lichtes  als  ihres  natürlichen  Stimulus  beraubt,  verfällt  in  eine  immer 
mehr  zunehmende  Anaesthesie  (Amaurose  durch  Mangel  an  Uebung,  Amau- 
rose par  paresse  der  Franzosen).  Eine  vollkommene  Amaurose  gibt  sich 
als  Complication  des  grauen  Staares  durch  das  völlig  mangelnde  Lichtem- 
pfindungsvermögen  leicht  zu  erkennen,  welches  auf  die  bereits  bekann ^ 
Weise  zu  eruiren  ist ;  nicht  so  ist  es  jedoch  mit  der  unvollkommenen 
Amaurose,  welche  bisweilen  trotz  der  genauesten  Untersuchung  des  Auges 
und  der  sorgfältigsten  Erhebung  der  anamnestischen  Daten  nicht  zu  er- 
kennen ist. 

Der  ausgebildete  graue  Staar  könnte  mit  manchen  andern  Krankhei- 
ten verwechselt  werden.  Es  kommen  nämlich  auch  andere  Trübungen  in 
und  hinter  der  Pupille  vor,  welche  mit  dem  Krystallstaare  einige  Aehnlich- 
keit  haben.  Hierher  gehören  vor  Allem  organisirte  Exsudate,  welche  die 
Pupille  ausfüllen,  der  sogenannte  Lymphstaar  (Cataracta  lymphatica). 
Er  unterscheidet  sich  von  dem  ächten  grauen  Staare  dadurch,  dass  der 
Sitz  der  Trübung  in  der  Pupille,  nicht  hinter  derselben  ist,  dass  sie  eine 
graulich  weisse,  unregelmässige,  streifige  oder  faserige  Oberfläche  zeigt; 
dass  die  Pupille  meistentheils  verengt  und  sehr  unregelmässig,  die  Iris  un- 
beweglich ist.  Aus  der  Anamnese  wird  sich  ergeben,  dass  eine  acute  oder 
chronische  Entzündung  der  Iris  vorausging.  Der  Pig  m  en  t  man  gel  ist 
ebenfalls  durch  eine  Trübung  hinter  der  Pupille  bezeichnet,  welche  dem 
grauen  Staare  ähnlich  sieht.  Doch  ist  der  Sitz  dieser  Trübung  etwas  tiefer, 
bei  seitlicher  Ansicht  durch  die  Pupille  deutlicher  hervortretend ,  das  Seh- 
vermögen nicht  ganz  aufgehoben ,  das  Auge  hat  den  Ausdruck  der  Decre- 
pidität,  das  Individuum  ist  in  den  Jahren  vorgerückt.  Es  gibt  auch  Fälle, 
wo  man  nicht  sicher  ist,  ob  man  es  mit  einem  grauen  Staare  oder  mit 
einem  Glaucome  zu  thunhat,  insbesondere,  wenn  die  Erscheinungen 
des  letztem  nicht  in  ihrer  vollen  Entwicklung  auftreten.  Man  muss  den 
Fall  als  Glaucom  betrachten,  wenn  mehrere  Erscheinungen  des  Glaucoms 
zugleich  im  Auge  vorhanden  sind ,  wenn  die  Abnahme  des  Sehvermögens 
nicht  dem  Grade  des  Trübung  entspricht,  sondern  noch  bedeutender  ist, 
wenn  die  Pupille  erweitert,  die  Bewegung  der  Iris  träge  ist,  wenn  der 
Kranke  öfters  von  den  dem  Glaucome  eigenthümlichen  Schmerzen  gequält 
wird ,  und  die  Merkmale  der  arthrilischen  Dyscrasie  an  sich  trägt.  Uebri- 
gens  ist ,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde  ,  nicht  jede  grünlich  aussehende 
Cataract  für  ein  Glaucom  zu  halten.  Trübungen  im  Hintergrunde 
des  Augapfels,  wie  bei  Exsudationen  an  der  innern  Fläche  der  Choroi- 


168 

dea,  beim  beginnenden  Fungus  medullaris  retinae  können  nur  bei  ober- 
flächlicher Betrachtung  ,m,it  dem  grauen  Staare  verwechselt  werden,  /da  sie 
s,ich  durch  ihren  Sitz  in  der  Tiefe,  durch  ihr  eigentümliches  schillerndes 
Aussehen,  so  wie  .dadurch  unterscheiden,  dass  ein  amaurotischer  Zustand 
dieselben  gleich  Anfangs  begleitet.  Der  schwarze  graue  Staar  könnte  end- 
lich leicht  mit  der  Amaurose  verwechselt  werden,  weil  hei  demselben 
die  Pupille  nich,t  wesentlich  getrübt  ist.  Indess  ist  sie  bei  demselben  nicht 
rein  schwarz,  sondern  zeigt  eine  Trübung,  die  ,einem  Rost-  oder  Tinten- 
flecke einiger  Massen  ähnlich  ist,  deren  Sitz  sich  in  der  .Gebend  -des  Kry- 
stallkörpers  befindet,  .die  J[ris  jLst  vollkommen  beweglich,  das  Lichlem,ptiu- 
dungsvermögen  vorbanden ,  und  bei  dem  .angestellten  Sanson'schen  Ver- 
suche wird  das  hinterste,  verkehrte  Bild  fehlen.  Cloquet,  Wenzel,  Vel- 
peau,  Roux  haben  Fälle  von  Cataracta  nigra  mit  Erfolg  operirt. 

Die  Genesis  desgranen  S.taares  ist  in  nicht  vielen  Fällen  ge- 
nau nachzuweisen,  und  erheischt  noch  exaete  Forschungen.  In  aetiologi- 
scher  Beziehung  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  der  graue  Staar  sowohl 
angeb.oren,  als  auch  später  entstanden  sein  kann. 

Der  a.ngeborn  e  St  aar,  Fo,e  ta  Ist  aar  (Cataracta  congenita)  be- 
ruht auf  einer  gehemmten  Entwicklung"  des  Linsensystems.  Nach  H,uschke 
nimmt  die  Kapsel  ihren  Ursprung  yon  der  Cornea,  welche  sich  geg##  Ende 
des  2.  Monates  der  Schwangerschaft  umschlägt,  und  nach  Art  einer  Haut- 
drüse eine  Einstülpung  bildet.  Einige  Zeit  später  erweitert  sich  der  Grund 
dieser  Einstülpung,  der  Hals  verengt  sich  mehr  und  mehr  und  schliefst 
sich  am  Ende  vollständig,  und  das  kleine  Organ,  das  nichts  anders  ist  als 
die  Kapsel,  trennt  sich  von  der  .Cornea.  Erfolgt  nun  diese  Schliessung 
nicht  vollständig,  so  bleibt  häufig  in  der  Mitte  der  vordem  Kapsel  eine 
Trübung  zurück,  welche  man  als  den  Cenlralstaar  der  Kinder  kennt.  Auch 
die  Cataracta  pyramidalis  ist  zuweilen  angeboren.  Sehr  häufig  jedoch  ist 
der  Cenlralstaar  die  Folge  einer  nach  der  Geburt  eintretenden  Ophthalmie. 
Auch  andere  Staare  können  durch  gehemmte  Entwicklung  hervorgehen. 
Sobalu1  die  Iris  gebildet  jsl,  ist  ihre  vordere  Oeffnung,  die  Pupille,  mittelst 
einer  durchsichtigen  aber  gefässreichen  Haut  v/erschlossen  ,  die  sich  bis 
gegen  die  Geburt  hin  erhält,  ßiess  Haut,  die  Pupillarmembran,  ist  eigent- 
lich nur  der  vordere  Theil  eines  Sackes,  der  nach  inner  durch  das  {Sehloch 
hindurch  auf  die  Linsenkapsel  sich  fortsetzt,  and  diese  gänzlich  umhüllt, 
pieser  gefässreiche  Sack ,  den  man  KapselpupiÜarsack  genannt  hat ,  bildet 
sich  ebenfalls  allmälig  gegen  die  Geburt  hin  zurüelf  und  verliert  sich  voll- 
ständig. Da  er  die  Linse  gänzlich  umhüllt,  und  nach  vorn  hin  zu  der  Pu- 
pille gehend  an  dem  Rande  derselben  sich  befßstigt,  so  scheint  seine  Ent- 
stehung mit  dem  Zurückweichen  der  Linse  in  gewisser  Beziehung  zu  stehen. 


169 

Werden  diese  ,ge  fässreichen  Gebilde  nun  in  den  Zustand  der  Congestion  oder 
selbst  der  Entzündung  versetzt,  was  ^namentlich  bei  dyscrasi sehen  Kindern 
sehr  leicht -möglich  ist,  so  können  dadurch  leicht  Ablagerungen  auf  der  «Kap- 
sel und  Trübungen  der  Linse  veranlasst  werden.  Auch  idurch  zu  frühzeitige 
0.bjUteratiion  der  Gefässe  kann  Staarbildung  verursacht  werden,  »namentlich 
soll  sich  eine  Cataracta  capsularis  posterior  .centralis  und  schichten  weise  Trü- 
bung der  Linse  aufwiese  Weise  bilden.  {Amnion.)  Gewisse  angeborne  Staare 
wenden  später  durch  partielle  oder  totale  Resorption  der  Lin&etnsub«tauz 
zu  einem  häutigen  Slaare  oder  zur  .Cataracta  arida-siliquata.  Die  ,ange>b»or- 
ne#  Slaare  sind  gewöhnlich  imit  dem  unsitäten  Herumrollen  des  Augapfels 
(Nystagmus)  verbunden  ,  welche  Erscheinung  überhaupt  da  eintritt,  wo  ein 
tadLv&uurn  in  der  frühesten  Kindheit  erblindete,  oder  blind  geboren  wurde. 
Eine  an(g,ehome  tCataract  ist  auch  sehr  häufig  mit  einem  höhern  oder  .ge- 
ringem ,Grade  von  Microphlhalmus,  oder  mit  andern  Biklungshemmungen 
verbunden. 

Uniter  den  Ursachen ,  welche  nach  der  Geburl  die  Staarbildung  zur 
Folge  haben,  ist  vor  Allem 

1.  Diie  Ve  rletzung  de  s  Lins  ensystem  s  zu  erwähnen.  Blosse 
Wunden  der, Kapsel  sollen  sich,  ohne  den  grauen  Staar  nach  sich  zu  ziehen, 
wieder  schüessen.  Jedoch  lehrt  die  Erfahrung,  dass  selbst  nach  leichten  Ver- 
legungen des  Krystallkörpers  sich  sehr  schnell,  oft  in  wenigen  Stunden,  der 
graue  Staar  vollkommen  ausbilde.  (Vergl.  Seite ,3(0.)  Eine  Verletzung  kann 
die  Staarentwicklung  zur  Folge  nabeln  entweder  durch  Zerreissung  der 
Kapsel  und  Eindringen  des  humor  aqneus  in  die  Höhle  derselben,  wodurch 
die  LLOsensubstanz  getrübt  und  macerirt  wird,  oder  durch  Zerreissung  der 
normalen  Anheftungsstellen  des  Krystallkörpers  an  die  benachbarten  Ge- 
bilde (hej  blosser  Erschütterung),  oder  durch  die  später  eintretende  Entzün- 
dung. J)Le  Staarform ,  die  sich  am  häufigsten  durch  die  Verletzung  bildet, 
ist  der  weiche  Linsenstaar.  Durch  beginnende  Aufsaugung  der  Linsensub- 
stanz, deren  Möglichkeit  .durch  Eröffnung  der  Kapsel  gegeben  ist,  spalten 
sich  öfters  die  Seetoren  der  Linsenfasern  (Cataracta  dehiscens)  und  der 
Staar  schwindet  von  selbst  auf  dem  Wege  der  Resorption  (Cataracta  eva- 
nida)-  Auf  ähnliche  Weise,  wie  die  Verletzungen  wirken  zuweilen  die 
Corw-ulsionen  der  Neugebornen  oder  der  Kinder  vor  dem  ersten  Zahnen ; 
es  entstehen  krampfhafte  Zusammenziehungen  der  Augenmuskeln,  welche 
bei  4er  Zartheit  der  innern  Gebilde  eine  Zerreissung  des  Aufhängebandes 
der  Linse  oder  der  Kapsel  vielleicht  zu  Folge  haben  können.  Wenigstens 
bilden  sich  nach  Convulsionen  der  Kinder  graue  Staare  oft  sehr  schnell  aus. 

2.  Eine  ziemlich  häufige  Ursache  des  grauen  Slaares  ist  der  Ent- 
zündung6process.     Diess  gilt  insbesondere  von  jenen  Ophthalmien, 


170 

welche  sieh  bis  auf  oder  in  die  Nähe  des  Linsensystems  erstrecken ,  und 
ihre  Producle  auf  demselben  ablagern.  Es  wurde  bereits  bemerkt,  dass  die 
meisten  Kapselstaare  Producte  einer  Entzündung  der  Iris,  des  Ciliarkör- 
pers  oder  der  Zonula  sind.  Aber  auch  andere  Entzündungen  des  Auges, 
namentlich  die  chronischen  Phlogosen  tieferer  Gebilde,  z.  ß.  der  Choroidea, 
haben  durch  Störung  der  Ernährungsvorgänge  die  Staarbildung  zur  Folge. 
Wird  nämlich  durch  den  Entzündungsprocess  ein  flüssiges  Blastem  in  die 
Augenfeuchligkeiten  ergossen,  so  wird  dasselbe,  weil  es  weniger  als  die 
Linsensubstanz  concentrirl  ist,  mit  grosser  Energie  in  den  Raum  zwischen 
Linsenkapsel  und  Linse  übergeführt.  Es  laugt  dann  die  Salze  der  Linsen- 
substanz, denen  das  Albumin  seine  Löslichkeit  verdankt,  aus,  so  dass  sich 
das  Albumin  niederschlägt.  Meistenteils  bilden  sich  weiche  und  flüssige 
Staare  durch  den  Entzündungsprocess  aus.  Wir  beobachten  häufig  genug 
Staare,  bei  welchen  noch  Symptome  der  Entzündung  vorhanden  sind,  dem 
sie  ihr  Entstehen  verdanken. 

3.  Das  höhere  Alter  ist  eine  so  gewöhnliche  Ursache  des  harten 
Linsenstaares ,  dass  wir  denselben  überhaupt  am  häufigsten  unter  allen 
Slaarformen  antreffen.  Jedesmal  tritt  im  höhern  Alter  eine  Trübung  der 
Linse  ein,  welche  jedoch  das  Sehvermögen  manchmal  nur  sehr  wenig  be- 
schränkt. Die  Ursache  ist  in  der  im  höhern  Alter  verminderten  Ernährungs- 
thätigkeit,  vielleicht  auch  in  Obliteration  einzelner  Gefässe  begründet.  Der 
Greisenstaar  (Cataracta  senilis)  ist  daher  als  die  nalurgemässe,  letzte  Metamor- 
phose des  Linsensystems  eigentlich  zu  betrachten.  Bei  einzelnen  Individuen 
erfolgt  diese  Trübung  frühzeitig,  während  selbst  hochbejahrte  sich  hoch 
des  besten  Sehvermögens  erfreuen.  Es  kann  nämlich  das  Linsensystem 
für  sich  nach  zu  rascher  Consumtion  seiner  Lebenskräfte  im  Zustande  der 
senilen  Decrepidität,  bei  noch  bestehender  Lebenskräftigkeit  anderer  Theile 
des  Körpers  sich  befinden.  Daher  kommen  senile  Cataracten  bei  Menschen 
von  jedem  Lebensalter  (mit  Ausnahme  der  frühesten)  mit  oder  ohne  Zei- 
chen von  senilem  Marasmus  in  den  übrigen  Körpertheilen  vor. 

4.  Die  Coexistenz  der  Calaract  mit  manchen  Dyscrasien  regte 
die  Frage  über  den  Einfluss  der  letzteren  auf  die  Staarbildung  an,  welche 
wohl  noch  nicht  positiv  entschieden  ist.  Dyscrasische  Krankheilszustände, 
welche  im  Gesammtorganismus  bestehen,  können  auf  mehrfache  Weise  die 
Staarbildung  veranlassen:  1.  Durch  Entzündung,  welche  sich  in  den  man- 
nigfachen Gebilden  des  Augapfels  bei  ihnen  häufiger  entwickelt.  2.  Durch 
directe  Ablagerung  pathologisch  erzeugter  dyscrasischer  Stoffe.  Alle  Krank- 
heiten, welche  sich  durch  eine  hervorstechende  Säurebildung  auszeichnen, 
wie  z.  B.  Gicht,  Rheumatismus,  Scrofeln,  haben  leicht  Staarbildung  zur 
Folge.     Das  Globulin,  welches  in  der  Krys-talllinse  vorkommt,   bildet  mit 


171 

der  Milchsäure  eine  weisse  unlösliche  Verbindung,  wodurch  sich  die  leicht 
entstehende  Trübung"  des  Krystallkörpers  erklären  lässt.  Der  sogenannte 
Gichtstaar  ist  in  den  meisten  Fällen  nichts  anders  als  ein  mit  dem  Glaucome 
verbundener  Staar;  jedoch  ist  nicht  jede  Cataract  bei  einem  Arthritischen 
ein  wahrer  Gichtstaar,  sondern  kann  auch  eine  gutartige,  operationsfähige 
Cataract  sein.  Es  ist  ganz  unstatthaft,  einen  scrofulösen  oder  syphilitischen 
Staar  als  eigene  Species  anzunehmen.  3.  Manche  hectische ,  atrophische 
und  Consumtionskrankheiten  scheinen  auf  den  Nutritionsprocess  im  Linsen- 
syslem  einen  bestimmten,  störenden,  hemmenden  Einfluss  zu  nehmen.  Zu 
diesen  Krankheiten  gehören  die  tuberculöse  Phthise,  die  Zuckerharnruhr 
und  die  carcinomatöse  Dyscrasie,  bei  welchen  man  öfters  Slaarbildung  beob- 
achtet, ohne  jedoch  die  Art  seiner  Entstehung  genau  erklären  zu  können. 

5.  Die  stärkere  und  anhaltende  E  i  n  wirk  ung  des  Lichtes  mag 
allerdings  als  ein  Moment  der  Staarbildung  betrachtet  werden,  indem  es 
eine  chemische  Veränderung  in  der  Linse  hervorzubringen  im  Stande  ist. 
Man  ist  einiger  Massen  berechtigt,  diesen  Einfluss  als  einen  ursächlichen 
zu  betrachten,  da  der  graue  Staar  häufiger  bei  Personen  auftritt,  welche 
viel  in  dem  Sonnenlichte  arbeiten,  z.  B.  bei  Landleuten,  dessgleichen  auch 
bei  Feuerarbeitern. 

6.  Auch  gewisse  mineralische  Dämpfe  haben  schon  den  grauen 
Staar  und  zwar  in  sehr  kurzer  Zeit  producirt.  Die  Häufigkeit  des  Staares 
bei  den  Arbeitern  der  Salzbergwerke  leitet  Frerichs  von  der  Einwirkung 
der  salzsauren  Dämpfe  her. 

Von  allen  andern  Ursachen  weiss  man  nichts  Bestimmtes.  Die  Dispo- 
sition zur  Slaarbildung  ist  eine  ziemlich  allgemeine.  Man  glaubt,  dass  sie 
durch  den  Missbrauch  geistiger  Getränke,  durch  Unregelmässigkeiten  der 
Circulation  gesteigert  werde.  Es  gibt  auch  eine  Familienanlage  zum  grauen 
Staare,  da  man  denselben  bei  allen  oder  mehreren  Gliedern  einer  Familie 
bisweilen  beobachtete.  Worin  aber  diese  besteht,  weiss  man  nicht  genau. 
Walther  hält  diese  Cataracten  in  gewissem  Sinne  für  Foelalstaare;  es  scheint 
ihm  die  fötale  Ausbildung  des  Linsensystems  mangelhaft  und  nur  so  weit 
entwickelt  zu  sein,  dass  zwar  seine  Durchsichtigkeit  zu  Stande  kommt, 
doch  nur  für  eine  kürzere  Zeit  bestehen  kann.  Es  gibt  auch  eine  durch 
climatische  und  geographische  Verhältnisse  bedingte  Staaranlage.  Doch 
sind  die  Beobachtungen  hierüber  für  jetzt  noch  sehr  unvollkommen.  Es 
scheint  in  feuchten  Gegenden ,  wo  besonders  kühle,  feuchte  Abende  mit 
heissen  Tagen  abwechseln,  der  graue  Staar  etwas  öfter  vorzukommen. 
Dass  in  den  Polargegenden,  so  wie  in  heissen,  wüsten  Gegenden  der  graue 
Staar  häufiger  vorkomme,  und  durch  den  Lichtreflex  bedingt  sei,  ist  eine 
unbegründete  Annahme, 


172 

Der  graue  Staar  kommt  häufiger  in  Augen  mit  hell  gefärbter  Iris  als 
in  solchen  mit  dunkel  gefärbter  vor.  Weit  mehrere  graue  Slaare  befallen 
das  höhere  Lebensalter  als  jüngere  Individuen.  Insbesondere  ist  das  Pha- 
coseierom  der  höhern  AUersepoohe  eigen.  Weiche  und  flüssige  Staare 
kommen  bei  Kindern  und  jüngeren  Individuen  bis  -zu  dem  40.  Lebensjahre 
vor.  Der  linsenstaar  ist  viel  häufiger  als  der  Kapselstaar,  ungefähr  «im 
Verhältnisse  wie  5:1. 

Der  graue  Staar  bildet  sich  unter  Erscheinungen,  welche  besondere 
Aufmer.k-samk.eit  verdienen,  da  die  beginnende  Cataract  oft  sehr  schwer  zu 
erkennen  ist,,  »und  mit  andern  himmelweil  verschiedenen  Affectionen  leicht 
verwechselt  werden  kann.  Das  Sehen  wird  trübe,  neblich,  besonders  für 
entferntere  Gegenstände;  -es  scheint  dem  Kranken,  als  sei  ein  Schleier  vor 
den  sichtbaren  Gegenständen  ausgespannt.  Man  beobachtet  hinter  der 
Pupille  in  .der  Gegend  des  Kryslallkörpers  eine  schwache  Trübung,  sonst 
jedoch  im  Auge  keine  weitern  Alienationen ,  die  Bewegungen  der  Jris 
gehen  regelmässig  vor  sich.  Die  Gesichtsschwäche  ißt  in  der  Mehrzahl 
der  fülle  veränderlich;  das  Sehvermögen  ist  besser  unter  Umständen,  wo 
sich  die  Pupille  erweitert,  daher  in  der  Dämmerung,  bei  bewölktem  Him- 
mel, bei  Beschattung  des  Auges,  nach  Einträuflung  eines  Pupillen  erwei- 
ternden Mittels.  Daher  gehen  cataractös  Erblindete  aueh  meistens  mit 
gesenktem  Kopfe  einher,  und  suchen  ihr  Auge  auf  jede  Weise  zu  beschat- 
ten. Auch  steht  der  Grad  des  Sehvermögens  mit  der  Trübung  im  genauen 
Verhältnisse.  Weniger  constant  und  seltener  vorkommend  ist  beim  begin- 
nenden grauen  Staare  das  Sehen  von  schwarzen  Punclen ,  grauen  Fäden, 
Netzen ,  Schlangen ,  Gitterwerk  u.  s.  w.  (Myodesopsie.)  Die  wenigsten 
Cataraclösen  haben  früher  an  Mückensehen  gelitten.  Von  grösserer  Bedeu- 
tung für  den  beginnenden  grauen  Staar  ist  die  Chromatopsie ,  das  Sehen 
von  verschiedenen  Farben  in  der  Umgebung  eines  leuchtenden  oder  glän- 
zenden Gegenstandes.  Der  Flammenkegel  einer  brennenden  Kerze  er- 
scheint mit  den  Farben  des  Regenbogens  umgeben,  das  Licht  bildet  somit 
einen  hellen,  schimmernden  Kreis.  OÜ  sieht  der  Kranke  auch  kleine  be- 
sonders glänzende  Gegenstände  verdoppelt  (Diplopia  monoeularis)  oder 
noch  häufiger  vervielfacht  (Polyopia).  Diese  Erscheinungen  hängen  ab 
von  der  veränderten  Strahlenbrechung  bei  ihrem  Durchgange  durch  das 
getrübte,  lichtleitende  Medium.  Nicht  selten  sind  auch  jene  Fälle,  wo  in 
Folge  der  geänderten  Strahlenbrechungsverhältnisse  das  Adaptationsver- 
mögt  n  des  Auges  sich  ändert.  Kranke,  welche  früher  fernsichtig  waren, 
werden  bei  beginnender  Cataract  zuweilen  kurzsichtig,  und  sehen  besser 
mittelst  concav  geschliffener  Brillen.  Wenn  auch  die  Trübung  im  Linsen- 
systems  noch  nicht  sehr  augenfällig  ist,  so  würde  sich  doch  bei  dem  vor- 


m 

genommenem  Sanson'schen  Versuche  eine  mindere  Deutlichkeit  des  Hintern 
verkehrt  stehenden  Bildes  bemerken  lassen ;  mit  dem1  Fortschreiten  der 
Trübung  jedoch  dasselbe  kaum  wahrgenommen  werden  können. 

Die  beginnende  Cataract  könnte  mit  der  beginnenden  Amaurose  ver- 
wechselt werden.  Diese  ist  jedoch  weil  häufiger  eine  mit'  der  allgemeinen 
Conslitutionsbeschaffenheit  und  deren  Leiden  verbundene  Krankheitsform ; 
bei  ihr  ist  keine  wirkliche,  sondern  nur  eine  scheinbare  Trübung  im' Auge 
vorhanden,  und  diese  nicht  von  graulicher,  sondern  von  rauchiger  Beschaf- 
fenheit,  und  hinler  dem  Krystallkürper  gelegen ,  steht  auch  in  keinem  ad- 
aequaten  Verhältnisse  zur  Beschränkung  des  Sehvermögens.  Die  Bewe- 
gung der  Iris  ist  gewöhnlich  träge  oder  aufgehoben,  die  Phasen  des  besse- 
ren und  schlechtem' Sehens  hängen  nicht  von  dem  Verhältnisse  der  Pupil- 
lenweite, sondern  von  dem  Wechsel  des  körperlichen  Befindens  ab.  Man- 
che- Symptome,  wie  Myodesopsie ,  Photopsie  u.  s.  w.  kommen  mehr 
bei  amaurotischen  Zuständen  vor;  der  Blick  ist  hier  mehr  starr.  In 
zweifelhaften  Fällen  kann  das  Sanson'sche  Experiment  nähere  Aufschlüsse 
geben. 

Selten  entsteht  die  Cataract  zugleich  auf  beiden  Augen,  meistens 
zuerst  auf  einem,  und  wenn  sie  in  diesem  sich  vollkommen  entwickelt  hat, 
schreitet  die  Bildung  derselben  auch  auf  dem  andern  Auge  vorwärts.  Ge- 
wisse Cataracten,  wie  die  durch  Verletzungen  oder  Entzündungen  beding- 
ten, entstehen  meistens  nur  auf  einem  Auge,  das  andere  Auge  bleibt  von 
der  Staarbildung  frei.  Die  Trübung  macht  bei  der  Staarbildung  gewöhn- 
lich nur  langsame  Fortschritte,  es  dauert  zuweilen  1  Jahr  oder  noch  längere 
Zeit,  bis  der  Slaar  vollkommen  entwickelt  ist.  Es  gibt  Menschen,  welche 
Jahrelang  auf  einem  Auge  staarblind  sind,  ohne  es  zu  wissen,  und  welche 
es  erst  dann  entdecken,  wenn  sie  das  gesunde  Auge  gelegentlich  schliessen, 
oder  wenn  dasselbe  durch  Entzündung  u.  s.  w.  zum  Sehen  unbrauchbar 
wird.  Solche  glauben  dann,  der  graue  Staar  habe  sich  bei  ihnen  plötzlich 
entwickelt.  Der  graue  Staar  jedoch,  der  durch  Entzündungen  entsteht, 
kann  in  viel  kürzerer  Zeit  zur  Reife  gelangen.  Am  schnellsten  entwickeln 
sich  Staare  nach  Verletzungen ,  indem  schon  einige  Stunden  nach  densel- 
ben die  Cataract  vollkommen  gebildet  sein  kann. 

Die  Prognose  hängt  bei  dem  grauen  Staare  von  den  verschieden- 
sten Umständen  ab,  so  dass  sich  keine  allgemein  gültigen  prognostischen 
Grundsätze  aufstellen  lassen.  Ein  reiner  Linsenstaar  lässt  meistens  eine 
bessere  Prognose  zu,  als  ein  Kapsel-  oder  Kapsellinsenslaar;  der  freie 
Siaar  eine  bessere,  als  die  angewachsene  Cataracta.  Complicationen  des 
grauen  Slaares  trüben  immer  die  Prognose,  und  zwar  desto  mehr,  je  wich- 
tiger die  Complication  ist.     Staare,  welche  sich  unter  entzündlichen  Er- 


174 

scheinungen,  Kopfschmerzen  u.  s.  w.  bildeten,  die  nach  bedeutenden  Ver- 
letzungen entstandenen  gestatten  eine  minder  günstige  Vorhersage,  als 
solche,  die  sich  langsam  auf  dem  Wege  des  Marasmus  ausbildeten.  Uebri- 
gens  sind  bei  der  Stellung  der  Prognose  noch  die  Constitution  und  der 
Gesundheitszustand  des  Individuums,  seine  Vulnerabilität,  körperliche  und 
geistige  Ruhe,  und  manche  äussere  Verhältnisse  zu  berücksichtigen ,  lauter 
Umstände,  welche  in  der  Lehre  über  die  Behandlung  des  grauen  Staares 
näher  besprochen  werden. 

Dass  eine  bis  zu  einem  gewissen  Grade  verdunkelte  Linse  sich  wie- 
der aufhellen  könne,  ist  bei  dem  isolirten  Zustande,  in  welchem  sich  das 
Linsensystem  befindet ,  kaum  jemals  wahrscheinlich.  Alle  behaupteten 
Heilungen  der  bereits  ausgebildeten  oder  schon  mehr  vorgeschrittenen 
Staare  müssen  daher  mit  Misstrauen  aufgenommen  werden.  Indessen  kann 
durch  die  blosse  Naturlhätigkeit  eine  Beseitigung  der  Cataract  erfolgen 
und  zwar  1.  Durch  spontane  Resorption.  2.  Durch  spontane  Reclination. 
Die  spontane  Resorption  einer  Cataract  erfolgt  zuweilen,  wenn  die  Kapsel 
geöffnet  wurde  oder  geborsten  ist;  daher  die  traumatischen  Staare  sehr 
häufig  von  selbst  wieder  verschwinden.  Dasselbe  kann  bei  weichen  und 
flüssigen  Staaren  durch  Bersten  der  Kapsel  und  Aufsaugung  des  flüssigen 
Inhaltes  derselben  erfolgen.  Die  spontane  Reclination  erfolgt  seltener, 
wurde  jedoch  in  einzelnen  Fällen  beobachtet.  Nach  einem  sehr  langen 
Bestehen  des  grauen  Staares  nämlich  lockern  sich  bisweilen  die  normalen 
Verbindungen  desselben,  und  der  Slaar  legt  sich  um  oder  sinkt  von  der 
Pupille  herab,  wenn  der  Erblindete  vielleicht  eine  stärkere  Bewegung 
vornahm. 

Die  erzählten  Fälle  von  geheiltem  grauen  Staare  sind  auf  solche  Na- 
turheilungen zu  reduciren,  und  auf  Entzündungen,  welche  eine  beginnende 
Trübung  erzeugten,  jedoch  durch  die  Behandlung  glücklich  gehoben  wur- 
den. Namentlich  können  Entzündungen  der  Iris  oder  anderer  Gebilde, 
welche  häufig Kapselstaar  zur  Folge  haben,  durch  eine  zweckmässige  innere 
und  äusserliche  Anwendung  von  Mercurial-  und  Jodpräparaten  beseitigt 
und  die  bereits  begonnene  Trübung  wieder  rückgängig  gemacht  werden. 
Auch  ist  es  möglich,  dass  eine  noch  incomplete  Calaract,  welche  durch 
einen  pathologischen  Zustand  des  Gesammlorganismus  (Rheuma,  Arthritis) 
bedingt  ist,  nach  der  Heilung  dieser  Krankheilen  wieder  zurückgehe.  Wo 
immer  jedoch  die  Bildung  des  grauen  Staares  schon  deutlich  beobachtet 
werden  kann,  ist  es  nutzlos  und  sogar  schädlich,  das  Individuum  einer 
ernsten  Behandlung  zu  unterziehen.  Indessen  scheint  es,  dass  man  bei 
altern  Individuen  die  Vegetation  des  Auges  durch  gelind  erregende  Mittel, 
wozu  sich  WTaschungen  der  Slirngegend  mit  Wasser,    dem   etwas  Korn- 


175 

brannlwein   oder  Eau   de  Cologne  zugesetzt  ist,  eignen,  stärken   und   die 
Sehkraft  dadurch  länger  zu  erhalten  im  Stande  ist. 

Die  Anwendung  der  Electricität,  des  Galvanismus  und  des  Eleclro- 
magnetismus  zur  Heilung  der  ausgebildeten  Cataracten  ermangelt  ebenfalls 
jeder  erfahrungsmässigen  Begründung.  Das  Crussell'sche  Verfahren,  wel- 
ches als  ein  nicht  operatives  angegeben  wurde,  besteht  eigentlich  in  einer 
sehr  verletzenden  Operation  ,  indem  eine  Nadel  bis  in  den  Krystallkörper 
eingeführt,  und  hierauf  der  galvanische  Strom  eingeleitet  wird.  Es  entste- 
hen dadurch  leicht  sehr  heftige  Entzündungen,  wesshalb  dieses  Verfahren 
keine  Empfehlung  verdient. 

Es  bleibt  demnach,  um  dem  Kranken  wieder  zu  dem  verlornen  Seh- 
vermögen zu  verhelfen,  nichts  übrig,  als  die  Beseitigung  des  mechanischen 
Hindernisses  des  Sehens,  und  diess  geschieht  nur  durch  die  Slaaroperation. 

Die  Slaaroperation  ist  angezeigt,  wenn  der  Staar  reif  ist, 
wenn  er  durch  seine  Grösse  die  Sehfunction  namhaft  stört,  und  mit  der  Iris 
in  keiner  zu  festen  und  ausgebreiteten  Verbindung  steht. 

Man  wartet  die  Reife  des  Slaares  zur  Operation  ab,  weil  dann  wenig- 
stens kein  Krankheitszusland  (entzündlicher)  mehr  vorhanden  ist,  welcher 
die  Operation  gefährlich  machen  könnte.  Diess  gilt  freilich  nicht  von  allen 
Staaren,  und  man  könnte  eine  Cataract,  welche  durch  den  Alterungsprocess 
der  Linse  entstanden  ist,  noch  vor  der  Reife  operiren.  Indessen  gewährt 
doch  die  Reife  noch  den  namhaften  Vorlheil,  dass  der  Slaar  mil  den  Ne- 
bentheilen  lockerer  zusammenhängt,  daher  leichler  aus  der  Sehaxe  zu  be- 
seitigen ist,  dass  der  Kranke  die  Annäherung  des  Instrumentes  gegen  sein 
Auge  nicht  wahrnimmt,  und  daher  weniger  scheu  auszuweichen  bestrebt 
ist.  Auch  ist  gewöhnlich  die  Consistenz  eines  reifen  Staares  grösser,  was 
die  Operation  öfters  erleichtert.  Endlich  ist  bei  noch  nicht  reifem  Slaare 
meistens  noch  einiges  Sehvermögen  vorhanden;  ginge  nun  in  Folge  eines 
üblen  Ausganges  der  Operation  auch  dieses  verloren,  so  könnte  desswegen 
dem  operirenden  Arzte  ein  Vorwurf  gemacht  werden. 

Beim  Centralstaar  wird  keine  Operation  gemacht,  weil  er  das  Seh- 
vermögen nicht  bedeutend  stört,  und  es  daher  zwecklos  und  unnöthig- 
wäre,  das  Auge  den  Gefahren  der  Operation  auszusetzen. 

Es  fragt  sich,  ob  man  einen  Slaar  operiren  soll,  wenn  er  nur  auf 
einem  Auge  besteht,  und  das  andere  gesund  ist.  Es  gibt  Staare,  welche 
in  der  Regel  das  ganze  Leben  unilateral  bleiben,  z.  B.  die  von  Verletzung. 
Es  ist  nicht  nölhig,  solche  zu  operiren,  wenn  das  andere  Auge  gesund  ist; 
es  würde  in  dem  Falle,  als  die  Operation  einen  günstigen  Erfolg  hat,  der 
Kranke  jedenfalls  eine  ungleiche  Sehweite  beider  Augen  haben ,  was  sich 
wohl  in  einzelnen  Fällen   ausgleicht,  in  andern  hingegen   den  Operirfen 


bei  dem  Sehen  mit  beiden  Augen  mehr  stört',  als  wenn  er  nur  mit'  dem 
gesunden  Auge  die  Gegenständ!*  betrachtet.  Indessen  kailn  man  die  Ope- 
ration vornehmen,  wenn  es  dertfrarttie  wünscht,  und  wenn  der1  Staat  sonst 
von  guter  Beschaffenheit  ist,  weil  dann  der  Kranke  für  den  unglücklichen 
Fall,  dass*  er*  sein' gesundes  Auge  verlieft,  mit  dem  operirten  sehen  karin. 
Bestand  jedoch  der  Staar  vielk  Jahre  lang,  so  ist  oft  die  Operation  Wegen 
der  entstandenen  Anaesthesie  der  Netzhaut1  ohne  Erfolg.  Bei  den  Staarem, 
welche  einmal  auf  einem  Auge  ausgebildet,  oder  schon  während  ihrer 
Maturätionszeit  auch  in  dem  zweiten  Augpe  zu  entstehen  pflegen,  wird  die 
gänzliche  Erblindung  des  Kranken  verhüthet,  wenn  das  erblindete  Auge 
zu  einer  Zeit  operirt  wird,  wo  er  mit  dem  andern  noch  sieht. 
Contraindicirt  ist  die  Staaroperation: 

1.  Wenn  der  Staar  mit  den  benachbarten  Gebilden  (Iris)  in  zu  aus- 
gedehntem Umfange  verwachsen  ist,  daher  bei  totaler  hinterer  Synechie, 
weil  hier  zu  starke  Quetschung  und  Zerrung  der  bedachten  Gebilde,  und 
verheerende  Ophthalmien  zu  fürchten  wären. 

2.  Wenn  die  übrigen  Gebilde  des  Auges  zu  Entzündungen  disponirt, 
oder  damit  behaftet  sind,  wenn  das  Auge  zugleich  an  umfängreicher  Horn- 
hauttrübung, Pannus,  unheilbarem  Entropium  oder  Ectropium  höheren  Gra- 
des leidet ;  bei  Complication  mit  Synchysis  ,  Hydrophthalmus  post. ,  Glau- 
com,  Amaurose,  Athrophie.  Indessen  sind  schon  Staare  mit  Erfolg  operirt 
worden,  wo  auf  dem  andern  Auge  ein  Glaucom ,  eine  Amaurose  oder  eine 
Atrophie  bestand.  Entzündungen  des  zu  operirenden  oder  des  andern 
Auges  bilden  nur  eine  temporäre  Contraindication ,  so  lange  nämlich,  bis 
die  Entzündung  gehoben  ist.  Dessgleichen  soll  eine  bestehende  Trichiasis 
und  Dystiehiasis  oder  ein  Entropium  früher  durch  Operation  gehoben"  wer- 
den. Bei  einer  Synchysis  kann  man  in  einzelnen  Fällen  die  Zerstücklung 
des  Staares  durch  die  Cornea  noch  versuchen.  Eine  incomplete  Amaurose, 
welche  nur  durch  das  sehr  lange  Bestehen  einer  Cataracta  bedingt  ist,  bil- 
det auch  keine  absolute  Gegenanzeige,  da  die  Netzhaut  nach  entferntem 
Staare  wieder  einige  Kraft  gewinnen  kann.  Manche  organische  Krankhei- 
ten des  Auges  contraindiciren  auch  nicht  die  Staaroperation  im  Allgemei- 
nen, sondern  haben  nur  auf  die  Wahl  der  Methoden  einen  besondern  Ein- 
fluss;  z.  B.  Hornhaulflecken ,  Synechia  anterior  und  posterior,  Blepharo- 
phymosis,  das  Schielen  etc. 

3.  Bei  einem  Leiden  des  Gesammlorganismus ,  welches  den  Erfolg 
der  Operation  gefährden  oder  vereiteln  würde,  z.  B.  Syphilis,  oder  bei 
Krankheiten,  welche  ein  nahes  Lebensende  in  sichere  Aussicht  stellen, 
z.B.  die  Tubereulose  im  letzten  Stadium,  Wassersucht,  Magenkrebs.  Viele 
krankhafte   Zustände    des   Tolalorganismus   können    durch   zweckmässige 


177 

Behandlung;  vor  der  Operation  gehoben  werden;  andere  Krankheitszu- 
slände, z.B.  rheumatische,  gichtische  Anlage,  scrofulöse  Diathese  sind 
bisweilen  zwar  nicht  vollständig-  zu  heben,  doch  lässt  sich  durch  zweck- 
mässige Vorbereitung,  so  wie  durch  eine  umsichtige  Wahl  der  Operalions- 
melhode  der  schädliche  Einfluss  derselben  auf  den  Erfolg  der  Operation 
vermindern. 

Wenn  auf  beiden  Augen  ein  reifer  grauer  Staar  vorhanden  ist,  so 
kann  die  Operation  gleichzeitig  auf  beiden  vorgenommen  werden, 
wenn  ihre  Vulnerabilität  nicht  zu  gross,  und  der  Kranke  sehr  ruhig  ist.  Die 
eintretende  Reaction  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  keine  heftigere,  als  wenn 
nur  ein  Auge  operirt  wird, und  der  Kranke  braucht  sich  der  Operation  undNach- 
behandlung  nur  einmal  zu  unterziehen,  was  bei  solchen  Kranken,  welche  aus 
weiter  Ferne  zureisen,  wohl  in  Anschlag  zu  bringen  ist.  In  manchen  Fällen  ist 
es  jedoch  besser,  nur  ein  Auge  zu  operiren,  und  es  hat  diess  den  Vortheil, 
dass  man  während  und  nach  der  Operation  auf  einzelne  Umstände  auf- 
merksam gemacht  werden  kann,  welche  man  bei  der  zweiten  Operation 
am  andern  Auge  zum  Vortheile  des  Kranken  benützen  kann ,  z.  B.  bei  der 
Wahl  der  Methode,  der  Nachbehandlung. 

Man  verrichtet  die  Staaroperalionen  meislentheils  im  Frühjahre ,  in 
der  ersten  Hälfte  des  Sommers  und  im  Anfange  des  Herbstes.  Indessen 
kann  man  zu  jeder  Jahreszeit  operiren ,  wenn  nur  die  Witterung  günstig 
und  nicht  sehr  veränderlich  ist.  Jedoch  wähle  man  bei  Staarblinden,  wel- 
che eine  grosse  Empfindlichkeit  gegen  atmosphärische  Einflüsse  besitzen, 
die  günstigere  und  von  Schwankungen  freiere  Jahreszeit.  Jedesmal  nehme 
man  auf  die  herrschende  Krankheitsconslilution  Rücksicht.  Hinsichtlich 
der  Tageszeil  ist  eine  nicht  ganz  frühe  Morgenstunde  die  geeignetste. 

Auch  kann  die  Slaaroperalion  in  jedem  Lebensalter  unternommen 
werden.  Das  hohe  Greisenalter  bildet  so  wenig,  als  das  kindliche  Aller 
eine  Gegenanzeige.  Es  ist  nicht  räthlich,  bei  angebornen  Cataracten  zu 
lange  Zeil  mit  der  Operation  zu  warten  ,  weil  sonst  eine  zu  bedeutende 
Schwäche  der  Retina  eintreten  könnte,  weil  ausserdem  eine  Anfangs  wei- 
che Cataract  durch  Resorption  sich  in  eine  Irockenhülsige,  nicht  mit  so 
gutem  Erfolge  zu  operirende  verwandeln  kann.  Man  vermeide  jedoch  die 
Dentitions-  und  Puberlälsepoche.  Bei  Schwangern  soll  die  Operation  nur 
in  früheren  Monaten  der  Schwangerschaft  vorgenommen  werden.  Bei 
Weibern  ist  ferner  die  climaclerische  Periode  und  die  der  Menstruation 
für  die  Operation  nicht  zu  wählen. 

Die  Vorbereitung  zur  Staaroperation  ist  eine  für  jede  Operalions- 
methode  gültige,  und  eine  specielle  für  besondere  Methoden  nüthige.  Er- 
stere  besteht  darin  ,  dass  ein  etwas  ängstlicher  Kranker  so  viel  als  möglich 

M  e  y  r  ,  Augenheilkunde  )2 


178 

beruhigt  wird.  Man  stelle  ihm  eine  möglichst  günstige  Prognose ,  hüte 
sich  aber,  ihm  zu  versprechen,  dass  er  sogleich  nach  beendigter  Operation 
gut  sehen  werde.  Die  Hinweisung  auf  andere  glücklich  operirle  Personen 
hat  gewöhnlich  eine  günstige  Wirkung.  Ein  allenfalls  bestehender  Krank- 
heitszustand, z.  B.  Husten,  Diarrhoe  u.  s.  w.  so  wie  eine  Erkrankung  des 
Auges,  z.  B.  ein  Augencatarrh  muss  früher  durch  geeignete  Behandlung 
beseitigt  werden.  Bei  Individuen,  welche  mit  Rheumatismus  oder  Gicht 
behaftet  sind,  ist  es  nützlich,  einige  Zeit  vor  der  Operation  eine  Ableitung 
auf  einen  Oberarm  (z.  B.  durch  eine  Fontanelle)  vornehmen  zu  lassen 
Auch  kann  man  solchen  Staarblinden,  welche  mit  Haemorrhoiden  oder  son- 
stigen Unterleibskrankheiten  behaftet  sind,  eine  geraume  Zeit  vor  der  Ope- 
ration den  Gebrauch  einer  Mineralquelle  (Marienbad,  Carlsbad)  empfehlen. 

Am  Vorabende  vor  der  Operation  geniesse  der  Kranke  nur  ein  leich- 
tes Mahl;  man  trage  Sorge  für  gehörige  Leibesüffnung,  und  gestatte  am 
Tage  der  Operation  nur  ein  leichtes  Frühstück,  Individuen,  welche  daran 
gewöhnt  sind,  etwas  Kaffee. 

Der  zu  Operirende  sitzt  auf  einem  niedrigen  Stuhle  ohne  Rücken- 
lehne, der  Operateur  vor  ihm  etwas  höher,  so  dass  seine  Brust  dem  Kopfe 
des  Staarblinden  gegenübersteht.  Ganz  kleine  Kinder  müssen  in  ein  Tuch 
eingewickelt  von  Jemanden  im  Schoose  gehalten  werden.  Das  Operations- 
zimmer sei  licht,  und  nicht  weit  von  der  Lagerstätte  des  Kranken  entfernt 
Das  Licht  falle  von  der  Seile  ein.  Sieht  das  nicht  zu  operirende  Auge, 
so  wird  es  verbunden,  weil  sonst  der  Kranke  ängstlich  und  unruhig  wer- 
den könnte.  Jedoch  auch,  wenn  beide  Augen  cataraetös  sind,  ist  es  besser, 
das  nicht  zu  operirende  zu  verbinden,  weil  sich  nach  Schliessung  des 
einen  Auges  die  Pupille  des  andern  erweitert,  was  die  Operation  oftmals 
erleichtert. 

Der  assistirende  Gehülfe  muss  mit  dem  Vorgange  der  Operation 
sehr  vertraut  sein,  um  jede  nöthige  Hülfe  leisten  zu  können.  Er  fixirt 
den  Kopf  und  das  Auge  des  Kranken,  indem  er  den  Mittelfinger  der  dem 
zu  operirenden  Auge  gleichnamigen  Hand  an  das  obere  Augenlid,  den 
Ciliarrand  desselben  mit  der  Spitze  überragend,  anlegt,  demselben  den 
Zeigefinger  beigesellt,  und  so  das  Augenlid  hebt,  dem  obern  Orbitalrande 
nähert,  und  an  denselben  sanft  andrückt,  ohne  jedoch  auf  den  Bulbus  zu 
drücken.  Mit  der  andern  Hand  erfasst  er  den  Kopf  des  Kranken  unter 
dem  Kinne ,  und  drückt  ihn  massig  an  seine  Brust  an.  Der  Operateur, 
welcher  das  Instrument  mit  der  dem  zu  operirenden  Auge  entgegengesetz- 
ten Hand  führt,  legt  hierauf  den  Zeigeringe»-  der  nicht  operirenden  Hand 
an  die  mittlere  Gegend  des  Ciliarrandes  vom  untern  Augenlide,  und  zieht 
das  Augenlid   sanft  herab.      Bei   unruhigen   Kranken,  welche  den  Bulbus 


179 

fortwährend  nach  einwärts  wenden,  kann  er  den  Mittelfinger  im  innern 
Winkel  ansetzen,  die  übrigen  Finger  werden  eingeschlagen.  Die  Narcoti- 
sirung  der  Kranken  wird  zum  Behufe  der  Staaroperation  nur  bei  Kindern 
vorgenommen,  welche  duch  unruhiges  Widerstreben  den  operativen  Ein- 
griff hindern  würden.  So  wird  das  Auge  auf  die  zweckmässigste  und 
schonendste  Weise  fixirt  *).  Um  der  operirenden  Hand  Sicherheit  zu  geben, 
stützt  der  Operateur  denOhrfinger  derselben  an  den  benachbarten  Jochknochen 
an.  Das  Instrument  wird  schreibfederartig,  nicht  krampfhaft  fest  gehalten. 
Der  Staar  wird  durch  die  Operation  entweder  ganz  aus  dem  Auge, 
oder  nur  aus  der  Sehaxe  entfernt,  oder  er  wird  in  einen  resorptionsfähigen 
Zustand  versetzt.  Wir  haben  daher  drei  verschiedene  Methoden,  den 
grauen  Staar  zu  operiren,  die  Extraction,  die  Depression  und  die  Discission 
desselben.  Beide  letztere  können  durch  die  Sclera  oder  durch  die  Cornea 
vorgenommen  werden. 

1.  Die  Extraction  des  grauen  Staar  es. 

Sie  ist  ohne  Zweifel  die  vollkommenste  Operationsmethode,  da  der 
Staar  gänzlich  aus  dem  Auge  entfernt  wird,  und  der  Natur  nichts  erübrigt, 
als  die  Hornhautwunde  zur  Heilung  zu  bringen. 

Zur  Extraction  eignen  sich  jene  Cataracten,  welche  leicht  und  ohne 
Beleidigung  anderer  Gebilde  aus  dem  Auge  entfernt  werden  können ,  da- 
her ganz  oder  grösstenteils  harte  von  jeder  abnormen  Adhaesion  freie 
Linsenstaare  oder  vordere  Kapselstaare  ohne  Verwachsung,  so  auch  der  in 
die  vordere  Kammer  vorgefallene  Staar.  Die  übrigen  Gebilde  des  Auges 
müssen  frei  von  jeder  Krankheitsanlage  oder  wirklichen  Krankheit  sein, 
welche  die  Operation  erschweren  und  gefährlich  machen  könnten. 

Die  Extraction  ist  contraindicirt : 

1.  Bei  ziemlich  weichen  und  flüssigen  Staaren ,  dessgleichen  bei 
allen,  welche  an  die  Iris,  wenn  auch  nur  in  sehr  geringem  Umfange  ange- 
wachsen sind. 

2.  Von  Seite  der  übrigen  Gebilde  des  zu  operirenden  Auges,  wenn 
es  so  gebaut  oder  mit  Krankheiten  behaftet  ist,  wodurch  die  Operation 
sehr  erschwert,  gefährlich  oder  ohne  namhafte  Verletzung  wichtiger  Gebilde 
unmöglich  gemacht  würde.  Hierher  gehören  eine  sehr  enge  Lidspalte, 
eine  ziemlich   tiefe  Lage    der  Augen    (wegen   schwierigerer  Bildung   des 


*)  Die  zur  Fixirung  des  Auges  in  älterer  Zeit  erfundenen  Ophthalmostaten, 
deren  man  auch  in  neuester  Zeit  wieder  einige  angegeben  hat,  gewähren  nie 
die  gehörige  Sicherheit,  können  jedoch  bei  empfindlichen  und  ängstlichen  Indi- 
viduen leicht  zu  grösserer  Unruhe  und  dadurch  zu  manchen  Nachtheilen  Veran- 
lassung geben. 

12* 


180 

Hornhautlappens),  auch  sehr  hervorragende  Augen  (Glotzaugen)  (weil  der 
Hornhautlappen  minder  leicht  anheilt,  und  ein  Glaskürpervorfall  zu  fürch- 
ten wäre),  eine  sehr  kleine  platte  Hornhaut ,  Enge  der  vordem  Kammer 
(wegen  leichterer  Verletzung  der  Iris) ;  eine  habituell  enge  Pupille ,  weil 
dann  der  Staar  schwerer  austritt;  von  Krankheiten,  welche  vor  der  Ope- 
ration entweder  gar  nicht  oder  nur  zum  Theile  beseitigt  werden  können, 
gehören  hierher :  ein  partielles  Ankyloblepharon  oder  Symblepharon  (Nach- 
theile einer  zu  engen  Lidspalte),  die  Augenlidschwiele,  Neigung  zu  calar- 
rhalischen  und  blennorrhoischen  Entzündungen  der  Bindehaut,  weil  eine 
derartige  Augenentzündung  bei  noch  nicht  völlig  getheilter  Hornhaulwunde 
höchst  gefährlich  werden,  und  eitrige  Infiltration  oder  gänzliches  Absterben 
des  Hornhautlappens  herbeiführen  kann;  Hornhaulflecken  und  Narben, 
ausgebreiteter  Greisenbogen ,  vordere  Synechie,  Nystagmus,  Synchysis 
(wenn  sie  nur  im  geringen  Grade  besieht ,  und  der  übrige  Zustand  des 
Auges  eine  Vornahme  der  Operation  noch  gestaltet). 

3.  Von  Seite  des  Individuums,  wenn  dasselbe  sehr  ängstlich  und  un- 
ruhig ist  (daher  bei  Kindern ,  abgesehen  von  der  grösstenteils  weichen 
Beschaffenheit  des  Staares  derselbe  nicht  leicht  extrahirt  werden  kann),  wenn 
es  zum  Erbrechen  oder  zu  Convulsionen  disponirt,  oder  mit  chronischem 
Husten  u.  s.  w.  behaftet  ist,  wenn  es  vermöge  seiner  Körperbeschaffenheit 
nicht  eine  ruhige  Rückenlage  beobachten  kann,  wie  diess  z.  B.  bei  den 
Buckligen  der  Fall  ist. 

4.  Von  Seite  äusserer  Umstände:  bei  zu  heisser  Witterung  (daher 
im  Hochsommer),  bei  grassirenden  epidemischen  Krankheilen,  in  Spitälern 
beim  Vorkommen  des  Hospitalbrandes,  weil  der  Erfahrung  zu  Folge  in 
solchen  Epochen  die  Hornhaulwunde  nicht  so  gut  verheilt  und  sehr  leicht 
eine  den  Erfolg  der  Operation  sehr  in  Frage  stellende  blennorrhoische 
Entzündung  eintreten  kann ;  weil  insbesondere  auch  in  sehr  heissen  Tagen 
die  Operirten  nicht  die  nöthige  Zeit  eine  ruhige  Rückenlage  beobachten 
können. 

Man  braucht  bei  dieser  Operation  einen  sehr  verlässlichen  Gehülfen. 
Eine  specielle  Vorbereitung  ist  nicht  nolhwendig. 

Die  zur  Operation  erforderlichen  Instrumente  sind:  ein  Rosas'sches 
oder  Beer'sches  Staarmesser*),  eine  sichelförmige  Staarnadel ,  ein  feines 


*)  Das  Staarmesser  vom  Hr.  Professor  Rosas  unterscheidet  sich  von  dem 
Beer'schen,  dass  es  eine  etwas  kürzere  Klinge  hat,  schneller  an  Breite  zunimmt, 
dass  der  Rücken  scliarf  schneidend  ist,  und  dass  die  Klinge  von  der  Spitze  aus 
an  beiden  Seitenflächen  allmälig  dicker  wird,  jedoch  so,  dass  der  stärkste  Punkt 
der  Wölbung  unmittelbar  in  die  Spitze  übergeht.     Es  hat  den  Vortheil ,    dass  es 


181 

Augenhäkchen,  eine  Fischer'sche  Pinzette,  ein  Daviel'scher  Löffel  und 
eine  kleine  nach  der  Fläche  gekrümmte,  oder  eine  Daviel'sche  (nach  der 
Fläche  und  Kante  gekrümmte)  Scheere ;  ausserdem  der  nöthige  Verband- 
apparat. 

Die  Extraction  des  Staares  wird  entweder  mit  dem  Hornhaulschnitt 
nach  unten,  oder  mit  dem  Hornhautschnill  nach  oben  vorgenommen. 

Die  Operation  wird  in  drei  Momenten  verrichtet.  Der  erste  begreift 
den  Hornhautschnitl.  Dieser  muss  hinreichend  gross  sein,  nämlich 
die  Hälfte  des  Hornhautrandes  umfassen.  Ist  er  grösser,  so  erschwert  er 
das  Anheilen  des  Lappens  und  begünstigt  einen  Vorfall  der  Iris  oder  des 
Glaskörpers;  ist  er  zu  klein,  so  wird  die  Cornea  beim  Austritte  des  Staares 
gequetscht  und  derselbe  nicht  vollständig  entfernt.  Ein  kleiner  Slaar  kann 
auch  durch  einen  etwas  kleineren  Hornhaulschnitt  entfernt  werden.  Er 
inuss  ferner  halbmondförmig  sein,  damit  der  Hornhaullappen  sich  genau 
anlege  und  schnell  und  schön  anheilen  könne.  Der  Einstichspunkt  zur 
Bildung  des  Hornhautschnittes  ist  für  das  Beer'sche  Staarmesser  V*'"  ober- 
halb des  Querdurchmesseis  V4 — x/%"'  vom  äussern  Hornhautrande  entfernt; 
für  das  Rosas'sche  Staarmesser  ist  der  Einstichspunct  im  Querdurchmesser 
bei  derselben  Entfernung  vom  Hornhautrande.  Man  stiehl  nun  das  Messer 
im  Momente  der  Ruhe  des  Auges  vorsichtig  und  schnell  ein,  indem  man  es 
unter  einem  rechlen  Winkel  an  die  zu  durchbohrende  Stelle  ansetzt,  um 
nicht  etwa  zwischen  die  Hornhautlamellen  zu  gelangen,  und  die  vordere 
Kammer  gar  nicht  zu  eröffnen.  Ist  man  in  die  vordere  Kammer  gedrungen, 
wovon  der  aufgehobene  Widersland  und  die  rein  erscheinende  Spitze  der 
Klinge  überzeugt,  so  wendet  man  das  Heft  so  weil  gegen  die  Schläfe,  dass 
die  Fläche  der  Klinge  mit  der  Iris  parallel  ist,  und  schiebt  sie  möglichst 
schnell  durch  die  vordere  Kammer,  den  Bewegungen  des  Bulbus  geschickt 
folgend.  Man  wende  dabei  weder  den  Rücken ,  noch  die  Schneide  der 
Klinge  mehr  nach  vorwärts.  Der  Ausstichspunkt  ist  für  das  Beer'sche 
Staarmesser  etwa  %'",  für  das  Rosas'sche  1/s'"  unter  dem  Querdurchmesser, 
'/8  —  Vj'"  vom  Cornealrande  entfernt.  Hai  man  ausgestochen,  so  halte 
man  einen  Augenblick  inne,  bis  sich  die  aufgeregte  Muskelthäligkeit  ge- 
legt hat,  und  vollende  dann  den  Hornhautlappen  durch  blosses  Vor- 
schieben der  Klinge  mit  Schonung  der  Sclerolica  ,  Iris,  des  unlern 
Augenlides,  der  Conjunctiva,  der  Thränenkarunkel  und  der  äussern  Nasen- 


leichter durchdringt,  dass  man  den  Ein-  und  Ausstichspunkt  etwas  tiefer  wählen 
und  durch  blosses  Vorwärtsschieben  der  Klinge  den  Hornhautschnitt  ganz  been- 
digen kann,  so  wie  auch  die  Spitze  und  die  ganze  Klinge  an  Festigkeit  gewinnt, 
wesshalb  das  Umbiegen  oder  Abbrechen  der  Spitze  nicht  zu  befürchten  ist. 


182 

haut.  Man  hüte  sich  dabei,  weder  mit  dem  Messer  nach  abwärts  zu  drücken, 
noch  den  Bulbus  zu  stark  vorwärts  zu  zerren.  Ist  es  nicht  möglich,  den 
Hornhautschnitt  durch  blosses  Vorschieben  der  Klinge  ohne  Verletzung  der 
genannten  Gebilde  zu  beendigen  ,  so  müsste  man  das  Messer  unter  einem 
vorsichtig  berechneten  Drucke  zur  Vollendung  des  Schnittes  zurückziehen. 
Man  vollende  den  Schnitt  sehr  langsam,  um  dem  sehr  schnellen  Austritt  des 
Staares,  welcher  gewöhnlich  von  einem  Glaskörpervorfall  begleitet  ist,  und 
dem  Abstreifen  der  Bindehaut  vorzubeugen,  und  lüfte  den  Lappen  nach 
vollendetem  Schnitte  so  wenig  als  möglich.  Der  Gehülfe  lässt  hierauf  das 
obere  Lid  sogleich  herab,  und  man  heisst  den  Kranken  die  Lidspalte,  gleich 
als  wollte  er  schlafen,  schliessen,  trocknet  behutsam  seine  Wange  und 
gönnt  ihm  einige  Ruhe. 

Der  zweite  Operationsact  besteht  in  der  Spaltung  der  vordem  Kapsel- 
hälfte, welche  ohne  namhafte  Lüftung  des  Hornhautlappens ,  ohne  Zerrung 
und  Verletzung  der  Iris  ausgeführt  werden  soll.  Zu  diesem  Behufe  legt 
man  den  Hals  der  mit  der  Spitze  nach  abwärts  gehaltenen  sichelförmigen 
Staarnadel  unter  dem  Hornhautlappen  an ,  führt  sie,  die  Hornhautwunde 
gleichsam  suchend,  zwischen  die  "Wundränder  in  die  vordere  Kammer,  und 
durch  massige  Senkung  des  Heftes  in  die  Pupille  ein  ,  wendet  hierauf  die 
Spitze  der  Nadel  gegen  die  vordere  Kapsel,  und  bringt  derselben  durch  einen 
von  innen  und  oben  nach  aus-  und  abwärts  gerichteten  Zug  einen  schiefen 
Schnitt  bei,  wendet  hierauf  die  Spitze  der  Nadel  zur  Verminderung  der 
Verletzung  der  Iris  etwas  nach  oben  und  vorne  und  führt  die  Nadel  lang- 
sam am  äussern  Ende  der  Hornhautwunde  wieder  heraus.  —  Bisweilen 
geschieht  es,  dass  während  des  ersten  Actes  durch  den  stärkern  Druck  der 
Augenmuskeln  oder  durch  die  Wendung  einer  Schneide  des  Messers  nach 
rückwärts  die  Kapsel  berstet;  worauf  sich  die  Staarlinse  sogleich  nach 
dem  Hornhautschnitte  durch  die  Pupille  herausdrängt;  in  diesem  Falle 
fällt  der  zweite  Operationsact  natürlich  weg. 

Der  dritte  Operationsact  besteht  in  der  Herausbeförderung  des  Staares. 
Wenn  dieser  nicht  gross,  und  die  Hornhautwunde  hinlänglich  ist,  tritt  er 
durch  blosse  Wirkung  der  Augenmuskeln  heraus ;  er  folgt  auch  oft  dem 
Zuge  der  Nadel.  Sollte  diess  nicht  der  Fall  sein,  so  kann  man  durch  einen 
mit  der  Fläche  der  Nadel  behutsam  auf  das  Auge  ausgeübten  Druck  die 
Muskelthätigkeit  etwas  anzuregen  und  den  Austritt  des  Staares  zu  beför- 
dern suchen.  Ist  der  Staar  bereits  durch  die  Pupille  gedrungen ,  hebt 
er  etwas  den  Hornhaullappen,  und  zögert  noch  sein  Austritt,  so  kann  man 
ihn  mit  der  Spitze  der  Nadel  erfassen  und  langsam  hervorziehen.  Ueber- 
haupt  ist  bei  diesem  Operationsacte  viele  Geduld  nöthig,  und  man  schade 
ja  nicht  durch  vorzeitiges  zu  energiches  Eingreifen, 


183 

Nach  dem  erfolgten  Austritte  des  Staares  lasse  man  das  Auge  schlies- 
sen,  eröffne  es  jedoch  nach  einem  Momente  der  Ruhe  wieder,  um  sich  über 
die  Beschaffenheit  der  Pupille  zu  überzeugen.  Bisweilen  ist  dieselbe  noch 
unrein  durch  zurückgebliebene  Staarstücke,  welche  sich  beim  Durchtritte 
des  Staares  durch  die  Pupille  losstreiften.  Sind  es  nur  unbedeutende  Par- 
tien, so  kann  man  sie,  insbesondere  bei  etwas  unruhigen  Individuen,  der 
Resorption  überlassen  ;  sind  es  grössere  Stücke,  und  insbesondere  bei  Allen, 
wo  die  Resorption  schwächer  ist,  entfernt  man  sie  mittelst  des  Daviel'schen 
Löffels,  welchen  man  die  Concavilät  nach  vorne  gewendet,  vorsichtig  hin- 
ter diese  Stücke  einführt  und  sie  über  die  innere  Hornhautfläche  herab- 
streift. Mit  demselben  Instrumente  beseitigt  man  auch  die  in  der  vordem 
Kammer  oder  am  Rande  des  untern  Lides  während  der  Passage  des  Staares 
über  dieser  Stelle  zurückgebliebenen  Slaarfragmente.  Ist  die  Pupille  sehr  er- 
weitert und  unregelmässig,  so  reibt  man  bei  geschlossener  Lidspalte  gelinde 
mit  dem  Daumen  über  dem  Augenlide,  um  die  Iris  zur  regelmässigen  Con- 
Iraclion  anzuregen,  und  es  wird  durch  dieses  zuweilen  wiederholt  vorge- 
nommene Verfahren  die  Pupille  gerade  gerichtet.  Hierauf  schliessl  man 
des  Auge,  wobei  man  Sorge  tragen  muss,  dass  der  Hornhaullappen  gut  an- 
liegt und  das  untere  Augenlid  nicht  etwa  unter  den  Rand  desselben  gerälh; 
desshalb  lässt  man  das  obere  Lid  herab,  damit  es  den  Hornhaullappen 
massig  andrücke  und  lässt  sodann  das  untere  Lid  behutsam  über  densel- 
ben hinaufgleiten.  Der  Verband  wird  auf  die  später  anzugebende  Weise 
angelegt. 

Ungünstige  Ereignisse  während  dieser  Operation  sind: 

1.  Eine  krampfhafte  Bewegung  des  Auges;  hilft  freund- 
liches Zureden  nicht,  so  berühre  man  die  Cornea  hastig  mit  der  Klinge  des 
Messers,  worauf  sich  der  Krampf  gewöhnlich  auf  einige  Augenblicke  legt. 
Erfolgt  eine  solche  Bewegung  während  der  Schnittführung,  so  suche  man 
durch  vorsichtige  Führung  des  Messers  oder  durch  Anlegen  des  Millelfin- 
gers  am  innern  Augenwinkel  grösseren  Nachtheilen  zu  begegnen.  In  ein- 
zelnen Fällen  wird  es  nölhig  sein,  von  der  Operation  abzustehen  und  in 
einer  spätem  Zeit  eine  andere  Methode  in  Anwendung  zu  bringen. 

2.  Ein  fehlerhafter  Einstich;  er  kann  zu  hoch  oben,  zu  tief 
unten,  zu  weit  vom  Hornhaulrande  entfernt  oder  zu  schief  sein.  Man  gebe 
dem  Messer,  so  lange  als  es  noch  möglich  ist,  eine  bessere  Richtung,  oder  suche 
durch  eine  zweckmässige  Wahl  des  Ausstichspunkles  den  Fehler  zu  ver- 
bessern, z.  B.  bei  einem  zu  hoch  oben  gemachten  Einsliche  kann  man  liefer 
unten  ausstechen,  damit  der  Hornhautlappen  nicht  zu  gross  werde.  Ist 
man  zwischen  den   Lamellen  der  Cornea  vorgedrungen,  so  erkennt  man 


184 

diess  aus  dem  nicht  gehobenen  Widerstände  und  der  unrein  erscheinenden 
Spitze  ;   man  ziehe  das  Messer  zurück  und  gebe  ihm  die  gehörige  Richtung. 

3.  Frühzeitiger  Abfluss  der  wässrigen  Feuchtigkeit; 
wenn  der  Kranke  plötzlich  das  Auge  nach  innen  wendet  und  der  Operateur 
nicht  folgt,  wodurch  das  Messer  die  Hornhautwunde  nicht  genau  ausfüllt, 
oder  wenn  man  das  Instrument  unvorsichtiger  Weise  etwas  zurückzieht. 
Die  Iris  legt  sich  dann  an  die  Klinge  des  Messers  an ;  um  Letzteres  ohne 
Verletzung  der  Iris  durch  die  vordere  Kammer  zu  schieben,  legt  man  die 
Spitze  des  Mittelfingers  der  assistirenden  Hand  auf  die  Cornea  behutsam 
auf  und  streicht  an  derselben  nach  abwärts,  wodurch  man  die  Iris  zur  Re- 
traction  anzuregen  sucht. 

4.  Verletzung  der  Iris  durch  zu  schiefen  Einstich,  Wendung 
der  Schneide  des  Messers  gegen  die  Iris,  oder  nach  frühzeitigem  Abfluss 
des  Humor  aqueus.  Hat  man  zu  tief  eingestochen,  so  ziehe  man  die  Spitze 
des  Messers  etwas  zurück  und  gebe  ihm  eine  bessere  Richtung. 

5.  Abstreifen  der  undurchschniltenen  Bindehaut  von 
derSclera;  in  diesem  Falle  suche  man  erslere  mit  dem  Staarmesser  zu  durch- 
schneiden, geht  diess  jedoch  ohne  bedeutenden  Druck  nicht  an,  so  durch- 
trenne mau  sie  mit  der  Daviel'schen  oder  der  kleinen  Louis'schen  Scheere- 
Man  hüte  sich  auch,  im  zweiten  Operationsacte  die  etwa  abgestreifte  Binde- 
haut mit  der  Staarnadel  in  die  vordere  Kammer  hineinzuschieben. 

6.  Ein  zu  kleiner  Hornhautlappen;  ist  er  zu  kurz,  so  kann 
man  ihn  nach  aufwärts  mit  der  Louis'schen  Scheere  oder  besser  mit  dem 
Staarmesser  erweitern;  indessen  sei  man  damit  nicht  zu  voreilig,  da  selbst 
durch  einen  kleinen  Hornhautschnitt  der  Slaar  öfters  austritt.  Ist  der  Horn- 
haullappen  zu  schmal,  d.  h.  zu  weit  innerhalb  des  Hornhaulrandes  geführt, 
so  ist  er  unverbesserlich  und  man  müssle  von  der  Operation  abstehen. 

7.  Ni  cht  erfolge  n  der  Austritt  des  St  aar  es.  Ist  die  Ursache 
davon  eine  bedeutende  Verengerung  der  Pupille,  so  massige  man  den 
Lichteinfluss,  beruhige  den  Kranken  und  warte  ab.  Erweitert  sie  sich  dem- 
ungeachtel  nicht,  so  räth  man  an,  den  Pupillarrand  mit  der  doppelköpfigen 
Scheere  von  Maunoir  zu  spalten.  Vielleicht  wäre  in  einem  solchen  Falle 
die  Ausziehung  des  Slaares  mit  einem  feinen  Häkchen  anzuempfehlen.  Ist 
eine  zu  innige  Verbindung  der  Linse  mit  der  hinlern  Kapsel  und  dieser  mit 
dem  Glaskörper  die  Ursache  des  nicht  erfolgenden  Austrittes,  so  ist  es  rath- 
samer,  von  der  Exlraction  abzustehen,  die  Hornhaulwunde  wieder  verheilen 
zu  lassen  und  zu  einer  andern  Zeit  eine  andere  Operations-Methode  vorzu- 
nehmen, als  das  Auge  einer  zu  grossen  Gefahr  auszusetzen. 

8-  Vorfall  der  Iris.  Man  reibe  das  obere  Augenlid  behutsam 
mittelst  des  Daumens  seiner  an  die  Stirne  angelegten  Hand  und  öffne  hier- 


185 

auf  bei  massigem  Lichte  schnell  das  Auge.  Bisweilen  wird  die  Iris  wie  ein 
Beutel  von  dem  austretenden  Staare  vorgeschoben ;  sie  zieht  sich  jedoch 
über  denselben  wieder  zurück,  wobei  man  mit  dem  Daviel'schen  Löffel 
behülflich  sein  könnte. 

9.  Ausfluss  des  Glaskörpers.  Erfindet  Statt  bei  unruhigem 
Verhalten  des  Kranken,  durch  unvorsichtigen  Druck  von  Seite  des  Gehül- 
fen, wodurch  die  Glashaut  gesprengt  wird,  oder  durch  Verletzungen  der 
Hyaloidea  (durch  einen  Kapselschnitt,  der  über  ihren  Rand  hinausgeht, 
durch  Eindringen  der  Nadel  nach  rückwärts  bis  in  die  tellerförmige  Grube, 
durch  einen  Hornhautschnitt,  der  bis  in  den  Scleralfalz  hineingehl),  durch 
unzeitige  Sehversuche.  Bei  slarkgewölbten  Augen  und  bei  flüssigerer  Be- 
schaffenheit des  Glaskörpers  tritt  diess  Ereigniss  leichler  ein.  In  diesem 
Falle  kann  man  durch  das  Verfahren  nach  Anlyllus-Melhode  dem  Austritte 
des  Glaskörpers  vorbeugen,  indem  man  nach  vorsichtig  beendetem  Hornhaut- 
schnitte die  Augenlider  schliesst,  dann  mit  Daumen  und  Zeigefinger  die 
Lidspalte  etwas  öffnet  und  durch  behutsamen,  gelinden,  wechsclweisen  Fin- 
gerdruck den  Austritt  der  Cataracta  begünstiget.  Fällt  der  Glaskörper  vor, 
so  lasse  man  sich  nicht  verleiten,  das  vorgefallene  Stück  desselben  abzu- 
schneiden, weil  man  bei  diesem  Versuche  wegen  des  Zusammenhangs  der 
Zellen  der  Glasfeuchligkeit  immer  ein  neues  Stück  hervorziehen  und  end- 
lich den  ganzen  Glaskörper  entfeinen  würde,  sondern  man  schliesse  schnell 
das  Auge,  verklebe  es  sorgfältig  und  bringe  den  Operirten  in  ruhige  Rücken- 
lage. Der  vorgefallene  Theil  des  Glaskörpers  wird  nach  und  nach  in  dem 
Masse,  als  die  Cornea  anheilt,  abgeslossen.  Der  Verlust  einer  geringen 
Menge  des  Glaskörpers  hat  zuweilen  keine  schädliche  Folge;  indessen 
kann  die  Fernsichtigkeil  des  Operirten  immer  etwas  grösser  ausfallen.  Ging 
eine  grössere  Menge  des  Glaskörpers  verloren,  so  sinkt  meistens  der  Aug- 
apfel ein  und  wird  atrophisch. 

Die  Extraclion  mit  dem  Hornhautschnitte  nach  oben  dürfte  in  einzel- 
nen Fällen,  z.  B.  bei  leichten  Entropium  des  untern  Lides,  bei  leichten  Nar- 
ben der  Hornhaut  an  ihrer  untern  Stelle  sehr  wohl  anwendbar  sein ;  die 
Nachlheile  derselben  sind  jedoch,  dass  sie  bei  etwas  tieferliegendem  Auge, 
beim  Mangel  eines  verlässlichen  Gehülfen  sehr  schwierig  ist  und  der  Horn- 
hautlappen, namentlich  bei  sehr  feiner,  zarter  Hornhaut  leichter  abfällt  oder 
wenigstens  nicht  gut  anheilt. 

Kleine  Staare,  z.  B.  der  trockenhülsige  Kapsellinsenstaar  und  der 
häutige  Staar  Erwachsener,  können  durch  einfache  Spaltung  der  Cornea 
extrahirl  werden.  Nach  früher  vorgenommener  künstlicher  Erweiterung 
der  Pupille  bringt  man  der  Cornea  millelsl  des  Beer'schen  Pyramiden- 
oder eines  Staarmessers  einen  2 — 3 '"  langen  Stich  bei,  führt  ein  feines 


186 

Häkchen  oder  eine  feine  Pinzette  durch  die  Wunde  ein  und  zieht  mittelst 
derselben  den  Staar  heraus. 

2.  Die  Dislocation  des  Staares. 

Der  Zweck  dieser  Operation  ist  bloss  die  Entfernung-  der  Linse  aus 
der  Sehaxe,  was  entweder  durch  blosses  Herabdrücken,  oder  durch  Umle- 
itung oder  Seitwärtslagerung  des  Staares  geschieht.  Sie  ist  überhaupt  ange 
zeigt,  wenn  der  Staar  vermöge  seiner  Consistenz  nicht  zur  Zerstücklung 
geeignet  ist,  die  Extraction  jedoch  durch  irgend  einen  der  oben  genannten 
Umstände  contraindicirt  ist. 

Die  Depression  des  Staares  kann  durch  die  Sclerotica  oder  durch  die 
Cornea  vorgenommen  werden ;  die  erstere  Methode  ist  wegen  der  Leich- 
tigkeit des  Verfahrens  und  wegen  des  viel  sichereren  Erfolges  der  letzlern 
vorzuziehen. 

Zur  Depression  bedient  man  sich  einer  modificirten  Schmidt'schen 
Depressionsnadel,  deren  Lanze  einen  schiefen  Rhombus  darstellt.  Sie  ist 
nach  der  Fläche  gekrümmt,  ihre  Seilenränder  sind  schneidend,  die  an  dem 
Hefte  befindliche  Marke  entspricht  der  Convexität.  Die  Depression  kann 
auch  mit  einer  geraden  Staarnadel  verrichtet  werden. 

Die  Operation  durch  die  Sclera  wird  auf  folgende  Weise  verrichtet :  Der 
Operateur  hält  die  Nadel  so,dass  die  convexe  Fläche  nach  aufwärts,  die  concave 
nach  abwärts  gerichtet  ist  (um  leichter  durch  die  Sclerotica  einzudringen  und 
der  Verletzung  mehrerer  Ciliargefässe  oder  Nerven  auszuweichen),  und 
dass  die  Spitze  der  Nadel  senkrecht  an  die  Sclera  angesetzt  wird  (behufs 
des  leichteren  Durchdringens),  wesshalb  das  Heft  etwas  gesenkl  werden 
muss.  Der  Einstichspunkt  ist  1/2'u  unter  dem  Querdurchmesser  des  Auges 
(um  den  langen  Ciliargefässen  und  Nerven  auszuweichen  und  andererseits 
den  nölhigen  Stützpunkt  nicht  zu  verlieren)  J  —  V/2"  vom  Hornhaulrande 
entfernt  (näher  dem  Hornhautrande  könnte  man  die  Iris  vom  Ciliarligamenle 
lostrennen  und  den  Ciliarkörper  an  einer  empfindlicheren  Stelle  treffen, 
weiter  von  der  Cornea  entfernt  könnte  man  die  Retina  verletzen).  Man 
vermeide  ferner  beim  Einstiche  jedes  sichtbare  Conjunclivalgefäss.  Unver- 
meidlich verletzt  werden  die  Conjunctiva,  Sclerotica,  der  hintere  Theil  des 
Ciliarkörpers  und  der  Glaskörper.  Mit  diesen  Vorsichlsmassregeln  wird  die 
Nadel  im  Momente  der  Ruhe  des  Auges  sehnell  in  der  Richtung  der  con- 
vexen  Fläche  der  Nadel  so  tief  eingestochen,  bis  die  kleine  tellerförmige 
Vertiefung  der  Sclerotica,  die  sich  jedesmal  beim  Ansetzen  der  Nadel  am 
Auge  bildet,  verschwunden  ist.  Hierauf  wird  das  Heft  der  Nadel  gehoben, 
und  so  gewendet,  dass  ihre  Flächen  mit  der  Iris  parallel  sind,  demnach  die 
Marke  gegen  den  Operateur  gekehrt  ist,  die  convexe  Fläche  nach  vorwärts, 


187 

die  concave  nach  rückwärts  sieht  und  man  zwischen  der  Iris  und  dem 
Staare  in  die  Pupille  gelangt.  Ist  die  Spitze  der  Nadel  in  der  Pupille  ange- 
langt, so  führt  man  sie  zum  innern  obern  Rande  derselben,  wendet  hierauf 
eine  Schneide  der  Nadel  schief  gegen  den  Staar  und  eröffnet  durch  zwei 
schiefe  sich  kreuzende  Schnitte,  welche  durch  Hebelbewegungen  der  Nadel 
(das  Hypomochlion  ist  die  Einstichsslelle  in  der  Sclera)  ausgeführt  werden, 
die  vordere  Kapsel,  oder  man  umgeht  den  Staar  mit  der  Spitze  der  Nadel. 
Hierauf  wird  die  concave  Fläche  der  Nadel  auf  den  Slaar  in  der  Nähe  sei- 
nes innern,  obern  Randes  angelegt  und  dadurch,  dass  man  das  Heft  nach 
vor-,  auf-  und  einwärts  gegen  die  Glabella  hebt,  der  Staar  nach  unten  und 
aussen  in  den  Glaskörper  in  den  Raum  zwischen  dem  äussern  und  untern 
geraden  Augenmuskel  gedrückt.  Man  hält  dann  einige  Augenblicke  inne, 
dreht  das  Heft  der  Nadel  etwas  um  seine  Achse,  um  die  Lanze  von  der 
Cataract  los  zu  machen  und  so  das  Wiederaufsteigen  desselben  beim  Sen- 
ken des  Heftes  zu  verhüten.  Bleibt  die  Pupille  rein,  erfolgt  demnach  kein 
Wiederaufsteigen  des  Staares,  so  kann  man  zur  Sicherheit  noch  die  hintere 
Kapsel  durch  einen  Kreuzschnitt  zerschneiden,  und  führt  dann  die  Nadel  auf 
demselben  Wege,  nur  in  umgekehrter  Ordnung  aus  dem  Auge  zurück. 

Wenn  sich  beim  Versuche  zur  Depression  die  Staarlinse  zerbröckelt, 
so  zerstückle  man  dieselbe  noch  mehr  auf  die  bei  der  Discission  anzuge- 
bende Weise  und  überlasse  sie  der  Resorption.  Diess  geschieht  überhaupt 
häufig,  wo  man  es  mit  einer  Cataract  zu  thun  hat,  deren  oberflächliche 
Schichten  weich  sind,  in  welchem  Falle  man  diese  Partien  zerstückelt  und 
vertheilt,  den  festern  Kern  der  Linse  aber  deprimirt.  Die  Depression  ist  da- 
her in  vielen  Fällen  keine  reine,  sondern  eine  mit  Discission  verbundene. 

Wenn  eine  Verwachsung  des  Staares  mit  der  Iris  besteht,  so  kehrt 
man  die  convexe  Fläche  der  Lanze  gegen  die  Iris  und  bringt  die  Lanze 
über  oder  unter  die  Verwachsungsstelle,  welche  man  hierauf  durch  Heben 
oder  Senken  des  Heftes  zu  trennen  sucht. 

Ungünstige  Ereignisse  während  der  Operation  sind: 

1.  Blutauslretung  unter  die  Conjunctiva  rings  um  den  Einstichspunkt; 
sie  ist  von  keiner  besonderen  Bedeutung,  da  sich  das  ergossene  Blut  bald 
resorbirt.    Wichtiger  ist 

2.  Eine  Blutergiessung  in  die  Augenkammern  (Folge  der  Verletzung 
der  Iris  oder  eines  grössern  oder  kleineren  Ciliargefässcs).  Ist  die  Blutung 
gering  oder  erfolgt  sie  nur  langsam,  so  beende  man  schnell  die  Operation  ; 
ist  sie  bedeutend,  so  muss  man  von  der  Operation  abstehen  und  antiphlo- 
gistisch gegen  den  Haemophthalmus  verfahren. 

3.  Anspiessen  des  Krystallkörpers;  man  erkennt  es  aus  der  unrein 
erscheinenden  Nadelspitze  und  aus  den  deutlichen  Bewegungen  der  Slaar- 


188 

linse   beim  Versuche  vorwärts  zu  dringen.    Man  ziehe  in  diesem  Falle  die 
Nadel  zurück  und  gebe  ihr  eine  bessere  Richtung. 

4.  Verletzung-  der  Iris  oder  Cornea,  wenn  man  die  Spitze  der  Nadel 
zu  sehr  nach  vorwärts  hält.   Man  gebe  ihr  auch  dann  eine  bessere  Richtung. 

5.  Vorfall  der  Staarlinse  in  die  vordere  Kammer.  Der  von  seiner 
Umgebung  gelöste  Staar  rollt  öfters  bei  der  Depression  durch  die  Pupille 
nach  vorwärts.  Man  ziehe  ihn  mit  der  Spitze  der  Nadel  zurück  und  depri- 
mire  ihn.  Wo  aber  das  Zurückziehen  desselben  nicht  mehr  möglich  ist, 
ist  die  Extraction  des  vorgefallenen  Staares  durch  den  Hornhaulschnitt 
anzurathen. 

6.  Wiederaufsteigen  der  Cataracl  nach  beseitigtem  Drucke  der  Nadel. 
Die  Ursache  kann  sein  eine  noch  bestehende  Adhaesion,  die  man  dann  zu 
lösen  hat,  eine  unvollkommene  Depression  oder  eine  Verwicklung  der  Na- 
del im  Staare;  man  ziehe  sie  im  letzteren  Falle  etwas  zurück,  um  sie  vom 
Staare  los  zu  machen  und  deprimire  ihn  neuerdings. 

Die  Depression    des    grauen  Staares  durch  die  Cornea 
wird  als  die  unvollkommenste  Methode  beinahe  nur  dann  gemacht,  wenn 
man  bei  einer  beabsichtigten  Discission  durch  die  Cornea  auf  eine  zu  zähe 
Kapsel  oder  auf  einen  zu  harten  Linsenkern  slösst ;  ferner  wenn  man  einen 
harten  Staar  zu  operiren  hat,  dessen  Extraction   contraindicirl  und  die  De- 
pression durch  die  Sclerotica  wegen  anderweitiger  sogleich  zu  erwähnender 
Umstände  nicht  räthlich  ist.    Man  vermeidet  die  Verletzung  der  Sclerotica 
bei  Individuen,    welche  zu  Rheumatismen   und  Gicht  disponirt,    oder  mit 
einer  Vorlagerung  behaftet  sind  (wegen  des  leicht  eintretenden  Erbrechens), 
auch  bei  Neigung  zu  Neuralgien  im  Auge  und  in  der  Umgebung  desselben. 
Sie  wird  mit  einer  feinen  Depressionsnadel  ausgeführt.    Man  führt 
sie,  die  convexe  Fläche  nach  auf-  und  einwärts,  die  coneave  nach  ab-  und 
auswärts  gekehrt  durch  die  Mitte  des  äussern  untern  Quadranten  der  Cornea 
ein,  gelangt  in  die  Pupille  und  verrichtet  auf  die  oben  angegebene  Weise 
die  Eröffnung  der  vordem  Kapsel  und  Niederdrückung  des  Staares.    Um 
die  Iris  nicht  zu  verletzen  und  die  Operation  leichter  verrichten  zu  können, 
wird  die  Pupille    am  Vorabende  oder  einige  Stunden   vor  der  Operation 
künstlich  erweitert.     Würde  die  Calaract  wiederholt  aufsteigen;  so  müsste 
man  den  obern  Rand  derselben  mit  der  coneaven  Fläche  umgreifen  und  den 
grauen  Staar  nach  vorne  umzulegen  trachten,  so  dass  die  vordere  Fläche 
nach  unten,  die  hintere  nach  oben  hinler  die  Iris  zu  liegen  kommt. 

3.  Die  Discission  des  grauen  Staares. 

Die  Discission  hat  zum  Zwecke,    den   grauen  Staar  zu  zerstückeln, 
damit  er  auf  dem  Wege  der  Resorption  aus  dem  Auge  entfernt  werden 


189 

kann.  Sie  ist  daher  angezeigt,  wenn  der  Slaar  weich  oder  flüssig  und  die 
Resorptionsthätigkeit  des  Auges  sowohl  als  des  übrigen  Organismus  genug 
kräftig  ist.  Contraindicationen  bilden  eine  zu  zähe  Kapsel,  feste  Consistenz 
des  Staares,  eine  Erschöpfung  der  Lebenskraft  der  übrigen  Gebilde  des 
Auges  durch  vorausgegangene  Entzündungen  oder  Anstrengungen,  Deere- 
pidität  des  Individuums. 

Die  Discission  wird  bisweilen,  bei  Cataracten  gemischter  Consislenz, 
mit  der  Depression  verbunden  geübt. 

Die  Discission  durch  die  Cornea  ist  meistens  weniger  beleidigend 
und  der  Operateur  kann  jederzeit  das  Instrument  gut  beobachten  ;  die  durch 
die  Sclerotica  hat  den  Vorzug,  dass  man  den  Staar  leichter  und  sicherer 
zerschneiden  und  Stücke  desselben  in  die  vordere  Kammer  bringen  kann. 

Als  Instrument  gebraucht  man  eine  sichelförmig  gekrümmte  Slaar- 
nadel,  deren  beide  Ränder  scharf,  der  concave  minder  als  der  convexe 
gekrümmt  ist.    Die  Marke  am  Hefte  entspricht  dem  concaven  Rande. 

a.   Die  Discission  durch  die  Cornea  wird  geübt: 

1.  Wenn  der  Staar  flüssig  oder  in  hohem  Grade  weich  ist,  wenn  er 
gar  nicht  oder  höchstens  an  einer  kleinen  Stelle  nach  innen  an  die  Iris 
angewachsen  ist. 

2.  Wenn  sich  die  Pupille  hinreichend  erweitern  lässt. 

3.  Wenn  die  Cornea  vollkommen  gesund  und  gegen  Verletzungen 
nicht  sehr  empfindlich  ist,  wie  diess  bei  scrofulösen  und  syphilitischen  In- 
dividuen der  Fall  wäre,  daher  man  bei  solchen  die  Discission  durch  die 
Cornea  vermeidet. 

4.  Zur  Nachhülfe  nach  einer  bereits  früher  vorgenommenen  Discission, 
um  die  Resorption  des  Staares  zu  beschleunigen. 

5.  Beim  Nachstaar,  wenn  derselbe  als  Cataracta  membranacea  gerin- 
geren Umfanges  auftritt. 

Die  Operation  ist  conlraindicirt  bei  dichterer  Consistenz  des  Staares, 
hinterer  oder  vorderer  Synechie,  bei  habituell  enger  Pupille,  und  bei 
grösserer  Vulnerabilität  der  Cornea,  wie  diese  namentlich  nach  voraus- 
gegangenen Entzündungen  derselben,  bei  sehr  zarler  Hornhaut  und  be 
scrofulöser  oder  syphilitischer  Dyscrasie  besteht. 

Die  specielle  Vorbereitung  zu  dieser  Operation  besteht  in  der  Er- 
weiterung der  Pupille  durch  Einträuflung  einer  saturirten  Belladonna- 
Solution. 

Als  Instrument  benutzt  man  eine  nicht  sehr  breite  sichelförmige 
Staarnadel. 

Die  Staarnadel,  deren  Spitze  gegen  den  Mittelpunkt  der  Pupille  ge- 
richtet ist,  wird  im  Momente  der  Ruhe  des  Auges  durch  die  Mitte  des  äussern 


190 

untern  Quadranten  der  Cornea  in  einem  der  Convexität  der  Nadel  entspre- 
chenden Bogen  eingestochen,  wobei  man  die  Nadel  so  hält,  dass  ihre  eine 
Fläche  nach  aus-  und  aufwärts,  die  andere  nach  ein-  und  abwärts  gerichtet 
ist.  Man  führt  sodann  die  Nadel  durch  die  Pupille  bis  zum  innern  obern 
Rand  des  Staares  und  zerschneidet  denselben  durch  hebelfurmige  Bewe- 
gungen der  Nadel  in  mehrere  Stücke.  Die  Schnitte  werden  von  oben  und 
innen  nach  ab-  und  auswärts,  dann  in  umgekehrter  Richtung  von  unten 
und  innen  nach  auf-  und  auswärts  geführt.  Die  Anzahl  der  zu  führenden 
Schnitte  richtet  sich  nach  der  Consistenz  des  Staares;  bei  einem  flüssigen 
Staare  genügt  oft  ein  einziger  Einschnitt  in  die  Kapsel,  um  den  flüssigen 
Inhalt  derselben  in  die  vordere  Kammer  zu  entleeren.  Beim  Staare  von 
durchaus  weicher  Consistenz  werden  einige  Staarslücke  in  die  vordere 
Kammer  gebracht  (weil  sie  sich  daselbst  leichter  resorbiren),  indem  man 
die  Nadel  mit  einer  ihrer  Flächen  hinter  das  in  die  vordere  Kammer  zu 
bringende  Stück  bringt  und  dann  das  Heft  massig  gegen  die  Schläfe  drängt. 
Das  Zurückziehen  der  Nadel  geschieht  auf  demselben  Wege,  nur  in  umge- 
kehrter Ordnung. 

Ueble  Ereignisse  während  der  Operation  sind: 

1.  Krampfhafte  Verengerung  der  Pupille.  Man  massige  den  Liehl- 
einfluss,  und  sollte  die  Pupille  trotzdem  sich  nicht  erweitern,  so  müsste 
man  sich  mit  der  Discission  der  mittleren  Kapselgegend  begnügen. 

2.  Frühzeitiger  Abfluss  der  wässrigen  Feuchtigkeit;  sie  verursacht 
meistens  Verengerung  der  Pupille,  und  wenn  diese  bedeutend  ist,  kann 
man  genöthigt  werden,  zur  Verhütung  einer  grössern  Verletzung  von  der 
Operation  abzustehen. 

3.  Bedeutende  Zähigkeit  der  Kapsel,  harter  Linsenkern;  man  depri 
mire  in  diesem  Falle. 

b.  Die  Discission  des  grauen  Staares  durch  die  Sclerotica 
wird  gewählt,  wenn  die  Cataract  mehr  zerschnitten  werden  muss,  wenn 
sie  in  normwidrigen  Verbindungen  steht,  wenn  die  Pupille  eng,  die  Cornea 
getrübt  oder  der  Augapfel  von  convulsivischen  Bewegungen  befallen 
ist,  dessgleichen  bei  unruhigen  Kindern.  Man  vermeidet  diese  Operations- 
methode bei  Verbildung  der  Conjunctiva,  Sclerotica  und  Choroidea  am 
äussern  Augenwinkel,  bei  Choroidealhyperaemie  oder  Neigung  zur  Ent- 
zündung der  Choroidea,  bei  Synchysis,  bei  Individuen,  die  mit  rheumati- 
schen und  gichtischen  Allgemeinleiden,  mit  einer  krankhaften  Affection 
der  Baucheingeweide  oder  mit  Vorlagerungen  behaftet  sind,  weil  bei  sol- 
chen der  Erfahrung  zu  Folge  die  Verletzung  der  Sclerotica  leicht  schädliche 
Folgen  nach  sich  zieht. 


191 

Der  Einstichspunkt  ist  derselbe,  wie  für  die  Depression  des  Staares 
durch  die  Sclerolica.  Die  Nadel  wird  so  gehalten,  dass  eine  Fläche  nach 
auf-  die  andere  nach  abwärts  sieht  und  die  Spitze  senkrecht  an  die  Sclera 
angesetzt  wird  (wesshalb  das  Heft  etwas  nach  rückwärts  gewendet  werden 
muss),  aus  den  pag.  186  entwickelten  Gründen.  Man  stiehl  die  Nadel  in  einem 
Bogen  durch  die  Sclerolica  in  den  Augapfel  ein,  wendet  hierauf  das  Heft 
nach  vorwärts  und  dreht  es  so,  dass  die  Flächen  der  Nadel  mit  der  Iris 
parallel  stehen  und  die  Spitze  nach  aufwärts  gerichtet  ist.  Man  führt  sodann 
die  Nadel  vorsichtig  zwischen  Iris  und  Cataract  in  die  Pupille  und  wendet 
sie  dabei  weder  zu  sehr  nach  rückwärts  (zur  Vermeidung  des  Anspiessens  des 
Krystallkörpers,  wodurch  die  Zerstücklung  desselben  erschwert  würde),  noch 
zu  sehr  nach  vorne  (zur  Vermeidung  der  Verletzung  der  Iris  oder  der  Cornea). 
Am  innern  obern  Pupillarrande  angelangt,  wendet  man  die  coneave  Schneide 
der  Nadel  gegen  den  Staar  und  bringt  ihm  durch  Hebelbewegungen  (Hy- 
pomochlion  ist  der  Einstichspunkt  in  der  Sclerotica)  sich  kreuzende  Schnitte 
von  innen  und  oben  nach  ab-  und  auswärts  und  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung bei ;  durch  die  zwei  ersten  Kreuzschnitte  wird  die  Kapsel  gespalten 
und  eröffnet. 

Hat  man  den  Staar  hinlänglich  zerschnitten,  so  vertheile  man  die 
Stücke,  indem  man  einzelne  derselben  (die  grösseren)  in  die  vordere  Kam- 
mer zu  bringen  sucht,  wo  sie  der  Einwirkung  des  humor  aqueus  mehr  aus- 
gesetzt in  kürzerer  Zeit  resorbirt  werden.  Die  Nadel  wird  hierauf  auf  dem- 
selben Wege  in  umgekehrter  Ordnung  aus  dem  Auge  zurückgezogen. 

Wenn  eine  Verwachsung  des  Staares  irgendwo  besteht,  so  wird  sie 
auf  die  bei  der  Depression  des  Staares  durch  die  Sclerotica  besprochene 
Weise  gelöst. 

Ausser  den  bei  der  Depression  des  grauen  Staares  durch  die  Sclero 
tica  angeführten  ungünstigen  Ereignissen  mit  Ausnahme  der  beiden  letz- 
teren kann  man  hier  noch  auf  eine  zu  zähe  Kapsel  oder  auf  einen  zu  harten 
Linsenkern  stossen;  im  ersteren  Falle  suche  man  durch  einen  mit  der  Na- 
del angebrachten  Zug  nach  aussen  die  Kapsel  zu  zerreissen,  wie  diess  bei 
dem  häutigen  Slaare  oder  bei  der  Cataracta  arida  siliquata  bisweilen  nöthig 
wird.  Findet  man  die  Linse  oder  wenigstens  den  Kern  derselben  zu  hart, 
so  deprimire  man  die  Cataract  sogleich  mit  derselben  Nadel,  die  man  zur 
Discission  anwendete. 

Was  den  Werth  der  angeführten  Operalionsmethoden  betrifft,  so  ist 
die  Sicherheil  der  schnellen  Erreichung  des  Operationszweckes  bei  der  Ex- 
traction  die  grösste.  Sie  hat  auch  desshalb,  obwohl  dem  Auge  eine  grosse 
Wunde  beigebracht  wird,  vor  den  andern  Methoden  den  Vorzug,  weil  bei 
derselben  tiefere  Gebilde  des   Augapfels  nicht   verletzt  werden,    und   der 


192 

Staar  vollkommen  entfernt  wird,  somit  der  Natur  ausser  der  Heilung  der 
Wunde  nichts  mehr  zu  thun  übrig-  bleibt.  Da  jedoch  bei  der  Discission  und 
Depression  die  Cataracta  erst  von  der  Natur  aufgesaugt  oder  incapsulirt 
werden  muss,  was  immer  mit  einer  mehr  oder  minder  heftigen  Reizung, 
öfters  mit  einer  entzündlichen  Reaclion  verbunden  ist,  so  ist  die  Nachbe- 
handlung hierbei  eine  viel  lästigere,  und  das  Resultat  der  Operation  kann 
oft  in  späterer  Zeit  nach  derselben  (nach  mehreren  Wochen)  zu  nichle  wer- 
den. Allerdings  ist  die  Extraction  eine  viel  schwierigere  Methode,  welche 
viele  Geschicklichkeit  und  Behutsamkeit  erfordert;  diess  benimmt  ihr  aber 
nichts  von  ihrem  Werthe,  und  wenn  das  Absterben  des  Hornhaullappens 
wohl  ein  sehr  gefährliches  Ereigniss  ist,  wodurch  das  Sehvermögen  unwie- 
derbringlich verloren  geht,  so  lässt  sich  doch  diesem  Zufalle  durch  genau 
gestellte  Indication  und  eine  sorgfältige  Nachbehandlung  in  den  meisten 
Fällen  vorbeugen.  Die  geringste  Verletzung  findet  bei  der  Discission  durch 
Keratonyxis  Statt.  Hier  wird  nur  eine  kleine  8tichwunde  in  der  Cornea  an- 
gelegt, die  Kapsel  und  die  Linse  selbst  gerade  so  viel,  als  eben  beabsichtigt 
wird,  zerschnitten,  kein  anderes  Gebilde  weder  verwundet,  noch  aus  seiner 
Lage  gebracht.  Doch  auch  diese  kleine  Verletzung  zieht  bei  manchen  In- 
dividuen, deren  Hornhaut  vulnerabel  ist,  eine  heftige  Reaction,  bisweilen 
eitrige  Infiltration  und  Atrophie  des  Auges  nach  sich.  Es  sind  daher  die 
Gründe,  welche  man  zum  Vortheile  der  einen  oder  der  andern  Methode 
anführt,  grösstenteils  nur  theoretische.  Die  Heftigkeit  der  consecutiven 
Zufälle  steht  mit  der  Extension  oder  Intensität  der  Verletzung  oft  durchaus 
nicht  im  Verhältnisse,  und  für  die  Praxis  ist  es  am  gerathensten,  bei  der 
Wahl  der  Operationsmelhode  alle  Umstände,  deren  wir  bei  der  Angabe  der 
einzelnen  Methoden  gedachten,  genau  zu  berücksichtigen,  und  weder  die 
eine  noch  die  andere  Methode  ausschliesslich  zu  üben. 

Gleich  nach  der  Operation  verdunkle  man  zur  Verhütung  jedes 
grelleren  Lichleinflusses,  mit  Vermeidung  aller  Sehversuche,  das  Opera- 
tionszimmer und  lege  den  nöthigen  Verband  an.  Auch  das  nicht  operirte 
Auge  wird  verbunden.  Man  lasse  den  Opcrirlen  die  Augenlider  wie  zum 
Schlafen  schliessen,  und  erhalte  sie  durch  Anlegung  schmaler  englischer 
Klebpflasterstreifen  in  gehöriger  Berührung  *),  befestige  über  die  Augen 
zwei  doppelt  zusammengelegte,  schmale,  halbmondförmige  leinerne  Com- 
pressen  mittelst  einer  Stirnbinde,  und  bringe  den  Kranken  zur  Ruhe.  Wird 
er  aus  dem  Operationszimmer  in  ein  anderes  geführt,  so  gebe  man  ihm  dazu 
ein  grosses  viereckiges  Tuch  über  den   Kopf.    Nach  der  Extraction   wird 


*)  Bei  operirten  Kindern  legen  wir  gar  keine  Klebpflasterstreifen  an,  son- 
dern verduukeln  nur  das  Bett  und  Zimmer. 


193 

der  Operirte  sogleich  in  eine  ruhige  Rückenlage  mit  elwas  erhöhtem  Kopfe 
gebracht,  nach  der  Discission  und  Depression  gestaltet  man  ihm  durch 
mehrere  (4—6)  Stunden  in  einein  Schlafsessel  ruhig  zu  sitzen,  wenn  der 
Kranke  nicht  früher  eine  Rückenlage  annehmen  will.  Man  beseitige  alle 
Umstände,  welche  die  Heilung  verzögern  oder  eine  Entzündung  hervor- 
rufen ;  man  sorge  für  Abhaltung  jedes  schädlichen  Licht-  und  Luftreizes, 
für  Vermeidung  jeder  Erschütterung  des  Auges  und  der  Congestionen  zum 
Kopfe  durch  ein  entsprechendes  Regimen,  zweckmässige  Diät  und  Therapie. 
Man  sorge  für  reine  temperirle  Luft  und  lüfte  zuweilen  das  Zimmer,  ohne 
einen  schädlichen  Luftzug  zu  erregen.  Der  Kranke  soll  in  den  ersten  Ta- 
gen durchaus  keine  selbstsländigen  Bewegungen  vornehmen,  sondern  sich 
dabei  helfen  lassen ;  er  darf  mit  Rücksicht  auf  Aller,  Geschlecht,  Consti- 
tution und  Gewöhnung  nur  karge  Nahrung  (Brühen)  geniessen,  keine 
Speisen  jedoch,  welche  gekaut  werden  müssen.  Der  Genuss  von  Schnupf- 
und  Rauchtabak  unterbleibe.  Zur  Erzielung  der  Leibesöffnung  dienen  Cly- 
sliere.  Das  operirte  Auge  werde  mehrmal  im  Tage  ohne  Enlblössung  des 
Bulbus  bei  massigem  Lichte  besehen,  die  verschrumpflen  Heftpflaster  elwas 
angefeuchtet,  die  Lidspalte  vom  Thränen-  und  Schleimsecrele  gereinigt. 
Die  Zeit  der  Eröffnung  des  Auges  richtet  sich  nach  mehreren  Umständen; 
gewöhnlich  findet  sie  am  5.  oder  6.  Tage  nach  der  Operation  Statt.  Dabei 
sitze  der  Kranke  mit  dem  Rücken  gegen  ein  schwach  erleuchtetes  Fenster, 
jedes  von  der  Seite  einfallende  Licht  werde  abgehallen;  die  Pflaslerslrei- 
fen  werden  mit  einem  in  laues  Wasser  getauchten  Schwämmchen  behutsam 
abgelöst,  die  Lidspalle  von  den  anklebenden  Krusten  gereinigt,  man  zieht 
dann  die  Lider  sanft  auseinander,  besehe  das  Auge,  halte  dem  Kranken 
einen  kein  grelles  Licht  reflectirenden  Gegenstand,  z.  B.  die  Hand,  vor, 
und  überzeuge  sich  von  dem  Zustande  des  Sehvermögens.  Die  Augen  wer- 
den hierauf  mit  feinen  trockenen  Leinwandläppchen  bedeckt:  der  Operirte 
kann  täglich  einige  Stunden  ausser  dem  Bette  zubringen.  Dasselbe  Ver- 
fahren befolgt  man  die  nächstfolgenden  Tage  und  gewöhnt  den  Operirlen 
nur  allmälig  an  stärkeres  Licht.  Man  gibt  ihm  einen  grünen  Augenschirm, 
und  verbessert  allmälig  die  Diät  und  das  Regimen. 

Nach  der  Ext r actio n  beobachtet  man  gewöhnlich  einen  Anfangs 
in  kürzeren,  dann  in  längeren  Intervallen  erfolgenden  Abfluss  einer  serösen 
Feuchtigkeit,  welcher  einen  vorübergehenden  stechenden  oder  drückenden 
Schmerz  in  der  Wunde  hervorruft;  diese  Erscheinung  hört  nach  erfolgter 
Vereinigung  der  Wunde,  somit  nach  24 —  48  Stunden  ganz  auf,  so  dass 
dann  die  Lidspalte  trocken  und  beinahe  fest  verklebt  erscheint. 

Wo  keine  Gegenanzeige  durch  Neigung  zu  Rheumatismen,  Neural- 
gien, erysipelatösen  Entzündungen  besteht,  wie  diess  bei  zartem  Hautorgan 

Meyr,  Augenheilkunde.  ^  Q 


194 

öfters  der  Fall  ist,  wende  man  nach  der  Staaroperation  kalte  Ueberschläge 
an,  indem  man  gut  ausgewundene,  feine,  nicht  schwere  Leinwandcompressen 
auf  das  Auge  legt,  und  dieselben  sehr  oft  erneuert,  so  dass  sie  mehr  durch 
Kälte  als  durch  Nässe  wirken  und  nie  warm  werden.  Eine  grosse  Sorgfalt 
hierbei  ist  von  unberechenbarem  Vortheile.  Wilterungsverhällnisse  müssen 
dabei  berücksichtigt,  und  sobald  der  Operirte  über  reissende  Schmerzen 
klagt,  die  Ueberschläge  sofort  beseitigt  werden.  Tritt  keine  heftigere  Reac- 
tion  ein,  so  ist  keine  Blutentleerung  nöthig.  Ein  massiger,  drückender 
Schmerz  an  den  Augenwinkeln  ist  oft  nur  durch  Ansammlung  der  Thrä- 
nenfeuchtigkeit  innerhalb  der  geschlossenen  Lidspalte  bedingt.  Vorsichti- 
ges Lüften  der  Pflaster  schafft  sogleich  Erleichterung.  Ist  jedoch  die  Reac- 
tion  heftiger,  der  Schmerz  anhaltend,  sind  die  Augenlidränder  gerölhet  und 
leicht  angeschwollen,  der  Puls  etwas  beschleunigt,  voll  und  stark,  so  ha- 
man  den  Eintritt  einer  Entzündung  zu  gewärtigen.  Die  Entzündung  istt 
nach  Staar Operationen  von  doppelter  Art.  Sie  tritt  entweder  als 
eine  heftige  Entzündung  der  Conjunctiva  auf,  welche  sich  leicht  zu  einer 
Blennorrhoe  steigert.  In  diesem  Falle  schwellen  die  Lidränder  an,  und  an 
den  Winkeln  zeigt  sich  eine  stärkere  Schleimsecretion.  Man  nehme  dann 
vorsichtig  die  Pflaster  weg,  reinige  behutsam  das  Auge,  lege  neuerdings 
die  Pflasters treifen  nicht  sehr  fest  an  und  mache  Ueberschläge  von 
kaltem  Wasser  oder  adstringirenden  Augenwässern  (Aqua  saturnina).  Wo 
die  Entzündung  heftiger  ist,  muss  auch  eine  örtliche  Blutentziehung  ge- 
macht werden.  Eine  solche  Entzündung  ist  nach  der  Extraction  in  den 
ersten  Tagen  insbesondere  gefährlich,  da  sie  die  Anheilung  des  Hornhaut- 
lappens verhindert,  und  eitrige  Infiltration  und  Absterben  desselben  herbei- 
führen kann.  Eine  andere  Art  der  Entzündung  ist  die  Iritis.  Sie  kann  nach 
jeder  Staaroperationsmelhode  eintreten  und  äussert  sich  durch  (bisweilen 
oedemalöse)  Anschwellung  der  Lidränder,  verstärkte  Thränensecretion  und 
anhaltende  siechende  oder  reissende  Schmerzen  im  Auge  und  in  der  Um- 
gebung desselben,  Kopfschmerz,  beschleunigten  harten  Puls.  Sie  erfordert 
ein  kräftiges  antiphlogistisches  Verfahren,  die  Anlegung  von  Blutegeln, 
(6 — 8  Stücke  an  die  Schläfengegend  oder  hinter  dem  Ohre),  bei  kräftigen 
Individuen  und  höherem  Grade  der  Entzündung  einen  Aderlass  von  8  — 10 
Unzen,  innerlich  das  Calornel  mit  oder  ohne  Opium  oder  Hyoscyamusexlraet, 
äusserlich  narcotische  Einreibungen.  Die  Iritis  kann  auch  später,  den  7.,  8. 
Tag  nach  der  Operation  eintreten,  und  ist  dann  meistens  durch  grelleren 
Lichteinfluss,  durch  Fehler  in  der  Diät  oder  dem  Regimen,  nach  der  Zer- 
stücklung des  Staares  auch  durch  Anschwellung  der  Staarstücke  und  Druck 
derselben  auf  die  Iris  bedingt.  —  Bei  sehr  sensiblen  Individuen  treten  bis- 
weilen grössere  Schmerzen  ohne  namhafle  Enlzündungserscheinungen  auf; 


195 

diese  werden  meistens  durch  innerlich  gereichte  Narcolica  (Opium,  Acelas 
Morphii,  Aqua  Laurocerasi)  beschwichtigt. 

Nach  der  Extraction  kann  es  geschehen,  dass  der  Hornhaullap- 
pen  entweder  gänzlich  abstirbt,  oder  dass  er  unregelmässig  anheilt.  Im  er- 
sten Falle  ist  das  Resultat  der  Operation  zu  nichte  gemacht;  die  Ursache 
ist  meislenlheils  eine  blennorrhoische  Entzündung  der  Bindehaut,  Verschie- 
bung des  Hornhaullappens,  Vorfall  des  Glaskörpers.  Wenn  der  Hornhaut- 
läppen  nicht  vollkommen  anheilt,  so  bildet  sich  eine  schlechte  Narbe,  der 
untere  Rand  der  Cornea  steht  mehr  von  der  Sclerotica  ab.  Der  Grund  die- 
ser schlechten  Vernarbung  kann  in  sehr  grosser  Schwäche  des  Auges  lie- 
gen (bei  decrepiden  Alten)  oder  in  zu  schwächender  Nachbehandlung  (zu 
lange  Zeit  und  ohne  Noth  forlgesetzte  kalte  Ueberschläge),  in  unvollkomme- 
nem Anliegen  des  Hornhautlappens.  Da  selten  Hülfe  möglich  ist,  wenn 
solche  Erscheinungen  eintreten,  so  suche  man  vielmehr  durch  Vorsicht 
beim  Verbände  und  durch  zweckmässige  Nachbehandlung  diesen  Uebeln 
vorzubeugen.  Auch  kann  nach  der  Extraction,  so  lange  die  Hornhautwundo 
noch  nicht  verheilt  ist,  ein  Vorfall  der  Iris  oder  des  Glaskörpers  ein- 
treten, wenn  die  Iris  durch  schweren  Austritt  des  Staares  oder  durch  Nar- 
colica etwas  erschlafft  (gelähmt)  ist,  wenn  in  Folge  eines  Brechreizes,  Hu- 
stens, schwerer  Oeffnung  eine  krampfhafte  Spannung  der  Augenmuskeln 
eintrat,  oder  wenn  das  Auge  wiederholt  geöffnet  wurde.  Man  vermuthel 
einen  Vorfall  der  Iris,  wenn  plötzlich  ein  drückender  Schmerz,  wie  von 
einem  fremden  Körper  im  Auge  entsteht  und  derselbe  bei  der  Bewegung 
des  Auges  zunimmt.  Die  Folge  ist  gewöhnlich  vordere  Synechie  mit  ge- 
ringerer oder  grösserer  Pupillenverziehung.  Der  Vorfall  des  Glaskörpers 
hat  meistens  Verlust  des  Sehvermögens  und  Atrophie  des  Auges  zur  Folge. 

Durch  Lähmung  der  Iris  oder  Verlust  eines  Theiles  derselben  bei  der 
Extraction  kann  auch  eine  abnorme  Vergrösserung  der  Pupille  eintreten, 
ohne  dass  sie  das  Sehvermögen  bedeutend  beeinträchtigte. 

Nach  der  Zerstücklung  des  Staares  wird  die  Resorption  dessel- 
ben der  Natur  überlassen.  Dieselbe  erfolgt  bald  rascher,  bald  langsamer 
Sie  tritt  schneller  ein,  je  geringer  die  Consistenz  des  Staares,  je  jünger  der 
Staarblinde  und  je  kräftiger  bei  ihm  die  resorbirende  Thäligkeit  ist,  je  er- 
giebiger die  vordere  Kapselwand  zerschnitten  und  zerstört  wurde.  Wenn 
Slaarstücke  zu  flottiren  anfangen  oder  in  die  vordere  Kammer  fallen,  so  ist 
diess  ein  günstiges  Zeichen  der  baldigen  Resorption.  So  lange  die  Resorp- 
tion auf  die  erwünschte  Weise  vor  sich  gehl,  hat  man  nichts  zu  thun,  als 
den  Kranken  jedem  Reize  zu  entziehen,  da  sein  Auge  sich  stets  in  einen» 
inilirlen  und  zur  Entzündung  geneigtem  Zustande  befindet.  Regelung  der 
Diät    und   des  Regimens,   Vermeidung  jedes  grelleren   Lichteinflusses  und 

13* 


196 

jeder  Erhitzung-  und  Anstrengung-  sind  es,  worauf  die  Sorgfalt,  gerichtet 
werden  muss.  Bisweilen  geschieht  es,  dass  Staarstücke  in  der  Pupille 
stecken,  daselbst  anschwellen,  sich  einklemmen  und  auf  die  Jris  einen  sol- 
chen Reiz  ausüben,  dass  eine  Entzündung  derselben  und  durch  Reflex  heftige 
Schmerzen  entstehen.  In  solchen  Fällen  suche  man  durch  Anwendung 
von  Belladonna  die  Pupille  zu  erweitern,  durch  antiphlogistische  Behand- 
lung jedoch  einer  Entzündung  vorzubeugen. 

Geht  jedoch  die  Resorption  nur  mangelhaft  und  träge  vor  sich,  so 
kann  man  die  Naturthätigkeit  unterstützen.  Diess  geschieht  1.  dadurch, 
dass  man  die  Pupille  erweitert,  somit  der  wässrigen  Feuchtigkeit  freiere 
Einwirkung  auf  die  zerstückelte  Linse  gestattet,  2.  indem  man  bei  schwäch- 
lichen decrepiden  Individuen  den  Kräftezustand  durch  bessere  Nahrung, 
reine  Luft  und  roborirende  Mittel  zu  heben  sucht;  3.  indem  man  die  Dis- 
cission  wiederholt  und  zwar  entweder  durch  die  Sclerotica  oder  durch 
die  Cornea.  Die  Wiederholung  der  Operation  ist  aber  erst  gestallet,  wenn 
jede  Reizung  vorübergegangen  ist. 

Nach  der  Depression  wird  der  Staar  entweder  aufgesaugt  ode 
incapsulirt.  Dieser  Process,  welcher  stets  mit  einem  Irritationszuslande  des 
Auges  verbunden  ist,  weil  die  Slaarlinse  wie  ein  fremder  Körper  wirkt, 
ritt  oft  erst  14  Tage  bis  3  Wochen  nach  der  Operation  ein.  Leicht  ent- 
stehen dann  unter  nur  etwas  ungünstigen  Einflüssen  Entzündungen,  die  das 
Resultat  der  Operation  häufig  in  Frage  stellen.  Es  gilt  daher  hier  dasselbe, 
was  schon  bei  der  Discission  erwähnt  wurde.  Nach  der  Depression  kann 
auch  ein  Wiederaufsteigen  des  Slaares  erfolgen,  in  Folge  einer  heftigen 
Bewegung  oder  Anstrengung  des  Kranken.  In  diesem  Falle  ist  nach  gänz- 
lich beseitigter  Reizung  die  Operation  zu  wiederholen.  Amaurose  in  Folge 
des  Druckes  des  Staares  auf  die  Retina  wird  wohl  in  sehr  seltenen  Fällen 
eintreten.  Meistens  wird  eine  lentescirende  innere  Ophthalmie  (Choroi- 
deitis),  wo  die  wesentlichen  Entzündungssymplome  undeutlich  sind,  die 
amaurotische  Blindheil  veranlassen.  Antiphlogistische  Behandlung  könnte 
daher  vielleicht  in  einzelnen  Fällen  helfen. 

Ein  missliches  Ereigniss  ist  auch  das  Erbrechen,  welches  nach  den 
Nadeloperalionen  durch  die  Sclerotica  nicht  selten  eintritt,  und  durch  Rei- 
zung der  Ciliarnerven,  die  mit  dem  Sympathicus  in  Verbindung  stehen, 
sich  erklären  lässt.  Nicht  immer  hat  es  einen  nachteiligen  Einfluss  auf 
den  Erfolg  der  Operation,  wenn  es  auch  mitunter  ausserordentlich  häufig 
eintrat.  Erhöhte  Rückenlage,  Aqua  Laurocerasi,  Brausepulver,  die  Polio 
Riveri  und  in  hartnäckigen  Fällen  Klysliere,  die  mit  einigen  Tropfen  Opium- 
tinetur  versetzt  sind,  sind  die  Mittel,  die  man  dagegen  anwendet. 


197 

Selbst  nach  der  gelungensten  Slaar Operation  ist  das  Sehen  kein  voll- 
kommenes, da  dem  Auge  ein  brechendes  Medium,  die  Linse,  mangelt.  Diese 
muss  daher  durch  ein  biconvexes  Brillenglas  ersetzt  werden.  Der  Focus 
der  Staarbrillen  ist  von  3  bis  zu  6  Zollen.  Früher  kurzsichtig  Gewesene 
sehen  nach  der  Operation  oft  besser,  als  früher,  und  bedürfen  gar  keines 
Glases.  Immer  darf  der  Gebrauch  der  Staargläser  erst  geraume  Zeil  nach 
der  Operation  gestattet  werden,  wenn  das  Auge  durch  den  Reiz  der  Con- 
cenlration  der  Lichtstrahlen  nicht  mehr  Gefahr  läuft,  sich  zu  entzünden. 
Man  wartet  daher,  bei  übrigens  günstigen  Umständen,  2  bis  3  Monate  nach 
der  Operation  ab,  ehe  man  zu  ihrer  Anwendung  schreitet. 

Nachstaare  oder  secundäre  Staare  sind  Trübungen  im  Kry- 
stallkörper,  welche  nach  einer  Staaroperation  wieder  auftreten.  Abgesehen 
von  den  Trübungen,  welche  durch  Exsudate  in  der  Pupille  in  Folge  von 
Iritis  (Lymphstaar,  unächter  Staar)  bedingt  werden,  gehören  dem  Nach- 
staare folgende  Fälle  an :  a.  Die  vordere  und  hinlere  Kapselwand  schrum- 
pfen nach  der  Extraction  und  Depression  zuweilen  ein,  legen  sich  aneinander 
und  hüben  sich  ;  zwischen  ihnen  befindet  sich  oft  eine  körnige  Masse  ;  b.  Zu- 
rückgebliebene Linsenfragmente  schwellen  an,  ballen  sich  zusammen  und 
füllen  den  Pupillarraum  fast  gänzlich  aus.  c.  Nach  der  Depression  des 
grauen  Staares  kann  die  Staarlinse  wieder  aufsteigen  und  neuerdings  eine 
calaraclöse  Trübung  darstellen.  Bisweilen  lagern  sich  beim  Nachstaar  in 
die  geschrumpfte  Kapsel  Choleslearinkrystalle  und  Pigmentkürner  ein,  wo- 
durch die  Trübung  einen  Fellglanz  annimmt. 

Was  die  Wiedererzeugung  der  Krys lallli n se  betrifft,  so 
findet,  wenn  die  Kapsel  gesund  ist,  sowohl  nach  der  Extraction  als  nach 
Nadeloperalionen,  die  Ablagerung  einer  der  Substanz  der  Linse  einiger- 
massen  ähnlichen  Masse,  insbesondere  an  dem  Bande  der  Linsenkapsel 
Statt,  welche  man  den  Krystallwulst  nennt.  Da  sich  aber  in  demselben  nie 
die  microscopischen  Bestandteile  der  Linse  nachweisen  lassen,  so  ist  der 
Krystallwulst  als  nichts  anders,  als  ein  Exsudat  zu  betrachten. 


III.  Synechien  und  Atresien. 

Verwachsungen  kommen  sowohl  an  den  Augenlidern,  als  am  Aug- 
apfel, so  wie  auch  an  den  Thränenorganen  vor.  Zu  den  Verwachsungen 
an  den  Augenlidern  gehört  das  Ankyloblepharon  und  das  Symblepharon. 
Unter  den  Verwachsungen  am  Augapfel  sind  die  wichtigsten  die  vordere 
und  hinlere  Synechie,  welche  bereits  besprochen  wurden,  so  wie  die 
Atresie  der  Pupille. 


198 


1.    Verwachsungen  der  Augenlider, 

a.  Unter  Anky  1  o  bl  ephar  on  versteht  man  die  Verwachsung  bei- 
der Lidränder.  Dieses  ist  entweder  partiell,  wenn  die  Verwachsung  nur 
an  einer  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Stelle,  an  einem  oder  dem  an- 
dern Winkel  stattfindet,  oder  total,  wenn  sie  sich  der  ganzen  Länge  der 
Lidspalte  nach  erstreckt.  Das  Ankyloblepharon  kann  einfach,  oder  mit  einem 
andern  Bildungsfehler  complicirl,  häufig  mit  Verwachsung  der  Lider  mit 
der  Bindehaut  des  Augapfels  (Symblepharon)  verbunden  sein  ;  in  letzte- 
rem Falle  ist  der  Augapfel  unter  den  Lidern  und  diese  selbst  nicht  frei 
beweglich. 

Das  Ankyloblepharon  ist  entweder  angeboren  oder  erworben.  Das 
erworbene  wird  durch  alle  jene  Ursachen  herbeigeführt,  welche  eine  Ver- 
wundung oder  Excorialion  beider  einander  gegenüberstehenden  Lidränder 
veranlassen;  z.  B.  Abtragung  beider  Lidränder  desselben  Auges  (Operation 
der  Trichiasis),  Verbrennungen  und  Aetzungen  beider  Lidränder  durch 
scharfe  Substanzen  oder  corrodirende  Secrele.  Häufig  wird  durch  scharfe 
Secrete  und  gleichzeitig  bestehenden  Lidkrampf  (bei  scrofulösen  Ophthal- 
mien) eine  Excoriation  der  Lider  am  äussern  Winkel  und  dadurch  eine 
partielle  Verwachsung  derselben  herbeigeführt,  wodurch  die  Augenlidspalle 
oft  beträchtlich  verkürzt  wird,  ein  Zustand,  den  man  Phimosis  palpebrarum 
nennen  kann.  Solche  enggeschlitzle  Augen  kommen  auch  als  angeborner 
Bildungsfehler  vor. 

Bei  dem  partiellen  Ankyloblepharon  führt  man  durch  die  noch  be- 
stehende Lidspalte  ein  schmales  spitziges  Bistourie,  dessen  Spitze  durch 
ein  Wachsknüpfchen  gedeckt  ist,  ein,  schiebt  es  bis  zur  Stelle,  wo  der  Can- 
ihus  angelegt  werden  soll,  fort,  durchsticht  daselbst  das  ganze  Lid,  und 
durchtrennt  die  Sperrhaut  mit  sägenden  Messerzügen.  Ist  die  Verwachsung 
bloss  an  einer  Stelle  durch  einen  dünnen  ligamentösen  Strang  gebildet,  so 
kann  dieser  nach  vorläufiger  Unterbindung  an  seinen  beiden  Enden  mittelst 
eines  Seidenfadens  durchtrennt  werden.  Besteht  bei  dem  totalen  Ankylo- 
blepharon gar  keine  zugängige  Oeffnung,  so  lässt  man  in  der  Mitte  der  Lid- 
ränder eine  längliche  Falte  aufheben,  schneidet  diese  am  gehörigen  Orte 
sehr  vorsichtig  ein,  und  verfährt  hierauf  wie  bei  dem  partiellen  Ankylo- 
blepharon. Die  grüsste  Schwierigkeit  besteht  in  der  Verhütung  der  Wie- 
derverwachsung der  getrennten  Lidränder.  Zu  diesem  Zwecke  nützen  die 
gewöhnlichen  Vorschläge,  das  Wacherhalten  des  Kranken,  das  Bestreichen 
der  Ränder  mit  Oel,  Butter,  einer  Tutiasalbe,  das  Einlegen  wie  immer  ge- 
formter Blättchen,  meistens  nichts.  Da  die  Verwachsung  immer  von  dem 
• 


100 

Augenwinkel  ausgeht,  so  ist  Ammon's  Verfahren  das  zweckmässigsle,  wel- 
ches darin  besieht,  dass  man  eine  Falle  der  Bindehaut  mit  der  äussern  Haut 
an  dem  Augenwinkel  durch  feine  Nähte  vereinigt.  Wenn  zugleich  die 
Augenlider  mit  dem  Bulbus  in  grösserer  Ausdehnung  verwachsen  sind,  so 
lässt  sich  sehr  wenig  für  die  Herstellung  des  Sehvermögens  hoffen ;  indes- 
sen kann  in  einzelnen  Fällen  durch  das  beim  Symblepharon  angegebene 
Verfahren  einige  Besserung  erzielt  werden. 

b.  Das  Symblepharon  ist  eine  Synechie  des  Augenlides  mit  dem 
Augapfel.  Gewöhnlich  ist  dasselbe  nur  partiell,  kann  aber  in  grösserer 
oder  geringerer  Ausdehnung  bestehen.  Meistens  erstreckt  sich  die  Ver- 
wachsung bis  an  die  Uebergangsfalten  der  Bindehaut,  so  dass  man  eine 
biegsame  Sonde  nicht  um  die  Verwachsungsstelle  herum  führen  kann.  Die 
Verwachsung  ist  gewöhnlich  von  fibröser  oder  pseudomembranöser  Be- 
schaffenheil. Ist  die  Cornea  dabei  betheiligl,  so  ist  das  Epilhelialblättchen 
derselben  sehr  verdickt  und  gelrübl.  Das  sogenannte  Symblepharon  totale 
oder  posterius,  wo  die  Bindehaut  vom  Ciliarrande  sogleich  zum  Bulbus 
übergehl,  gehört  nicht  hieher,  da  es  vielmehr  auf  totaler  Atrophie  oder 
einem  Defecte  der  Bindehaut  (Xerophthalmus)  beruht.  Das  Symblepharon 
ist  bisweilen  mit  andern  Bildungsfehlern,  am  öftersten  mit  partiellem  oder 
totalem  Ankyloblepharon  complicirt.  Es  hat  eine  Beschränkung  der  Aug- 
apfel- und  Augenlidbewegungen  und  bisweilen  eine  mehr  oder  minder  be- 
deutende Störung  des  Sehvermögens  zur  Folge,  welches  in  jenem  Falle, 
wo  die  Verwachsung  sehr  ausgedehnt  und  zugleich  mit  Verwachsung  der 
Augenlider  untereinander  verbunden  ist,  ganz  aufgehoben  ist;  jedoch  un- 
terscheiden derlei  Kranke  noch  Farben.  In  einzelnen  Fällen  kann  das  Sym- 
blepharon zum  Schielen  Veranlassung  geben. 

Ob  es  ein  angebornes  Symblepharon  gebe,  isl  noch  zweifelhaft.  Das 
erworbene  wird  durch  Excorialionen,  Exulcerationen,  von  eiternden,  mit 
bedeutenden  Substanzverluste  verbundenen  Wunden,  durch  Eiterung  und 
Caries  in  der  Orbita,  besonders  aber  in  Folge  von  Verbrennungen  der 
Bindehaut  durch  brennende  Substanzen,  glühende  Metalllheilchen,  Pulver- 
explosionen, ätzende  Säuren  elc.  herbeigeführt.  Die  gewöhnliche  Ent- 
zündung, wenn  sie  auch  einen  sehr  hohen  Grad  erreicht,  entwickelt  in  den 
Schleimhäuten  nicht  leicht  den  adhaesiven  Character. 

Eine  blosse  Trennung  der  Verwachsung  wäre  bei  dem  Symblepharon 
leicht,  doch  tritt  sicher  eine  neue  Verwachsung  ein.  Man  hat  daher  beson- 
dere Methoden  der  Operation  ersinnen  müssen.  Bei  einem  auf  eine  Stelle 
beschränkten  Symblepharon  ist  Ammon's  Verfahren  erfolgreich,  welcher 
durch  zwei  halbmondförmige  oder  auch  ein  V  formirende  durch  die  ganze 
Dicke  des  Augenlides  geführte  Schnitte  die  adhaerirende  Stelle  lostrennte. 


200 

dieses  Stück  am  Augapfel  silzen  Hess,  und  über  ihm  die  Ränder  der  Exci- 
sionswunde  durch  die  Nahl  vereinigte;  das  am  Augapfel  silzen  gebliebene 
Stück  wird  nach  bereits  erfolgter  Vernarbung  der  Augenlidwunde  wegge- 
nommen. Weniger  Erfolg  möchte  Dieffenbach's  Verfahren  haben,  welches 
darin  besteht,  dass  er  nach  geschehener  Trennung  den  Lidrand  nach  hin- 
weggenommenen Cilien  nach  innen  kehrt,  ein  künstliches  Entropium  bildet, 
die  beiden  mit  ihren  Wundflächen  einander  zugekehrten  Hälften  des  Augen- 
lides zusammennäht  und  sie  aneinander  wachsen  lässt.  Nach  Vernarbung 
der  Wundfläche  am  Augapfel  werden  sie  wieder  getrennt  und  das  Entro- 
pium wieder  gehoben.  Die  beste  Methode  besteht  darin,  dass  man  durch 
die  Basis  des  Symblepharons  einen  massig  dicken  Bleidraht  mittelst  einer 
Heftnadel  einführt,  seine  beiden  Enden  zusammendreht  und  durch  immer 
festeres  Zusammendrehen  die  allmälige  Abschnürung  der  Verwachsungs- 
slelle bedingt.  Ist  diese  ausgebreiteter,  so  ist  das  Verfahren  einige  Male 
zu  wiederholen,  bis  die  ganze  Verwachsung  gehoben  ist.  Die  dicken  La- 
gen plastischen  Exsudates  auf  der  Cornea  werden  theils  mit  dem  Slaar- 
messer  abgelragen,  theils  die  Aufhellung  derselben  durch  zweckmässige 
Mittel  (Jodpräparale,  Opiumtinclur)  möglichst  herbeigeführt. 

2.  Die  Atresie  der  Pupille  und  die  künstliche  Pupillenbildung. 

Unter  Pupillensperre  (Alresia  pupillae)  begreift  man  jene  Fälle, 
wo  die  Pupille  entweder  total  geschlossen  oder  dergestalt  verengt  oder 
verdeckt  ist,  dass  sie  zum  Sehen  unbrauchbar  wird.  Sie  ist  entweder  an- 
geboren oder  erworben. 

1 .  Die  an  ge  hörne  Pupillensperre  ist  jener  Bildungsfehler,  wo 
die  Pupillarmembran  ungewöhnlich  lange  Zeil  nach  der  Geburt  noch  fort- 
besteht. Bisweilen  bleibt  nicht  die  ganze  Pupillarmembran,  sondern  nur 
Reste  derselben  zurück,  welche  den  Pupillarraum  zum  grossen  Theile 
ausfüllen. 

2.  Die  erworbene  Pupillensperre  ist  durch  folgende  Krank- 
heitszuslände  bedingt: 

a.  Durch  ein  sehr  ausgebreitetes  Centralleucom  der  Hornhaut,  so  dass 
keine  Lichtstrahlen  durch  die  Pupille  ins  Innere  des  Auges  hinein  gelan- 
gen können. 

b.  Durch  vordere  Synechie,  wenn  die  Iris  dadurch  so  verzogen  ist, 
dass  die  Pupille  eine  längliche  Spalte  darstellt,  deren  Schenkel  kaum  von 
einander  abstehen,  oder  sich  ganz  berühren. 

c.  Sehr  häufig  wirken  diese  beiden  Ursachen  vereint,  so  dass  näm- 
lich die  Synechie  die  Pupille  verzieht  und  verengert,  der  noch  bestehende 
Theil  derselben  aber  durch  den  Hornhaulfleck  verdeckt  wird.    Derlei  Alre- 


201 

sien  sind  meislenlheils  Folgen  von  im  Gefolge  der  Ophthalmoblennorrhoe 
aufgetretenen-  durchbohrenden  Hornhautgesehwüren,  oder  sie  entstehen 
nach  ausgedehnteren  Verletzungen  der  Cornea. 

d.  Durch  mittelbare  Verwachsung  der  Pupillarränder  unter  einander 
in  Folge  von  exsudativer  Iritis,  meistens  füllt  das  Exsudat  die  Pupille  als 
ein  Pfropf  aus  (Cataracta  lymphatica) ;  selten  sind  die  Pupillarränder  un- 
mittelbar mit  einander  verwachsen. 

e.  Totale  hintere  Synechie,  wenn  ein  Kapsel-  oder  Kapsellinsen- 
slaar  (häufig  Gypsslaar)  im  ganzen  Umfange  mit  der  Iris  verwachsen  ist. 

f.  Sehr  seilen  sind  jene  Fälle,  wo  die  Pupille  in  Folge  von  Atrophie 
des  Auges  (Synchysis)  bis  zur  verschwindenden  Kleinheit  zusammensinkt 
(Synizesis  oder  Subsidenlia  pupillae). 

Die  Pupillensperre  veranlasst  entweder  gänzliche  Erblindung  oder 
einen  hohen  Grad  der  Beschränkung-  des  Sehvermögens.  Lichlempfindung 
pflegt  jedoch,  wenn  kein  anderer  Krankheilszusland  die  Atresie  complicirl, 
noch  zu  bestehen. 

Bei  der  Pupillensperre  kann  man  in  der  Regel  durch  eine  chirur- 
gische Operation  (künstliche  Pupillenbildung,  Coremorphosis),  de- 
ren Erfindung  Cheselden's  Verdienst  ist,  dem  Kranken  zu  einem  Sehvermö- 
gen wieder  verhelfen. 

Die  zu  dieser  Operation  erforderlichen  Bedingungen  sind:  1.  dass 
die  Herstellung  des  Sehvermögens  auf  keine  leichlere  Weise  möglich  isl ;  a 
2.  dass  ein  hinreichend  grosser  Theil  der  Cornea  noch  durchsichtig  und 
der  ihr  gegenüberliegende  Theil  der  Iris  normal,  wenigstens  nicht  bedeu- 
tend erkrankt  sei;  3.  dass  die  übrigen  Gebilde  des  Auges  so  beschaffen 
sind,  dass  die  Operation  weder  erfolglos  noch  gefährlich  würde ;  4.  ist  das 
andere  Auge  gesund,  so  ist  die  Pupille  am  kranken  nur  dann  zu  bilden, 
wenn  man  sie  in  der  Mitte  der  Iris  oder  an  deren  inneren  Hälfte  anlegen 
kann,  denn  eine  Marginalpupille  an  dem  einen  Auge  würde,  wenn  das 
andere  gesund  ist,  das  Sehen  mehr  stören,  als  wenn  der  Operirle  nur  mit 
dem  gesunden  allein  sehen  würde,  oder  wenigstens  zur  Entstehung  von 
Schielen  Anlass  geben.  Die  Operation  müsste  demnach  bei  Abwesenheit 
dieser  Bedingungen,  bei  Amaurose  oder  beginnender  Atrophie  des  zu  ope- 
rirenden  Auges  unterbleiben;  Entzündungen  und  andere  zu  hebende  Krank- 
heiten wären  früher  zu  beseitigen. 

Der  beste  Ort  zur  Anlegung  einer  Pupille  ist  die  mittlere  Irisgegend ; 
dieser  folgt  die  innere,  dann  die  äussere,  die  unlere  und  endlich  die  obere, 
(weil  bei  normalem  Stande  des  Augapfels  das  obere  Augenlid  die  neue 
Pupille  bedecken  würde).  In  dem  Falle,  wo  man  nur  nach  oben  eine  Pu- 
pille anlegen  könnte ,   dürfte  durch  die  Durchschneidung  der  Sehne  des  M. 


202 

rectus  superior,  wodurch  der  Augapfel  in  Folge  des  Uebergewichtes  der 
Wirkung  des  M.  reclus  inferior  nach  abwärts  gerichtet  würde,  die  neu  an- 
gelegte Pupille  zum  Sehen  brauchbarer  werden  (s.  Myotomie).  Die  Grösse  der 
neuen  Pupille  soll  die  normale  Weile  der  gesunden  Sehe  etwas  übertreffen. 
Die  Lagerung  des  Kranken  und  die  Assistenz  des  Gehülfen  ist  wie 
bei  der  Staaroperation. 

Es  gibt  drei  Hauptlypen  der  künstlichen  Pupillenbildung,  nämlich, 
die  Irisspaltung  (Iridolomia),  die  Ausschneidung  eines  Stückes  der  Iris  (Iri- 
dectomia) ,  endlich  die  Loslrennung  eines  Theiles  derselben  vom  Ciliar- 
bande  (Iridodialysis). 

Die  Iridotomie  gewährt  nur  bei  der  von  Verziehung  der  Iris  durch 
vordere  Synechie  herrührenden  Pupillensperre  wesentlichen  Vorlheil,  wenn 
man  hoffen  darf,  dass  eine  zur  Offenhallung  des  neuen  Sehloches  hinrei- 
chende Retraclion  der  Wundränder  eintritt.  Cheselden  sliess  ein  mit  ste- 
chender Spitze  versehenes  Messerchen  an  dem  zur  Einführung  der  Nadel 
bei  der  Depression  des  Slaares  üblichen  Orte  durch  die  Sclerolica  in  die 
hinlere  Kammer  ein,  und  schnitt  die  Iris  in  horizontaler  Richtung  ein.  Adams 
schob  in  die  neugebildele  Pupille,  um  das  Schliessen  derselben  zu  verhüten, 
ein  Stück  der  zerschnittenen  Linse.  Trotz  dem  ist  diese  Methode  schwierig 
und  unvollkommen,  da  sich  die  angelegte  Pupille  meistens  wieder  schloss. 

Die  Iridotomie  durch  die  Cornea  hat  zwei  Varianten,  jenen  nämlich, 
wo  man  mit  demselben  Instrumente  die  Cornea  durchdringt  und  die  Iris 
spaltet,  und  den,  wo  zuerst  ein  Hornhaulschnitt  gebildet,  und  hierauf  mit 
einem  geeigneten  Instrumente  die  Iris  gespalten  wird.  Letzteres  Verfahren 
wurde  von  Janin  und  Maunoir  geübt.  Janin  machte  mit  dem  Staarmesser 
einen  Hornhaulschnitt,  wie  zur  Extraclion,  und  vollbrachte  mit  einer  ge- 
krümmten Scheere  einen  senkrechten  Einschnitt  in  der  Iris.  Zugleich  wur- 
de der  Krystallkörper,  auch  wenn  er  gesund  war,  ausgezogen. 

Maunoir's  Verfahren  besieht  darin  ,  dass  er  mit  dem  Staarmesser  an 
der  der  neu  anzulegenden  Pupille  entgegengesetzten  Stelle  einen  Horn- 
haulschnitt (2/3  der  Peripherie  der  Cornea)  anlegt,  hierauf  bei  verengter  Pu- 
pillle  die  kleine,  an  beiden  Blättern  geknöpfte  Knieschecre  einbringt,  diese 
öffnet,  und  die  Pupille  nach  einer  oder  der  andern  Seite  hin  erweitert:  bei 
geschlossener  Pupille  jedoch  das  spitzige  Blander  einfach  geknöpften  Knie- 
scheere  durch  die  Iris  in  die  hintere  Kammer  slösst,  und  der  Iris  einen  V  för- 
migen Schnitt  beibringt,  dessen  Spitze  gegen  das  Centrum,  die  Grundfläche 
gegen  den  Cüiarrand  der  Iris  hinsieht.  Durch  Conlraction  der  Irisfasern  soll 
dieser  so  gebildete  Lappen  nach  aussen  gerollt,  und  so  eine  mehr  oder  weni- 
ger rautenförmige  Pupille  erzeugt  werden.  Diese  Methode  kann  nur  in  weni- 
gen Fällen  günstige  Resultate  liefern,  und  passt  daher  nur  bei  vorderer  Syne- 


203 

ehie  mit  starker  Verziehung  der  Pupillarränder  und  geringerer  Trübung  der 
Cornea,  oder  bei  unmittelbarer  Verwachsung  der  Pupille  nach  einer  Slaar- 
extraclion,  übrigens  nur  bei  ruhigen  Patienten,  und  wenn  man  die  Pupille 
nach  aussen  oder  innen  anlegen  kann. 

Die  Iridectomie  wird  immer  durch  die  Cornea  vollzogen.  Der 
Erfinder  dieser  Methode  ist  Wenzel,  welcher  mit  einem  Staarmesser  gleich- 
zeilig  einen  etwas  grösseren  halbmondförmigen  Lappen  in  der  Cornea,  und 
einen  kleineren,  diesem  parallelen  in  der  Iris  bildete,  indem  er  den  Schnitt 
gleichzeitig  durch  Cornea  und  Iris  führte,  somit  das  Staarmesser  in  der  hin- 
leren Kammer  vorschob ;  der  Irislappen  wurde  mit  einem  Häkchen  gefasst, 
hervorgezogen  und  abgeschnitten.  War  eine  Calaract  vorhanden,  so  wurde 
dieselbe  sogleich  ausgezogen ;  nicht  selten  folgte  die  zerschnittene  gesunde 
Linse  der  Iris  von  selbst.  Da  demnach  bei  dieser  Methode  der  Kryslall- 
körper  immer  verletzt  wird,  und  die  gleich  Anfangs  entstandene  Blu- 
tung im  Auge  die  weitere  Vollführung  der  Operation  erschwert,  so  ist  sie 
höchstens  da  zu  üben,  wo  man  es  bei  Reinheit  einer  grösseren  Parlhie  des 
Hornhautrandes,  zugleich  mit  einer  Calaract  zu  thun  hat ,  sonst  verdient 
die  Iridectomie  nach  Beer  unbedingt  den  Vorzug.  Letztere  Methode 
ist  angezeigt:  1.  Wo  bei  Cenlralleucom  und  vorderer  Synechie  die  Cornea 
an  der  Seile,  wohin  die  neue  Pupille  fallen  soll,  nicht  über  den  Rand  der 
normalen  Sehe  hinaus  getrübl,  die  vordere  Synechie  nicht  gross,  und  die 
Linse  gesund  ist;  2.  bei  der  angebornen  Pupillensperre,  wenn  sie  längere 
Zeit  nach  der  Geburl  fortdauert,  *)  3.  bei  der  unmittelbaren  Alresie  der  Pu- 
pillarränder. Sie  wird  auf  folgende  Weise  verrichtet:  Nach  zweckmässiger 
Lagerung  des  Kranken  wird  mil  dem  Staarmesser  in  jener  Gegend,  an  wel- 
cher die  neue  Pupille  angelegt  werden  soll  (um  die  Iris  nicht  zu  weit  her- 
vorzerren zu  müssen)  ein  Hornhautschnilt  gemacht,  welcher  ein  Viertel, 
höchstens  ein  Drittel  der  Peripherie  derselben  einnimmt,  genau  am  Horn- 
hautrande geführt  werden  muss,  damit  die  neue  Pupille  durch  die  zurück- 
bleibende Narbe  nicht  beeinträchtigt  und  das  Hervorziehen  der  Irisparthie 
erleichtert  werde.  Auch  müssen  die  Hornhautlamellen  gerade  und  nicht 
etwa  schief  durchschnitten  werden,  damit  die  Iris  besser  gefasst  und  her- 
vorgezogen werden  kann.  Nach  diesem  ersten  Momente  (Bildung  des 
Hornhaullappens)  übergibt  der  Operateur  die  Handhabung  des  unlern  Au- 
genlides dem  Gehülfen,  welcher  es,  ohne  dem  Operateur  hinderlich  zu  sein, 
herabzieht.     Der   Operateur    fassl    entweder  einen   zuweilen   vorfallenden 


•)  Da  bei  angeborner  Pupillensperre  die  Operation  in  der  frühesten  Kind- 
heit kaum  gemacht  wird,  und  später  die  Pupillarmembran  meistens  von  selbst 
einreisst,  so  dürfte  hier  die  Operation  selten  zu  unternehmen  sein. 


204 

Theil  der  Iris  mit  einer  feinen  Pincelle,  und  schneidet  ihn  mit  der  Seheere 
ab,  oder  falls  diess  nicht  geschieht,  führt  er  ein  feines  Häkchen  mit  nach 
abwärts  gerichteter  Spitze  behutsam  unter  der  Cornea  ein ,  erfasst  die  Iris 
am  Pupillarrande,  oder  bei  geschlossener  Pupille  an  deren  mittlerer  Parlhie, 
zieht  sie  aus  der  Hornhautwunde  hervor,  und  schneidet  den  hervorgezoge- 
nen Theil  mit  einer  in  der  andern  Hand  in  der  Nähe  des  Auges  in  Bereit- 
schaft gehaltenen  kleinen  Louis'schen  Seheere,  deren  Convexität  gegen  den 
Bulbus  gekehrt  ist,  möglichst  schnell  ab. 

Die  unangenehmen  Zufälle ,  welche  dabei  eintreten  können ,  sind1 
1,  Ein  zu  schiefer  Hornhautschnilt;  hier  müsste  man  von  der  Operation 
abstehen.  2.  Eine  zu  kleine  Hornhautwunde;  man  erweitere  sie  mit  dem 
Messer.  3.  Bas  Ausreissen  der  gefassten  Iris;  man  fasse  sie  mittelst  einer 
feinen  Fischer'schen  Pincelle.  4.  Verletzung  des  Krystallkörpers;  man  voll- 
ziehe dessen  Extraction ,  um  einer  Cataract  vorzubeugen.  5.  Vorfall  des 
Glaskörpers,  welcher  schnelle  Anlegung  des  Verbandes  erfordert.  6.  Fiel 
die  Pupille  zu  klein  aus,  so  erweitere  man  sie  sogleich. 

Die  Iridodialyse  wurde  zuerst  von  Scarpa  und  J.  A.  Schmidt  ge- 
übt. Sie  führten  eine  gekrümmte  Nadel  durch  die  Sclerolica  in  die  hintere 
Kammer  ein ,  Jeileten  diese  bis  zur  Stelle,  wo  die  Iris  vom  Ciliarligamenle 
losgetrennt  werden  soll ,  drangen  daselbst  mit  der  Spitze  der  Nadel  in  die 
vordere  Kammer,  und  rissen  die  Iris  durch  einen  kräftigen  Nadelzug  vom 
Sirahlenbande  los.  Dio  Schwierigkeil  und  der  ungenügende  Erfolg  ver- 
drängten jedoch  diese  Methoden,  und  man  übte  auch  die  Iridodialyse  durch 
die  Cornea.  Nach  Langenbeck  wird  ein  1 — 1 V2  Linie  weiter  Einstich  in 
die  Cornea  gemacht,  die  Iris  am  Ciliarligamente  mit  einem  Häkchen  erfasst, 
losgerissen  und  das  hervorgezogene  Stück  in  die  Hornhaulwunde  einge- 
klemmt (Iridoencleisis).  Um  jedoch  das  Zurückziehen  der  Iris,  die  langsa- 
mere Vernarbung  der  Cornea  und  heftigere  Entzündungszufälle  zu  verhü- 
then,  ist  es  besser,  die  hervorgezogene  Parthie  der  Iris  sogleich  abzuschnei- 
den (Iridectomedialysis). 

Letztere  Operation  ist  angezeigt ,  wenn  man  nur  eine  Marginalpu- 
pille  anlegen  kann,  demnach  bei  einem  Centralleucom,  welches  über  den  Pu- 
pillarrand  allenthalben  hinausreichl ,  bei  mittelbarer  Atresie  der  Pupille 
durch  Lymphstaar,  oder  bei  totaler  hinterer  Synechie.  Sie  wird  auf  fol- 
gende Weise  verrichtet:  Man  stösst  ein  gewöhnliches  Staarmesser  oder 
Pyramidenmesser  durch  die  Mitte  der  Cornea,  gleichviel,  ob  sie  daselbst 
durchsichtig  ist  oder  nicht,  mit  etwas  nach  jener  Gegend,  an  welcher  die 
neue  Pupille  anzulegen  ist,  hingeneigter  Spitze,  durch,  gibt  hierauf  den 
Flächen  des  Messers  eine  mit  der  Iris  parallele  Wendung,  führt  es  frei  in 
der  Augenkammer  bis  zum  abzulösenden  Irisrande  vor,   und  zieht  es  hier- 


205 

auf,  indem  man  die  Schneide  am  untern  Wundrande  etwas  schleifen  lässl, 
schnell  aus  dem  Aug-e  zurück.  Der  Hornhaulslich  bekommt  dadurch  eine 
schiefe  Richtung  [nach  der  Stelle  der  anzulegenden  Pupille,  wodurch  das 
Hervorziehen  der  abg-elöslen  Irisparthie  aus  der  Wunde  der  Cornea  wesent- 
lich erleichtert  wird.  Der  Hornhautslich  ist  senkrecht  anzulegen,  wenn 
die  Pupille  nach  aussen  oder  nach  innen,  quer,  wenn  sie  nach  oben  oder 
unten  gebildet  werden  soll,  und  soll  höchstens  2 —  2l/2'''  begreifen.  Die 
Führung  des  Messers  geschehe  mit  jener  Hand,  weiche  von  der  Stelle  der 
neuen  Pupille  weiter  entfernt  ist  (z.  B.  mit  der  linken,  wenn  am  rechten 
Auge  die  Pupille  nach  innen  angelegt  werden  soll).  Hierauf  übernimmt 
der  Gehilfe  die  Fixirung  des  untern  Lides,  der  Operateur  ergreift  mit  der 
Hand,  welche  früher  das  Messer  führte,  ein  feines  Augenhäckchen,  mit  der 
andern  eine  kleine  Louis'sche  Scheere,  führt  ersteres,  mit  nach  abwärts  ge- 
haltener Spitze  und  sich  mehr  an  den  obern  Wundwinkel  der  Cornea  hal- 
tend, in  die  vordere  Kammer  ein,  und  vor  der  Iris  bis  zum  abzutrennende!] 
Ciliarrande,  hakt  daselbst  die  Iris  ein,  und  sucht  sie  durch  langsames  Zie- 
hen vom  Ciliarrande  loszureissen.  Das  g-efassle  Irisslück  wird  durch  die 
Wunde  der  Cornea  hervorg-ezog-en,  (wobei  man  die  grösste  Sorgfalt  anwen- 
den muss,  um  sich  mit  der  Spitze  des  Häckchens  nirgends  einzuhaken,  da- 
her man  dessen  Spitze  stets  gerade  nach  abwärts  gerichtet  und  sich  an  den 
obern  Wundwinkel  der  Cornea  hallen  soll),  und  mit  der  in  Bereitschaft  ge- 
haltenen Scheere  knapp  an  der  Coinealwunde  abgeschnitten.  Auf  die  Ein- 
klemmung der  gefassten  Irisparthie  beschränkt  man  sich,  wenn  man  kein 
hinreichend  grosses  Stück  hervorziehen  kann.  Die  ungünstigen  Zufälle, 
welche  bei  diesem  Verfahren  eintreten  können,  sind  dieselben,  wie  bei  der 
Irideclomie  und  erheischen  dieselbe  Hülfe. 

Da  die  Iridodialyse  eine  viel  eingreifendere  Operation  isl,  und  keine 
so  günstigen  Resultate  liefert,  als  die  Iridectomie,  so  isl  in  den  Fällen,  wo 
man  die  Wahl  zwischen  diesen  zwei  Methoden  hal,  der  letzteren  der  Vor- 
zug zu  geben. 

Die  Anlegung  des  Verbandes  und  die  Nachbehandlung  ist  bei  der 
Pupillenbildung  dieselbe,  wie  nach  Slaaroperationen.  Einer  zu  heftigen 
Reaclion  beugt  man  durch  die  Anwendung-  kalter  Ueberschläge,  nach  Um- 
ständen durch  Blutenlleerungen  vor.  Als  ungünslig-e  Zufälle  nach  der  Ope- 
ration sind  zu  betrachten:  1.  Eine  heftige  Entzündung  (Kerato-Iritis),  gegen 
welche  die  antiphlogistische  Behandlung  einzuleiten  isl.  2.  Mangelhafte 
Resorption  des  ergossenen  Blutes  (Bildung  einer  Cataracta  grumosa).  Re- 
sorplionsbefördernde  Mittel ,  nach  Umständen  auch  Hebung-  des  Kräftezu- 
Standes  hönnen  hier  vielleicht  abhelfen.  3.  Bildung  einer  Cataract ;  sollte 
sie  sich  nicht  selbst  resorbiren,  so  kann  man  sie  durch  zweckmässige  Ope- 


206 

ration  (Discission  oder  Depression)  beseitigen.  4.  Entslehen  einer  Amau- 
rose, meistens  als  Folge  einer  innernOpthalmie,  odei  als  weitere  Entwick- 
lung- einer  schon  früher  bestandenen  Amblyopie;  diese  so  wie  5.  die  Atro- 
phie des  Auges,  grösstenteils  Folge  einer  eingetretenen  Choroidealent- 
zündung,  erfordern  eine  geeignete  Behandlung. 

3.    Verengerungen  und    Verwachsungen  an  den  Thränenorganen. 

Die  Ausführungsgänge  der  Thränendrüse  können  nach  Verwundun- 
gen, Aetzungen  oder  Verbrennungen  der  Bindehaut  verwachsen,  oder  als 
Folge  des  Bindehautlrachoms  verschrumpfen  und  obliteriren  (Xerophthal- 
mus).  Als  Thr  an  enz  e  llgeschwu  Ist  (Dacryops)  bezeichnet  man  eine 
im  äussern  Theile  des  obern  Augenlides  befindliche,  in  die  Orbita  hinein- 
reichende Geschwulst,  welche  sich  wie  eine  Balggeschwulst  anfühlt  und 
beim  Weinen  vergrössei  t.  Sie  soll  dadurch  entstehen,  dass  ein  oder  meh- 
rere Ausführungsgänge  der  Thränendrüse,  statt  in  die  Bindehaut  zu  mün- 
den, in  eine  Zelle  des  im  Umfange  der  Thränendrüse  befindlichen  Zellge- 
webes sich  öffnen.  Die  Heilung  dieses  Zuslandes  gelingt  wohl  nie  radical, 
und  wir  sind  darauf  beschränkt,  durch  eine  Palliativoperation  (öftere  Punc- 
tion  der  Geschwulst)  den  Kranken  zu  erleichtern. 

Die  Thränenröhrchen  können  durch  Schleim  oder  steinige  Concre- 
mente,  die  sich  in  ihnen  erzeugten,  verstopft,  sie  können  verengt,  oder 
durch  Verwachsung  geschlossen  sein.  Behufs  der  Erforschung  dieser  Zu- 
stände führt  man  eine  feine,  geknöpfte  Anel'sche  oder  die  feinere  Meje- 
an'sche  Sonde  (man  bedient  sich  häufig  zur  Sondirung  auch  eines  Pferde- 
haares oder  einer  Schweinsborste)  in  die  Thränenpuncle  ein,  während  man 
das  Augenlid  mit  dem  Finger  etwas  abzieht.  Am  untern  Thränenpuncte 
dringt  man  zuerst  verlical,  dann  horizontal,  am  obern  zuerst  von  unten 
nach  oben,  dann  schräg  nach  ab-  und  einwärts  in  den  Thränensack.  Un- 
nöthiges  und  zu  vieles  Sondiren  der  Thränenröhrchen  ist  schädlich.  Die 
Verengerung  der  Thränenröhrchen  kommt  entweder  als  harte, 
callöse  Verschrumpfung  (Folge  von  Verletzungen,  Entzündungen,  vorzüg- 
lich der  Ophthalmia  variolosa)  oder  als  Folge  sarcomatöser  Aufwulstung  der 
sie  auskleidenden  Schleimhaut  vor,  in  welchem  Falle  die  Thränenwärzchen 
als  rolhe,  hervorragende  Stellen  erscheinen.  (Folge  von  Entzündung  der 
Augenlider  und  des  Thränensackes).  Durch  entzündliche  Anschwellung 
der  Lider  im  innern  Winkel,  namentlich  durch  Hordeolum,  kann  ein  Thrä- 
nenröhrchen so  comprimirt  werden ,  dass  der  Thränenpunct  ganz  aufgeho- 
ben ist,  und  für  verwachsen  gehalten  werden  kann.  Die  Verwachsung 
der  Thränenpuncle  und  Thränenröhrchen  kann  angeboren  und  erworben, 
im  letzteren  Falle  durch  Verletzung,  Verbrennung,  Entzündung  und  Eile- 


207 

rung  entstanden  sein.  Der  angeborne  Mangel  der  Thränenröhrchen  isl  wohl 
immer  mit  Mangel  des  ganzen  Thränenableitungsapparates  verbunden. 

Die  genannten  Zustände,  so  wie  auch  die  zunächst  zu  erörternden 
Abnormitäten  des  Thränenschlauches  verursachen  eine  Störung  oder  gänz- 
liche Hemmung  des  Thränenabflusses  in  die  Nase,  und  in  Folge  dessen 
häufig  Th  ränenträufeln  (Stillicidium  lacrymarum,  Dacryostagon). 
Jedes  längere  Zeit  währende  Thränenträufeln  nimmt  endlich  ab ,  ohne 
dass  die  normale  Wegsamkeit  der  genannten  Gebilde  hergestellt  wäre, 
wahrscheinlich  durch  vermehrte  Resorptionskraft  der  Bindehaut.  Bei 
gänzlicher  Atresie  der  Thränenkanälchen  mache  man  keinen  Versuch 
mehr,  sie  zu  heben,  da  er  ohnehin  nutzlos  wäre,  ausser  wenn  die  Ver- 
schliessung  nur  häutig  und  ganz  oberflächlich  wäre.  Bei  der  Verenge- 
rung durch  Anwulstung  der  Schleimhaut  suche  man  diesen  Zustand  durch 
Einträuflung  adstringirender  und  gelinde  reizender  Augenwässer  (der  Lö- 
sungen von  Sublimal,  Lapis  divinus,  Höllenstein,  Sulfas  Zinci  mit  oder  ohne 
Opiumlinclur)  zu  heben.  Einspritzungen  sind  minder  zweckmässig.  Gegen 
callöse  Verschrumpfung  vermag  die  Kunst  nichts. 

Auch  eine  fehlerhafte  Richtung  der  Thränenwärzchen  kommt  beim 
Ectropium  und  bei  alten  Individuen  mit  bedeutender  Hauterschlaffung  vor; 
die  Thränenpuncle  sind  weit  und  nach  auswärts  gesunken,  wobei  entweder 
Thränenträufeln  vorhanden  ist,  oder  nicht.  Eine  Erweiterung  eines  oder 
beider  Thränenröhrchen  beobachtet  man  auch  zuweilen  in  Folge  narbiger 
Schrumpfung  des  dieselben  umgebenden  Zellstoffes. 

Von  grosser  Wichtigkeit  sind  Verengerungen  und  Verwach- 
sungen des  Thränenschlauches.  Sie  bedingen  verschiedene  krank- 
hafte Zustände,  und  kommen  entweder  als  Folge  der  Entzündung  desThrä- 
nensackes,  oder  auf  nachstehende  Weise  zu  Stande: 

Theils  nach  chronischen  Entzündungen  der  Conjuncliva  palp.  oder 
und  zwar  vorzüglich  der  Nasenschleimhaut,  theils  auch  allmälig  ohne  vor- 
ausgegangene Erkrankung  entwickelt  sich  in  der  Schleimhaut  des  Thränen- 
schlauches ein  krankhafter  Zustand,  welcher  in  einer  Auflockerung  und 
Erschlaffung,  so  wie  in  stärkerer  Schleimsecretion  derselben  besteht.  Ob 
sich  auch  Granulationen  in  ihr  entwickein,  ist  nicht  entschieden ;  jedoch  er- 
leidet es  keinen  Zweifel,  dass  Verdickung  der  Schleimhaut  durch  Bildung 
unreifen  Bindegewebes  mit  transitorischen  Zellen  auch  hier  Statt  finden 
könne.  Solche  Granulationen  ,  wie  wir  sie  in  der  Lidbindehaut  so  häufig 
antreffen,  scheinen  in  der  Schleimhaut  der  ableitenden  Thränenwege  nicht 
vorzukommen.  Die  Symptome  dieses  Zustandes,  welchen  man  D  acryo- 
cystoblennorrhoea  chronica  (auch  chronische  Entzündung  des  Thrä- 
nensackes)  nennt,  sind  folgende:  In  der  Gegend  des  Thränensackesisl  eine 


208 

flache,  nicht  genau  bekränzte,  teigichte,  elwas  ödematöse ,  unschmerzhafte 
Geschwulst  zu  bemerken,  welche  Morgens  kleiner  ist,  bei  Tage  mehr  an- 
wächst, und  durch  den  Fingerdruck  eine  massige  Quantität  einer  trüben, 
flockigen  Flüssigkeil  entleert.  Die  Thränenkarunkel,  halbmondförmige  Haut 
und  die  Lidbindehaut  sind  bisweilen  leicht  aufgelockert,  und  ihre  Secrelion 
vermehrt,  so  dass  das  Leiden,  zumal  wenn  die  Geschwulst  sehr  klein  ist, 
oder  eben  entleert  wurde,  leicht  verkannt  und  für  Bindehaulcalarrh  gehalten 
wird.  Die  Kranken  klagen  dabei  über  Ueberfliessen  der  Augen,  selten  über 
Trockenheit  der  Nase.  Bei  trockener  warmer  Witterung  bessert  sich  der  Zu- 
stand, bei  feuchter  Witterung  tritt  wegen  der  hygroscopischen  Beschaffen- 
heit der  Schleimhaut  eine  Verschlimmerung  ein. 

Das  Uebel  wird  unter  günstigen  Umständen  gehoben,  oder  es  gehl  in 
die  höhern  Grade  des  Leidens  über,  als  welche  man  die  Hernia  (Atonia) 
sacci  lacr.  und  die  Dacryocysloblennostasis  bezeichnet.  Indem  nämlich  die 
Auflockerung  und  Verdickung  der  Schleimhaut  zunimmt,  wird  das  Lumen 
des  Thränenschlauches,  welcher  grösstenteils  von  starren  Knochenwänden 
eingeschlossen  ist,  verengt;  das  Secret  stockt  in  demselben,  gewinnt  durch 
Aufsaugung  der  flüssigeren  Theile  an  Consislenz,  und  füllt  die  Höhle  des 
Thränenschlauches  aus.  Nur  der  obere  Theil  desselben,  der  Thränensack, 
wird  ausgedehnt,  dessen  vordere  Wand  nämlich  durch  die  Fasern  des  fib- 
rösen Gewebes  und  des  Orbicularmuskels  hervorgelrieben,  es  erfolgt  eine 
organische  Erweiterung  desselben,  welche  eine  genau  umschriebene,  boh- 
nenförmige,  der  Haut  gleichfarbige,  weiche,  unschmerzhafle,  der  Richtung 
der  Thränenrinne  folgende  Geschwulst  darstellt,  die  sich  durch  den  Finger- 
druck entweder  durch  die  Thränenröhrchen  oder  durch  den  häutigen  Na- 
sencanal  enlleeren  lässt.  Durch  die  Ausdehnung  des  Thränensackes  ver- 
mindert sich  auch  die  Contractilitäl  der  Wandungen  desselben,  er  wird  aio- 
nisch, weshalb  der  eben  beschriebene  zweite  Krankheilsgrad  Atonia  sacci 
lacr.  oder  Hernia  sacci  lacr.  genannt  wird.  Er  kann  leicht  in  Ent- 
zündung und  Verschwärung  übergehen,  oder  sich  zum  dritten  Grade  stei- 
gern. Wenn  nämlich  bei  forldauernder  chronischer  Entzündung  die  Thrä- 
nenröhrchen oder  der  Nasencanal  verwachsen,  so  dass  ein  auf  die  Ge- 
schwulst angebrachter  Druck  keine  Flüssigkeil  entleert,  so  häuft  sich  der 
von  der  kranken  Schleimhaut  secernirle  Schleim  im  Thränensacke  an,  und 
nimmt  eine  dicke  gallertartige  Consislenz  an.  Es  bildet  sich  am  innern  Au- 
genwinkel eine  bohnenförmige  Geschwulst,  Avelche  die  Grösse  eines  Tau- 
beneies erreichen  kann,  sich  elastisch  und  prall  anfühlt,  und  unschmerz- 
hafl  isl;  die  sie  bedeckende  Haut  isl  geröthel  und  nimmt  nach  und  nach 
eine  bläuliche  Färbung  an.  Die  Nase  der  leidenden  Seile  isl  gewöhnlich 
hocken,  der  Kranke  hat  das  Gefühl  einer  lästigen  Spannung,  oder  forldau- 


209 

ernden  Druckes  in  der  Nase.  Dieser  Grad  des  Leidens,  die  Dacryocy- 
stoblennostasis  (Hydrops  sacci  lacr.)  geht  sehr  häufig-  in  Entzündung 
und  Eiterung-  über,  und  hat  dann  Thränensackfistel  oder  Erkrankungen  der 
Knochen  zur  Folg-e.  Er  könnte  mit  einer  Balggeschwulsl  der  Thränensack- 
g-eg-end  und  mit  einer  varicösen  Ausdehnung-  der  Ang-ularvene  verwechselt 
werden.  Der  Unterschied  von  ersterer  besteht  darin,  dass  Atherome  immer 
viel  freier  beweglich  sind,  als  die  Thränensackschleimgeschwulsl,  nicht  so 
fest  und  tief  sitzen ,  und  mit  dem  Finger  umg-ang-en  werden  können.  Eine 
varicöse  Ausdehnung-  der  Ang-ularvene  würde  sich  durch  ihre  Lage  zu  er- 
kennen g-eben. 

Die  Schleimhaut  des  Thränenschlauches  ist  bei  diesen  Leiden  blass 
oder  livid  g-eröthet,  mit  zahlreichen  diverlikelartig-en  Ausstülpung-en  gegen 
das  erweiterte  Maschennetz  des  fibrösen  Ueberzug-es  hin,  zuweilen  mit  po- 
lypenartigen Excrcscenzen  versehen ;  der  Thränenschlauch  ist  an  einer 
Stelle  oder  in  grösserer  Ausdehnung-  sehr  verengt,  oder  ganz  verwachsen. 
Solche  Uebel  müssen  jedoch  von  der  Zusammenpressung  des  Nasencanals 
durch  Eindruck  der  Nasenknochen,  durch  Tophus,  Exostose  oder  Caries  des 
Thränenbeins  oder  des  Oberkiefers,  durch  Entartung  der  Muschelbeine, 
durch  grosse  Nasenpolypen  oder  durch  Krankheiten  und  Ausdehnungen 
der  Hyghmorshöhle  wohl  unterschieden  werden.  Zuweilen  ist  nur  die  Ge- 
gend um  die  untere  falten-  oder  klappenarlige  Verdickung  der  Schleimhaut, 
welche  um  die  Oeffnung  des  Kanals  in  der  Nasenhöhle  sich  vorfindet,  ge- 
schlossen. 

Wenn ,  insbesondere  bei  dyscrasischen  Individuen  oder  in  Folge  un- 
zweckmässiger Behandlung  (zu  stark  reizende  Mittel  oder  fortgesetzte  me- 
chanische Beleidigung)  die  Schleimhaut  des  Thränensackes  exulcerirt,  so 
entstehen  theils  Verwachsungen  des  Thränenschlauches,  theils  wird  der 
Thränenknochen  entblösst  und  entweder  cariös  oder  von  Necrose  ergriffen. 
Andererseits  hat  oft  ein  primäres  Knochenleiden  eine  Entzündung  und  Ver- 
schwärung  des  Thränensackes  zur  Folge.  In  diesem  Falle  schliesst  sich 
die  in  den  Thränensack  führende  Oeffnung  nicht,  und  eine  dauernde  Fi- 
slelöffnung  ist  daher  immer  entweder  durch  Caries  des  Thränenbeines  oder 
durch  bedeutende  Verengerung  oder  Verwachsung  des  Thränenschlauches 
bedingt.  Es  kann  jedoch  auch,  wie  aus  gut  constatirten  Fällen  hervorging, 
eine  Caries  des  Thränenbeines  ganz  ohne  äussere  Fistel  auftreten,  und  ihr 
Secret  hinter  dem  Thränenschlauche  in  die  Nasenhöhle  entleeren.  Bei  sehr 
vernachlässigten  Fällen  der  Art  findet  man  die  äussere  Oeffnung  der  innern 
nicht  entsprechend,  und  mehrere  Fistelgänge  nach  dem  untern  Augenlide 
und  nach  der  Wange  herabgehend  und  hier  erst  naeh  aussen  mündend  (com- 
ponirte  Thränensackfistel).     Bisweilen    bleibt  die   Fistel  nach  gehobenem 

Meyr,  Augenheilkunde.  J4 


210 

Krankheitszustande  desshalb,  weil  ihre  Mündung-  und  der  Fistelkanal  bereits 
callüs  geworden  ist  (callöse  Fistel,  Haarfistel).  Die  Mündung-  der  Thränen- 
sackfistel  ist  oft  von  Fungositäten  (Luxuriation  des  Zellgewebes)  umgeben. 

Die  Ursachen  dieser  genannten  Krankheiten  sind  vorzüglich  wieder- 
holte catarrhalische  Reizungen,  besonders  die  der  Nasenschleimhaut,  selte- 
ner die  der  Bindehaut.  Grossen  Einfluss  auf  die  Entstehung  und  Unterhal- 
tung des  Uebels  haben  Dyscrasien,  besonders  Scrofulose,  Syphilis  und  Tu- 
berculosis, auch  dürften  Störungen  im  Geschlechtsleben  bei  Weibern  von 
Einfluss  sein.  Bei  Weibern  zwischen  dem  20.  und  40-  Lebensjahre  besteht 
eine  grössere  Disposition.  Meistens  erkrankt  nur  Ein  Schlauch,  häufiger  der 
linke,  da  derselbe  gewöhnlich  enger  sein  soll,  als  der  rechte. 

Die  Behandlung  richtet  sich  nach  der  Verschiedenheit  der  krankhaf- 
ten Erscheinungen,  und  die  verschiedenen  operativen  Methoden  wurden 
früher  als  Operation  der  Thränensackfistel  begriffen. 

Eine  sorgfällige  Erforschung  des  Zustandes  ist  von  der  grössten  Wich- 
tigkeit und  bildet  die  Basis  des  ärztlichen  Handelns. 

Beim  chronischen  Schleimflusse  des  Thränensackes  hat  man  darauf 
zu  sehen,  dass  durch  fleissiges  Ausdrücken  der  Geschwulst  die  längere  An- 
sammlung des  Schleimes  verhütet ,  und  die  krankhafte  Thätigkeit  der 
Schleimhaut  gehoben  werde.  Letzteres  geschieht  durch  Einträuflung  adstrin- 
girender  und  gelinde  reizender  Collyrien  in  den  innern  Winkel,  worauf  der 
Kranke  einige  Minuten  lang  auf  dem  Rücken  liegen  bleiben  soll.  Man 
wählt  dazu  Lösungen  von  Kupfer-  und  Zinksalzen,  von  Sublimat  oder  Ni- 
tras  arg.,  denen  man  bei  Luxuriationen  der  Schleimhaut  die  Opiumtinctur 
zu  V2  —  1  Scrupel  zusetzt.  Vor  der  Anwendung  dieser  Mittel  ist  der  Thrä- 
nensack  jederzeit  durch  Druck  zu  entleeren.  Erweichende  Dämpfe  in  die 
Nase  geleitet,  leisten  dabei  erspriessliche  Dienste,  so  wie  durch  angemes- 
sene diätetische  Pflege,  Aufenthall  in  reiner  Luft,  und  gehörige  Berücksich- 
tigung eines  etwa  vorhandenen  Allgemeinleidens  die  Cur  bedeutend  unter- 
stützt wird. 

Wenn  bei  einer  Hernia  sacci  lacrymalis  die  angeführte  Behandlungs- 
weise  zu  keinem  günstigen  Resultate  führt,  so  ist  die  Geschwulst  von  innen 
und  oben  nach  aussen  und  unten  mit  Schonung  des  innern  Zwischenban- 
des der  Augenlider  und  der  Thränenkanälchen ,  mittelst  eines  Bistouries 
oder  einer  Lanzette  aufzuschlitzen,  nach  der  Entleerung  des  Sackes 
eine  kleine  Charpiewicke  täglich  einmal  einzulegen,  und  der  Sack  durch 
Einspritzung  mit  lauem  Wasser  zu  reinigen.  Besieht  bereits  nach  voraus- 
gegangener Abscessbildung  eine  FistelöiTnung,  so  ist  dieselbe  durch  eine 
eingelegte  Wicke,  Darmsaite,  oder  selbst  mit  dem  Messer  und  der  Hohl- 
sonde zu   erweitern.    Tst   die  Fistelöffnung   jedoch    zu  weit  vom  Thränen- 


211 

sacke  entfernt,  so  eröffnet  man  letzteren  auf  die  bekannte  Weise.  *)  Die 
weitere  Behandlung-  richtet  sich  nach  dem  verschiedenen  krankhaften  Zu- 
stande. Man  hat  daher  genau  zu  erforschen,  wie  der  Thränenschlauch  be- 
schaffen, ob  er  verengt  oder  verwachsen  sei.  Man  erfährt  diess  durch  vor- 
sichtige Sondirung  desselben.  Gelangt  man  bei  Verengerung  desselben 
mit  einer  Fischbeinsonde  nicht  in  die  Nasenhöhle,  so  erreicht  man  dieses 
Ziel  öfters  durch  eine  feinere  Silbersonde.  Uebrigens  darf  man  nach  1 
oder  2  fruchtlosen  Versuchen  mit  der  Sonde  nicht  sogleich  an  eine  Ver- 
wachsung denken,  indem  es  öfters  erst  nach  mehreren  Tagen  gelingt,  die 
Sonde  durch  die  verengte  Stelle  durchzuschieben.  Kann  man  nach  wie- 
derholten Versuchen  durchaus  nicht  in  die  Nasenhöhle  gelangen,  so  ist  mit 
aller  Wahrscheinlichkeit  eine  Verwachsung  anzunehmen.  Ueber  den  Zu- 
stand des  Thränenbcins  überzeugt  man  sich  gleichfalls  durch  Untersuchung 
mit  der  Sonde,  mittelst  welcher  man  bei  Necrose  oder  Caries  desselben  die 
entblösste,  rauhe  Knochenstelle  fühlt,  falls  sie  nicht  durch  Fungositäten  ge- 
deckt ist. 

Findet  man  den  Thränenschlauch  bedeutend  verengt,  und  dadurch 
die  Thränenleitung  erschwert  oder  ganz  gehemmt,  äo  suche  man  die  nor- 
male Wegsamkeit  dieses  Kanals  durch  allmälige  Erweiterung  wiederherzu- 
stellen. 

Das  nähere  Verfahren  dazu  besteht  in  Folgendem:  Man  reinigt  den 
eröffneten  oder  bereits  offenen  Thränensack  durch  Einspritzung  von  lauem 
Wasser  (mittelst  der  Anel'schen  Spritze),  legt  eine  Wicke  in  die  Thränen- 
sackwunde  und  bedeckt  selbe  mit  einem  halbmondförmig  zugeschnittenen 
Klebpflasler.  Am  nächsten  Tage  schreitet  man  zur  Erweiterung  durch 
Darmsaiten,  welche  in  den  Feuchtigkeiten  des  Kanals  anschwellen  und  ihn 
so  durch  sanften  Druck  auf  seine  Wandungen  erweitern.  Man  wählt  dazu 
die  gewöhnlichen,  schlechtem  Darmsaiten  vor  den  starkgedrehlen  italieni- 
schen, weil  jene  weicher  sind,  und  daher  nicht  so  schnell  wie  diese  an- 
schwellen. Man  beginnt  mit  der  dünnern,  (der  E-Saite  der  Violine)  rollt 
ein  Stück  von  dem  Bündel  ab,  welches  von  der  Augenbraue  bis  zum  Kinne 
reicht,  und  bezeichnet  sich  dieses  durch  einen  Bug.  Das  vorläufig  zwischen 
den  Zähnen  gekaute  Ende  wird  in  die  Wunde  eingeführt,  und  dann  all- 
mälig  in  den  häutigen  Nasenkanal  und  durch  diesen  in  die  Nasenhöhle  fort- 


*)  Hat  man  einen  leeren  Thränensack  zu  eröffnen,  so  halte  man  sich  an 
den  uniern  Rand  der  Orbita,  und  an  die  Sehne  des  Orbicularmuskels  (lig.  inter- 
palpebrale)  und  steche  mit  dem  der  Nasenwurzel  zugekehrten  Rücken  des  Messers 
hinter  dem  Rande  der  Ürbita  und  unter  der  Sehne  des  Orbicularis  in  die  Thrä- 
nensackrinne. 

14* 


212 

geschoben.  Gewöhnlich  rollt  sich  dieses  Stück  in  der  Nasenhöhle  zusam- 
men oder  gelangt  auch  in  den  Rachen.  Neben  der  Saite  legt  man  eine 
kleine  Wicke  ein,  um  einen  hinreichenden  Raum  zur  Anlegung  des  krum- 
men Rohres  der  Anel'schen  Spritze  zu  gewinnen,  bedeckt  sie  mit  einem 
halbmondförmig  zugeschnittenen  englischen  Klebpflasler,  und  befestigt  den 
Rest  des  Bündels,  in  eine  Compresse  gehüllt,  an  der  Stirne  des  Kranken. 
Nach  Verlauf  von  1  — 2  Stunden  soll  der  Kranke  sich  Mund  und  Nasen- 
öffnung der  gesunden  Seite  verhallen,  und  durch  die  Nasenöffnung  der 
kranken  Seite  stark  schnauben,  wodurch  er  nebst  Nasenschleim  das  untere 
Ende  der  eingeführten  Saite  aus  der  Nase  hervorlreibt ,  so  dass  man  es 
bequem  fassen  und  an  die  Wange  festkleben  kann.  Täglich  wird  die  Wicke 
und  das  Pflaster  entfernt,  der  Thränensack  durch  Ausspritzung  gereinigt, 
ein  neues  gleich  langes  Stück  der  Saite  abgerollt  und  durchgezogen.  Die 
Saite  kann  man  auch  mit  Arzneimitteln  bestreichen,  um  auf  den  Zustand 
der  Schleimhaut  umstimmend  zu  wirken ,  zu  welchem  Zwecke  man  eine 
Blei-  oder  Präeipitatsalbe,  oder  die  Opiumlinctur  wählt.  Bei  jenen  Kran- 
ken, welche  sich  zum  Tragen  des  Bündels  an  der  Stirn  nicht  verstehen 
wollen,  kann  man  täglich  ein  kurzes,  der  Länge  des  häutigen  Nasencanales 
entsprechendes  Stück  Saite  mit  hakenförmig  umgebogenem  obern  Ende 
ohne  oder  mit  der  Wicke  einlegen.  Vortheilhafl  kann  man  nebstbei  Ein- 
träuflungen von  adstringirenden  Augenwässern  oder  das  Einstreichen  ähn- 
lich wirkender  Salben  in  den  innern  Augenwinkel  täglich  Abends  vorneh- 
men lassen. 

Bei  fleissig  forlgesetztem  Gebrauche  dieser  Mittel  geht  man  von  der 
E-Saile  zur  A-,  und  von  dieser  zur  D- Saite  über.  Ist  hierdurch  der  Thrä- 
nenschlauch  hinreichend  erweitert,  was  man  dadurch  erkennt,  dass  die  ein- 
gespritzte Flüssigkeit  in  vollem  Strome  bei  nach  vorne  geneigtem  Kopfe 
des  Kranken  aus  der  Nase  hervorfliesst,  so  ist  es  zweckmässig,  um  die 
Neigung  der  Krankheit  zu  Rückfällen  zu  heben,  nach  der  4  —  6  Wochen 
fortgesetzten  Saitenkur  noch  durch  3  —  6  Monate,  wohl  auch  ein  Jahr  lang 
die  von  Scarpa  anempfohlene  Bleiwicke,  deren  Länge  und  Dicke  dem  indi- 
viduellen Falle  angemessen  sein  muss,  tragen  zu  lassen.  Die  Länge  der- 
selben beträgt  gewöhnlich  1  —  1%  Zoll.  Diese  Bleiwicke,  welche  durch 
Druck  und  durch  adstringirende  Wirkung  des  Bleies  auf  die  Schleimhaut 
des  Thränenschlauches  günstig  einwirkt,  ist  alle  2  —  3  Tage  auszuziehen, 
um  den  Thränenschlauch  durch  Einspritzung  zu  reinigen.  Der  Kranke 
lernt  bald  selbst  den  Bleinagel  sich  einzulegen  und  trägt  ihn  auch  gerne, 
weil  er  keine  lästigen  Beschwerden  veranlasst.  Man  steht  nach  und  nach 
von  dem  Gebrauche  der  Bleiwicke  ab,  und  findet  man,  dass  kein  Thränen- 
l  räufeln  mehr  besieht,  die  Nasenhöhle  der  kranken  Seile  feuchl  bleibt,  und  bei 


213 

der  Einspritzung-  das  Wasser  in  vollem  Strome  aus  der  vorderen  Nasen- 
öffnung fliesst,  so  lässt  man  endlich  auch  die  Charpiewicke  weg",  und  been- 
digt die  Cur.  Schliesst  sich  die  Fistel  des  Thränensackes  wegen  Callösität  ihrer 
Mündung  nicht  von  selbst,  so  scarificirt  man  letztere,  oder  bringt  die  Haar- 
fistel durch  Betupfen  mittelst  eines  zugespitzten  Höllensteins  oder  einer 
glühenden  Nadel  zur  Verschliessung. 

Beim  dritten  Krankheitsgrade  verfährt  man  auf  dieselbe  Weise,  wenn 
nicht  Verschliessung  der  Thränencanälchen  oder  Verwachsung  des  Thrä- 
nenschlauches  besteht.  Besteht  letztere  bloss  nach  unten  in  sehr  geringer 
Ausdehnung,  so  kann  man  versuchen,  dieselbe  durch  eine  Troikarsonde, 
deren  Spitze  zur  Vermeidung  sonstiger  Verletzung  mit  einem  Wachskügelchen 
bedeckt  sein  soll,  zu  durchbohren,  und  die  Wegsamkeit  des  Thränenschlau- 
ches  auf  die  bereits  angegebene  Weise  herzustellen. 

Bei  vollständiger  Verschliessung  des  Nasenkanals  hat  man  empfohlen, 
den  Thränen  durch  die  Durchbohrung  des  Thränenbeins  einen  neuen  Weg 
zu  bahnen.  Jedoch  hat  man  gegenwärtig  diese  Methode  mit  Recht  ver- 
lassen, indem  sich  nicht  nur  eine  solche  Oeffnung  schwer  oder  gar  nicht 
erhalten  lässt,  da  sich  Knochen  wunden  durch  Callus  schlössen,  sondern 
auch  die  Verletzung  dieses  Knochens  um  so  bedenklicher  erscheint,  als  die 
besprochenen  Leiden  sehr  häufig  durch  conslitulionelle  Erkrankungen  unter- 
halten oder  bedingt  sind.  Es  wird  daher  in  solchen  Fällen  so  wie  bei  Unweg- 
samkeit der  Thränenkanälchen  nichts  anders  übrig  bleiben,  als  die  entstel- 
lende und  belästigende  Thränenschlauchschleimstockung  zu  heben.  Diess 
erreicht  man  am  besten  durch  Verödung  des  Thränensackes.  Um  diese  zu 
bewirken,  öffnet  man  den  Thränensack  in  seiner  ganzen  Ausdehnung,  und 
wendet  auf  die  ganze  innere  Fläche  desselben  den  Höllenstein  mit  Nach- 
druck an,  indem  man  die  Ränder  der  Oeffnung  mit  den  Schenkeln  einer 
Pincette  von  einander  entfernt.  Statt  des  Höllensteins  kann  man  sich  auch 
des  Aetzkalis,  der  Wiener  Aetzpaste,  der  Spiessglanzbutter  oder  selbst  des 
Glüheisens  bedienen,  um  Obliteration  des  Sackes  durch  Verwachsung  seiner 
Wände  zu  erzielen.  Es  bleibt  zwar  ein  Thränenträufeln  zurück,  allein 
diess  ist  ein  geringes  Uebel  gegen  die  vorigen  Beschwerden.  Die  von  Eini- 
gen vorgeschlagene  Exslirpalion  der  Thränendrüse  könnte  nur  dann  Erfolg 
haben,  wenn  es  erwiesen  wäre ,  dass  die  Bindehaut  nicht  auch  Thränen- 
secret  liefert.  *) 


*)  Die  verschiedenen  Methoden  der  Operation  der  Thränensackfistel  lassen 
sich  in  folgende  zusammenfassen: 

I.     Herstellung  des  natürlichen  Weges.     Diess  wird  erreicht: 
1.  durch  Injectionen,  welche  entweder  durch  den  untern  oder  durch  den 
obern  Thränenpunkt,  oder  dureh  den  Nasenkanal  gemacht  werden. 


214 

Bei  der  Behandlung  der  Caries  des  Thränenbeins,  wenn  sie  Ursache 
einer  bleibenden  Thränensackfistel  ist,  existirt  keine  specielle  Indication 
zur  Anwendung1  von  Erweiterungs-  und  andern  Heilmitteln  für  den  Thrä- 
nenschlauch.  Das  Wichtigste  bleibt  die  örtliche  Behandlung  der  Caries, 
(Erweiterung  der  fistulösen  Oeffnung  durch  Wicken  oder  Saiten  zur  Beför- 
derung des  Eilerabflusses,  fleissige  Reinigung  und  Injection  stimulirender 
Flüssigkeiten  (vorzüglich  Lösungen  von  Nitras  argenli)  und  die  Heilung  der 
ursächlichen  constitutionellen  Krankheiten,  worunter  Scrofulosis  und  Syphilis 


2.  durch  den  Catheterismus,  welcher  entweder  a.  durch  die  Thränen- 
kanälchen  (Anel'sche  Methode)  oder  b.  durch  den  Nasenkanal  (Laforest's  Me- 
thode) ausgeübt  wird.  Zu  letzterem  Zwecke  hat  Gensoul  einen  eigenen  Catheter 
angegeben. 

3.  durch  Erweiterung  der  natürlichen  Wege,  welche  wieder  a.  durch  die 
natürlichen  Oeffnungen ,  nämlich  die  Thränenpunkte  (Mejean'sehe  Methode  mit- 
telst Sonde  nnd  Fäden)  oder  den  Nasenkanal  (Laforest'sche  Methode)  vorgenommen 
wird;  oder  b.  durch  eine  künstlich  gemachte  Oeffnung,  worauf  der  Thränenschlauch 
entweder  durch  temporäre  Dilatation  zu  seinem  normalen  Lumen  gebracht  wird 
(die  Petit-Scarpa-Richter'sche  Methode,  welche  oben  detaillirt  wurde),  oder  eine 
permanente  Dilatation  durch  Einlegung  von  Stäbchen  (Ware)  oder  Röhrchen 
(Dupuytren)  erzielt  wird.  Letztere  Methode,  die  Anfangs  viel  Aufsehen  machte, 
ist  desshalb  nicht  zu  empfehlen,  weil  der  Erfolg  der  Operation  nicht  nachhaltig 
ist,  da  das  Röhrchen  leicht  aufsteigt  und  entfernt  werden  muss ,  in  die  Nase 
fällt,  sich  verstopft,  die  knöchernen  Wände  des  Kanals  durchbohrt  und  in  andere 
Höhlen  gelangt,  durch  seinen  Druck  lästige  Zufälle,  heftige  Entzündungen  und 
Knochenkrankheiten  veranlasst. 

4.  durch  Cauterisation,   welche  von   Heister  und    Harveng  geübt  wurde. 

II.  Bahnung  eines  neuen  Weges,  und  zwar: 

1.  in  der  Richtung  des  früheren  (Wathen), 

2.  durch  Ausschneiden  des  Thränenbeins  (Gerdy), 

3.  durch  die  Hyghmors-Höhle  (Laugier), 

4.  durch  Perforation  des  Thränenbeins  (Woolhouse). 

III.  Ve  r  schlie  ssung  und  Obliteration  der  natürlichen  Wege, 
wie  sie  oben  angegeben  wurde  (Nannoni,  Bosche). 

IV.  Exstirpation  der  Thränendrüse  (Acrel,  Velpeau,  Textor).  Diese 
Operation  kann  schon  deshalb  keinen  Erfolg  haben,  weil  dadurch  die  Thränen- 
sackschleimslockung  nicht  gehoben  wird,  das  Thränensecret  übrigens  auch  von 
der  Conjunctiva  zum  Theile  geliefert  wird. 

V.  Die  Compression,  welche  auf  den  Thränensack  mitielst  eines  eigenen 
Compressoriums  (Stahlplatte  mit  einer  Pelotte,  die  um  die  Stirn e  befestigt  wird), 
ausgeübt  wird;  da  hiermit  die  Compression  bloss  den  Thränensack  trifft,  nicht 
jedoch  den  Nasencanal,  so  ergibt  sich  von  selbst,  dass  sie  ungeachtet  des  Vor- 
theils,  den  die  Compression  bisweilen  auf  chronische  Entzündungen  ausübt,  von 
keinem  dauernden  Erfolge  sein  kann. 


215 

die  wichtigsten  sind.  Bei  Tuberculose  hat  Oleum  jecons  aselli  nebst  einer 
örtlichen  reizlosen  Behandlung  der  Fistel  bisweilen  complelle  Heilung-  ohne 
Affection  des  Thränenschlauches  zur  Folge,  Bei  Syphilis  nützt  eine  anti- 
syphilitische Behandlung. 

IV.    Ectopien. 

Hieher  gehören  die  Lageveränderungen  an  den  Augenlidern,  an  den 
Thränenorganen  und  am  Augapfel.  Wir  betrachten  hier  vorzugsweise  die 
der  Lider,  und  zwar  das  Ectropium,  das  Entropium  und  die  Trichiasis. 

1.  Jener  Formfehler  der  Augenlider,  wobei  das  Lid  umgestülpt  und 
dessen  Conjunctivalfläche  nach  aussen  gekehrt  ist,  wird  als  Ectropium 
(Plärrauge,  Aus  war  tskehr  ung  der  Lide  r)  bezeichnet.  Es  kann 
sowohl  am  obern,  als  auch  am  untern  Augenlide  vorkommen,  und  ist  ent- 
weder partiell,  wenn  nur  ein  Theil  des  Augenlides,  oder  total,  wenn  das 
ganze  Lid  von  dem  äussern  bis  zum  innern  Winkel  die  bezeichnete  fehler- 
hafte Richtung  angenommen  hat.  Der  Grad  des  Leidens  ist  ein  verschie- 
dener; denn  während  im  niedern  Grade  bloss  der  Rand  des  Augenlides 
umgekehrt  ist ,  kann  sich  im  höhern  Grade  die  Auswärtsstülpung  auf  die 
ganze  Ausdehnung  des  Knorpels  erstrecken,  und  im  höchsten  Grade  findet 
man  das  ganze  Augenlid  so  umgekehrt ,  dass  bloss  dessen  Conjunctival- 
fläche, von  der  Hautfläche  jedoch  nichts  mehr  sichtbar  ist. 

Das  Ectropium  kommt  häufiger  am  untern,  als  am  obern  Augenlide 
vor;  bisweilen  sind  beide  Lider  afficirt.  Es  hängt  von  verschiedenen  Ursa- 
chen ab. 

1.  Eine  der  häufigsten  Ursachen  des  Eclropiums  ist  Substanz  Ver- 
lust und  Zusammenziehung  der  Haut  des  Augenlides  in  Folge  von 
Narbenbildung.  Zu  dieser  Narbenbildung  geben  Veranlassung  Zerstörun- 
gen der  Haut  durch  Verbrennungen,  Aelzungen,  tiefer  dringende  Wunden 
mit  Substanzverlust,  Abscesse  und  Geschwürsbildungen.  Brandige  Zerstö- 
rung eines  Theiles  der  Lider  nach  phlegmonöser  oder  erysipelatöser  Ent- 
zündung derselben,  nach  der  Pustula  maligna  palpebrarum,  Exstirpationen 
umfangreicher  Geschwülste  aus  den  Lidern  (Balggeschwülste,  Teleangiec- 
tasien),  narbige  Einziehungen  der  Haut  nach  vorausgegangener  Exulceration 
der  Liddrüsen  bei  manchen  Formen  von  Blepharoadenitis  haben  solche  Haul- 
verkürzung  und  dadurch  bedingtes  Ectropium  nicht  seilen  zur  Folge.  Der 
Haulkrebs  führt  durch  Zerstörung  und  nachherige  narbige  Verziehung  an 
der  Haut  der  Lider  sowie  der  benachbarten  Wangen,  Schläfen-  und  Stirn- 
gegend öfters  ein  Ectropium  herbei.  Hieher  gehört  auch  das  Ectropium  in 
Folge  von  Necrose  oder  Caries  der  Orbita  oder  des  Jochbeins.    Das  Ectro- 


216 

pium  ist  im  letzteren  falle  durch  narbige  Einziehung  der  Haut  an  der  fistu- 
lösen Stelle  bedingt,  und  daher  ineislenlheils  ein  partielles  von  verschiede- 
ner Form;  so  entsteht  z.  B.  durch  Necrose  des  Jochbeins  ein  dreieckig 
gestaltetes  Ectropium  an  der  äussern  Hälfte  des  untern  Lides. 

2.  Erschlaffung  oder  Lähmung  des  0  rb  icul  aris  bedingt 
ein  Ectropium  des  untern  Lides,  welches  durch  eigene  Schwere  herabsinkt 
und  sich  umstülpt. 

3.  Erweich  ung  und  Auflockerung  des  Tarsus,  eine  Folge 
mancher  langwieriger  Entzündungen  der  Conjunctiva,  besonders  der  Oph- 
thalmia senilis ,  bewirkt  ebenfalls  am  untern  Lide  eine  Auswärtsslülpung, 
wozu  beim  sogenannten  Ectropium  senile  noch  die  Erschlaffung  desSchliess- 
muskels  beiträgt. 

4.  Verdickung  und  Hypertrophie  der  Conjunctiva  be- 
wirkt jene  Art  des  Ectropiums,  welche  man  Ectropium  luxurians  oder  sar- 
comalosum  zu  nennen  pflegt.  Die  Verdickung  der  Conjunctiva  ist  meistens 
die  Folge  chronischer  Entzündungen  derselben  ,  daher  das  Ectropium  als 
Folge  der  chronischen  Blennorrhoe  beobachtet  wird.  Aber  auch  die  acute 
Ophthalmoblennorrhoe  kann  bei  stärkerer  Schwellung  und  Infiltration  der 
Bindehaut  der  Lider  namentlich  bei  Kindern  eine  Auswärtsslülpung  zur 
Folge  haben,  welche  entweder  bloss  symptomatisch  auftritt,  und  dann  durch 
Abziehen  des  Augenlides  vom  Bulbus  leicht  hervorgerufen  wird,  oder  nach 
beseitigter  Blennorrhoe  als  organisches  Leiden  zurückbleibt.  Geschwülste 
der  Conjunctiva  (Fibroide  etc.)  bewirken  nicht  seilen  ein  Ectropium. 

5.  Zerstörung  der  äussern  Commissur  der  Augenlider  in 
Folge  von  Wunden  oder  von  Verschwärung  hat  ein  partielles  Ectropium 
gleichfalls  nur  am  untern  Lide  zur  Folge. 

6.  V  er  gross  er  ung  u  n  d  H  er  vor  drä  ng  ung  d  es  B  u  lb  us  aus 
der  Orbila  kann  eine  Umslülpung  der  stark  gespannten  Lider  hervorbrin- 
gen, und  zwar  um  so  leichler,  wenn  die  Bindehaut  dabei  gewulstet  und 
serös  infillrirt  ist. 

Das  Ectropium  kann  eine  bedeutende  Deformität  veranlassen,  beson- 
ders jenes,  welches  durch  Hautverkürzung  bedingt  ist  und  einen  hohen 
Grad  erreichen  kann.  Secundäre  Folgen  des  Ectropiums  sind  Schwellung, 
Rölhung  und  Auflockerung  der  Conjunctiva,  welche  ein  sammtartiges  oder 
sarcomalöses  Aussehen  gewinnt.  Bei  langer  Dauer  verdickt  sich  das  Epi- 
thelium  derselben,  nimmt  den  Character  der  Cutis  an,  und  kann  so  die 
äusseren  Einflüsse  leichter  ertragen.  Der  Augapfel  ist  beim  Ectropium 
fortwährend  den  schädlichen  Einflüssen  exponirt,  wird  daher  leicht  gereizt 
und  entzündet,  die  Thränenleitung  ist  gestört,  daher  die  Befeuchtung  und 
Reinigung   der  Hornhaut  minder  vollkommen  vor  sich  geht ,  woraus  sich 


217 

daher  Trübungen,  Epithelialverdickungen  und  Geschwüre  der  Cornea  mit 
ihren  Folgen  ergeben,  die  man  bei  Ectropien  von  langer  Dauer  gewöhnlich 
antrifft. 

Die  Hebung  eines  Eclropiums  erfordert  die  Berücksichtigung  der 
Ursache. 

Das  Ectropium,  welches  durch  Verkürzung  der  Haut  bedingt  ist,  kann 
nur  durch  ein  operatives  Verfahren  beseitigt  werden.  Die  Operationsme- 
thode ist  sehr  verschieden,  und  richtet  sich  ganz  nach  dem  speciellen  Falle, 
daher  das  Verfahren  der  Einsicht  des  Operateurs  überlassen  ist.  Mehrere 
der  Methoden  können ,  da  sie  die  Bildung  eines  neuen  Augenlides  zum 
Zwecke  haben,  als  Blepharoplaslik  bezeichnet  werden.  Die  wichtigsten 
derselben  sind : 

1.  Fricke's  Blepharoplastik.  Sie  passt  vorzüglich  für  das  obere 
Augenlid.  Nach  der  Trennung  der  abnormen  Adhäsionen  oder  der  Exstirpation 
der  narbigen  Stellen  der  Haut  wird  das  Augenlid  gehörig  reponirt.  Ist  die  Repo- 
sition wegen  Luxuriation  der  Conjunctiva  nicht  möglich,  so  wird  dieBindehaut- 
wucherung  vorerst  mit  dem  Messer  oder  der  Scheere  entfernt,  wobei  man  sich 
zur  Fixirung  der  Conjunctiva  eines  Doppelhakens  bedienen  kann.  Die  zurück- 
bleibende Wundfläche  der  Haut  wird  durch  einen  Ersatzlappen,der  aus  der  seit- 
lichen Stirn- oder  Schläfengegend  genommen  wird,  bedeckt.  Man  bestimmt  die 
Länge  des  zu  bildenden  Hautlappens  durch  Messung  von  der  Stelle,  wo  der 
Lappen  umgeschlagen  wird  (im  Niveau  des  äussern  Augenwinkels ,  einige 
Linien  davon  entfernt)  bis  zum  innern  Ende  der  Wundfläche.  Der  Lappen 
muss  eine  zungenförmige  Gestalt  von  der  nöthigen  Breite  haben,  um  sowohl 
die  Wundfläche  am  Augenlide  als  auch  die  nach  Durchtrennung  der  Haut- 
brücke (der  Hautstelle  zwischen  dem  Substanzverlust  und  dem  Ersatzlap- 
pen) entstehende  gehörig  decken  zu  können.  Man  gibt  bei  der  Messung 
gewöhnlich  1  Linie  zu  auf  Rechnung  der  Conlractilität  der  Haut.  Ist  der 
Hautlappen  bestimmt  und  mittelst  einer  zugespitzten  Kohle  verzeichnet, 
so  umschneidet  man  ihn ,  präparirt  ihn  mit  Schonung  der  unterliegenden 
Muskeln  los,  und  sorgt  dafür,  dass  der  Stiel  des  Lappens  (die  der  Umschla- 
gungsstelle zunächst  gelegene  Parthie ,  durch  welche  er  mit  der  übrigen 
Haut  zusammenhängt)  breit  genug  ausfalle,  damit  die  Ernährung  des  Lap- 
pens besser  vor  sich  gehe.  Nachdem  die  Blutung  gestillt  und  das  coagu- 
lirte  Blut  entfernt  ist,  wird  der  Lappen  nach  vorhergegangener  Durchtren- 
nung der  Hautbrücke  in  die  Wundfläche  eingelegt,  angepasst,  und  rund 
herum  durch  blutige  Hefte  befestigt.  Wenn  sich  die  Wundränder  nach 
durchtrennter  Hautbrücke  nicht  genug  zurückziehen,  um  den  Lappen  ein- 
legen zu  können,  kann  man  einen  schmalen  Streifen  der  Hautbrücke  abtra- 
gen.    Die  Wunde  in  der  Schläfengegend,  nach  entferntem  Lappen,  soll 


218 

durch  Granulation  auf  gewöhnlichem  Wege  heilen ,  daher  die  Wundränder 
daselbsl  durch  Heftpflaster  etwas  genähert  werden. 

Obwohl  diese  Operation  in  einzelnen  Fällen  einen  guten  Erfolg  hatte, 
so  ist  doch  das  partielle  oder  totale  Abslerben  des  verpflanzten  Lappens 
sehr  zu  fürchten,  daher  die  Nachbehandlung  mehr  oder  weniger  antiphlo- 
gistisch und  dahin  gerichtet  sein  muss,  die  Wundränder  stets  in  unmittel- 
barer Berührung  zu  erhallen,  die  Basis  und  den  Stiel  des  Lappens  vor  jedem 
Drucke  zu  bewahren.  Die  Hefte  werden  nach  2 — 3  Tagen  beseitigt,  und 
der  noch  etwa  möglichen  Trennung  der  Wundränder  durch  Anlegung  von 
Heflpflasterstreifen  vorgebeugt.  Die  vollkommene  Heilung  tritl  binnen 
10—18  Tagen  ein. 

2.  Jäger's  Operationsmethode  passt  für  das  Ectropium  und 
den  Lagophthalmus  in  Folge  von  Haulverkürzung.  Vor  der  Operation  muss 
der  Unterschied  der  Länge  des  Tarsalrandes  des  Augenlides  der  kranken 
und  gesunden  Seite  durch  Messung  bestimmt  werden,  um  zu  wissen ,  wie 
viel  von  dem  Rande  des  auswärts  gekehrten  Lides  weggeschnitten  werden 
muss,  um  ihn  auf  die  Länge  des  gesunden  zurückzuführen.  Der  Rand  des 
Lides  wird  hierauf  mit  einer  Pincette  gefassl,  und  nach  abwärts  gezogen, 
um  die  Narbe  zu  spannen,  durch  welche  das  Lid  an  den  Rand  der  Orbila 
adhärirt.  Mittelst  eines  Scalpels  wird  ein  querer  Einschnitt  in  der  Mitte 
zwischen  dem  Rande  des  Lides  und  dem  Supraorbitalbogen  gemacht.  Dieser 
Schnitt  beginnt  und  endigt  in  der  gesunden  Haut,  und  wird  durch  die  ganze 
Dicke  des  Augenlides  geführt,  so  dass  nach  abgezogenem  Lide  der  Augapfel 
durch  die  Wunde  sichtbar  wird.  Die  Länge  des  Schnittes  richtet  sich  nach  dem 
speciellen  Falle.  Um  die  Verletzung  des  Augapfels  zu  verhülhen,kann  eine 
Hornplalte  zwischen  ihn  und  das  Augenlid  eingeführt  werden.  Aus  der 
Mitte  des  schmalen  Streifens  des  Augenlides ,  welcher  die  Lidspalte  von 
der  künstlich  gemachten  Oeffnung  trennt,  wird  ein  nahezu  V  förmiges  Stück 
ausgeschnitten ,  (mittelst  Pincette  und  Scheere)  um  den  Querdurchmesser 
des  Lides  zu  verkürzen.  Mittelst  eines  geraden,  doppelschneidigen  Scalpels 
wird  hierauf  das  Integument  von  dem  Rande  des  Stirnbeins  losgetrennt,  indem 
das  Scalpel  unter  dem  obern  Wundrande  eingeführt  und  die  Haut  nach 
aussen  und  innen  zu  in  genügender  Weise  losgetrennt  wird,  ohne  die  ur- 
sprüngliche Wunde  des  Augenlides  zu  erweitern,  die  Haut  zu  durchbohren, 
oder  das  Periost  zu  verletzen.  Hierdurch  wird  die  Haut  und  der  die  Supra- 
orbitalgegend  deckende  Muskel  von  den  unterliegenden  Theilen  losge- 
trennt, und  kann  somit  mehr  nach  abwärts  gebracht  werden.  Die  Wunde, 
welche  durch  Ausschneidung  eines  Stückes  aus  dem  Streifen  des  Augen- 
lides entstand,  wird  durch  die  umschlungene  Naht  (2  Nadeln)  vereinigt. 
Die  Inlegumente  der  Supraorbitalgegend  und  der  Winkel  der  Orbita,  die 


219 

vom  unterliegenden  Knochen  losgetrennt  wurden,  werden  nach  abwärts 
gedrückt,  um  die  Ränder  der  queren  Wunde  des  Lides  zu  vereinigen,  was 
durch  Anlegung  von  Knopfnähten  geschieht.  So  wird  der  Augapfel  bedeckt 
durch  das  Integument,  welches  theils  von  der  Supraorbitalgegend,  theils 
von  den  Winkeln  der  Orbita  herabgezogen  wurde;  die  Augenbraue  er- 
scheint etwas  deprimirl  und  beschreibt  keinen  so  grossen  und  convexen 
Bogen,  wie  vor  der  Operation.  Wird  die  Operation  am  untern  Lide  ge- 
macht, so  wird  zuerst  ein  dreieckiges  Stück,  wie  bei  der  Adams'schen  Me- 
thode entfernt  und  hierauf  das  Integument  von  dem  Orbilalrande  auf  die  der 
früher  angegebenen  ähnliche  Weise  losgetrennt,  um  den  senkrechten 
Durchmesser  des  Lides  zu  verlängern.  Durch  schmale  Pflasterstreifen  wer- 
den die  blutigen  Nähte  unterstützt.  Die  Wunden  werden  mit  etwas  Charpie 
bedeckt  und  graduirte  Compressen  an  Grösse  der  Circumferenz  der  Orbita 
entsprechend,  werden  an  der  Supraorbital-  oder  Wangengegend  angelegt, 
je  nachdem  am  obern  oder  untern  Lide  operirl  wurde,  lieber  die  graduir- 
ten  Compressen  kommen  lange  Pflasterstreifen ,  um  die  Inlegumente  gegen 
das  Augenlid  zu  ziehen.  In  der  Nachbehandlung  ist  nichts  zu  unterlassen, 
um  die  Heilung  per  primam  intentionem  zu  erzielen. 

3.  S an son 's  Methode  ist  angezeigt  bei  Eclropien  des  untern  Li- 
des in  Folge  von  Hautverkürzung.  Der  Zweck  der  Operation  beruht  auch 
hier  auf  Verlängerung  des  senkrechten  und  Verkürzung  des  queren  Durch- 
messers des  Lides.  Mittelst  eines  kleinen  bauchigen  Scalpels  wird  die 
Narbe  durch  zwei  gleichlange  Hautschnitle  umschrieben,  welche  unten  sich 
in  einem  spitzen  Winkel  vereinigen.  Der  so  umschriebene  dreieckige  Lap- 
pen wird  von  der  Spitze  aus  mittelst  Pinzelte  und  Scalpel  so  weit  vom 
unterliegenden  Gewebe  lospräparirt,  dass  das  Augenlid  sich  reponiren  lässt. 
Hierauf  werden  die  Wundränder,  welche  sich  unter  der  Spitze  des  hinauf- 
geschobenen Lappens  befinden,  durch  die  umschlungene  Naht  (2  bis  3  Na- 
deln) vereinigt,  und  der  Lappen  selbst  an  die  anglänzenden  Wundländer 
durch  Kopfnähle  befestigt.  Die  zusammengedrehten  Enden  der  Fäden  von 
der  umschlungenen  Naht  werden  an  die  Stirngegend  durch  Pflasterstreifen 
befestigt  und  so  das  Augenlid  hinaufgezogen. 

4.  Dieffenbach's  Methode  ist  gleichfalls  eine  Blepharoplastik  zu 
nennen,  und  passt  vorzüglich  für  das  untere  Augenlid.  Die  Narbe  und  degene- 
rirte  Haut  wird  gänzlich  exslirpirt,so  dass  eine  dreieckige  Wundfläche  entsteht, 
welche  die  Basis  gegen  den  Rand  des  Augenlides  hat.  Ist  der  Tarsus  noch  vor- 
handen, so  wird  er  sorgfältig  geschont ;  wenn  aber  das  ganze  Augenlid  zerstürl 
ist,  so  wird  der  Rest  der  Conjunctiva  vom  Rande  der  Orbita  getrennt  und  etwas 
nach  aufwärts  gegen  den  Bulbus  präparirt.  Vom  äussern  Ende  der  Basis  der 
dreieckigen  Wunde  wird  ein  Hautschnitt  gegen  die  Schläfe  geführt,  dessen 


220 

Länge  die  benannte  Basis  etwas  überschreiten  soll.  Vom  Schläfenende 
dieses  horizontalen  Schnittes  wird  ein  zweiter  nach  abwärts,  wenn  am  un- 
tern, nach  aufwärts,  wenn  am  obern  Lide  operirt  wird,  und  zwar  in  paralle- 
ler Richtung  mit  dem  äussern  Rande  der  dreieckigen  Wunde  von  gleicher 
Länge  mit  demselben  geführt.  Der  so  umschriebene  Hautlappen  wird  mit 
dem  unterliegenden  Zellgewebe  lospräparirt,  nach  gestillter  Blutung  so  auf 
die  Wundfläche  verpflanzt,  dass  er  sie  vollkommen  deckt,  und  in  dieser 
Lage  durch  Hefte  befestigt.  Das  erste  Heft  wird  am  innern  Winkel  ange- 
legt, der  obere  Rand  des  Lappens  wird  an  denTarsalrand,  und  wenn  dieser 
verloren  ging,  an  die  Conjunctiva  durch  4  Hefte  befestigt,  der  innere  Rand 
mit  der  Haut.  Die  Wunde  an  der  Schläfen-  oder  Wangengegend  wird  mit 
Charpie  bedeckt  und  über   das  Ganze  werden  Heftpflasterstreifen  angelegt. 

Die  erwähnten  Methoden  können  auf  verschiedene  Weise  modificirt 
und  combinirt  werden  je  nach  den  Umständen  des  speciellen  Falles. 

Wenn  das  Ectropium  mit  Caries  der  Orbita  complicirt  ist,  so  mache 
man  keinen  Versuch  zur  Hebung  des  Ectropiums  auf  operativem  Weg«, 
bis  nicht  die  Krankheit  der  Knochen  gehoben  ist.  Hierauf  wird  gewöhnlich 
wegen  des  Substanzverlustes  und  der  narbigen  Verziehung  der  Haut  eine 
der  früheren  Methoden  (Transplantation  der  Haut)  nothwendig  werden. 
Zuweilen  geschieht  es  jedoch,  dass,  obwohl  das  Ectropium  bedeutend  ist, 
ein  sehr  kleiner  Theil  der  Haut  nur  durch  die  Narbe  verzogen  ist.  In  einem 
solchen  Falle  umschnitt  Ammon  den  adhaerirenden  Theil  der  Haut  durch 
eine  Incision,  liess  ihn  am  Knochen  adhaerent,  löste  die  benachbarten  Inte- 
gumente  rund  herum  so  weit  ab,  dass  das  Augenlid  seine  normale  Lage 
annahm  und  der  Kranke  das  Auge  schliessen  konnte.  Hierauf  schloss  er 
die  äussere  Wunde  über  der  alten  Narbe  durch  die  umschlungene  Naht. 

Beim  Ectropium  durch  Erschlaffung  oder  Lähmung  des  Orbicularis 
ist  diese  durch  geeignete  Mittel  zu  heben,  z.  B.  durch  spirituöse  Ein- 
reibungen. 

Bei  Erweichung  und  Auflockerung  des  Tarsus  ist  die  Operation 
von  Adams  angezeigt,  welche  in  der  Ausschneidung  eines  hinreichend 
grossen  V  förmigen  Stückes  aus  der  ganzen  Dicke  des  Augenlides  besieht. 
Der  Operateur  ergreift  mit  der  linken  Hand  die  anatomische  Pinzette,  fasst 
den  Augenlidrand  an  den  Wimpern,  zieht  denselben  massig  gegen  sich  an, 
um  durch  Entfernung  des  Augenlides  vom  Bulbus  die  Anlegung  der  Pin- 
zette zu  erleichtern;  ein  Arm  derselben  berühre  die  innere,  der  andere  die 
äussere  Lidfläche,  in  einer  schiefen,  am  rechten  Auge  von  aussen  und  oben 
nach  innen  und  unten,  am  linken  Auge  von  innen  und  oben  nach  aussen 
und  unten  verlaufenden  Richtung.  Hierauf  schiebt  der  Operateur  das  Augen- 
lid zwischen  die  hinreichend  geöffneten  mit  der  Richtung  der  Pinzette  ein 


221 

spitzwinkliges  und  gleichseitiges  Dreieck  beschreibenden  Blätter  der 
Scheere  so  weil  hinein,  dass  die  Spitzen  der  Scheere  die  Enden  der  Pin- 
zette etwas  überragen,  und  spaltet  das  Augenlid  in  seiner  ganzen  Dicke 
bis  zur  Spitze  der  Pinzette.  Ist  diess  geschehen ,  so  trägt  der  Opera- 
teur den  entstandenen  Lappen  längs  des  Randes  der  Pinzette  gleichfalls 
durch  einen  einzigen  Schlag  der  Scheere  ab.  Die  Blutstillung  wird  durch 
kaltes  Wasser  und  durch  gelindes  Reiben  der  Wundränder  bewerkstelligt. 
Die  Wundränder  werden  durch  die  umschlungene  Naht  vereinigt.  Man  be- 
dient sich  zu  diesem  Zwecke  der  Carlsbader  Insektennadeln,  deren  Spitzen 
hierauf  durch  eine  Kneipzange  abgezwickt,  oder  mit  Wachs-  oder  Kork- 
kügelchen  bedeckt  werden,  oder  man  wendet  Stifte  mit  abnehmbaren  Lan- 
zen an.  Die  Nadeln  werden  von  aussen  nach  einwärts  so  aingeführt,  dass 
sie  alle  Gewebe  der  Augenlider  bis  auf  die  Bindehaut  durchdringen.  Die 
erste  Nadel  wird  so  nahe  als  möglich  am  Augenlidrande  angelegt,  und  um 
dieselbe  ein  provisorischer  Faden  herumgeführt,  mittelst  welchem  ein  Ge- 
hülfe das  Augenlid  nach  aufwärts  zieht.  Dieser  Faden  wird  nach  beendigter 
Hasenschartennaht  langsam  ausgezogen,  und  die  Enden  des  zur  unschlunge- 
nen  Naht  verwendeten  Fadens  an  der  Stirne  mittelst  eines  Klebpflaslerstrei- 
fens  befestigt,  um  dadurch  das  Augenlid  nach  aufwärts  zu  ziehen.  Nach 
36  —  48  Stunden  wird  eine  Nadel  nach  der  andern  vorsichtig  entfernt,  der 
zur  Umschlingung  verwendete  Faden  aber  noch  eine  Zeit  lang  liegen  ge- 
lassen, um  durch  dessen  gleichzeitige  Hinwegnahme  nicht  Gefahr  zu  laufen, 
die  noch  schwache  Narbe  zu  zerstören. 

Beim  Ectropium  durch  Verdickung  und  Wucherung  der  Bindehaut 
muss  dieser  Zustand  beseitigt  werden.  Diess  geschieht  sowohl  durch  An- 
wendung der  Aelzmittel  (Lapis  inf.),  als  auch  durch  Bestreichen  der  Luxu- 
riation  mit  Opiumtinctur,  welche  letztere  bei  dem  nach  Ophthalmoblennor- 
rhoe zurückgebliebenen  Ectropium  herrliche  Dienste  leistet.  Sind  die  Luxu- 
riationen  der  Conjunctiva  zu  bedeutend,  so  fasse  man  sie  mit  einem  Dop- 
pelhaken und  trage  durch  zwei  ellyptische  parallel  mit  dem  Lidrande  ge- 
führte Schnitte  ein  hinreichend  grosses  Stück  ab.  Es  ist  immer  viel  besser, 
die  Excision  der  Bindehaut  von  innen  nach  aussen  gegen  den  Lidrand  hin 
vorzunehmen,  weil  man  dann  nicht  Gefahr  läuft,  zugleich  einen  Theil  der 
Augapfelbindehaul  abzutrennen,  wodurch  zur  Entstehung  eines  Symble- 
pharons Veranlassung  gegeben  würde.  Bewirken  Geschwülste  der  Conjunc- 
tiva ein  Ectropium,  so  müssen  sie  entfernt  werden.  Dazu  passt  sehr  oft 
das  bereits  beschriebene  Adams'sche  Verfahren,  eine  Operation,  welche 
wegen  ihrer  Brauchbarkeil  und  ihres  günstigen  Erfolges  bei  mancherlei 
Formfehlern  des  Augenlides,  so  wie  zur  Exstirpation  mancher  Geschwülste 
desselben   (Krebsknoten,  Teleangieclasien   etc.)  einen  hohen  Werth  unter 


222 

den  Augenlidoperationen  hat,  und  als  Typus  mancher  Verfahrungsweisen 
in  speciellen  Fällen  von  Ectropium  und  Lagophthalmus  angesehen  wer- 
den kann. 

Ist  das  Ectropium  durch  Zerstörung  der  äussern  Commissur  bedingt, 
so  kann  es  nur  durch  Vereinigung  derselben  mittelst  der  Knopf-  oder  um- 
schlungenen Naht  gehoben  werden. 

2.  Unter  Entropium  versteht  man  die  Einwärlskehrung  des  Augen- 
lides. Es  kann  sowie  das  Ectropium  entweder  partiell  sein  und  nur  einen 
Theil  des  Augenlides  am  äussern  oder  innern  Winkel  betreffen,  oder  total, 
wobei  es  sich  auf  den  ganzen  Lidrand  erstreckt.  Der  Grad  desselben  ist 
verschieden,  so  zwar,  dass  im  geringeren  Grade  nur  der  Lidrand  etwas 
nach  einwärts  gestülpt  ist,  während  im  hühern  Grade  ein  grösserer  Theil 
des  Augenlides  sammt  der  Hautfläche  desselben  dem  Bulbus  zugekehrt  ist. 
Häufiger  kommt  das  Entropium  am  untern  Lide  vor. 

Zu  den  Ursachen  des  Entropiums  werden  gerechnet : 

1.  Haut  er  schlaffun  g.  Ungeachtet  man  bei  diesem  Formfehler 
die  äussere  Haut  öfters  erschlafft  findet,  so  scheint  doch  dieser  Umstand 
nur  dann  das  Entropium  zu  bedingen,  wenn  sich  die  Erschlaffung  auf  den 
Tarsaltheil  des  Augenlides  erstreckt.  Gewöhnlich  ist  jedoch  zugleich  eine 
andere  Ursache  des  Entropiums  vorhanden;  denn  man  trifft  Fälle  von  sol- 
cher Erschlaffung  der  äussern  Lidhaut  an,  dass  letztere  sackförmig  herun- 
terhängt, ohne  dass  desshalb  ein  Entropium  bestände. 

2.  Krampf  des  M.  orbicularis  kann  ein  vorübergehendes  En- 
tropium bedingen.  In  Fällen  jedoch,  wo  der  Krampf  sehr  lange  dauert, 
wird  das  Entropium  theils  durch  Veränderung  des  Tarsus,  theils  durch  be- 
reits eingeleitete  Verkürzung  des  Muskels  bleibend.  Die  Paralyse  des  M. 
levator  palp.  super,  kann  nur  dadurch  ein  Entropium  bedingen,  dass  der 
Orbicularis  bei  veralteter  Paralyse  des  Levalors  das  Uebergewicht  erhält. 

3.  Muldenförmige  Verkrümmung  und  Einwärtsrollung  des 
Tarsus.  Es  kann  dieser  Zustand  theils  durch  Ophthalmien  mit  bedeuten- 
der Photophobie  und  Lidkrampf,  theils  und  zwar  vorzüglich  durch  den 
trachomatösen  Process  hervorgerufen  werden. 

4.  Verwachsung  der  Augenlider  an  der  äussern  Com- 
missur. Das  Entropium,  welches  nach  lange  dauernden  scrofulösen  Ent- 
zündungen erfolgt,  ist  grösstentheils  durch  diese  Ursache,  so  wie  durch 
Verkrümmung  des  Tasus  und  Krampf  des  Orbicularis  bedingt.  Es  ent- 
stehen nämlich  gerne  Excoriationen  an  dem  äussern  Winkel  und  an  den 
Lidrändern;  der  zugleich  bestehende  Krampf  des  Schliessmuskels  (in  Folge 
der  Lichtscheu)  begünstigt  das  Verwachsen  der  exeorirten  Lidränder  (die 
Blepharophimose)  so  wie  die  Verkrümmung  des  Tarsus. 


223 

5.  Die  häufigste  Ursache  des  Entropiums  ist  Verkürzung-  und 
Schrumpfung  der  Conjunctiva.  Chronische  Bindehautentzündun- 
gen, und  hauptsächlich  das  Trachom  führen  diesen  Zustand  auf  die  bereits 
erörterte  Weise  herbei. 

6.  Atrophie  des  Augapfels.  Die  Augenlider  werden  durch  die 
Thätigkeit  des  Schliessmuskels  nach  einwärts  gestülpt.  Mehrere  der  ge- 
nannten Ursachen  wirken  oft  gleichzeitig  zur  Bildung  eines  Entropiums. 

Das  Entropium  ist  ein  sehr  lästiger,  und  obwohl  es  keine  solche  Ent- 
stellung wie  das  Ectropium  bewirkt,  ein  durch  seine  Folgen  sehr  gefähr- 
licher Zustand.  Diese  Folgen  beruhen  auf  der  beständigen  Reizung  des 
Bulbus  durch  die  nach  einwärts  gerichteten  Cilien.  Zwar  sucht  die  Natur 
öfters  durch  gesteigerte  Secretion  den  Reiz  zu  mildern,  indem  die  Wimpern 
erweicht,  in  Schleim  eingehüllt  und  so  gebogen  werden,  dass  ihre  Spitzen 
nicht  gegen  den  Bulbus  gerichtet  sind.  Immerhin  aber  entstehen,  falls  das 
Entropium  einige  Zeit  besteht,  chronische  Entzündung  der  Bindehaut,  Ver- 
dickungen derselben,  Trübung  des  Epithelialblättchens  der  Cornea,  Pannus, 
Geschwüre  der  Cornea  und  es  kann  das  Sehvermögen  dadurch  ganz  aufge- 
hoben oder  der  Bulbus  durch  Atrophie  zerstört  werden. 

Das  Entropium  kann  nur  in  einzelnen  Fällen  durch  Kunslhülfe  geho- 
ben werden.  Ist  das  Entropium  bloss  durch  Erschlaffung  der  Haut  bedingt, 
so  genügt  die  Verkürzung  derselben  zur  Hebung  des  Uebels.  Hierzu  be- 
diente man  sich  der  Aetzmittel,  z.  B.  der  concentrirlen  Schwefelsäure.  Da 
jedoch  bei  Anwendung  derselben  (mittelst  eines  Holz-  oder  Glasstäbchens) 
der  Substanzverlust  der  Haut  niemals  genau  berechnet  werden,  der  Bulbus 
leicht  Gefahr  leiden  kann,  da  die  daraus  resultirende  Narbe  niemals  so 
schön  und  das  Verfahren  selbst  schmerzhafter  ist,  als  bei  der  Operation  mit 
dem  Messer,  so  gebührt  dem  CelsischenV  erfahre  n  der  Vorzug,  Letz- 
teres besteht  in  der  Abtragung  einer  hinreichend  grossen  mit  dem  Lidrande 
parallelen  Falte  aus  der  äussern  Fläche  des  Augenlides,  und  in  der  Ver- 
einigung der  entstandenen  Wundränder  durch  zwei  bis  drei  Knopfnäthe. 
Die  Hautfalte  wird  mittelst  der  Beer'schen  Krückenzange  so  gebildet,  dass 
der  Orbicularmuskel  nicht  mitgefasst  wird,  massig  angezogen,  und  durch 
einen  Schlag  der  hinter  die  Enden  der  Krückenzange  knapp  angelegten 
geraden  oder  Kniescheere  abgetragen,  so  dass  der  Schnitt  nicht  zackig  aus- 
falle. Die  Heftnadeln  werden  am  obern  Augenlide  von  oben  nach  abwärts, 
am  untern  von  unten  nach  aufwärts  eingeführt.  Hätte  man  eine  zu  kleine 
Hautfalte  gefasst,  so  würde  das  Entropium  nur  unvollkommen  gehoben, 
durch  Abtragung  einer  zu  grossen  Haulfalte  könnte  Ectropium  entstehen. 
Beim  Entropium  von  Krümmung  und  Einwärlsrollung  des  Tarsus  ist 
die    Adams-Crampton'sche     Operations methode     von    Erfolg, 


224 

welche  die  Geradrichtung  des  verkrümmten  Lidknorpels  bezweckt.  Der 
Operateur  erfasst  den  Rand  des  zu  operirenden  von  einem  Gehülfen  stark 
nach  auswärts  gezogenen  Lides  mit  den  Daumen  und  Zeigefinger  der  rech- 
ten Hand,  zieht  ihn  gegen  sich  an,  und  schiebt  ihn  zwischen  die  geöffneten 
Blätter  der  Krückenzange,  so  dass  das  eine  auf  die  innere,  das  andere  auf 
die  äussere  Fläche  des  Augenlides  zu' liegen  kommt,  und  schliesst  sodann 
die  Zange,  ohne  das  gefasste  Augenlid  zu  quetschen.  Hierauf  spaltet 
er  mit  der  geraden  oder  Kniescheere  das  Augenlid  in  der  Gegend  des 
äussern  und  innern  Winkels  (bei  letzterem  mit  Schonung  des  Thränen- 
kanälchens)  in  einer  Länge  von  1  % —  2'".  Das  IVIittelstück  schlägt  er 
durch  Neigung  der  Ringe  der  Krückenzange  gegen  die  Stirne  oder  Wange 
um,  und  vereinigt  die  Winkel  der  gemachten  Spalten  durch  einen  knapp 
an  dem  Rande  der  Krücke  behutsam  geführten  Schnitt,  welcher  durch  die 
Bindehaut  des  Lides  tief  in  den  Knorpel  eindringen  soll.  Ist  dadurch  die 
normale  Richtung  des  Augenlides  möglich  geworden,  so  wird  eine  hinrei- 
chend grosse  nahe  am  Ciliarrande  gelegene  aus  der  äussern  Haut  des  Mit- 
telslückes  gebildete  Falte  abgetragen,  und  die  dadurch  entstandenen  Wund- 
ränder werden  durchKnopfnähte  vereinigt(wie  bei  derCelsischenMethode).  Die 
zusammengedrehten  Seidenfäden  werden  nach  Erforderniss  auf-  oder  ab- 
wärts geschlagen  und  mittelst  Heftpflasterstreifen  an  die  Stirne  oder  Wange 
befestigt,  je  nachdem  am  untern  oder  obern  Augenlide  operirl  wurde.  Wäre 
das  Mittelstück  gänzlich  durchschnitten  worden,  so  müssten  die  Wundrän- 
der zur  Erhaltung  des  Lappens  schnell  durch  die  Knopf-  oder  umschlun- 
gene Naht  vereinigt  werden.  Nach  der  Operation  werden  kalte  Ueberschläge 
gemacht,  welche  nur  bei  eintretendem  Ödem  des  Augenlides  ausgesetzt  wer- 
den müssen.  Wenn  die  Hefte  sich  aufzulockern  beginnen  (2.  oder  3.  Tag), 
so  wird  ein  Heft  nach  dem  andern  am  Knoten  durchschnitten  und  ohne 
Zerrung  der  Wundstelle  beseitigt  *). 


*)  Jaesche  verfährt  bei  Trichiasis  und  Entropium  auf  folgende  Weise:  Er 
macht  an  der  innern  Fläche  des  von  einem  Gehülfen  gut  nach  oben  gezogenen 
Lides  s/4 — 1 "'  über  dem  Tarsalrande  einen  demselben  parallelen,  oberflächlichen 
Schnitt,  welcher  die  Stelle,  an  welcher  die  fehlerhaft  gerichteten  Wimpern  sitzen, 
zu  beiden  Seiten  etwas  überschreitet.  Nachdem  er  hierauf  eine  5  —  6'"  breite 
mit  dem  beschriebenen  Schnitt  gleich  lange  Falte,  deren  unterer  Rand  tl/j — 2"' 
über  dem  Tarsalrande  sich  befindet,  aus  der  äussern  Lidhaut  geschnitten  hat, 
sticht  er  ein  spitzes,  mit  der  Fläche  dem  Auge  zugekehrtes  Messer  in  dem  einen 
Ende  des  Bindehautschnittes  ein,  am  untern  Rande  der  Hautwunde  aus,  und  führt 
es  bis  zum  andern  Ende  des  erwähnten  Schnittes,  so  dass  der  auf  diese  Art 
vom  Knorpel  getrennte  Theil  des  Lidrandes  nur  an  den  Seiten  mit  dem  Lide  in 
Verbindung  bleibt.  Endlich  zieht  er  die  obere,  etwas  schräg  von  vorne  und 
oben    nach   hinten   und    unten  gerichtete  Schnittfläche  des  vierseitigen  Segmentes 


225 

Das  Entropium,  welches  durch  Krampf  des  Orbicularis  bedingt  ist, 
erfordert  die  Hebung-  des  Krampfes  auf  die  geeignete  Weise,  wobei  vor- 
züglich auf  die  Ursache  desselben  Rücksicht  genommen  werden  muss. 
Sollte  der  langwierige  Krampf  eine  organische  Verkürzung  des  Muskels 
herbeigeführt  haben,  so  könnte  man  die  subcutane  Durchschneidung  seiner 
Sehne  am  innern  Augenwinkel  versuchen. 

Rührt  das  Entropium  bloss  von  Verwachsung'  der  Lider  an  der  äussern 
Commissur  her,  so  ist  die  Durchlrennung  derselben  angezeigt,  welche  mit- 
telst eines  am  äussern  Winkel  eingestochenen  mit  der  Schneide  nach  aussen 
gekehrten  schmalen  Bistouries  bewerkstelligt  wird.  Zur  Schonung  des  Bul- 
bus kann  man  sich  dabei  auch  einer  Hohlsonde  bedienen.  Der  Wiederver- 
wachsung wird  am  besten  vorgebeugt,  wenn  man  am  neugebildeten  äussern 
Winkel  die  Bindehaul  hervorzieht  und  mit  der  allgemeinen  Decke  durch 
1  oder  2  blutige  Hefte  vereinigt. 

Das  Entropium  durch  Atrophie  und  Schrumpfung  der  Bindehaut  kann 
durch  keine  Operationsmethode  gehoben  werden.  Es  bleibt  daher  in  einem 
solchen  Falle  nichts  übrig,  als  die  einwärts  gekehrten  Cilien  durch  fleissi- 
ges  Ausziehen  oder  durch  Abtragung  des  Haarzwiebelbodens  zu  entfernen. 
So  kann  auch  bei  Atrophie  des  Augapfels  und  dem  dadurch  bedingten  En- 
tropium der  Reiz  nur  durch  Ausziehen  der  Cilien,  Operation  der  Trichiasis 
oder  durch  Einlegung  eines  künstlichen  Auges  entfernt  werden. 

3.  Jener  Zustand,  wo  die  Augenwimpern  eine  fehlerhafte  Richtung 
gegen  den  Bulbus  angenommen  haben,  heisst  im  Allgemeinen  Trichiasis. 
Die  Cilien  können  durch  fehlerhafte  Biegung  oder  durch  fehlerhafte  Kei- 
mung gegen  den  Bulbus  gerichtet  sein.  Erstere  erfolgt  häufig  dann,  wenn 
hei  Ophthalmien  mit  starkem  Secrele  und  heftigem  Lidkrampfe  die  Wimpern 
erweicht  und  nach  einwärts  gekrümmt  weiden.  Am  häufigsten  trifft  man 
solche  Cilien  am  äussern  Winkel  an,  insbesondere  bei  scrofulösen  Ophthal- 
mien. Die  fehlerhafte  Keimung  producirt  eine  abnorme  Richtung  der  Cilien, 
wenn  die  Zwiebel  derselben  verdrängt  werden.  Krankheilen,  welche  eine 
solche  Stellung  der  Cilien  bewirken,  sind  die  chronische  Blepharoadenilis 
(Tylosis)  durch  Absetzung  von  Exsudat  in  und  um  die  Haarzwiebeldrüsen, 


des  Lidrandes  durch  Zusammennähung  der  Ränder  der  Hautwunde  gegen  die 
vordere  Fläche  des  entblössten Lidknorpels  hinauf,  und  gibt  so,  indem  Verwach- 
sung mit  dem  Knorpel  eintritt,  den  fehlerhaft  gerichteten  Wimpern  eine  bessere 
Richtung.  Die  Operation  im  untern  Lid  macht  Jaesche  auf  dieselbe  Art,  bemerkt 
aber,  dass  erst  weitere  Erfahrung  entscheiden  müsse,  ob  das  beschriebene  Ver- 
fahren bei  totaler  Trichiasis  anwendbar  sei ,  da  der  mit  dem  übrigen  Körper  nur 
durch  schmale  Brücken  in  Verbindung  stehende  Lidrand  bei  der  grossen  Aus- 
dehnung der  Trennung,  leicht  dem  Absterben  ausgesetzt  sein  könnte. 

Me  yr  ,  Augenheilkunde,  |  5 


226 

und  das  Trachom  durch  Schrumpfung  und  narbige  Einziehung  der  Binde- 
haut und  des  Tarsus.  Im  höhern  Grade  bewirkt  letztere  Krankheit  ein  En- 
tropium, so  dass  man  sagen  kann,  zwischen  Trichiasis  und  Entropium  be- 
stehe nur  ein  Gradunterschied.  Bisweilen  keimt  eine  abnorme  Reihe  von 
Cilien  weiter  nach  einwärts  am  Lidrande  hervor.  Diese  sogenannten  Pseu- 
docilien  sind  äusserst  dünn,  blass  und  fein,  und  man  sieht  sie  nur  deutlich, 
wenn  man  den  Lidrand  an  die  Cornea  andrückt,  und  an  dieser  die  zarten 
Härchen  spiegeln  lässt.  Diesen  Zustand  nennt  man  Dislichiasis.  Es 
liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  es  nur  verkümmerte  Cilien  sind,  indem 
durch  den  Druck  auf  die  Bulbi  derselben  eine  Atrophie  letzterer  herbei- 
geführt wird.  Es  gibt  auch  einen  Zustand,  wo  mehrere  Haare  in  büschel- 
förmiger Richtung  aus  einer  Stelle  des  Lidrandes,  oder  aus  der  Thränen- 
karunkel  hervorkeimen  (Trichosis  bulbi). 

Die  Trichiasis  führt  durch  fortdauernde  Reizung  des  Augapfels  jene 
Folgezustände  herbei,  die  wir  bereits  bei  dem  Entropium  angedeutet  haben. 
Eine  sorgfällige  Untersuchung  ist  um  so  wichtiger,  als  manche  sehr  hart- 
näckige Augenenlzündungen  oft  in  einigen  einwärts  gekehrten  Cilien,  welche 
leicht  übersehen  werden,  ihren  Grund  haben. 

Die  Behandlung  richtet  sich  nach  dem  Grade  des  Uebels  und  der  Be- 
reitwilligkeit des  Kranken,  sich  dem  einen  oder  dem  andern  Verfahren  zu 
unterziehen.  Sind  die  Wimpern  nur  durch  Schleim  verkrümmt  oder  ver- 
bogen, so  brauchen  sie  nur  ausgezogen  zu  werden.  Die  Augenlider  müssen 
vorerst  vom  Schleim  gereinigt  und  wohl  abgetrocknet  werden ;  sodann 
zieht  man  das  kranke  Lid  vom  Bulbus  ab,  erfasst  eine  Wimper  nach  der 
andern  so  nahe  als  möglich  an  ihrer  Wurzel  mit  der  Beer'schen  Cilienpin- 
zelle  und  zieht  dieselbe  durch  einen  raschen  Zug,  in  der  Richtung,  in  wel- 
cher sie  keimt,  heraus.  Erscheint  die  Dislichiasis  oder  Trichiasis  partiell, 
nur  auf  wenige  Cilien  beschränkt,  so  ist  wohl  im  Allgemeinen  das  öftere 
Ausziehen  derselben  das  Beste,  ausser  der  Kranke  kann  dasselbe  nicht  oft 
genug  vornehmen  lassen  oder  selbst  vornehmen,  oder  will  ein  für  alle  Male 
davon  befreit  sein.  Man  kann  20  und  mehr  Cilien  in  Einer  Sitzung  aus- 
ziehen, ohne  dass  man  eine  zu  heftige  Reizung  zu  fürchten  hätte.  Erfolgt 
letztere  dennoch,  so  kann  man  kaltes  Wasser  oder  ein  mucilaginöses  Augen- 
wasser anwenden  lassen.  Nach  oftmals  wiederholtem  Ausziehen  werden 
die  nachwachsenden  Cilien  immer  dünner  und  sparsamer,  bleiben  wohl 
auch  ganz  aus. 

Bei  totaler  oder  ausgebreiteter  partieller  Trichiasis,  so  wie  bei  dem 
durch  Bindehautverkürzung  bedingten  Entropium  ist  die  Operation  der 
Trichiasis  nach  Jäger 's  Methode  angezeigt.  Der  Operateur  schiebt 
die  Jäger'sche  Hornplatle  mit  der  linken  Hand,  so  dass  der  Daumen  auf  die 


227 

convexe,  der  Zeige-  und  Mittelfinger  auf  die  concave  Seite  derselben  zu 
liegen  kommen,  unter  das  vom  Bulbus  mit  der  rechten  Hand  massig-  abge- 
zogene Augenlid,  so  dass  die  Concavitäl  der  Platte  dem  Bulbus  zugekehrt 
ist,  und  spannt  es  durch  einen  vom  Daumen  auf  die  Platte  ausgeübten  Druck 
hinreichend  an.  Sodann  umschneidet  er  das  abzutragende  Stück  des  Lid- 
randes, indem  er  mit  dem  Scalpelle  einen  1  V2  '"  vom  Ciliarrande  entfernten 
mit  demselben  parallel  laufenden  Schnitt  bogenförmig  am  rechten  Auge 
von  aussen,  am  linken  von  innen  beginnend  und  eben  so  endigend  (mit 
Schonung  der  Thränenkanälchen)  durch  die  Haut  und  den  Orbicularmuskel 
führt.  Man  muss  sich  in  Acht  nehmen,  den  Tarsus  nicht  zu  durchschneiden, 
daher  man  der  grössern  Sicherheit  wegen  den  Schnitt  immer  in  zwei  Mes- 
serzügen vollführen  kann,  deren  einer  die  Haut,  der  zweite  den  Orbicular- 
muskel durchlrennt.  Die  Blutung  wird  durch  in  kaltes  Wasser  getauchte 
Schwämme  geslilll.  Hierauf  übergibt  der  Operateur  die  Handhabung  der 
Platte  demjenigen  Gehülfen,  der  den  Kopf  des  Kranken  fixirt,  welcher  den 
Daumen  auf  die  concave,  den  Zeigefinger  auf  die  convexe  Seite  der  Platte 
legt  und  das  Augenlid  gehörig  spannt.  Der  Operateur  erfasst  mittelst  einer 
Pinzelle  am  rechten  Auge  das  innere,  am  linken  das  äussere  Ende  der  um- 
schniltenen  Haut-  und  Muskelpartie,  und  trägt  sie  mittelst  der  kleinen 
Louis'schen  Scheere  nach  dem  andern  Ende  zu  ab.  Um  die  Cilien  voll- 
kommen zu  entfernen,  soll  der  Schnitt  der  Scheere  den  Ciliarrand  des  Lides 
in  seiner  Mitte  spalten  ;  desshalb  muss  man  in  dem  Masse,  als  man  die 
Scheere  weiter  schiebt,  die  Ringe  derselben  fortwährend  heben,  um  ihre 
Spitze  fortwährend  an  das  Augenlid  anzuschmiegen  und  somit  sicherer  die 
äussere  Lefze  des  Lidrandes  vollkommen  abzutragen.  Da  bei  der  Trichiasis 
die  Wimpern  in  verschiedener  Richtung  hervorkeimen,  und  der  Lidrand 
meistens  abgerundet  oder  verbildet  ist,  so  gelingt  es  nicht  immer,  alle  Cilien 
durch  den  mit  der  Scheere  geführten  Schnitt  zu  entfernen,  daher  die  zurück- 
bleibenden nachträglich  exslirpirl  weiden  müssen.  Ein  Verband  ist  nach 
der  Operation  nicht  nölhig;  man  schütze  das  Auge  vor  grellem  Lichte  und 
mache  üeberschläge  von  kaltem  Wasser.  Wurde  die  Operation  an  beiden 
Lidern  desselben  Auges  vorgenommen,  so  sei  man  durch  zeilweises  Aus- 
einanderziehen der  Lider  darauf  bedacht,  dass  sie  nicht  mit  einander  ver- 
wachsen. Die  Wunde  heilt  gewöhnlich  vollkommen  binnen  24 — 30  Stun- 
den. Flarer's  Methode  besteht  darin,  dass  man  zuerst  die  Cilienwurzeln 
durch  einen  Schnitt,  den  man  von  der  Augenlidkante  aus  1  Linie  tief  zwi- 
schen dem  Orbicularmuskel  und  der  äussern  Fläche  des  Tarsus  führt,  ab- 
trennt, hierauf  1  Linie  vom  Lidrande  entfernt  die  Haut  und  den  Orbicular- 
muskel durchschneidet,  und  den  so  gebildeten  Lappen  mit  der  Scheere 
abträgt. 

15* 


228 

Zu  den  Ectopien  gehören  auch  die  Lageveränderungen  des  Augapfels 
und  zwar  die  Vorlagerung  desselben,  welche  jedoch  passender  bei  der  Be- 
sprechung der  Geschwülste  der  Orbila  ihre  nähere  Erörterung  findet. 


V.  Pseudoplasmen. 

Zu  den  Aftergebilden  (Pseudoplasmen)  rechnen  wir  jene  organi- 
sirten  Neubildungen,  welche  vorzugsweise  durch  qualitative  Abweichung 
des  Bildungs-  und  Ernährungsaktes  entstehen  und  wachsen. 

Sie  entstehen  entweder  nach  Entzündungen  durch  Umwandlung  der 
Enlzündungsprodukle,  oder  ohne  vorausgegangene  Entzündung  entweder 
in  den  Zwischenräumen  der  Elementarlheile  der  Gewebe  oder  in  und  aus 
den  letzteren  selbst.  Von  andern  verwandten  Krankheiten  lassen  sich  oft 
die  Aftergebilde  nicht  scharf  sondern,  und  sie,  so  wie  die  Hypertrophien 
und  Entzündungen  gränzen  zuweilen  an  einander. 

Die  Blasteme  für  die  Aftergebilde  stammen  aus  der  allgemeinen  Er- 
nährungsflüssigkeil und  bestehen  aus  Proteinverbindungen,  namentlich 
Fibrin  und  Albumin,  welche  jedoch  mannigfache,  noch  nicht  erkannte  Me- 
tamorphosen eingehen.  Auf  die  Richtung  der  Organisation  übt  nebst  der 
Art  des  Blastems  selbst  einerseits  die  assimilirende  Kraft  der  einzelnen  Ge- 
webe, andererseits  die  typische  Kraft  des  Gesammtorganismus  Einfluss  aus. 
Die  Aftergebilde  zeigen  anatomisch  untersucht  die  verschiedensten  Form- 
elemenle,  Molecule,  Kerne,  verschiedenartige  Zellen  und  Fasern.  Die  An- 
ordnung derselben  ist  jedoch  in  den  einzelnen  Pseudoplasmen  eine  mehr 
weniger  bestimmte  und  lässt  selbe  von  einander  unterscheiden. 

In  Bezug  auf  die  Abgränzung  von  der  normalen  Umgebung  unter- 
scheidet man  streng  abgegränzle  und  infiltrirte  Pseudoplasmen.  Die  in 
praclischer  Beziehung  wichtigste  Einlheilung  derselben  ist  jedoch  die  in 
gutartige  und  bösartige.  Gutartige  Aftergebilde  sind  jene,  welche  aus  kei- 
ner Cachexie  kervorgehen  und  auch  keine  eigenthümliche  Blulcrase  veran- 
lassen. Sie  sind  gewöhnlich  rein  örtliche  Krankheiten  und  ihr  nachtheiliger 
Einfluss  besieht  in  Verdrängung  und  Verschiebung  der  Gewebe,  Störung 
der  Function  mancher  Organe  und  zuweilen  in  Schmerzerregung.  Bös- 
artige Aftergebilde  sind  jene,  welche  entweder  der  Ausdruck  eines  dyscra- 
sischen  Allgemeinleidens  sind,  oder  früher  oder  später  ein  solches  nach  sich 
ziehen.    Sie  werden  mit  dem  Namen  Krebse  bezeichnet. 

Die  Diagnose,  welches  Aftergebilde  man  vor  sich  habe,  ist  oft  sehr 
schwierig;  ja  in  manchen  Fällen  ist  selbst  die  Bestimmung,  ob  dasselbe 
ein  gutartiges  oder  ein  bösartiges  sei,  fast  nicht  möglich,  da  es  ganz  gewiss 


229 

Uebergänge  zwischen  beiden  Gassen  gibt.  Weder  durch  die  microscopische 
noch  die  chemische  Analyse  gelingt  es  in  einzelnen  Fällen  ins  Klare  zu 
kommen.  Es"  müssen  daher  alle  Krankheilserscheinungen  so  genau  als  mög- 
lich aufgefasst,  die  Anlage  des  Individuums,  die  Gelegenheitsursachen, 
wenn  solche  bekannt  sind,  und  der  Erfolg  der  eingeleiteten  Therapie  sorg- 
fällig berücksichtigt  werden  ;  am  Aflergebilde  selbst  ist  der  Sitz,  die  Grösse, 
Gestall,  Farbe,  Consistenz  und  Elasticilät  desselben,  die  Beschaffenheit  der 
Oberfläche,  die  Art  der  Verbindung  mit  den  umgebenden  Geweben,  die  Be- 
grenzung, der  Grad  der  Empfindlichkeit  oder  Schmerzhaftigkeit,  das  Wachs- 
thum  desselben  und  die  Rückwirkung  auf  die  benachbarten  Lymphdrüsen, 
endlich  die  Veränderung,  welche  es  durch  die  Einwirkung  äusserer  Ein- 
flüsse, wenn  es  ihnen  ausgesetzt  ist,  erleidet,  genau  zu  erforschen,  um  zu 
einer  möglichst  richtigen  Diagnose  zu  gelangen. 

Wir  begegnen  den  Aftergebilden  sowohl  am  Augapfel  selbst,  als  auch 
in  den  Umgebungen  desselben. 

Ä.   Gutartige  Aftergebilde. 

1.  An  den  Augenlidern  kommen  cor: 

a.  Das  Chal  az  ion  o  der  Hagel  kor  n.  Es  ist  eine  rundliche  oder 
höckerige,  unschmerzhafte  hanfkorn-  bis  erbsengrosse  Geschwulst,  welche 
von  dem  Tarsus  ausgeht,  einer  chronischen  Entzündung  und  Auflockerung 
desselben,  gewöhnlich  jedoch  einer  Erkrankung  einer  Meibomischen  Drüse 
ihr  Entstehen  verdankt.  Bei  manchen  Individuen  besteht  eine  besondere 
Geneigtheit  zur  Bildung  von  Hagelkörnern;  es  entwickeln  sich  öfters  meh- 
rere an  einem  und  demselben  Lide  oder  gleichzeitig  an  beiden  Augenlidern. 
Die  Bildung  eines  Chalazions  setzt  kein  Hordeolum  nolhwendig  voraus  ;  es 
kann  sich  durch  allmälige  Ausdehnung  eines  Drüsenschlauches  oder  Folli- 
kels und  Umwandlung  zu  einem  Balge  am  Auge  eben  so  bilden,  wie  Balg- 
geschwülste an  andern  Theilen  des  Körpers;  indessen  kann  auch  die  Ent- 
zündung der  Drüse  oder  ihres  Ausführungsganges  zur  Verhallung  des 
Secreles  Anlass  geben,  welches  durch  die  pathologischen  Verhältnisse  bald 
mehr,  bald  weniger  verdünnt  erscheint,  wodurch  sich  die  verschiedene 
Consistenz  ihres  Inhaltes  erklärt.  Die  Chalazien  entstehen  gewöhnlich  etwas 
entfernt  vom  Lidrande,  sitzen  unter  dem  M.  orbicularis,  und  zwar  der  Haul- 
oder  der  Conjunclivalfläche  näher,  letzteres  seltener  (Chalazion  externum 
und  internum).  Sie  sind  meistens  Anfangs  etwas  fest,  im  Verlaufe  wird  ihr 
Inneres  weich,  der  äussere  Theil  mit  dichter  Zellhaut  bedeckt,  mit  Ausnahme 
jener  Stelle,  von  wo  sie  ausgehen,  oder  wo  sie  an  den  Tarsus  fest  angehef- 
tet sind.    Sind  sie  klein  und  ihr  Conlentum  sehr  weich,  so   ist  der  Tarsus 


230 

durch  ihren  Druck  kaum  elwas  verdünnt,  die  Baut  des  Augenlides  ist  vor- 
gedrängt, zeigt  daher  bei  geschlossenen  Lidern  eine  deutliche  und  begränzte 
Geschwulst,  über  welche  die  Haut  verschiebbar  ist,  die  Geschwulst  selbst  lässt 
sich  aber  über  dem  Tarsus  nicht  verschieben.  Wächst  die  Geschwulst,  so 
sieht  man  bei  umgestülptem  Lide,  dass  der  Knorpel  absorbirl  ist,  und  man 
beobachtet  an  jener  Stelle  eine  feine  Oeffnung  oder  ein  Grübchen;  die  Lid- 
bindehaul  ist  daselbst  dunkel  geröthel,  wird  endlich  auch  an  jener  Stelle 
zerstört,  der  flüssige  Inhalt  der  Geschwulst  entleert  sich,  die  fesleren  Be- 
standteile bleiben  jedoch  zurück  und  veranlassen  starke.  Reizung.  Bei 
kleineren  Chalazien  kann  man  versuchen,  durch  Anwendung  von  Mercurial- 
odcr  Jodsalben,  durch  das  öftere  Bestreichen  der  Geschwulst  mit  einer  Jod- 
linclur  eine  allmälige  Resorption  herbeizuführen.  Derlei  Mittel  müssen  je- 
doch lange  Zeit  (durch  Monate)  fortgesetzt  angewendet  werden.  Zuweilen 
schwinden  derlei  Geschwülste  nach  jahrelangem  Bestehen  von  selbst  wie- 
der. In  manchen  Fällen  verursachen  die  genannten  Mittel  eine  stärkere 
Reizung-,  entzündliche  Anschwellung  und  Vereiterung  der  Geschwulst. 
Beobachtet  man  diesen  Erfolg,  so  lasse  man  erweichende  Cataplasmen  ge- 
brauchen, da  durch  Suppuration  das  Chalazion  ebenfalls  entfernt  wird.  Wo 
die  pharmaceutischen  Mittel  ohne  Erfolg  bleiben,  so  wie  bei  grösseren  Ha- 
gelkörnern, ist  es  besser,  die  partielle  Exstirpation  derselben  vorzunehmen. 
Man  spaltet  mit  einem  kleinen  bauchigen  Scalpel  die  Haul  über  dem  Chala- 
zion in  querer  Richtung,  präparirl  sie  so  weit  als  möglich  über  die  Ge- 
schwulst zurück,  trennt  letztere  so  viel  als  möglich  von  den  umgebenden 
Gebilden  los,  und  schneidet  sie  zuletzt  mit  dem  Scalpelle  oder  mit  einer 
nach  der  Fläche  gekrümmten  Scheere  von  dem  Knorpel  ab,  wobei  die  Höhle 
eröffnet  und  der  Inhalt  entleert  wird.  Dieser  ist  grösstenteils  ein  weisser 
dem  dünnen  Eiter  oder  der  Milch  ähnlicher  Saft,  bisweilen  auch  halbflüssig, 
consistenler.  Die  Wundränder  der  Haut  werden,  wenn  das  Chalazion  gross 
war,  mittelst  1 — 2  Heften,  wenn  es  klein  war,  bloss  durch  Heftpflasterstreif- 
chen  vereinigt.  Der  zurückbleibende  Theil  schwindet  gewöhnlich  durch 
Piesorption,  selten  durch  Eiterung.  Wucherungen  der  Bindehaut,  welche 
zuweilen  an  der  Stelle  des  Hagelkorns  sich  bilden,  verschwinden  nach  ge- 
linden Aetzungen  mit  Sulfas  cupri  oder  Höllenstein. 

b.  Warzen  (veruccae)  kommen  an  den  Augenlidern  sowohl  an  den 
freien  Rändern,  als  auch  an  der  Haulfläche  derselben  vor.  Sie  sind  Ver- 
längerungen und  Hypertrophien  der  Epidermis,  und  zeigen  sich  theils  als 
dünne,  gestielte,  theils  als  platte  mit  einer  breiten  Basis  aufsitzende.  Bis- 
weilen sind  sie  isolirt,  in  andern  Fällen  sehr  zahlreich,  beinahe  in  einander 
fliessend.  Häufiger  beobachtet  man  sie  beim  weiblichen  Geschlechte,  vor- 
züglich in  der  climacterischen  Periode.    Gestielte  Warzen  können  mit  einem 


23! 

Seidenfaden  unterbunden  oder  mittelst  eines  Schlages  der  Scheere  abgetra- 
gen werden.  Gegen  isolirle,  kleine  an  der  Oberfläche  gefurchte  und  mit 
der  Haut  fest-  zusammenhängende  Warzen  kann  man  Lisfranc's  Verfahren 
versuchen,  welches  darin  besteht,  dass  man  sie  jeden  Abend  mit  einer  Lage 
schwarzer  Seife  bedeckt ;  die  bedeckte  Fläche  fällt  am  nächsten  Tage  ab. 
Man  entfernt  sie  auch  durch  vielfaches  Scarificiren  und  starkes  Einreiben 
mit  befeuchtetem  Hüllenstein,  worauf  die  Stelle  der  Luft  ausgesetzt  bleibt, 
und  der  feste  Schorf  in  einigen  Tagen  wegfällt.  Harte,  breitere,  in  mehrere 
Läppchen  getheilte  und  bläulich  aussehende  Warzen  werden  am  besten 
vollständig  mit  dem  Messer  exstirpirl  und  wenn  die  Degeneration  die  ganze 
Dicke  des  Lides  ergriffen  hat,  ist  die  Ausschneidung  eines  V  förmigen  Stückes 
nach  Adams  Methode  (siehe  Ectropium)  geeignet. 

Sichel  beschreibt  eine  veruccöse  Affection  der  Augenlider  und  ihrer 
Umgebung  in  Folge  einer  lymphatischen  Dialhese.  Sie  sind  sehr  klein,  ge- 
rundet, glatt,  rosenfarbig,  wenig  von  der  Haut  verschieden,  ihre  Spitze 
weisslich,  im  Centrum  eine  nabeiförmige  Vertiefung.  Sie  bilden  Gruppen 
von  8 — 20  und  sind  immer  an  einem  Lide,  häufiger  am  obern.  Sie  bestehen 
in  einer  Alteration  der  Schmeerdrüsen  der  Haut,  kommen  öfter  bei  Erwach- 
senen vor,  und  verschwinden  auf  den  Gebrauch  innerlicher  Mittel.  Sichel 
gibt  zeitweise  Purgantia,  dann  das  Chlorbarium,  massig  nährende  Kost- 
Besteht  zugleich  eine  Reizung  oder  Entzündung,  so  gibt  er  früher  Aethiops 
antim.  mit  Magnesia  carbon.,  bei  Stuhlverstopfung  oder  Störung  der  Ver- 
dauung mit  etwas  Rheum  ;  bei  Atonie  Tonica  oder  Eisen.  Die  Behandlung 
dauert  gewöhnlich  2 — 3  Monate. 

An  den  Augenlidrändern  kommen  noch  einige  andere  kleine  Ge- 
schwülste vor.  Es  erscheinen  bisweilen  hirsc-  bis  hanfkorngrosse  durch- 
scheinende Bläschen,  welche  einen  wasserklaren  Inhalt  haben.  Sie  bersten 
bisweilen  und  erscheinen  dann  an  derselben  Stelle  wieder.  Zu  deren  Eni 
fernung  genügt  die  Punklirung  mit  einer  Nadel  und  die  Abtragung  der 
kleinen  Cysten  mit  der  Scheere. 

c.  Die  Milien  sind  kleine  gelbe  Knötchen,  welche  an  der  äussern 
Fläche  des  Augenlides  zwischen  Epidermis  und  Corion  sitzen.  Sie  bestehen 
aus  einer  Hülle  und  einem  dicklichen,  atheromatösen,  bisweilen  kalkartigen 
Contentum,  und  sind  als  umgewandelte  Talgdrüsen  der  Haut  zu  betrachten. 
Man  schlitzt  den  Balg  auf,  und  nach  Entfernung  des  Inhaltes  cauterisirt 
man  die  Stelle  leicht,  um  die  Exfoliation  der  Cyste  zu  bewirken. 

d.  Die  B  al  gge  seh  wülste  der  Augenlider  sind  mehr  oder  weniger 
rundliche,  unschmerzhafte,  unter  der  Haut  verschiebbare  Geschwülsle,  welche 
sich  prall  anfühlen  lassen.  Ihre  Grösse  ist  verschieden,  von  der  einer  Hasel- 
nuss  bis  zur  Wallnuss-  oder  Hühnereigrösse     Die  Haut  darüber  ist  nicht 


232 

verändert,  bei  beträchtlicher  Grosse  der  Geschwulst  jedoch  stark  gespannt 
und  bläulich  geröthet.  Sie  silzen  häufiger  unter  dem  Orbicularmuskel, 
drängen  bisweilen  die  Fasern  desselben  auseinander  und  ragen  dann  mehr 
hervor,  beeinträchtigen  wohl  auch  durch  ihre  Grosse  die  Bewegung  der 
Lider.  Man  hat  sie  häufiger  am  obern  Augenlide,  besonders  oberhalb  des 
äussern  Endes  desselben  wahrgenommen,  und  sie  hängen  meistentheils 
mehr  oder  minder  mit  der  ßeinhaut  zusammen.  Ihr  Inhalt  ist  entweder  ein 
weissgrauer,  schmieriger,  nicht  riechender  Brei,  der  mit  Epilhelialschuppen 
und  Cholestearinkrystallen  gemischt  ist  (Atherome),  oder  eine  seröse,  der 
Farbe  nach  dem  Honig  ähnliche  Flüssigkeit  (Meliceris).  Auch  treten  an  den 
Augenlidern  solche  Balggeschwülste  auf,  welche  ausser  einem  weissbreiigen, 
flüssigeren,  sich  fett  anfühlenden  Inhalte  an  der  innern  Fläche  mit  Haaren 
und  Drüsen  besetzt  sind.  Sie  kommen  bei  Jüngern  Individuen  vor,  und 
entwickeln  sich  sehr  langsam.  Die  Ursachen  ihrer  Entstehung  sind  gröss- 
tenlheils  unbekannt.  In  einzelnen  Fällen  können  sie  sich  aus  den  Talg- 
drüsen der  Haut  entwickeln,  in  andern  scheint  eine  Verletzung  (Conlusion) 
und  ein  Biulextravasat  zu  ihrer  Entstehung  den  Anlass  gegeben  zu  haben. 
Man  kann  bei  kleineren  Balggeschwülslen  die  Einreibung  einer  Mercurial- 
oder  Jodsalbe  versuchen;  gewöhnlich  haben  jedoch  diese  Mittel  keinen 
Erfolg,  und  es  ist  daher  die  Ausschälung  der  Cysten  das  beste  Verfahren 
zu  ihrer  Entfernung,  und  der  Anwendung  des  Haarseils,  der  Aelzmittel  und 
Punclion  vorzuziehen.  Man  spaltet  über  denselben  die  Haut,  trennt  die 
Cyste  so  viel  als  möglich  von  den  umgebenden  Theilen  los,  und  sucht  sie 
wo  möglich  ganz  herauszubringen,  indem  man  sie  mit  einem  spitzen  Hacken 
erfasst.  Die  Hautwundränder  werden  durch  einige  blutige  Nähte  vereinigt. 
Zurückgebliebene  Reste  des  Aftergebildes  werden  meistens  durch  eintre- 
tende Eiterung  entfernt.  Die  Nachbehandlung  ist  antiphlogistisch.  Zuwei- 
len entsteht  nach  Ausschälung  solcher  Geschwülste  eine  erysipclatöse  Ent- 
zündung, welche  wegen  der  Nähe  des  Gehirnes  nicht  immer  gefahrlos  ist. 
Eine  kräftige  antiphlogistische  Behandlung  (Eisüberschläge  mittelst  einer 
Schweinsblase)  ist  in  solchen  Fällen  zu  empfehlen. 

e.  Die  T  e  lean  giec  ta sie n  der  Augenlider  kommen  entweder  als 
ebene  Flecken  oder  als  ereclile  Geschwülste  (Gefässschwamm)  vor.  Am 
häufigsten  sind  sie  angeboren  (naevus  maternus);  bisweilen  jedoch  ent- 
stehen sie  durch  accidenlelle  Ursachen.  Sie  können  zu  bedeutenden  Haemor- 
rhagien  Anlass  geben.  Am  öftesten  sitzen  sie  an  der  äussern  Fläche  der 
Lider,  kommen  aber  auch  am  Lidrande  und  zwar  mehr  an  der  innern  Lefze 
desselben  vor,  wo  sie  von  der  Bindehaulfläche  ausgehen.  Oefter  beobach- 
tet man  sie  bei  Kindern  und  Weibern,  als  bei  Erwachsenen  und  Männern. 
Man  hat  verschiedene  Behandlungsmethoden  empfohlen.    Die  Compression 


233 

kann  an  den  Augenlidern  nur  dann  ausgeübt  werden,  wenn  sich  diese  Ge- 
schwülste gegen  den  harten  Rand  der  Orbita  comprimiren  lassen.  Ist  die 
Geschwulst  klein  und  isolirt,  so  ist  in  manchen  Fällen  die  Unterbindung 
gestaltet.  Man  empfahl  ferner  die  Zerstörung  mit  dem  Aetzkali  oder  selbst 
mit  dem  Glüheisen,  nur  müssen  dann  alle  Rücksichten  beobachtet  werden, 
um  die  benachbarten  Theile  zu  schonen.  Die  Einimpfung  der  Kuhpocke 
an  der  Spitze  und  Basis  der  Geschwulst  hat  in  einigen  Fällen  guten  Erfolg 
gehabt.  Man  hat  ferner  die  Geschwulst  mit  kleinen  Setaceis  durchzogen. 
Carron  du  Villards  empfiehlt,  durch  die  Geschwulst  Insektennadeln  durch- 
zustechen, diese  aufzubiegen  und  ihre  Enden  in  einen  metallischen  Knoten 
zu  vereinigen,  welchen  man  durch  Annäherung  einer  Flamme  etwas  erhitzt, 
wobei  man  aber  auf  die  Geschwulst  einige  Tropfen  Oel  gibt.  Rognetla 
schlug  die  vielfältige  subcutane  Incission  vor;  derselbe  empfahl  auch  die 
Galvanopunctur.  Ist  die  Geschwulst  grösser,  aber  nicht  sehr  ausgedehnt, 
so  kann  man  ein  dreieckiges  Stück  des  Augenlides,  wo  die  Geschwulst 
sitzt,  nach  Adams  Methode  entfernen,  und  die  Wundränder  durch  die  um- 
schlungene Naht  vereinigen.  Der  Schnitt  muss  jedoch  im  gesunden  Theile 
geführt  werden,  sonst  entsteht  eine  bedeutende  Blutung. 

Man  hat  auch,  jedoch  sehr  selten,  Geschwülste  an  den  Augenlidern 
beobachtet,  wo  mit  der  Gefässerweilerung  und  Neubildung  auch  Bildung 
von  fettem  Zellgewebe  bestand  (teleangiectasia  lipomalodes). 

f.  Auch  Speckgeschwülste  (Slcatome)  beobachtete  man  ober- 
halb der  Augen  oder  an  dem  Augenlidrande.  Es  sind  diess  rundliche  oder 
unregelmässig  höckerige  Geschwülste  von  ausgezeichnet  drusigem  Bau  und 
starkem  Leim-  und  Eiweissgehalt.  Sie  wachsen  sehr  langsam,  selbst  viele 
Jahre  nicht  über  den  Umfang  einer  Haselnuss. 

2.    Am  Augapfel. 

a,  Das  Flügel  feil,  Pterygium,  ist  eine  mehr  weniger  geröthete, 
unschmerzhafte,  dreieckige,  mit  ihrer  Basis  gegen  den  Umfang  des  Bulbus, 
mit  der  mehr  weniger  abgerundeten  Spitze  gegen  den  Mittelpunkt  der  Cornea 
gerichtete,  den  unterliegenden  Gebilden  nur  locker  anhängende  Entartung 
der  Conjunctiva  des  Augapfels.  Man  unterscheidet  ein  dünnes  und  ein 
dickes  Flügelfell.  Ersteres  (Pt.  tenue)  bildet  die  niedere  Entwicklungsstufe 
der  Krankheit,  ist  halbdurchsichlig,  graulichroth,  verhällnissmässig  mit  we- 
nigen Blutgefässen  versehen,  erreicht  die  Pupillargegcnd  der  Cornea  sehr 
selten  und  stört  das  Sehvermögen  gar  nicht.  Das  dicke  Flügelfell  (Pt.  cras- 
sum  o.  carnosum)  ist  der  höhere  Entwicklungsgrad  des  Uebels,  ist  gross, 
dunkelroth,  dicker  und  endet  meistens  an  der  mittleren  Hornhautgegend 
mit  einem  etwas  erhabenen,  öfters  sehnenarlig  glänzenden  Fleck.    Der  Sitz 


234 

des  Flügelfells  entspricht  im  Allgemeinen  der  Richtung  eines  der  geraden 
Augenmuskeln;  am  häufigsten  kommt  es  im  innern,  seltner  im  äussern 
Winkel,  fast  niemals  nach  unten  oder  oben  vor.  Die  Ränder  desselben  er- 
scheinen gegen  die  Cornea  hin,  meistens  etwas  umstülpt.  Dass  das  Ptery- 
gium  eine  Entartung  der  Bindehaut  sei,  beweisen  die  Falten,,  welche  es 
bildet,  sobald  das  Auge  gegen  die  kranke  Seite  hingeneigt  wird,  auch 
findet  man  nach  Ablösung  des  Plerygiums  die  Sclerotica  an  der  kranken 
Stelle  entblösst.  Bei  der  Untersuchung  desselben  findet  man  auch  jederzeit 
ein  von  Blutgefässen  durchzogenes  dichtes  Zellgewebe.  Die  dreieckige  Ge- 
stalt des  Flügelfells  hat  theils  im  Verlaufe  der  Gefässe,  vorzüglich  aber  in 
dem  verschiedenen  Adhaesionsgrade  der  Bindehaut  des  Augapfels  an  die 
unterliegenden  Gebilde  ihren  Grund. 

Die  Entwicklung  des  Flügelfells  erfolgt  vom  Limbus  conjunctivae 
einerseits  gegen  ihre  Peripherie  und  andererseits  gegen  die  Cornea  hin.  Es 
entsteht  durch  anhaltende,  einen  gewissen  Grad  erreichende  Reizung  der 
Bindehaut  und  dadurch  bedingte  Durchtränkung  mit  Exsudat  und  grössere 
Erschlaffung  derselben  ;  seichte  Geschwürchen  am  Rande  der  Cornea  mögen 
in  vielen  Fällen  zur  Herbeiziehung  der  Bindehaut  und  dadurch  zur  Ent- 
wicklung des  Flügelfells  Veranlassung  geben. 

Demzufolge  trifft  man  das  Pterygium  grösstenteils  bei  Individuen 
an,  welche  mechanischen  und  chemischen  Reizungen  der  Conjunctiva  ver- 
möge ihrer  Beschäftigung  häufig  ausgesetzt  sind,  daher  bei  Bauern,  Fuhr- 
leuten, Gärtnern,  Maurern,  Tagelöhnern  und  Bewohnern  sandiger  Gegen- 
den ;  ausserdem  können  auch  Explosionen  und  andere  chemische  Agenlien, 
welche  eine  Excoriation  der  Bindehaut  verursachen,  zur  Entstehung  des 
Plerygiums  Anlass  geben.  Die  Ausbildung  desselben  erfolgt  in  der  Regel 
langsam,  ohne  Schmerz  und  unmerklich. 

Das  Flügelfell  ist  niemals  als  eine  gefährliche  Krankheit  des  Auges 
zu  betrachten ;  bisweilen  heilt  es  von  selbst,  wenn  das  Auge  den  schäd- 
lichen Einflüssen  nicht  weiter  ausgesetzt  wird.  Bei  dünnen  Pterygien  suche 
man  durch  Anwendung  von  rolhem  oder  weissem  Präcipital,  durch  Belupfen 
mit  Laudanum  liquidum,  oder  mit  Sulfas  cupri  oder  lapis  infern,  einen  hin- 
reichenden Grad  von  Reaclion  und  dadurch  Resorption  zu  bewirken.  Wo 
diese  Mittel  erfolglos  bleiben,  kann  man  das  Mittelslück  ausrotten  und  den 
Rest  durch  die  eben  angedeuteten  Mittel  tilgen.  Das  dicke  Flügelfell  muss 
jedesmal,  ohne  die  Unterbindung  oder  die  Aelzmittel,  welche  eine  lang- 
wierige und  unsichere  Kur  gewähren  würden,  selbst  nur  zu  versuchen, 
von  seiner  Basis  bis  zur  Spitze  ausgerottet,  nämlich  bei  sitzender  Lagerung 
des  Kranken  mit  Beer's  Cilienpincette  am  breitesten  Theile  umfasst,  etwas 
angezogen,  und  von  da  an  bis  zur  Spitze  mit  Cooper's  oder  Louis's  Scheere 


235 

abgetragen  werden.    Die  Resle  werden  durch  die  oben  angedeuteten  Mit- 
tel beseitigt. 

b.  Der.Fe  ttfleck  (Pinquecula)  besteht  in  einer  gelblichen,  rund- 
lichen oder  dreieckigen  kleinen  Wucherung  der  Conjunctiva  bulbi,  welche 
so  aussieht,  als  ob  die  Bindehaut  daselbst  mit  Fett  unlerpolslerl  wäre;  er 
kommt  stets  in  der  Richtung  der  Lidspalte  vor.  Man  findet  diese  Erschei- 
nung häufig  bei  Leuten  mittleren  und  höhern  Alters  ohne  anderweitige 
Beschwerden  oder  Nachtheile.  Es  wird  daher  gewöhnlich  nichts  gegen 
diesen  Fleck,  welcher  als  ein  kleines  Lipom  der  Conjunctiva  zu  betrachten 
ist,  unternommen. 

Als  Folgen  von  Abscessen  und  Vereiterungen  einzelner  Meibomischen 
Drüsenbälge,  welche  sich  nach  innen  durch  die  Bindehaut  entleert  haben, 
beobachtet  man  öfters  partielle  Wucherungen  der  Conjunctiva, 
warzen-  oder  polypenartige  Auswüchse.  Sie  werden  durch 
weissen  Präcipitat  in  Salbenform  oder  durch  Touchirungen  mit  Sullas 
cupri  beseitigt. 

c.  Auch  Fasergeschwülste  und  zwar  S  c  h  1  e  i  m  p  o  l  y  p  e  n  kom- 
men in  der  Conjunctiva  palpebrarum  zuweilen  vor.  Sie  sind  ursprünglich 
Hypertrophien  der  Schleimhaut  an  einer  bestimmten  Stelle,  und  traten  als 
rundliche,  längliche  oder  lappige,  weiche,  blass  und  stärker  geröthele  Aus- 
wüchse auf,  welche  auf  einer  unvollkommenen  Entwicklungsstufe  von  Zell- 
stoffbildung  stehen  bleiben.  Sie  können  durch  Volumszunabme  eine  Aus- 
wärtskehrung,  besonders  leicht  des  untern  Lides  bewirken.  Sind  sie  gestielt, 
so  werden  sie  am  besten  unterbunden  und  dann  mit  der  Scheere  abgetra- 
gen. Sind  solche  Geschwülste  mit  dem  Knorpel  fest  verwachsen  und  nicht 
gestielt,  so  kann  man  durch  die  Adams'sche  Operation  gegen  das  Ectropium 
gleichzeitig  das  Aftergebilde  entfernen  und  das  Ectropium  heben. 

d.  Als  schwammartige  Degeneration  der  Conjunctiva  kommt  der 
sogenannte  Z  eilen  schwamm  der  Co  n  j  u  n  c  tiva  vor,  welcher  wegen 
des  scheinbaren  Hervorlretens  des  Bulbus  aus  der  Orbita  die  falsche  oder 
schwammige  Exophthalmie  (Exophthalmia  fungosa)  genannt  wird.  Der 
Bindehautschwamm  bildet  sich  aus  mehreren  flachen,  blassrothen,  an  der 
Peripherie  des  Augapfels  sich  erhebenden  flachen  Wülsten,  welche  an  Um- 
fang zunehmen,  nach  allen  Richtungen  sich  verbreiten,  mit  einander  in 
Berührung  treten,  und  wenn  sie  endlich  den  Rand  der  Cornea  erreicht 
haben,  sich  über  denselben  hinüberlegen,  so  dass  eine  gleichmässig  ver- 
breitete, rothe,  weiche,  mitunter  körnige,  unschmerzhafte,  bei  der  Berüh- 
rung etwas  empfindliche,  leicht  blutende,  roher  Fleischmasse  ähnliche  An- 
schwellung der  Conjunctiva  bulbi  zu  Stande  kommt.  Der  der  Einwirkung 
der  atmosphärischen  Luft  ausgesetzte  Theil  überzieht  sich  mit  einer  bräun- 


236 

liehen  Kruste,  und  man  konnte  das  Uebel  leicht  für  ein  Carcinom  halten, 
wenn  nicht  die  Abwesenheit  von  Schmerz  und  Härte,  so  wie  die  Möglichkeit, 
die  Lappen  mit  der  Sonde  zurückzudrängen ,  über  das  Wesen  des  Uebels 
aufklären  würden.  Die  Exophlhalmia  fungosa  ist,  wenn  sie  sonst  nicht 
auf  einem  hohen  Grade  der  Entwicklung  steht,  die  Gränzen  der  Scleral- 
bindehaul  noch  nicht  überschritten  hat ,  auch  nicht  mit  bedeutenden  dys- 
crasischen  Krankheiten  complicirt  ist,  ein  zwar  hartnäckiges,  leicht  wieder- 
kehrendes, aber  kein  bösartiges  Leiden,  und  gestattet  vollkommene  Hei- 
lung; nur  wird,  besonders  wo  die  Conjunctiva  corneae  milergriffen  war, 
eine  mehr  weniger  bedeutende,  das  Sehen  beeinträchtigende  Trübung  der 
Cornea  kaum  zu  verhüten  sein.  Die  schwammichte  Exophlhalmie  kann 
im  niedern  Grade  durch  stärkere  adstringirende  und  Reizmittel  (Alaun, 
Sublimat,  rothen  und  weissen  Präcipilat,  Opiumtinctur)  beseitigt  werden  ; 
bei  höherer  Entwicklung  des  Uebels  ist  die  Aftermasse  auszurotten  und  neu 
keimende  Parthien  sind  durch  Touchirung  mit  Lapis  inf.  zu  beseitigen. 

e.  Aehnliche  Wucherungen  treten  bisweilen  in  der  Thränenkarunkel 
auf.  Die  Entzündung  derselben,  welche  alsEnc  an  this  inflam.  beschrieben 
wird,  kommt  sehr  selten  vor.  Es  bildet  sich  am  innern  Winkel  eine  hell- 
rothe,  bohnen-,  später  haselnussgrosse  Anschwellung  an  der  Stelle  der  halb- 
mondförmigen Falte  und  Thränenkarunkel.  Als  Ausgänge  dieser  Entzün- 
dung sind  zu  betrachten  Eiterung  und  dadurch  Schwund  der  Thränenkarun- 
kel (Rhyas)  und  2.  Wucherung  und  Vcrgrösserung  derselben,  welche  bei 
schwächlichen,  schlaffen  Individuen  bisweilen  eintritt,  und  einen  blass- 
rothen ,  weichen,  empfindlichen,  doch  unschmerzhaflen ,  leicht  blutenden 
Schwamm  darstellt,  welcher  bisweilen  einen  grossen  Umfang  erreicht 
(Encanthis  fungosa).  Auf  einem  niedern  Entwicklungsgrad  wird  er  durch 
das  täglich  wiederholte  Einpinseln  mit  Opiumtinctur  und  die  allgemeine 
stärkende  Behandlung  gehoben,  bei  höher  gediehenem  Uebel  ist  er  wegzu- 
ätzen, oder  besser  mit  schneidenden  Werkzeugen  auszurotten,  und  das 
Wiederkeimen  durch  Anwendung  von  Opiumtinctur  oder  Lapis,  inf.  zu 
verhindern. 

3.  An  den  Gebilden  der  Orbita. 

Die  mannigfaltigen  Geschwülste,  welche  sich  in  der  Orbita  entwickeln, 
haben  einzelne  gemeinsame  Symptome  und  Folgen.  Diese  sind  folgende: 
1.  Durch  den  Druck  auf  den  Sehnerven  und  auf  den  Augapfel  wird  das 
Sehvermögen  geschwächt  oder  gänzlich  aufgehoben.  Schwindet  die  Ge- 
schwulst, oder  wird  sie  auf  irgend  eine  Weise  entfernt,  so  kann  das  Seh- 
vermögen wiederkehren,  wenn  es  nicht  zu  lange  Zeit  aufgehoben  war,  und 


237 

die  Thätigkeit  der  Nelzhaul  dadurch  vollkommen  erlosch.  2.  Durch  Irri- 
tation einzelner  Nervenzweige  und  der  äussern  Membranen  des  Bulbus  rufen 
sie  Lichtscheu,  vermehrte  Thränensecretion,  spastische  Contractionen  ein- 
zelner Muskeln  hervor.  Die  Bindehaut  wird  geröthet,  und  schwillt  öde- 
matüs  an.  Der  Kranke  empfindet  heftige  oder  minder  heftige  Schmerzen. 
3.  Die  Stellung  des  Bulbus  wird  theils  durch  den  Druck  der  Geschwulst, 
theils  durch  Lähmung  einzelner  motorischer  Nervenzweige  verändert;  es 
entsteht  somit  Luscilas;  oder  der  Bulbus  wird  entweder  gerade  nach  vorne 
oder  mehr  in  einer  oder  der  andern  Richtung  aus  der  Orbila  hervorgedrängt. 
(Exophthalmus.)  *)  4.  Die  Knochen  der  Orbita  können  durch  Druck  aus- 
gedehnt, rareficirt ,  und  an  einzelnen  Stellen  selbst  durchlöchert  werden. 
Aber  auch  durch  Krankheiten  der  benachbarten  Höhlen  kann  die  Orbila 
erweitert,  ihre  Form  verändert,  und  ihre  Knochen  verdünnt  und  absorbirt 
werden.  Diess  kann  durch  Abscesse  in  der  Orbita,  Desorganisation  der 
Thränendrüse,  durch  Polypen  der  Nasenhöhle,  vom  Sinus  frontalis  aus 
durch  Entzündung,  Eiterung,  Hydatiden ,  Fungus  und  Polypen,  von  der 
Kieferhöhle  aus  durch  Entzündung,  Eiterung,  fungöse  und  polypöse  Ge- 
schwülste, von  der  Keiloberkieferspalte,  und  von  der  Schädelhöhle  aus  (bei 
hydroeephalus  chron.,  fungösen  Geschwülsten  etc.)  geschehen. 

Mannigfaltig  ist  bei  solchen  Geschwülsten  ihr  Sitz,  ihre  Härte,  die 
Verbindungen  derselben  mit  den  benachbarten  Geweben,  die  manchesmal 
locker,  bisweilen  inniger  ist.  Sie  verursachen  endlich  zuweilen  durch 
Druck  auf  das  Gehirn  soporöse  Zufälle,  Convulsionen  und  auch  den  Tod, 
der  in  einigen  Fällen  plötzlich  erfolgte.  Die  Ursache  von  derlei  Erkran- 
kungen ist  meistens  in  tiefes  Dunkel  gehüllt.  Häufig  wird  eine  erlittene 
Verletzung,  ein  Stoss  oder  Schlag,  oder  eine  Verkühlung  als  Ursache  be- 
schuldigt. In  andern  Fällen  lässt  sich  ein  Zusammenhang  mit  irgend  einem 
dyscrasischen  Leiden  auffinden. 

a.  In  Folge  chronischer  Entzündung  des  Zellgewebes  der  Orbita  bil- 
det sich  zuweilen  Infiltration  und  Induration    des  Fetlgewebes  ,  wodurch 


*)  Man  unterscheidet  zwischen  Exophthalmus,  Ex  Ophthalmie  und 
Ophthalmoptosis.  Im  erstem  Falle  ist  der  Augapfel  aus  der  Orbita  hervor- 
gedrängt, weil  er  wegen  Raumverminderuug  in  der  letztern  nicht  mehr  Platz  hat. 
Exophthalmie  ist  jene  Art  der  Vorlagerung  des  Bulbus,  welche  durch  eine  Vo- 
lumszunahme des  letzteren  selbst  bedingt  ist,  wie  bei  entzündlicher  Anschwel- 
lung oder  bei  bösartigen  Degenerationen  desselben.  Ophthalmoptosis  bedeutet 
den  Vorfall  des  Bulbus  in  Folge  von  Lähmung  oder  Zerreissung  der  ihn  in  der 
Orbita  zurückhaltenden  Gebilde,  namentlich  der  Muskeln.  Zu  einem  Exophthal- 
mus kann  ..sich  allerdings  in  der  Folge  durch  Entzündung  und  Anschwellung 
des  Bulbus  eine  Exophthalmie  gesellen. 


238 

auch  der  Augapfel  verdrängt  werden  kann.  Bei  scrofulösen  Individuen 
hat  man  diesen  Zustand  bisweilen  beobachtet,  welcher  durch  örtliche  und 
selbst  innerliche  Anwendung-  der  Mercurial-  und  Jodpräparale ,  besonders 
des  Jodkalis,  wieder  gehoben  werden  kann. 

Hieher  gehurt  auch  der  Zel  1  ge  webss  ch  wa  m  m  der  Orbila  (fun- 
gus  cellulosus) ,  ein  weiches,  lappiges,  im  hohen  Grade  elastisches,  aus 
gefässreichem  Zellgewebe  bestehendes  Aftergebilde,  welches  sich  in  dem 
den  Augapfel  umgebenden  Fettpolster  der  Orbila  zuweilen  entwickelt.  Das 
Auge  wird  allmälig  und  ohne  wesentliche  Beeinträchtigung  des  Sehvermö- 
gens hervorgetrieben.  Die  Geschwulst  nimmt  langsam  zu ,  ist  weich  ,  ela- 
stisch, beim  Drucke  unschmerzhaft,  und  drängt  den  Augapfel  entweder 
gerade  nach  vorne,  oder  mehr  in  einer  oder  der  andern  Richtung  hervor.  Spä- 
ter treten  öfters  Kopfschmerzen  ein,  das  Sehvermögen  nimmt  ab,  wird  auch 
wohl  völlig  aufgehoben.  Die  Lider  werden  nach  und  nach  mehr  ausge- 
dehnt, durch  venöse  Congeslion  bläulichrolh  gefärbt,  die  Bindehaut  dunkel- 
roth  oder  ödemalös.  Die  Bewegung  des  Augapfels  wird  erschwert  oder 
unmöglich;  die  Veränderungen,  welche  derselbe,  besonders  wenn  er  durch 
die  Lider  nicht  mehr  bedeckt  werden  kann,  erleidet,  bestehen  in  Verschwä- 
rung  oder  brandiger  Zerstörung  der  Hornhaut.  Zur  Unterscheidung  der 
Krankheil  von  andern  einen  Exophthalmus  erzeugenden  Aftergebildcn 
dienen  die  grosse  Weichheit  und  die  lappige  Form  der  Geschwulst.  Besitzt 
das  Aflergebilde  eine  grosse  Menge  von  Gefässen,  so  wird  es  zum  Gefäss- 
schwamm.  Die  Exstirpation  dieses  Gebildes  kann  in  der  Mehrzahl  von 
Fällen  mit  gutem  Erfolge  vorgenommen  werden.  Es  wird  zugleich  mit  dem- 
selben der  Augapfel  exstirpirt,  wenn  derselbe  bereits  so  verändert  isl,  dass 
er  zum  Sehen  unbrauchbar  ist ,  und  ohne  die  gleichzeitige  Hinwegnahme 
desselben  das  Aflergebilde  aus   der  Orbita  nicht  entfernt  werden  kann. 

b.  Auch  das  E  ncho  nd  ro  m,  ein  Aftergcbilde,  welches  den  Bau 
der  Knorpel  zeigt,  hat  man  in  der  Augenhöhle  im  verknöcherten  Zustande 
angetroffen. 

C.  Periostosen  oder  Verdickungen  des  Periostiums  in  Folge  von 
Exsudation  unter  dasselbe  kommen  als  Producte  der  Scrofulosis  und  Syphi- 
lis zuweilen  vor.  Verschieden  von  denselben  sind  die  Exostosen,  wo  wirk- 
lich neue  Knochenmasse  abgelagert  wird  und  eine  Geschwulst  bildet,  welche 
auf  einer  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Grundfläche  aufsitzt  und  die 
Orbila  verengt.  Sie  verursachen  demnach  Exophthalmus,  Formverände- 
rung der  Orbita,  Amaurose  und  mehr  oder  weniger  heftige  Schmerzen, 
welche  aber  auch  fehlen  können.  Eine  liefgelegene  Cyste  und  eine  Exos- 
tose der  Orbita  sind  oft  nicht  von  einander  zu  unterscheiden.  Die  Ursachen 
derselben  sind  Scrofulosis,  Syphilis,  wohl  auch  Verletzung  der  Orbita.    In 


239 

solchen  übrigens  zweifelhaften  Fällen  haben  bisweilen  durchgreifende  und 
consequent  durchgeführte,  der  Dyscrasie  entgegenwirkende,  besonders 
antisyphilitische  Curen  den  Zustand  wesentlich  verbessert.  Eine  Exostose 
kann  auch  durch  Aelzmillel  angegriffen,  und  durch  nachfolgende  Eiterung 
zerstört  werden.  Eine  Operation  (Abtragung  mittelst  einer  Säge)  muss 
mit  grosser  Vorsicht  vorgenommen  werden. 

d.  Die  Balggeschwül  sie ,  welche  in  der  Orbila  vorkommen, 
sind  entweder  einfach  oder  mit  Krebs  complicirt.  Die  Symptome  dieses 
Leidens  sind  die,  welche  wir  schon  als  gemeinsame  Erscheinungen  von 
Geschwülsten  in  der  Orbita  angegeben  haben  ;  sie  hängen  jedoch  auch  von 
dem  Sitze  und  der  Grösse  der  Balggeschwulst  ab.  Sie  wächst  bald  lang- 
sam, bald  schnell  und  übt  zulelzt  einen  namhaften  Druck  auf  das  Auge  aus. 
Die  Form  und  Textur  des  Auges  wird  jedoch,  selbst  wenn  dasselbe  schon 
aus  seiner  Lage  und  Richtung  gedrängt  ist,  lange  Zeit  nicht  bedeutend  ver- 
ändert; ist  die  Geschwulst  jedoch  gross,  so  werden  die  stark  nach  vorne 
gedrängten  Augenlider  sehr  gespannt,  etwas  gerülhet,  ihre  Venen  turges- 
cirend,  die  Conjunctiva  bulbi  röthet  sich  und  schwillt  ödemalös  an.  Auch 
die  Cornea  wird,  wenn  das  Auge  von  den  Lidern  nicht  mehr  vollkommen 
bedeckt  werden  kann,  oberflächlich  getrübt  und  endlich  exuleerirt.  Das 
Auge  lässt  sich  mit  den  Fingern  etwas  in  die  Orbila  zurückdrängen,  kehrt 
jedoch  nach  aufgehobenem  Drucke  wieder  in  die  alte  Lage  zurück.  Gewöhn- 
lich fühlt  sich  eine  Balggeschwulst  ziemlich  prall,  jedoch  nicht  so  hart  an? 
wie  z.  B.  Exostosen.  Doch  ist  in  vielen  Fällen  eine  genaue  Diagnose  äus- 
serst schwierig,  und  es  ist  daher  ein  explorativer  Einstich  gestattet,  welcher 
auch  bisweilen,  einige  Male  wiederholt,  eine  Abnahme  der  Geschwulst  zur 
Folge  hatte.  Der  Inhalt  der  Balggeschwülsle  ist  verschieden  ;  in  der  Mehr 
zahl  der  Fälle  enthalten  sie  eine  wässrige,  seröse  Flüssigkeit ,  in  andern 
Fällen  aber  auch  eine  alheromalöse  Masse. 

Heilung  ist  möglich  und  wird  durch  verschiedene  Verfahrungsweisen 
herbeigeführt.  Die  beste  Methode  wäre  die  vollständige  Exslirpalion  sol- 
cher Geschwülste.  Allein  sie  ist  in  vielen  Fällen  nicht  möglich,  theils 
wegen  des  Sitzes  und  der  tiefen  Lage  der  Geschwulst ,  theils  wegen  der 
Nähe  des  Augapfels,  welcher  immer  geschont  werden  muss,  und  wegen 
der  festen  Adhärenz  der  Wandungen  der  Cyste  an  die  benachbarten  Organe. 
Das  Sehvermögen  kann  nach  der  Exslirpation  entweder  wiederkehren,  oder 
es  bleibt  für  immer  aufgehoben.  Nach  einer  solchen  Operation  kann  auch 
eine  heftige  Entzündung  eintreten,  die  sich  bis  an  die  Gehirnhäute  erstreckt, 
und  einen  tödtlichen  Ausgang  nehmen  kann.  Auch  gab  es  Fälle,  wo  ein 
heftiges  bösartiges  Gesichtserysipel  nach  der  Exslirpalion  von  Balggeschwül- 
sten der  Orbila  den    Tod  zur  Folge   hatte.     War    die  Exslirpalion  unvoll- 


240 

ständig-,  so  kann  sich  die  Cyste  neuerdings  bilden.  Eine  zweite  Methode 
ist  die  Punction,  welche  jedoch  öfters  wiederholt  werden  muss.  Sie  brachte 
in  manchen  Fällen  radicale,  in  anderen  bloss  palliative  Hülfe.  Ihre  Wir- 
kung ist  jedenfalls  langsam  und  unsicher.  Es  kann  auch  nach  spontanem 
Aufbrechen  einer  Cyste  sich  eine  Entzündung  bilden  und  Obliteration  der 
Cyste  entstehen.  Die  Einspritzung  von  reizenden  Flüssigkeiten,  Wein, 
Jodtinctur  u.  s.  w.  in  die  Orbita  nach  gemachler  Punction  ist  jedenfalls 
wegen   der  Nähe  wichtiger  Gebilde  ein  gewagtes  Verfahren. 

Ein  drittes  Verfahren,  welches  in  vielen  Fällen  Empfehlung  verdient, 
besteht  darin,  dass  man  nach  einem'  gemachten  Einschnitte  von  den  Wän- 
den des  Balges  alles  abschneidet,  was  man  leicht  entfernen  kann.  Die  zurück- 
bleibenden Theile  werden  durch  Eiterung  zerstört.  Die  Nachbehandlung 
des  Operirten  muss  demnach  auf  zweckmässige  Weise  zur  Bekämpfung 
einer  Entzündung  oder  Beförderung  der  Eiterung  geleitet  werden.  Nach- 
stehende Fälle  mögen  zur  bessern  Verständlichung  dienen : 

].  Ein  25jähriger  Bauer  fühlte  im  Anfange  des  Jahres  1820  einen 
heftigen  Schmerz  im  rechten  Auge,  welchen  er  dem  durch  die  Anwesen- 
heit eines  fremden  Körpers  unter  dem  Augenlide  verglich.  Er  verschwand 
jedoch  bald.  Im  Jänner  1821  überstand  er  eine  heftige  Pleuritis,  mit  Ent- 
zündung des  rechten  Auges ,  welche  eine  Schwächung  des  Gesichtes  zu- 
rückliess.  Kurze  Zeit  darauf  kehrte  die  Entzündung  des  Auges  zurück  mit 
Anschwellung  der  Lider  und  Schmerzen.  Das  Sehvermögen  ging  endlich 
verloren.  Der  Kranke  kam  im  November  1822  in  ein  Hospital.  Das  Auge 
war  bedeutend  verdrängt,  die  ausgedehnten  Lider  deckten  es  nur  unvoll- 
ständig; die  Iris  unbeweglich,  die  Pupille  starr,  das  Sehvermögen  aufge- 
hoben. Die  Bindehaut  war  etwas  geröthet.  Die  Lider  waren  durch  eine 
Geschwulst  erhoben,  welche  besonders  gegen  den  äussern  Winkel  wahr- 
zunehmen war  und  das  obere  Lid  stärker  ausdehnte,  als  das  untere.  Eine 
liefsitzende  und  ziemlich  gleichförmige  Fluctuation  in  derselben ,  und  die 
übrigen  Umstände  des  Falles  machten  es  Delpech  wahrscheinlich,  dass  die 
Geschwulst  durch  eine  seröse  Cyste  bedingt  sei.  Er  machte  eine  krumme 
Incision  längs  der  äussern  Hälfte  des  obern  Lides ,  dem  äussern  Winkel 
und  einem  Dritttheile  des  untern  Lides.  Nach  der  Trennung  des  Orbicu- 
laris  kam  die  Thränendrüse  zum  Vorscheine  ,  welche  aus  ihrer  Grube  ver- 
drängt und  etwas  vergrössert  war.  Der  hervorragende  Theil  wurde  ,  um 
Raum  zu  gewinnen,  losgetrennt.  Bald  wurde  eine  seröse  Cyste  entdeckt, 
doch  konnte  sie  nicht  vollständig  enlblösst  werden,  bis  der  Aufheber  des 
obern  Lides  in  der  Hälfte  seiner  Breite  durchschnitten  war.  Die  Cyste 
wurde  jetzt  punclirt,  worauf  sich  3  Unzen  einer  fast  farblosen  serösen  Flüs- 
sigkeit entleerten.     Unmittelbar  darauf  kam  eine  weisse  häutige  Masse  an 


241 

der  Oeflnung  zum  Vorschein,  welche  erfasst,  leicht  heraus  kam,  und  sich 
als  eine  Hydalidc  (Acephalocyslis)  erwies.  Das  Auge  kehrte  jetzt  in  seine 
Lage  zurück,  Die  Höhle  wurde  leicht  mit  Charpie  ausgefüllt  und  verbun- 
den. Fieber  und  Schmerz  machten  Abends  eine  Venäsection  nöthig.  Am 
vierten  Tage  wurde  etwas  Charpie  von  der  Wunde  abgestossen ;  der  Ver- 
band wurde  nun  täglich  bis  zum  12.  Tage  erneuert,  an  welchem  nur  ein 
kleiner  Theil  Charpie  in  die  Wunde  eingeführt  werden  konnte.  Nach  Er- 
hebung des  obern  Lides,  dessen  Anschwellung  sich  nun  verloren  hatte, 
merkte  der  Kranke,  dass  er  das  Sehvermögen  wieder  erhallen  habe;  die 
Iris  war  auch  wieder  beweglich.  Am  15.  Tage  war  der  Gang  obliterirl; 
das  Auge  hatte  seine  normale  Stellung  und  das  Sehvermögen  war  fast  so 
gut,  wie  auf  dem  andern  Auge.  —  Die  Ausfüllung  der  Höhle  mit  Charpie 
ist  in  solchen  Fällen  gewiss  nicht  nachzuahmen,  da  sie  leicht  eine  bedenk- 
liche Entzündung  erregen  und  unterhalten  kann,  und  da  sie  zur  Schliessung 
und  Üblileration  der  Wunde  gar  nicht  nöthig  ist. 

2.  Ein  Fall  von  Exophthalmus,  bedingt  durch  ein  Atherom  der  Or- 
bita, wird  von  Prof.  Rosas  erzählt. 

Ein  45jähriger,  massig  starker  Mann  erinnert  sich,  einen  epileptischen 
Anfall  in  seinem  zehnten  Lebensjahre  ausgenommen  ,  keiner  besondern 
Krankheit.  Im  August  1827  fiel  ihm  eine  ziemlich  schwere  Stange  aus 
massiger  Höhe  über  die  Stirn-  und  Nasenwurzelgegend.  Funkensehen  am 
rechten  Auge,  Hautabschürfung  und  Blutunterlaufung  waren  die  unmittel- 
baren  Folgen  dieser  Beleidigung;  sie  verloren  sich  jedoch  nach  wenigen 
Tagen.  Im  October  1827  fühlte  Patient  im  rechten  Auge  einen  heftigen, 
reissenden  Schmerz  mit  Lichtscheu  und  allmäliger  Hervortreibung  des  Bul- 
bus aus  der  Orbita.  Nach  3wöchentlichem  Gebrauche  solvirender  Mittel 
wich  dieses  Uebel  dem  Anscheine  nach  völlig.  Im  Juni  1830  wurde  Pa- 
tient von  ungefähr  mit  der  Spitze  einer  dünnen  Weidenruthe  am  Innern 
Winkel  des  rechten  Auges  ziemlich  stark  getroffen.  Die  hierauf  eingetre- 
tenen Symptome,  Schmerz,  Röthe,  Lichtscheu,  Thränenfluss  waren  von 
kurzer  Dauer ;  nach  einigen  Tagen  bemerkte  Patient  eine  schmerzlose 
Geschwulst  in  der  Gegend  des  obern  Augenhöhlenrandes,  welche  nach  und 
nach  in  der  Richtung  nach  innen  und  abwärts  zunahm,  und  den  Bulbus 
nach  ab-  und  auswärts  aus  der  Orbita  drängte.  Der  Bulbus  war  selbst 
nicht  abnorm  bestellt,  das  Sehvermögen  blieb  ungestört,  nahm  jedoch  spä- 
ter merkbar  ab.  Er  kam  desshalb  im  Anfang  Juli  1831  in  die  Augenklinik 
nach  Wien.  Man  fand  folgenden  Zustand:  Eine  Geschwulst  vom  Umfange 
eines  Gänseeies  füllte  den  ganzen  Raum  der  Orbita  aus ,  ragte  über  den 
Rand  derselben  nach  allen  Richtungen  bedeutend  hervor,  und  drängte  das 
obere  Augenlid  stark  nach  vor-  und   abwärts.      Der  aus  seiner  Lage  ver- 

Meyr,  Augenheilkunde.  |  (j 


242 

drängte  Bulbus  befand  sich  sammldem  etwas  nach  aussen  gestülpten  untern 
Augenlidc  tief  an  der  Wange,  war  übrigens  nicht  krankhaft  verändert;  nur 
die  Bindehaut  erschien  leicht  injicirt ,  die  Cornea  matt ,  die  Iris  gewölbter, 
unbeweglich,  die  reine  und  unregelmässige  Pupille  verengt,  das  Sehver- 
mögen ganz  aufgehoben ,  die  Lichtempfindung  sehr  undeutlich.  Die  Ge- 
schwulst war  schmerzlos,  genau  umschrieben,  unbeweglich,  härtlich,  ge- 
spannt, und  in  der  Tiefe  eine  obscure  Fluetuation.  Patient  sah  cachectisch 
aus,  sonst  war  keine  auffallende  Störung  in  den  Functionen  des  Körpers 
vorhanden. 

So  klar  nun  die  Diagnose  des  Exophthalmus  war,  so  war  es  doch 
schwierig,  den  pathologischen  Zustand  der  Orbita,  der  dem  Uebel  zu  Grunde 
lag,  zu  bestimmen.  Der  Verlauf  der  Krankheit  und  die  Erscheinungen 
sprachen  für  ein  Lipom  oder  eine  Balggeschwulst ,  die  Elasticilät  der  Ge- 
schwulst, die  nicht  fühlbaren  Lappen,  wie  sie  beim  Lipom  vorkommen,  die 
liefe,  wenn  gleich  undeutliche  Fluetuation  Hessen  mehr  letzlere  vermuthen. 
Prof.  Rosas  schritt  daher  am  9.  Juli  zur  Operation  derselben.  Es  wurde 
ein  gewöhnliches  Augenbistourie  dicht  an  der  mittleren  Gegend  des  obern 
Augengrubcnrandes  und  demselben  parallel  behutsam  in  die  Orbita  einge- 
sessen, bis  der  Widerstand  gehoben  war.  Sogleich  zeigte  sich  neben  dem 
Messer  eine  aus  der  Geschwulst  hervordringende  zähe  Masse  von  schmutzig 
grünlich-grauer  Farbe,  breiiger  Consislenz  und  Syrupdicke.  Nach  gemach- 
ter Erweiterung  entleerlen  sich  bei  6  Unzen  desselben  Stoffes  und  der 
Bulbus  kehrte  in  seine  Höhle  zurück.  Patient  äusserte  sogleich  nicht  allein 
deutliche  Lichtempfindung,  sondern  konnte  selbst  die  Umrisse  der  nahen 
Objecte  mit  diesem  Auge  unterscheiden.  Es  wurde  eine  Einspritzung  von 
lauem  Wasser  gemachl,  ein  Charpiebäuschchen  eingelegt,  die  Lidspalle 
verklebt,  und  kalte  Wasserüberschläge  durch  12  Stunden  angewendet.  Noch 
durch  mehrere  Tage  entleerte  sich  eine  massige  Quantität  des  breiartigen 
Contentums.  Als  der  Ausfluss  dünn  und  jauchig  eitrig  wurde,  wurde  täg- 
lich eine  Einspritzung  von  Infusum  herbae  Rutae  mit  1  dr.  Extr.  cort. 
peruv.  und  dr.  ß.  Laud.  1.  Sydenh.  gemacht.  Drei  Wochen  nach  der  Ope- 
ration veiiiess  der  Kranke  mit  einer  noch  bestehenden  kleinen  Fistel  und 
wenig  eitrigem  Ausflusse  Wien.  Nach  einer  ömonatlichen  Frist  war  noch 
eine  etwa  4  Linien  lange  nicht  callöse  Oeffnung  vorhanden  ,  aus  welcher 
sich  wenig  rein  eitrige  Flüssigkeit  entleerte,  am  Grunde  der  Oeffnung  er- 
schienen rölhliche  Granulationen,  der  Augapfel  stand  kaum  merklich  tiefer 
als  der  andere,  seine  Achse  normal,  die  Beweglichkeit  frei,  die  Sehfunction 
war  beinahe  vollends  hergestellt,  die  Stirn-  und  Kopfhaut  der  rechten  Seile 
noch  immer  unempfindlich,  welches  sich  aber  auch  später  verlor,  so  dass 
sich  Patient  in  jeder  Beziehung  ganz  wohl  befand. 


243 

Zu  den  Geschwülsten  der  Orbita,  welche  Exophthalmus  produciren, 
gehören  auch  die  Aneurysmen  in  der  Orbita.  Zu  solchen  Fällen  gehört 
folgender:  Ein  44jähriges  zartes  und  kränkliches  Weib,  zum  sechsten  Male 
schwanger,  wurde  Nachts  plötzlich  von  einem  heftigen  Schmerz  im  linken 
Augapfel  befallen ,  welchen  ein  sausendes  Geräusch  im  Kopfe  begleitete. 
Es  trat  eine  Entzündung  des  Auges  mit  Anschwellung  der  Lider,  mit  fast 
unerträglichem  Schmerz  in  der  linken  Augenbrauengegend,  am  Grunde 
der  Orbila  und  an  der  ganzen  Kopfhälfle  ein.  Die  Heftigkeit  des  Schmer- 
zes war  in  der  nächsten  Nacht  geringer,  allein  die  Anschwellung  des  Lides 
nahm  zu.  In  den  nächsten  7  Wochen  keine  Veränderung,  worauf  sie  ent- 
bunden wurde.  Sie  verlor  hierauf  die  Fähigkeit,  das  obere  Augenlid  zu 
heben,  und  wurde  auf  dem  kranken  Auge  ganz  blind.  Nach  8  bis  9  Mona- 
ten quälte  sie  beständiger  und  heftiger  Schmerz,  besonders  am  Grunde  der 
Orbita;  das  grössle  Leiden  verursachte  jedoch  ein  fortwährendes  Geräusch 
im  Kopfe,  wie  das  Rauschen  einer  Quelle,  welches  unerträglich  wurde,  so- 
bald der  Kopf  etwas  gebeugt  war.  Der  linke  Bulbus  war  hervorgedrängl 
und  unbeweglich;  die  Cornea  durchsichtig,  die  Iris  unbeweglich,  hinler 
der  Pupille  eine  röthliche  Färbung,  die  Augenlider  geschwollen,  und  das 
unlere  nach  auswärts  gekehrt.  Die  Geschwulst  fühlte  sich  weich  und  ela- 
stisch an,  beim  Drucke  liess  sich  eine  leichte  Vibration  wahrnehmen.  Die 
Inlegumente  der  Slirne  über  dem  innern  Ende  der  Augenbraue,  waren  zu 
einer  weichen  undeutlich  begränzten  Anschwellung  erhoben,  welche  dem 
aufgesetzten  Finger  eine  schwache  zitternde  Bewegung  mittheilte.  Die 
Blutadern  des  Gesichtes  sehr  lurgescirend.  Ein  Druck  auf  die  Art.  carotis 
comm.  machte  die  Pulsation  am  Auge  aufhören.  Mr.  Dalrymple  machte  am 
7.  April  1813  die  Unterbindung  der  Art.  carotis  comm.  Der  Erfolg  der 
Operation  war  unmittelbar  und  entschieden.  Die  Pulsalionsbewegungen 
hörten  ganz  auf,  die  Anschwellung  und  Rölhe  des  Augenlides  verlor  sich. 
Einige  Minuten,  nachdem  die  Kranke  in's  Bett  gebracht  war,  war  sie  vom 
Schmerz  ganz  frei,  und  auch  das  Geräusch,  welches  sie  so  sehr  belästigte, 
halle  ganz  aufgehört.  Zwei  Jahre  nach  der  Operation  war  die  Heilung 
noch  vollkommen,  mit  Ausnahme  des  Sehvermögens,  welches  unwieder- 
bringlich verloren  war.  —  Ein  Fall  von  wahrem  Aneurysma  der  Arteria 
ophthalmica  an  beiden  Seiten,  welcher  lödtlich  endete,  wird  von  Guthrie 
erzählt. 

Eine  eigenthümliche  Hervorragung  der  Augen  (Exophthalmus)  kommt 
zuweilen  mit  Struma  und  Herzleiden  vor.  Die  Bulbi  treten  in  gera- 
der Richtung  aus  der  Orbita  hervor,  am  Rande  der  letzteren  lässt  sich  weder 
Unebenheit  noch  Härte  in  der  Tiefe  fühlen,  doch  scheint  die  Orbita  etwas 
voller,  die  Bulbi  lassen  sich  durch  die  Augenlider  und  sanften  Fingerdruck 

16* 


244 

elwas  zurückdrängen.  Die  Lider  sind  rings  herum  weich  unterwulstet. 
deren  Spalle  anfänglich  enger  gestellt.  Das  Sehvermögen  ist  nicht  gestört, 
nur  kurzsichliger;  es  bestehen  weder  ein  Gefühl  von  Druck,  noch  subjec- 
live  Gesichtserscheinungen.  Bei  stärkerer  Ausbildung  wird  die  Lidspalle 
elwas  weiter,  und  es  treten  öfters  leichte  Entzündungen  ein.  Das  Leiden 
kommt  hauptsächlich  bei  Frauen  in  den  20 — 40ger  Jahren,  vorzüglich  bei 
hysterischen  und  schwächlichen  Individuen  vor.  Aus  den  bisher  beobach- 
teten Fällen  ergibt  sich,  dass  eine  eigenthümliche  Dyscrasie  des  Blutes 
(Anaemie)  dem  Leiden  zum  Grunde  liegt.  Diese  Art  des  Exophthalmus 
wird  von  Irritabilität  des  Herzens  und  Erweiterung  desselben  ,  so  wie  von 
Anschwellung  der  Schilddrüse  begleitet.  Die  Geschwulst  der  Drüse  und 
die  Prominenz  der  Bulbi  nimmt  nach  der  Stärke  der  Palpitation  zu  oder  ab. 
Die  Hervorragung  der  Augäpfel  scheint  durch  Veränderung  des  in  der  Or- 
bita gelegenen  Zellgewebes  und  durch  Relaxation  der  Muskeln  bedingt. 
Als  Mittel  dagegen  werden  Eisenpräparate,  kalte  und  Seebäder,  örtlich 
höchstens  kalte  Ueberschläge  gerühmt. 

B.    Bösartige  Aftergebilde. 

Hieher  gehören  Krankheiten  ,  welche  nicht  nur  die  Zerstörung  des 
Auges  und  seiner  Nebentheile  und  den  Verlust  des  Sehvermögens  zur 
Folge  haben,  sondern  auch  das  Leben  des  Kranken  in  die  höchste  Gefahr 
versetzen  und  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  zum  Tode  führen.  Die  bösartigen 
Neugebilde  (Krebse)  kommen  sowohl  in  Gestalt  umschriebener  Geschwülste, 
als  auch  in  der  eines  zwischen  die  Gewebstheile  inflllrirten  diffusen  Exsu- 
dates vor  Sie  bestehen  aus  dem  Krebssafte ,  welcher  Serum  und  feste 
Bestandteile,  nämlich  Zellen  von  sehr  mannigfacher  Grösse  und  Beschaf- 
fenheit, freie  Kerne  und  jüngere  Zellen  und  Kernchen  mit  Fetlkügelchen 
enthält,  und  aus  dem  Krebsgerüste,  welches  aus  Bindegewebe  auf  verschie- 
denen Entwicklungsstufen  besteht.  Die  chemische  Analyse  weist  gröss- 
tentheils  Eiweis  nach.  Alle  sind  mehr  oder  weniger  mit  Blutgefässen 
versehen.  Nach  der  in  verschiedenen  Krebsen  mannigfach  prävalirenden 
Menge  der  microscopischen  Elemente  unterscheidet  man  mehrere  Species; 
es  gibt  jedoch  eine  grosse  Anzahl  von  zwischenschlächtigen  Formen ,  so 
dass  die  verschiedenen  Species  neben  einander  bestehen  können. 

An  den  Augenlidern  kommt  vorzüglich  der  Epithelialkrebs,  dann  auch 
der  flache  oder  Hautkrebs,  am  Augapfel  und  in  der  Orbita  der  Mark- 
schwamm und  der  mclanotische  Krebs  vor. 


245 


/.  Augenlidkrebs. 

Der  Epilhelialkrebs  entsteht  fast  immer  von  der  äussern  Fläche 
der  Lider  in  der  Nähe  ihres  Randes,  von  der  Conjuncliva,  und  häufig  auch 
von  der  Caruncula  lacrymalis  in  Form  eines  oder  mehrerer  Knötchen,  wel- 
che rund,  hart,  unschmerzhaft  sind,  allmälig  zunehmen,  und  zu  einer  ebenen 
oder  unebenen  Masse  sich  vereinigen.  Die  Haut  färbt  sich  dunkler ,  vio- 
lett, und  es  bricht  nach  wenigen  Wochen  oder  Monaten  die  Masse  auf. 
Die  offene  Stelle  ist  dunkelroth,  bräunlich,  sondert  eine  geringe  Menge 
eines  dünnen,  schmutzigen  Secretes  ab,  die  Ränder  sind  aufgeworfen,  nach 
aussen  gekehrt,  und  wie  benagt  oder  eingekerbt.  Nach  einiger  Zeit  wird 
die  Wundfläche  rissig,  blutet  bisweilen,  und  greift  durch  Zerstörung  dei 
Haut  allmälig  weiter  um  sich,  so  dass  zuweilen  grössere  lappige  oder  blu- 
menkohlarlige  Auswüchse  entstehen,  die  an  der  Oberfläche  durch  Einwir- 
kung der  atmosphärischen  Luft  zu  einem  morschen  Gewebe  zerfallen.  Das 
Aftergebilde  besteht  aus  polygonen,  dem  Pflasterepilhelium  ähnlichen  Zel- 
len und  aus  Epithelialkernen.  Es  ist  gegen  Druck  wenig  empfindlich,  da- 
für aber  entstehen  besonders  zur  Nachtzeil  heftige  lanciiürcnde  Schmerzen. 
Das  Aussehen  der  Kranken  verschlimmert   sich  oft  erst  nach  längerer  Zeit. 

Der  flache  oder  Hautkrebs  erscheint  an  der  äussern  Haut  der 
Augenlider  und  der  umgebenden  Gesichtshaut ,  besonders  an  den  Augen- 
winkeln. Er  ist  eine  nach  der  Fläche  sich  ausbreitende,  die  organische 
Substanz  langsam  zerstörende  Krebsform.  Er  entsteht  aus  einem  oder 
mehreren  runden  Knötchen  in  der  Haut,  welche  sich  oft  aneinander  reihen 
und  dadurch  Wülste  bilden.  Die  Knötchen  oder  Wülste  brechen  endlich 
auf,  und  es  erscheint  durch  allmäliges  Zerfallen  des  Aflerproductes  eine 
mehr  oder  weniger  ausgebreitete  unregelmässigc  Wundfläche,  welche  wenig 
dünnen  Eiter  secernirt,  sich  allmälig  mehr  ausbreitet,  wodurch  ein  immer 
grösserer  Substanzverlust  entsteht,  der  nicht  nur  die  Weichtheile,  sondern 
auch  die  Knochen  treffen  kann.  Die  Masse  ist  oft  längere  Zeit  schmerzlos, 
endlich  treten  aber  flüchtige  Stiche  ,  oder  anhallende  heftigere  Schmer- 
zen auf. 

Der  Verlauf  ist  meistens  langsam;  die  Krankheil  kann  eine  lange 
Reihe  von  Jahren  bestehen ,  ohne  dass  die  Constitution  leidet.  Die  Ge- 
schwüre vernarben  an  einzelnen  Stellen  oft  scheinbar,  brechen  jedoch  an 
anderen  wieder  auf  und  greifen  um  sich.  Dass  sie  die  Mittellinie  des  Ge- 
sichts nicht  überschreiten ,  hat  die  Erfahrung  nicht  bestätiget.  Die  Störun- 
gen, die  sie  an  den  Augenlidern  hervorbringen,  sind  verschieden.    Am  hau- 


246 

figsten  treten  in  Folge  von  Zerstörung-  der  Haut  narbige  Verziehungen  und 
dadurch  verschiedene  Arten  von  Ectropium  ein.  Auch  können  Lagophthal- 
mus,  Verwachsungen  der  Thränenkanälchen  erfolgen,  das  Augenlid  biisst 
seine  Beweglichkeit  zum  Theile  oder  gänzlich  ein,  und  ist  zuweilen  fest 
über  den  Bulbus  gespannt.  Letzlerer  wird  gewöhnlich  erst  spät  ergriffen. 
Man  hat  inmitten  umfangsreicher  krebsiger  Zerstörung  beider  Lider  den 
Bulbus  unversehrt  angetroffen.  Meistens  schwillt  die  Bindehaut  sehr  an, 
und  bildet  um  den  Bulbus  gleichsam  einen  schützenden  Wall.  Wird  aber 
auch  die  Bindehaut  exulcerirt,  oder  die  Hornhaut  durch  die  Einwirkung  der 
saniösen  Flüssigkeit  corrodirt,  so  widersteht  der  Bulbus  auch  nicht  lange 
mehr  der  Zerstörung.  Das  Uebel  kann  nach  Zerstörung  aller  Weichtheile 
bis  auf  die  Knochen  der  Orbita  dringen  und  letztere  selbst  angreifen,  in 
welchem  Falle  man  meistens  ausgebreitete  Zerstörungen  im  Gesichte  beob- 
achtet. Wenn  die  Schmerzen  sehr  heftig,  und  wichtige  Theile  zerstört 
sind,  so  pflegt  sich  auch  Schlaflosigkeit,  Abmagerung,  üble  Gesichtsfarbe 
und  Zehrfieber  einzustellen. 

Die  Aetiologie  dieser  bösartigen  Geschwülste  ist  noch  nicht  hinläng- 
lich bekannt;  sie  kommen  fast  immer  nur  im  reifen  oder  höheren  Alter  vor, 
häufiger  bei  Weibern,  als  bei  Männern.  Wahrscheinlich  besieht  eine  spe- 
cielle  Prädisposition,  wir  können  jedoch  nicht  sagen,  worin  diese  besieht; 
das  Uebel  beobachtet  man  auch  an  Individuen,  die  sonst  in  jeder  Beziehung 
gesund  sind. 

Die  Therapie  besteht  in  der  Entfernung  dieser  Geschwülste.  Diess 
geschieht  entweder  durch  die  Exstirpation  mit  dem  Messer,  oder  durch 
Anwendung  von  Aetzmitteln.  Findet  man  einen  solchen  Knoten  von  bös- 
artiger Beschaffenheit,  so  ist  es  am  besten,  ihn  frühzeitig  zu  exstirpiren. 
Ist  derselbe  nicht  sehr  ausgebreitet,  so  eignet  sich  für  die  Entfernung  die 
Adams'sche  Operationsmethode  gegen,  das  Ectropium.  Grösstentheils  suchen 
aber  die  Kranken  nicht  im  Anfange  Hülfe ,  da  das  Uebel  nicht  sehr  belä- 
stigt, sondern  erst  dann,  wenn  die  Zerstörung  schon  mehr  um  sich  gegrif- 
fen hat.  Hat  man  die  Exstirpation  vorgenommen,  und  bleibt  eine  grössere 
Wundfläche  zurück,  so  ist  es  nicht  gerathen,  sogleich  durch  eine  plastische 
Operation  den  Verlust  des  Augenlides  zu  ersetzen ,  da  der  Ersalzlappen 
selbst  leicht  degeneriren  oder  absterben  könnte,  und  da  die  Natur  selbst 
am  schönsten  durch  Herbeiziehung  der  Haut  von  allen  Seiten  die  Vernar- 
bung bewirkt.  Die  Anwendung  der  Aetzmittel  erfährt  gewöhnlich  weniger 
Widersland  von  Seite  des  Kranken ,  obwohl  sie  schmerzhafter  ist.  Wo  es 
möglich  ist,  trage  man  wenigstens  die  harten  Ränder  des  Aftergebildes  vor 
der  Application  derselben  ab.  Als  Aetzmittel  wurden  verschiedene  empfoh- 


247 

len.    Gewöhnlich  wendet  man  das  Cosme'sche  Mille)  oder  Canquoin's  Aetz- 
paste  an.    Ersteres  wird  mit  Wasser  oder  Oel  zu    einem  Brei  gemacht  und 
etwa  liniendick  aufgetragen.     Canquoin's  Paste  hat  zum  Hauptbestaiullheil 
Chlorzink  und  zwar  in  verschiedener  Stärke  :    1.  Ein  Theil  Chlorzink  und  3 
Theile  Mehl;  2.  1  Theil  Chlorzink   und  2  Theile  Mehl ;    3.    gleiche   Theile 
Chlorzink  und  Mehl,  und  4.   1  Theil  Chlorzink,   1  Theil   Spiessglanzbutter 
und  1  V2  Theile  Mehl.    Letztere  Form  ist  die  stärkste,   aber  auch  die  wirk- 
samste, verdient  daher  am  meisten  empfohlen  zu  werden,  sowie  es  über- 
haupt als  Regel  gili,  sogleich  kräftig  einzugreifen,   und  das  ganze  Afterge- 
bilde zu  zerstören,  da  man  durch  die  milderen  Mittel  und  unzureichende 
Anwendung  eher  noch  mehr  reizen,  als  eine  Heilung  bewirken  kann.    Die- 
ses  Mittel  wird  mittelst  lauen  Wassers  zu  einer  teigigen  Consistenz  gebracht, 
und  messerrückendick  aufgetragen.     Bei  der  Anwendung  aller  Aetzmittel 
schütze  man  das  Auge  durch  Bedeckung  mit  Charpie  vor  dem  schädlichen 
Einflüsse.    Man  bedeckt  das  Aetzmittel  mit  Charpie   und  Heftpflastern  und 
lasse  es  24  bis  36  Stunden  liegen.    Es  bildet  sich  ein  Schorf,  welcher  unge- 
fähr in  24  Stunden  abfällt,  was  man  durch  Anwendung  lauer  Fomente  be- 
fördern kann.    Hierauf  bleibt  eine  rein  eiternde  Fläche  zurück ,   und  man 
kann   die  Vernarbung  durch  adstringirende  Lösungen   (Tannin  oder  Blei) 
befördern.    Zeigen  sich  noch  hie  und  da  härtere  Stellen,  so  kann  man  nach- 
träglich schwächere  Formen  der  genannten  Aetzmittel  anwenden.  —    Zur 
Zerstörung  solcher  Degenerationen  wurden  noch  von  Dupuytren  der  Arse- 
nik in  Verbindung  mit  Calomel  (4  Theile  Arsenik  mit  96  Theilen  Calomel) 
in  Pulver-  oder  flüssiger  Form,  von  Velpeau  die  concenlrirle  Schwefelsäure 
mit  Crocus  mit  Erfolg  in  Anwendung  gebracht.     Die  Aetzmittel  werden 
überhaupt  in  jenen  Fällen  gewählt,   wo  das  Aftergebilde  eine  grössere  Flä- 
chenausbreitung hat,  oder  wenn  der  Kranke  die  Exstirpation  mit  dem  Mes- 
ser durchaus  nicht  zulässt.    Ist  jedoch  die  Ausbreitung  des  Krebsgeschwü- 
res zu  bedeutend,  so  erfordert  es  die  Vorsicht,  das  Aetzmittel,  insbesondere 
das  Cosme'sche,  nicht  sogleich  auf  die  ganze  Fläche  aufzutragen,   da  diess 
nachteilige  Folgen  haben  könnte,  sondern  man  sucht  durch  wiederholte 
Application  des  Mittels   nach  und  nach  die  einzelnen  Parthien  zu  zerstören 
und  die  offenen  Stellen  zur  Vernarbung  zu  bringen.    Als  empirisches  Mittel 
verdient  noch  zur  Reinigung  bösartiger  Geschwüre  der  Augenlider  der  Saft 
von  Sedum  acre  eine  Erwähnung. 


2.  Krebs  des  Augapfels. 

a.  Das  Encephaloid,  der  Markschwamm,  (Fungus  medulla- 
ris)  ist  die  am  häufigsten  im  Auge  vorkommende  Form   des  Krebses.    Er 


248 

besitzt  einen  Reichthum  an  Zellen,  bildet  weiehe,  runde  oder  gelappte 
Geschwülste  von  grauer,  gelber  oder  röthlicher  Farbe;  die  Consistenz  ist 
hirnmarkähnlich.  Er  enthält  sehr  viele  Gefässe ;  und  sind  diese  so  ent- 
wickelt, dass  sie  eine  lolhe  Farbe  und  reichliche  Blutung  der  Oberfläche, 
besonders  der  Schnittfläche  hervorbringen,  oder  ist  er  mit  zahlreichen  Ex- 
travasaten durchsetzt,  so  wird  er  auch  Blutschwamm,  (Fungus  haematodes) 
genannt.  Sein  Wachsthum  ist  sehr  rasch  und  er  hat  eine  grössere  Nei- 
gung zu  wuchern,  als  zu  exuleeriren. 

Die  Gebilde  des  Augapfels,  von  welchen  aus  er  sich  entwickelt,  sind 
fast  grösstenteils  die  Retina  oder  der  Sehneive,  die  Choroidea,  der  Ciliar- 
körper  oder  die  Iris.  Im  Verlaufe  der  Krankheit  kann  man  3  Stadien  unter- 
scheiden :  Im  ersten  ist  die  Pupille  erweitert,  zuweilen  unregelmässig,  die 
Iris  unbeweglich,  ihre  Farbe  etwas  verändert,  das  Auge  häufig  lichtscheu. 
In  der  Tiefe  des  Auges  bemerkt  man  einen  grauen  gelblich  oder  röthlich 
schillernden  Widerschein,  deutlicher  bei  seillicher  Ansicht  des  Auges, 
(amaurotisches  Katzenauge);  später  erscheint  diese  Stelle  erhaben,  convex, 
mit  Gefässverzweigungcn  versehen,  die  Geschwulst  schreitet  nun  von  hinten 
nach  vorn,  desorganisirt  nach  und  nach  den  Glaskörper,  die  Linse,  die  Iris, 
und  erreicht  endlich  die  hinlere  Wand  der  Hornhaut.  In  diesem  Stadium 
ist  oft  geringer  oder  kein  Schmerz  vorhanden,  das  Sehvermögen  jedoch 
aufgehoben.  Das  Aussehen  der  Kranken  isl  in  diesem  Stadium  noch  ziem- 
lich gut,  zuweilen  sogar  blühend. 

Im  zweiten  Stadium  nimmt  das  Encephaloid  an  Grösse  zu,  und  dehnt 
den  Augapfel  aus;  daher  schwellen  die  Augenlider  bläulich  an,  die  Cornea 
und  Sclerotica  werden  gespannt;  erstere  wird  bisweilen  stärker  convex, 
und  verliert  durch  Ablagerung  von  Eiter  oder  Exsudat  zwischen  ihre  Lamel- 
len, durch  Ulceralion  oder  Brand  ihre  Durchsichligkeit,  die  Sclerotica  wird 
verdünnt,  der  Bulbus  bekommt  eine  schwärzliche,  bleigrauc  Färbung  und 
tritt  etwas  aus  der  Orbila  hervor.  In  diesem  Stadium  kann  die  Krankheit 
einen  Hydrophthalmus  posterior  simuliren.  Der  Kranke  hat  heftige,  lan- 
cinirende  Schmerzen  besonders  zur  Nachtzeit;  gerade  vor  dem  Durchbruche 
erlangen  sie  bisweilen  eine  solche  Intensität,  dass  Convulsionen  eintreten. 
Das  dritte  Stadium  tritt  mit  dem  Durchbruche  der  Geschwulst  durch  die 
sehr  ausgedehnte  und  absorbirte  oder  exulcerirlc  Cornea  oder  Sclerotica 
ein.  Zuweilen  ist  die  Geschwulst  noch  von  aussen  durch  die  gespannte 
geröthelc  Bindehaul  bedeckt ,  durch  welche  endlich  eine  jauchige  Flüssig* 
keil  abfliesst  mit  temporärer  Erleichterung  des  Kranken.  Eine  weiche, 
rölhliche,  bräunliche  oder  livide  schwammige  Masse  wuchert  nun  von  der 
Oberfläche  des  Auges  und  zwischen  den  ausgedehnten  Lidern  hervor,  und 


24«! 

wächst  nun  schnell  unler  dem  Einflüsse  der  atmosphärischen  Luft  und 
befreit  von  dem  Drucke,  dem  sie  früher  im  Augapfel  unterworfen  war.  Der 
weiche  und  .leicht  zerreissbare  Schwamm  blutet  leicht  bei  der  geringsten 
Berührung,  weil  er  gefässreich  ist,  und  die  Contractilität  der  Gefässwan- 
dungen  sowie  ihre  Slruetur  gelitten  hat.  Eine  übelriechende  Jauche,  wel- 
che das  untere  Lid  und  die  Wange  excorirt,  wird  abgesondert ;  Theile  der 
am  meisten  hervorragenden  Masse  sterben  ab  unter  Zunahme  des  üblen 
Geruches  und  Secretes,  so  wie  öfters  unter  Eintritt  einer  reichlichen  Blu- 
tung. Bei  der  mannigfachen  Combination  von  Ulceration ,  Haemorrhagie 
mit  oder  ohne  Coagulation  des  Blutes  kann  die  Farbe  und  das  äussere  An- 
sehen des  Schwammes  variren.  Er  kann  auch  eine  verschiedene  oft  sehr* 
beträchtliche  Grösse  erreichen. 

Die  benachbarten  Lymphdrüsen  schwellen  an  und  erkranken,  beson- 
ders die  vor  dem  Ohre,  am  Winkel  des  Unterkiefers  und  am  Halse  befind- 
lichen. Die  Kräfte  des  Kranken  sinken;  es  tritt  auffallende  Blässe  oder 
cachectische  Färbung  und  Abmagerung  ein,  und  der  Tod  erfolgt  durch 
Erschöpfung.  Sehr  häufig  tritt  eine  Affection  des  Gehirnes  hinzu,  und  ver- 
ursacht Convulsionen,  häufiger  aber  einen  soporösen  Zustand.  Bisweilen 
geht  das  Sehvermögen  des  gesunden  Auges  allmälig  oder  plötzlich  verlo- 
ren. Diese  Erscheinungen  erklären  sich  durch  das  Fortschreiten  der  Er- 
krankung durch  die  Orbita  und  die  Schädelhöhle ,  und  in  verschiedene 
Theile  des  Gehirns. 

Die  Zunahme  der  Encephaloidmasse  ändert  auf  verschiedene  Weise  die 
Form  und  relative  Lage  der  verschiedenen  Gebilde  des  Augapfels.  Die  Ader- 
haut und  der  Glaskörper  werden  nach  vorne  gedrängt,  letzterer  grössten- 
theils  absorbirl ;  auch  die  Linse  wird  nach  vorne  gedrängt,  getrübt,  abge- 
flacht; sie  widersteht  aber  in  einzelnen  Fällen  lange  der  Einwirkung  der 
Aflermasse.  Das  Gewebe  der  Netzhaut  gehl  fast  immer  gänzlich  unter. 
Die  Sclerotica  widersteht  am  längsten  der  Zerstörung ,  und  behält  selbst 
nach  dem  Durchbruche  noch  länger  ihre  Form  bei.  Entsteht  die  Afler- 
masse am  Ciliarkörper  oder  an  der  Iris  und  bricht  sie  bald  nach  aussen 
durch,  so  kann  der  Bulbus  auch  nach  rückwärts  in  einer  oder  der  andern 
Richtung  in  die  Orbita  gedrängt  werden.  Der  Sehnerve  erleidet  mannig- 
fache Veränderungen  in  der  Grösse,  Farbe  und  Consistenz ;  meistens  ist  er 
weich,  breiig,  röthlich,  den  benachbarten  Theilen  adhärirend;  diese  Verän- 
derung zeigt  er  auch  oft  in  der  Schädelhöhle,  wo  er  sich  in  eine  medulläre 
Masse  verliert,  welche  auf  die  benachbarten  Theile  an  der  Basis  des  Gehirns 
drückt,  oder  sie  anderweitig  involvirt.  Geht  die  Krankheit  vom  N.  opticus 
aus,  so  zeigt  er  sich  in  der  Orbita  conisch  angeschwollen,   indem  die  Ence- 


250 

phaloidmasse  innerhalb  seiner  Scheide  abgelagert  ist.  Die  Krankheit  kann 
sich  bis  auf  die  Mitte  der  Basis  des  Gehirns  erstrecken,  und  auf  das  Chi- 
asma  drücken.  Die  Sehhügel  oder  andere  Gehirntheile  können  entartet  und 
breiig  weich,  von  Blutexlravasalen  durchsetzt  sein.  Die  Veränderungen 
in  der  Orbita  bestehen  in  Absorption  des  Zellgewebes,  Infiltration  dessel- 
ben und  der  Muskeln  mit  Krebsmasse,  in  Ausdehnung  der  Orbilalwandun- 
gen;  ihre  Knochen,  sowie  selbst  manche  Schädelknochen  werden  zuweilen 
brüchig,  porös ,  schwärzlich  oder  breiig.  Medulläre  Deposite  findet  man 
nach  dem  Tode  auch  in  den  Eingeweiden  der  Brust-  und  Bauchhöhle,  vor- 
zugsweise in  der  Leber;  auch  an  den  Rippen. 

Die  Dauer  der  Erkrankung  ist  nicht  in  allen  Fällen  gleich ;  es  können 
von  dem  ersten  Beginne  bis  zum  Tode  mehrere  Monate  bis  2  Jahre  ver- 
streichen. Ob  ausser  dem  ungünstigen  Ausgange  noch  der  in  Atrophie 
Statt  finden  könne,  wobei  mit  dem  atrophischen  Bulbus  auch  das  Afterge- 
bilde abstirbt,  ist  noch  zweifelhaft,  da  hierbei  eine  Verwechslung  mit  einem 
andern  Leiden  Statt  finden  kann, 

Das  Encephaloid  des  Augapfels  kommt  am  häufigsten  bei  Kindern 
vor.  Von  24  Fällen,  welche  Wardrop  sammelte,  betrafen  20  Kinder  unter 
12  Jahren.  Hinsichtlich  der  Kenntniss  der  Ursachen  geht  es  uns  hier,  wie 
bei  vielen  andern  Krankheilen.  Die  Unheilbarkeit,  die  Wiederkehr  des  Lei- 
dens nach  der  Exstirpation  an  derselben  oder  an  einer  andern  Stelle  kann 
uns  in  der  Idee  einer  eigenthümlichen  Säftemischung  bestärken,  die  wir 
aber  noch  nicht  genau  kennen.  Oft  sind  es  gerade  sehr  blühend  aussehende 
Kinder,  welche  von  diesem  Uebel  befallen  werden.  Vielleicht  ist  die  Dys- 
crasie  angeerbl;  so  traf  sie  zuweilen  Kinder,  deren  Aeltern  an  einem  Krebs- 
leiden oder  anderweitig  z.  B.  syphilitisch  erkrankt  waren.  Eine  Verletzung 
des  Auges  kann  eher  nach  bereits  begonnener  Erkrankung  durch  das  sehr 
beeinträchtigte  Sehvermögen  erklärt,  als  für  eine  Ursache  des  Leidens  an- 
genommen werden.  Es  kann  jedoch  die  Verletzung  den  Ansloss  zu  fehler- 
hafter Richtung  der  Organisation  geben. 

Der  Markschwamm  der  Retina  könnte  verwechselt  werden:  1.  Mit 
Hämorrhagie  in  den  Glaskörper,  2.  Mit  andern  fungösen  nicht  bösartigen 
Krankheiten;  die  Unterscheidung  ist  sehr  schwer;  oft  entscheidet  bloss  der 
Verlauf.  3.  Mit  Cataracl  und  Dislocation  der  Linse;  eine  genaue  Untersu- 
chung des  Auges  lässl  jedoch  den  Sitz  und  die  Art  der  Trübung  in  den 
meisten  Fällen  ziemlich  genau  bestimmen.  4.  Mit  organisirten  Exsudaten  an 
der  innern  Fläche  der  Choroidea,  scrofulösen  und  tuberculösen  Ablagerun- 
gen daselbst.  Die  Diagnose  ist  oft  sehr  schwierig.  Eine  genaue  Erhebung 
der  Anamnesis,   des  Krankheilsverlaufes,   und  manche  andere  Umstände, 


25! 

wie  das  Alter  des  Krankon,  die  verminderte  Spannung  des  Bulbus,  endlich 
der  Uebergang  in  Atrophie  schützt  vor  Verwechslung".  Lawrence*)  bemerkt 
hierüber:  „Wir  sahen  in  dein  Hospitale  Kinder  mit  den  Erscheinungen  des 
Markschwainmes  im  ersten  Stadium,  nämlich  veränderter  Färbung  der  Pu- 
pille, metallisch  glänzender  Reflexion  im  Grunde  des  Auges  u.  s.  w.  Dei 
constant  ungünstige  Erfolg  der  Exslirpation  hielt  uns  von  einer  Operation 
ab.  Jedoch  blieb  in  einigen  Fällen ,  sehr  gegen  unsere  Erwartung,  der 
Krankheilszustand  einige  Zeit  derselbe,  und  hierauf  schrumpfte  der  Bulbus, 
anstatt  zerstört  zu  werden,  ein,  und  wurde  atrophisch." 

Die  Prognose  ist  der  Erfahrung  zu  Folge  sehr  ungünstig.  Selbst  eine 
frühzeitige  Exstirpalion  des  Augapfels  hatte  keinen  dauernden  Erfolg ;  das 
Uebel  kehrte  wieder,  und  jene  Fälle,  wo  permanente  Heilung  eingetreten  sein 
soll,  verdienen  hinsichtlich  der  Diagnose  kein  Vertrauen.  Unter  diesen  trauri- 
gen Umständen  bleibt  wohl  nichts  übrig,  als  die  palliative  Behandlung. 
In  einzelnen  Fällen  sind  b*  i  Anfällen  von  Entzündung  Blutegel,  Fomente 
und  andere  Antiphlogistica  indicirt.  Meistens  jedoch  sind  wir  auf  den  innern 
und  äussern  Gebrauch  narcotischer  Mittel  (Aqua  Laurocerasi ,  Acetas  mor- 
phii)  hingewiesen,  da  bei  dem  Krebse  eine  besondere  Reizbarkeit  des  Ner- 
vensystems fast  stets  vorhanden  ist.  Ausserdem  wird  von  Walshe  das  Jod 
(Deuterojodur.  Hydrarg.),  von  Pruner  die  Milchdiät  gegen  derlei  Uebel 
empfohlen.  Wenn  gleich  die  Resultate  der  vorgenommenen  Operationen 
nicht  zur  Wiederholung  einladen,  so  kann  man  doch  in  einzelnen  Fällen 
die  Exstirpation  des  degenerirten  Augapfels  wenigstens  zum  Tröste  des 
Kranken  und  seiner  Umgebung  vornehmen.  Losungen  von  Chlorkalk  die- 
nen in  solchen  Fällen  gegen  den  äusserst  üblen,  den  Kranken  und  die  Um- 
gebung belästigenden  Geruch. 

Ein  Beispiel  von  grosser  Ausbreitung  des  Uebels  liefert  folgender 
Fall:  S.  R.,  die  5jährige  Tochter  eines  israelitischen  Handelsmanns,  mit 
ziemlich  lebhaften  Gcistesfähigkeilen  begabt,  kam  am  3.  Mai  1847  mit  dem 
Zeichen  eines  beginnenden  Markschwamms  der  Retina  in  die  Augenheil- 
anstalt. In  der  Tiefe  des  rechten  Auges  war  eine  coneave,  grünlich  gelbe, 
metallisch  glänzende  Trübung  etwa  von  der  Grosse  einer  Linse  zu  beob- 
achten, die  Pupille  weit,  die  Iris  unbeweglich,  unregelmässig  retrahirt.  Die 
Kranke  klagte  über  keinen  Schmerz.  Nach  einigen  Monaten  brach  die  fun- 
göse  Degeneration  in  der  äussern  Gegend  der  Sclera  neben  der  Cornea 
nach  aussen  durch  und  bildete  bald  durch  beständige  Zunahme  eine  Ge- 
schwulst von  der  Grösse  einer  Mannsfausl,    dehnte  sich  zuletzt  auch  bis 


*)  A  treatise  uu  Ihe  diseases  ol  the  eye.     London  1833.  oay.  619. 


252 

zum  Unterkiefer  aus,  eomprimirte  den  Mundwinkel  und  die  Nase  derselben 
Seite,  erschwerte  das  Athmen  und  die  Aufnahme  der  Nahrungsmittel.  Im 
Monate  October  wurde  auch  das  linke  Auge  auf  gleiche  Weise  ergriffen, 
aus  der  Orbita  hervorgedrängt,  die  Conjuncliva  bedeckte  sich  mit  einem 
grünlich-gelben  Exsudate,  die  Cornea  brach  endlich  durch,  und  die  Ge- 
schwulst erreichte  in  diesem  Auge  die  Grösse  eines  Hühnereies.  Die  Kranke 
war  schon  seit  Monaten  von  Schmerzen  gequält,  hatte  jedoch  immer  Ess- 
ust.  Schon  gegen  Ende  Juli  trat  ein  Zehrfieber  mit  intermiltirendem  Cha- 
racter  auf,  trnd  die  Schwäche  der  Kranken  wurde  von  Tag  zu  Tag  bedeu- 
tender. Gegen  Ende  October  war  die  Kranke  im  hohen  Grade  abgezehrt, 
in  der  Mitte  der  Stirne  befand  sich  eine  flach  eiförmige,  beinahe  hühnerei- 
grosse  Geschwulst,  über  der  linken  Hälfte  des  Stirnbeins  eine  stark  con- 
vexe  bis  zum  Augenlidrand  derselben  Seile  reichende  lockere  Geschwulst, 
der  Bulbus  dadurch  aus  der  Orbita  hervorgedrängt,  die  Conjunctiva  gerö- 
thet ,  mit  etwas  angetrocknetem  grünlich  gelben  Exsudate  bekleidet ,  die 
Cornea  abgeflacht  in  ihrer  Mitte  durch  eine  etwa  hirsekorngrosse  Oeffnung 
geborsten.  Das  medullarkrebsige  Aftergebilde  des  rechten  Bulbus  erreichte 
eine  namhafte  Grösse,  erstreckte  sich  bis  zum  Rande  des  Unterkiefers  und 
war  an  der  Oberfläche  zum  Theil  verjaucht ;  die  secernirle  Flüssigkeit  ver- 
breitete einen  sehr  üblen  Geruch.  Die  Kranke  verfiel  zuletzt  in  Sopor, 
worauf  sie  einige  Tage  später  (den  4.  Nov.  1847)  ihren  Leiden  erlag.  Die 
Behandlung  war  grösstentheils  palliativ;  zur  Milderung  der  Schmerzen 
wurden  Aqua  Laurocer.  und  Opiate  verabfolgt ;  wegen  hoher  Schwäche 
auch  eine  Zeit  lang  die  Tincl.  Chinae. 

Zwischen  der  Kopfhaut  und  der  Mitte  des  Stirnbeines  fand  man  ein 
mattgraurölhliches,  äusserst  weiches,  beinahe  z erfassendes  medullarkreb- 
siges  Aftergebilde.  Das  Schädelgewölbe  war  an  der  innern  Fläche  an  zahl- 
reichen Stellen  rauh.  Die  harte  Hirnhaut  straff  über  das  Gehirn  gespannt, 
in  der  Scheitelhöhe  und  nach  vorne  von  einem  medullarkrebsigen  After- 
gebilde besetzt,  in  der  ersten  Stelle  in  der  Dicke  eines  Kartenblatles ,  an 
der  letzteren  in  der  Dicke  von  3  —  4"'.  Die  innere  Hirnhaut  blutarm, 
serös  durchfeuchtet,  Hirnsubstanz  in  hohem  Grade  blutarm,  weich,  die  Sei- 
tenkammern erweitert ,  blassröthlich  gefärbtes  Serum  enthaltend.  An  der 
Basis  des  Gehirns,  dem  Chiasma  der  Sehnerven  entsprechend,  ein  hühner- 
eigrosses,  sehr  lockeres,  medullarkrebsigcs  Aftergebilde,  welches  mit  den 
innern  Hirnhäuten  und  mit  der  Dura  malcr  fest  verschmolzen  und  in  dem 
der  rechte  Sehnerve  völlig  untergegangen,  der  linke  etwas  angeschwollen 
und  blass  war.  Das  Aftergebilde  reichte  von  der  Sattelgrube  aus  unter 
der  Dura  mater  in  die  rechte  mittlere  Schädelgrube  in  Form  einer  beinahe 
wallnussgrossen  Geschwulst.     In  der  linken   vordem  Schädelgrube  unter 


253 

der  dura  mater  ein  hühnereigrosses  mit  dem  vorigen  nicht  eommuniciren- 
des,  breiig  zerfliessendes,  medullarkrebsiges  Aftergebilde;  die  Schädelkno- 
chen an  den  entsprechenden  Berührungspuncten  rauh.  —  Das  hintere  Me- 
diastinum an  einer  2  Zoll  langen  Stelle  der  Mitte  des  Oesophagus  entspre- 
chend erweicht  und  in  beide  Bruslräume  herein  durchbrochen.  Die  Pleura 
im  hintern  Umfange  des  hintern  untern  Lappens  schmutzig  bräunlich, 
morsch;  der  rechte  untere  Lungenlappen  dunkelbraunroth  hepatisirt.  Hin- 
ter dem  rechten  Pleurasäcke  nahe  der  Wirbelsäule  2  bohnen-  bis  hasel- 
nussgrosse  Krebsknoten.  In  der  Bauchhöhle  in  der  Umgebung  der  Milz 
etwa  2  Unzen  schmutzigbräunliche  Flüssigkeil,  in  der  Peripherie  der  Leber 
mehrere  hanfkorn-  bis  haselnussgrosse  Medullarkrcbsknoten.  Die  Häute 
des  Magens  am  Fundus  erweicht,  an  einer  Stelle  durchbrochen,  der  Peri- 
tonäalüberzug  des  Zwerchfells  dem  Magengrunde  entsprechend  in  ein  mor- 
sches, schmutziges  Gewebe  zerfallen, 

Zu  den  Melanosen  gehören  die  Aftergebilde,  welche  durch  einen 
Reichthum  von  Pigmenlkörnchen  ausgezeichnet  sind ,  daher  ein  schwärz- 
liches Ansehen  haben.  Man  trifft  diese  Geschwülste  an  jenen  Stellen  ins- 
besondere, wo  viel  Kohlenstoff  abgelagert  wird,  daher  am  Sehorgane  im 
Fettgewebe  der  Orbila  und  in  der  Choroidea.  Die  melanotische  Masse  fin- 
det man  im  flüssigen  Zustande  auch  in  den  kleinen  Blutgefässen  in  der  Nähe 
der  melanotischen  Ablagerungen.  Am  Auge  kommen  Melanosen  entweder 
in  Combination  mit  Krebs  vor,  (Pigmentkrebs)  oder  mit  andern  Ge- 
schwülsten. Sie  befallen  vorzüglich  das  höhere  Lebensalter  und  das  weib- 
liche Geschlecht;  niemals  das  Kindesalter.  Unter  den  ätiologischen  Momen- 
ten ist  Alles  zu  betrachten,  was  die  Ausscheidung  des  Kohlenstoffs  aus  dem 
Blute  hindert,  wofür  die  Häufigkeit  der  Melanosen  im  Greisenalter  und 
bei  dem  weiblichen  Geschlechle  spricht.  Melanotische  Geschwülste  des 
Augapfels  gehen  häufig  von  der  Bindehaut ,  von  der  äussern  oder  innern 
Fläche  der  Sclerolica  oder  von  der  Aderhaut  und  dem  Ciliarkörper  aus, 
und  verändern  und  verdrängen  den  Augapfel  auf  mannigfache  Weise.  Es 
können  die  Gebilde  desselben  selbst  bei  grossen  melanotischen  Geschwül- 
sten ganz  unversehrt  sein,  oder  sie  erleiden  durch  Druck,  Zerrung  oder 
Infiltration  mit  der  melanotischen  Masse  manche  Veränderungen,  namentlich 
Schrumpfung  und  Atrophie.  Die  benachbarten  Lymphdrüsen  werden  selten 
infiltrirt.  Kommt  die  Melanose  in  Verbindung  'mit  dem  Fungus  medullaris 
vor,  so  treten  auch  die  Erscheinungen  des  letzleren,  und  die  traurigen  Fol- 
gen desselben  (Zerstörung  des  Augapfels ,  weitere  Verbreitung  der  Krank- 
heit u.  s.  w.)  ein.  Ueberhaupt  haben  die  Symptome  der  Melanose  nichts 
Eigenthümliches;  sie  hängen  ab:    1.  von  der  chronischen  Irritation,  die  sie 


254 

an  den  verschiedenen  Geweben  hervorrufen;  2.  von  dem  gleichzeitigen 
Bestehen  anderer  accidenteller  Aftergebilde;  und  3-  von  der  Störung,  die 
sie  auf  die  Function  mancher  Organe  durch  ihre  Gegenwart  ausüben,  indem 
sie  oft  wie  ein  fremder  Körper  wirken.  Die  ziemlich  leicht  und  oft  eintre- 
tenden Blutungen  erfolgen  nicht  aus  dem  melanolischen  Gewebe,  sondern 
von  den  benachbarten  Gefässen.  Schmerz  ist  bei  Melanose  zuweilen  gänz- 
lich fehlend.  Eigenlhümlich  ist  ihr  auch,  dass  sie,  bevor  sie  örtliche  Abla- 
gerungen bildet,  durchaus  keine  Veränderungen  im  äussern  Habitus  und 
den  Functionen  bedingt,  und  die  auf  der  Höhe  des  Leidens  entwickelte 
Cachexie  gehört  den  hiervon  abhängigen  Functionsstörungen,  nicht  der 
Dyscrasie  selbst  an.  Die  Melanose  des  Augapfels  könnte  mit  einem  Staphy- 
lome  der  Sclerotica  oder  mit  dem  Cirsophlhalmus  (Verbildung  des  Bulbus 
durch  Ausdehnungen  der  Sclerotica)  verwechselt  weiden.  In  solchen  Fäl- 
len sichert  die  möglichst  genaue  Erhebung  der  Entstehung  des  Uebels,  die 
genaue  Betastung  des  Augapfels,  der  sich  bei  der  Melanose  nicht  so  prall, 
sondern  etwas  weicher  anfühlt,  und  in  sehr  zweifelhaften  Fällen  auch  ein 
exploraliver  Einstich  in  die  Höhle  des  Bulbus  durch  die  Sclera  die  Diagnose. 
Es  wird  nämlich  beim  Scleralstaphylome  nach  dem  Einsliche  eine  dünne 
Flüssigkeil  hei  vorspritzen,  bei  der  Melanose  drängt  sich  jedoch  eine  me- 
lanotische  weiche  Masse  durch  den  Einslichspunkt  hervor.  Die  Exstir- 
pation  der  melanolischen  Geschwülste  kann  unter  Umständen  unerträg- 
liche Leiden  beseitigen,  und  auch  das  Leben  für  längere  Zeit  erhalten.  Da 
viele  Fälle  vorliegen,  wo  die  Heilung  nach  der  Operation  eine  anhallende 
war,  so  ist  jedenfalls  die  Prognose  besser,  als  beim  Fungus  medullaris;  es 
scheint  jedoch,  dass  jene  Melanosen  des  Auges,  welche  mit  Erfolg  exstir- 
pirt  wurden,  nicht  Krebse  waren,  sondern  zu  jener  Gattung  der  Geschwülste 
gehörten,  welche  gutartige  Melanosen  genannt  wurden.  Befindet  sich  die 
Melanose  mehr  an  der  Aussenscite  des  Bulbus,  geht  sie  von  der  Conjunc- 
tiva  oder  äussern  Fläche  der  Sclera  aus,  so  kann  man  die  Geschwulst  sorg- 
fältig vom  Bulbus  lostrennen  und  die  Wundfläche  mit  Lapis  ätzen,  um  das 
Wiederkeimen  zu  verhüten.  Geht  jedoch  die  Melanose  vom  Innern  des 
Augapfels  aus,  so  ist  die  Exstirpation  desselben  angezeigt. 

Fall.  F.  W.,  ein  33jähriger  Taglöhner,  von  grosser  Statur,  ziemlich 
hagerem  doch  kräftigem  Körperbau,  etwas  blassgelber  Gesichtsfarbe,  war 
seiner  Aussage  nach  stets  ziemlich  gesund,  bis  auf  eine  nicht  näher  bezeich- 
nete Krankheit,  die  er  vor  mehreren  Jahren  überstand  und  als  deren  Symp- 
tome er  vorzüglich  Schwindel  und  Kopfschmerz  bezeichnete.  Das  Leiden 
des  rechten  Auges  begann  ungefähr  1 1/2  Jahr  vor  seinem  Eintritte  ins  Spi- 
tal (den  23.  April  1851)  mil  einem  Gefühle  von  Zittern   in   den  Lidern  und 


255 

im  Augapfel,  Funkensehen  besonders  beim  Bücken,  und  heftigen  drückenden 
und  reissenden  Schmerzen  im  Auge  und  der  leidenden  Kopfhälfle.  Das 
Sehvermögen  nahm  rasch  ab  und  erlosch  endlich  gänzlich.  Um  Weihnach- 
ten bemerkte  er  eine  Vergrösserung  dieses  Auges;  ungefähr  vor  7  Wochen 
soll  nach  vorausgegangenem  heftigen  Schmerze  das  Volum  des  Augapfels 
plötzlich  zugenommen  und  die  bei  der  Untersuchung  beobachtete  Grösse 
erreicht  haben.  Man  fand  das  rechte  Auge  auf  das  doppelle  vergrössert, 
aus  der  Orbita  mehr  hervorragend,  die  Bindehaut  des  Augapfels  dunkel 
gerölhet  und  ödematös  angeschwollen,  die  Hornhaut  abgeflacht  und  leicht 
getrübt,  die  vordere  Kammer  aufgehoben,  die  Sclcrotica,  so  weit  man  sie 
besehen  konnte,  bläulich,  livid,  verdünnt  und  stark  gespannt,  um  den  Cor- 
nealrand  stärker  hervorgelrieben,  jedoch  keine  einzelnen  Wülste  darstel- 
lend. Neuralgische  Schmerzen  im  Auge  und  der  Umgebung  desselben 
quälten  zeilweise  den  Kranken.  Weder  von  Sehvermögen  noch  von  Licht- 
empfindung eine  Spur.  Das  linke  Auge  zeigte  sich  nicht  verändert,  war 
auch  nicht  schmerzhaft,  doch  zeilweise  mit  Mückensehen  (schwarze  Flecken) 
behaftet,  das  Sehvermögen  desselben  getrübt.  Bei  einer  exploraliven  Punc- 
tion  durch  die  Sclera  entleerte  sich  kein  Fluidum,  sondern  es  drängte  sich 
eine  schwärzliche  pulpöse  Masse  etwas  hervor;  der  Bulbus  fühlte  sich 
etwas  matscher  an.  Aus  den  angeführten  Erscheinungen  Hess  sich  schlies- 
sen,  dass  hier  nicht  blosses  Sclerolicalslaphylom,  sondern  wahre  Melanose 
der  Veränderung  des  Bulbus  zu  Grunde  lag,  daher  am  24.  April  die  Exslir- 
pation  des  Auges  vorgenommen  wurde.  Bei  der  Untersuchung  zeigte  sich 
die  Sclera  nach  vorne  zu  dünner,  nach  rückwärts  dicker  und  den  unter- 
liegenden Geweben  mehr  adhaerent;  die  Iris  relrahirt,  in  ihrem  Gewebe 
atrophisch,  die  Linse  gross,  weich,  cataraetös  getrübt.  Das  Innere  des  Bul- 
bus füllte  eine  weiche,  schwarze,  melanolische  Krebsmasse  aus,  so  dass 
man  weder  Aderhaut,  noch  Netzhaut,  noch  Glaskörper  entdecken  konnte. 
(Bei  der  microscop.  Untersuchung  wurde  von  der  Aderhaut  noch  etwas 
Stroma  [Fasern]  aufgefunden.)  Die  melanolische  Masse  durchdrang  die 
Sclerotica  nach  unten  vom  Sehnerven  sowohl  nach  aussen  als  nach  innen, 
und  communicirle  so  mit  der  in  der  Höhle  der  Orbita  enthaltenen  Masse. 
Der  Eintritt  des  N.  opt.  ins  Auge  etwas  zusammengeschnürt,  der  Nerve 
selbst  schwärzlich  und  in  seinen  Fibrillen  von  melanotischer  Substanz 
durchsetzt. 

Die  Extirpatio  bulbi  ist  angezeigt:  1.  Bei  Degeneration  des 
Augapfels,  wenn  dieselbe  auf  keine  andere  Weise  zu  heben,  mit  bedeuten- 
derEntstellung  verbunden  ist,  und  dem  Leben  Gefahr  droht,  daher  beihohem 
Grade   von   Hydrophlhalmus  posterior,   von   Cirsophlhalmus,   beim  Fungus 


256 

medullaris  und  melanodes  des  Augapfels.  2.  Bei  ähnlichen  Degeneratio- 
nen der  Gebilde  der  Orbita,  welche  ohne  Entfernung  des  Bulbus  nicht  be- 
seitigt werden  können.  3.  Beim  Vorfalle  des  Augapfels  nach  Zerreissung 
der  Muskeln,  wenn  bereits  brandige  Zerstörung  droht. 

Bedingungen  zur  Vornahme  der  Operation  sind:  1.  dass  das  After- 
gebilde noch  beweglich  und  in  seiner  Totalität  erreichbar  ist;  2.  dass  keine 
bedeutende  Dyscrasie  den  operativen  Eingriff  hindert  und  3.  dass  derKräfle- 
zustand  des  Kranken  noch  so  bestellt  ist,  dass  er  denselben  ertrage. 

Die  Operation  wird  auf  folgende  Weise  verübt:  Nachdem  alles  zu 
diesem  Eingriffe  Nölhige  vorbereitet,  der  Patient  sitzend  (wenn  es  ein  Kind 
ist,  liegend,  die  Glieder  in  ein  Leintuch  gehülll)  gelagert,  ein  Gehülfe  zur 
Feslhallung  des  Kopfes,  des  obern  und  untern  Augenlides,  einer  zur  Dar- 
reichung der  Instrumente  und  sonstigen  Hülfeleislung  angestellt  worden, 
und  der  Kranke  wegen  Schmerzhaftigkeit  der  Operation  narcotisirt  wurde, 
lässt  der  Operateur  von  dem  Gehülfen,  dem  die  Handhabung  des  Kopfes 
übertragen  ist,  beide  Augenlider  mittelst  stumpfer  Hacken  oder  der  Pellier'- 
schen  Augenlidhalter  vom  Bulbus  abziehen,  und  erweitert,  falls  der  letztere 
nicht  genug  blossgelegt  ist,  durch  Einschneiden  der  äussern  Commissur 
die  Lidspalle.  Hierauf  fasst  er  den  Augapfel  mit  einem  grössern  Augen- 
hacken, sticht  ein  spitzes  Scalpel  oder  Bistourie  zwischen  dem  Augapfel 
und  dem  untern  Augenlide  an  der  Seite  des  innern  Augenwinkels  etwa 
V2  Zoll  tief  ein,  und  führt  es  in  sägeartigen  Zügen  gegen  den  äussern  Winkel, 
um  die  Verbindung  des  Augapfels  nach  unten  durchzutrennen.  Sollte  das 
zu  entfernende  Gebilde  sehr  weich  und  locker  sein,  z.  B.  Markschwamm, 
so  dass  der  Hacken  stets  ausreisst,  so  fasst  man  es  mittelst  eines  feinen 
Leinwandläppchens  mit  den  Fingern.  Hierauf  wird  die  Cooper'sche  oder 
grosse  Louis'sche  Scheere,  die  Convexität  nach  abwärts  gekehrt,  in  die 
gemachte  OefTnung  eingeführt,  daselbst  geöffnet,  und  so  weit  als  mög- 
lich nach  rückwärts  geführt,  mit  nach  abwärts  gehaltenen  Ringen  der 
Scheere,  um  den  Sehnerven  zu  fassen,  und  denselben  zu  durchtrennen. 
Diess  geschehen,  wird  ein  Arm  der  Scheere  eingeführt,  mit  dem  andern 
umgreift  man  so  viel  als  möglich  von  den  abzulösenden  Gebilden,  und  sucht 
nun  durch  2  bis  3  Scheerenschnitle  das  gesammte  Aftergebilde  oder  den 
entarteten  Bulbus  zu  entfernen.  Die  Blutung  wird  durchEinspritzungen  von 
kaltem  Wasser  gestillt,  und  hierauf  die  Orbita  in  allen  Richtungen  mit  dem  Fin- 
ger genau  untersucht,  um  alle  verdächtigen  Partien,  die  sich  durch  Härte  kund 
geben,  nachträglich  zu  entfernen.  Sollte  das  Aftergebilde  die  Orbita  so  aus- 
füllen, dass  zurEinführung  der  Scheere  kein  Raum  ist,  so  kann  man  sich  zur 


257 

Exstirpation  eines  krummen,  zweischneidigen  Exslirpationsmessers  bedie- 
nen *).  Ohne  die  Augenhöhle  mit  Charpie  auszufüllen,  welche  nur  einen 
nachtheiligen- Reiz  ausüben  würde,  wird  die  Lidspalte  geschlossen,  über 
dieselbe  ein  Charpiebäuschchen  gelegt  und  mit  Klebepflaster  befestigt,  und 
wieder  über  diese  trockene  Charpie  angelegt  und  durch  hinreichend  lange 
Klebpflasterstreifen  wohl  befestigt.  Die  Nachblutung-  wird  auf  solche  Weise 
durch  das  in  die  Orbita  aussickernde  und  allda  coagulirende  Blut,  dem  jeder 
Ausweg-  verschlossen  ist,  aufs  einfachste  und  sicherste  gestillt.  Um  jede 
stärkere  Reaction  zu  verhindern,  weiden  Eisüberschläge  über  den  Kopf 
und  die  Stirn  gemacht  und  innerlich  eine  Mandelmilch  mit  Nitrum  oder 
etwas  Aqua  Laurocerasi,  oder  eine  Limonade  gereicht.  Tritt  Eiterung  ein, 
so  muss  sich  der  Patient  auf  die  kranke  Seite  legen,  damit  der  Eiter  an  die- 
ser abfliessen  könne.  Der  Verband  wird  den  5.  oder  6.  Tag  abgenommen,  von 
nun  an  täglich  1  bis  2  Mal  gewechselt,  undhierbei  werden  Einspritzungen  von 
lauem  Wasser  oder  Decoctum  malvae,  bei  beginnender  Granulation  von  Inf. 
herb,  salviae  und  rutae  mit  dem  Zusätze  von  etwas  Opiumtinctur,  bei  star- 
ker Eiterung  mit  Alaunlösung  oder  einem  Eichenrindendecocte  gemacht, 
hie  und  da  keimende  schwammichte  Wucherungen  aber  mit  Alumen  ustum 
oder  der  Jodtinctur  getilgt. 

Die  Thränendrüse  nimmt  beim  Krebse  des  Augapfels  und  der 
Orbita  sehr  häufig  Antheil  an  dem  Leiden.  Als  eine  sehr  gefährliche, 
schwer  zu  diagnosticirende  Krankheit  ist  noch  die  Hydatide  der  Thrä- 
nendrüse zu  erwähnen,  welche  von  A.  Schmidt  und  Beer  beobachtet 
wurde,  wobei  die  Thränendrüse  sehr  anschwillt,  Exophthalmus  oder  Exoph- 
thalmie  eintritt,  und  durch  Affection  der  Gehirnhäute  und  des  Gehirns  der 
Tod  erfolgt. 

Der  Krebs  der  Orbita  kommt  öfters  zugleich  mit  dem  Augapfel- 
krebs vor,  oder  ei  tritt  in  der  Orbita  nach  der  Exstirpation  eines  krebsig 
degenerirlen  Bulbus  auf.    Eine   besondere  Krebsform   ist  das  sogenannte 


*)  Bonnets  Methode  der  Exstirpation  des  Augapfels  besteht  darin,  dass 
man  zuerst  den  M.  rectus  internus  auf  die  bei  der  Myotomia  ocularis  anzuge- 
bende Weise  durchtrennt,  hierauf,  indem  man  die  Scheere  unter  der  Bindehaut 
durch  die  gemachte  Wunde  weiterschiebt,  nach  einander  alle  geraden  Augen- 
muskeln nahe  an  ihrer  Insertion  am  Bulbus  durchschneidet.  Hierauf  hat  man 
nur  die  beiden  Obliqui  und  den  Sehnerven  zu  durchtrennen,  und  der  Augapfel 
kann  sodann  mit  Zurücklassung  des  Fettgewebes  der  Orbita  entfernt  werden. 
Es  ist  begreiflich,  dass  diese  Methode  iu  den  wenigsten  Fällen  ihre  Anwendung 
finden  kann,  da  sie  nur  für  jene  passt,  wo  die  Affection  auf  den  Augapfel  be- 
schränkt, und  derselbe  nicht  sehr  vergrössert  ist. 

M  ey  r,  Augenheilkunde,  17 


258 

bösartige  Osteoid,  eine  feinzellige,  zerbrechliche  oder  feslere  Knochen- 
masse, welche  an  der  Oberfläche  in  unzählige  BläUchen  und  Fasern  endet, 
und  welche  von  der  spongiösen  Substanz  der  Orbita  auszugehen  scheint. 
Es  ist  jedoch  als  Markschwamm  zu  betrachten,  da  in  den  Poren  des  Kno- 
chengerüstes das  Parenchym  des  Markschwammes  enthalten  ist,  und  es 
von  einer  eigentümlichen  Constitution  abhängig  ist.  Seine  Bösartigkeit 
gibt  sich  durch  einzelne  Symptome,  stärkere  Röthe,  Gefässentwicklung, 
schnelleres  Wachslhum,  flüchtige  stechende  Schmerzen  im  Kopfe  kund. 
Eine  Operation  ist  bei  dieser  Krankheitsform  nicht  anzurathen,  da  sie  stets 
ohne  Erfolg  ist,  indem  man  nicht  alles  Krankhafte  entfernen  kann. 


VIERTER  ABSCHNITT. 


Neurosen. 

Das  Nervensystem  ist  im  Augapfel  und  dessen  Nebengebilden  nicht 
nur  durch  zahlreiche  Nerven,  welche  theils  dem  animalen,  theils  dem  vege- 
tativen Systeme  angehören,  sondern  auch  durch  die  häutige  Ausbreitung 
des  Opticus  (die  Netzhaut)  und  durch  ein  dem  Gesichtssinne  angehöriges 
Ganglion  (den  Augenknolen)  vertreten.  Die  Thätigkeit  der  Augennerven 
offenbart  sich  entweder  als  bewusstwerdende  Empfindung  (sensitive  Ner- 
ven), oder  durch  Contraction  der  von  ihnen  versorgten  Muskeln  (motorische 
Nerven)  oder  als  specifische  Sinnesempfindung. 

Der  Sehnerve,  Nervus  opticus,  entspringt  aus  den  Vierhügeln,  Seh- 
hügeln und  dem  äussern  Kniehöcker  als  ein  platter,  bandartiger  Streif 
(Sehstreifen),  schlingt  sich  um  den  Hirnschenkel  von  aussen  nach  innen 
herum  und  nähert  sich  dem  der  andern  Seile  so  sehr,  dass  beide  vor  dem 
Trichter  zusammenstossen,  und  durch  partiellen  Austausch  ihrer  Fäden  das 
sogenannte  Chiasma  opticum  bilden,  von  welchem  aus  beide  Sehnerven 
als  rundliche,  feste  Stränge  divergiren,  durch  das  Sehloch  des  Keilbeins  in 
die  Augenhöhle  treten,  und  vom  Fettpolster  der  Orbita  umgeben  zum  Bul- 
bus laufen,  wo  sie  3mm — 4mm  von  hintern  Pole  desselben  gegen  die  Nasen- 
seite zu  die  Sclerotica  und  Choroidea  durchbohren,  um  als  Netzhaut  zu  en- 
den, welche  somit  die  Ausbreitung  des  Sehnerven  darstellt.  Der  Sehnerve 
ist  in  der  Augenhöhle  von  einem  dicken  Neurilema  überzogen,  welches 
von  der  harten  Hirnhaut  stammt,  und  von  der  Arteria  centralis  und  einem 
kleinen  sympathischen  aus  dem  Ganglion  ciliare  stammenden  Nervenfädchen 
durchbohrt  wird.  An  der  Durchschnittsfläche  des  Nervus  opticus  nahe  am 
Bulbus  sieht  man  die  Arteria  centralis  in  der  Achse  des  Nervens  verlaufen, 

17* 


260 

daher  schon  von  Galen,  Eustach,  Arantius,  Riolan  und  andern  Anatomen 
ein  Canal  im  Innern  des  Sehnerven  angenommen  wurde. 

Der  Sehnerve  erscheint  in  seiner  ganzen  Länge  vollkommen  unem- 
pfindlich und  reagirt  als  specirischer  Sinnesnerve  nur  durch  Licht-  und 
Farbenempfindungen  auf  Reize  aller  Art,  die  ihn  treffen.  Er  leitet  die  Ein- 
drücke der  Retina  dem  innern  Sehorgane,  dem  Gehirne  zu.  Es  ist  jedoch 
bekannt,  dass  auch  vollkommene  Lähmung  der  Retina  und  des  peripheri- 
schen Opticus  nicht  die  Möglichkeit  aufhebt,  dass  aus  innern  Ursachen 
Lichtbilder  entstehen.  Bewegungen  veranlasst  der  Sehnerve  nur  auf  reflecto- 
rischem  Wege  in  Theilen,  zu  welchen  er  selbst  nicht  geht  (Iris,  Augenlider). 

Der  Empfindungsnerve  des  Auges  ist  der  Augenast  des  fünften 
Gehirnnerven.  Dieser,  der  Nervus  trigeminus,  entspringt  mit  zwei  ge- 
trennten Wurzeln,  Die  hinlere  stärkere  Wurzel  kommt  aus  einer  Furche 
der  vordem  Fläche  des  Grus  cerebelli  ad  pontem,  und  von  dem  strangför- 
migen  Körper  der  Medulla  oblongata;  die  vordere  kleinere  Wurzel  ent- 
springt aus  der  Varolsbrücke  und  der  Pyramide  des  verlängerten  Marks. 
Beide  Wurzeln  legen  sich  an  einander,  schieben  sich  in  die  äussere  Wand 
des  Sinus  cavernosus  ein,  wo  die  hinlere  Wurzel  durch  Spaltung  und  Ver- 
strickung ihrer  Fasern  ein  Geflecht  bildet,  dessen  Zwischenräume  mit 
grauer  Ganglienmasse  ausgefüllt  werden  (Ganglion  Gasseri),  und  von  dessen 
nach  unten  und  aussen  gekehrtem  convexen  Rande  die  drei  Hauptäste  des 
Quintus  entspringen.  Der  Ramus  ophthalmicus  läuft  durch  die  Fissura  orbi- 
talis  sup.  in  die  Augenhöhle,  wo  er  sich  in  drei  Zweige  trennt.  Diese  sind: 
a.  Der  Thränennerve,  N.  lacrymalis.  Er  geht  am  obern  Rande  des 
Rectus  ext.  zur  Thränendrüse,  und  versorgt  diese,  so  wie  mit  austretenden 
Fäden  die  Conjunctiva  und  die  Haut  des  äussern  Augenwinkels.  Er  ver- 
mittelt die  Absonderung  der  Thränenfeuchtigkeil.  b.  Der  Stirn  nerve 
liegt  unter  dem  Dache  der  Orbila  und  theill  sich  in  folgende  Zweige:  oc.  den 
N.  supratrochlearis,  welcher  nach  innen  und  vorne  über  den  Muse,  troch- 
learis  geht,  und  in  derHaut  des  obern  Augenlides  und  der  Slirne  sich  ver- 
zweigt; ß.  den  N.  frontalis  und  y.  den  N.  supraorbilalis,  von  denen  der 
erstere  sich  über  das  innere  Ende  des  Augengrubenrandes,  der  letztere 
durch  das  Foramen  supraorbilale  zur  Slirne  begibt,  um  in  der  Haut  und 
den  Muskeln  bis  zum  Scheitel  und  zur  Schläfengegend  sich  zu  verbreiten, 
c.  Der  Nasen- Augennerve  (N.  naso-ciliaris)  begleitet  die  Art.  ophthal- 
mica  an  der  äussern  Seite  des  Sehnerven,  gibt  die  lange  Wurzel  zum  Ciliar- 
knoten  ab,  schlägt  sich  über  den  Sehnerven  nach  innen,  schickt  hier  ] — 2 
Ciliarnerven  ab,  und  theilt  sich  in  den  N.  pthmoidalis,  welcher  durch  das 
Foramen  ethmoidale  ant.  in  die  Schädelhöhle,  und  von  da  durch  die  Lamina 
eribrosa  in  die  Nasenhöhle  dringt  und  sich  daselbst  in  der  Schleimhaut  ver- 


261 

breitet,  und  in  den  N.  inlratrochlearis,  welcher  an  der  innern  Augenhöhlen- 
wand zur  Rolle  geht,  und  unter  dieser  hervorkommend,  sich  im  obern 
Augenlide,  Thränensack,  Thränencarunkel  und  Bindehaut  verliert.  Fäden 
des  Quintus  gehen  auch  zu  den  Augenmuskeln,  und  verbreiten  sich  in 
denselben. 

Dass  der  Augenast  des  Quintus  ein  Empfindungsnerve  sei,  ist  durch 
Viviseclionen,  so  wie  durch  pathologische  Thatsachen  erwiesen.  Nach 
Trennung  der  hintern  Wurzel  oder  Aufhebung  ihrer  Leitung ,  verlieren 
die  Haut  der  Stirn,  Schläfe,  die  Conjuncliva,  die  Nasen-  und  Mundschleim- 
haut, die  Lippen  und  die  Zunge  ihre  Empfindung,  und  in  Folge  dessen  tre- 
ten keine  Reflexbewegungen  mehr  ein ;  daher  die  Augenlider  sich  nicht 
mehr  schliessen,  wenn  die  Conjuncliva  mechanisch  gereizt  wird.  Der  N. 
quintus  hat  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Ernährung  des  Auges.  Nach 
Durchschneidung  desselben  in  der  Schädelhöhle  erfolgt  Röthung  und  Auf- 
lockerung der  Conjuncliva,  vermehrte  Schleimabsonderung,  Füllung  der 
vordem  und  hintern  Augenkammer  mit  Exsudat,  Mattwerden  und  Erosio- 
nen, endlich  Malacie  der  Hornhaut,  Bersten  der  Cornea  und  des  Bulbus, 
Einschrumpfen  des  Auges.  Die  Krystalllinse  und  der  Glaskörper  schienen 
immer  ihre  vollkommene  Durchsichtigkeit  zu  behaupten.  Diese  Ernährungs- 
störungen, welche  eintreten,  wenn  man  den  Trigeminus  in  der  mittleren 
Schädelgrube  in  der  Höhe  des  halbmondförmigen  Knotens  durchschnei- 
det, zeigen  sich  kaum,  wenn  man  denselben  Nerven  durchschneidet, 
ehe  er  auf  das  Felsenbein  gelangt,  seinem  Ursprünge  näher.  Es  scheint, 
dass  die  im  ersten  Falle  beobachteten  Folgen,  sowohl  von  der  Verletzung 
des  halbmondförmigen  Knotens,  als  von  der  des  Sympathicus  abhängen, 
welcher  hier  mit  diesem  Knoten  und  dem  Augenaste  mehrfach  sich  verbin- 
det. Denn  man  hat  auch  nach  einseitiger  Durchschneidung  des  obersten 
Halsknolens  des  Sympathicus  Ernährungsstörungen  am  Auge  derselben 
Seite  und  Verengerung  der  Pupille  beobachtet 

Die  Frage,  ob  der  dreigelheilte  Nerve  den  Riech-,  Seh-  und  Hörner- 
ven ersetzen  könne,  scheint  nach  allen  Beobachtungen  verneinend  gelöst 
zu  sein.  Wenn  nun  auch  der  Quintus  mit  dem  directen  Sehen  nichts  zu 
thun  hat,  so  hat  er  doch  einen  wichtigen  Einfluss  auf  die  vermittelten  Ge- 
sichtsempfindungen (vergl.  S.  14).  Da  er  nämlich  dem  Muskelgefühle  vor- 
steht, so  entstehen  dadurch  Empfindungen,  welche  auf  der  qualitativen  und 
quantitativen  Beurlheilung  der  Motilität  des  Auges  beruhen.  Durch  dieses 
ausserordentlich  feine  Gefühl  weiden  wir  in  den  Stand  gesetzt,  Urtheile 
über  die  Grösse  der  Gegenstände,  über  die  Schätzung  der  Distanzen  und 
Bewegungen  abzugeben. 

Die  motoris  chen  Nerven  werden  dem  Auge  und  dessen  Neben- 


262 

theilen  durch  das  dritte ,  vierte ,  sechste  und  siebente  Paar  der  Gehirnner- 
ven zugeführt.  Das  dritte  Paar,  der  Nervus  oculomotorius  entspringt  von 
den  innern  Faserbündeln  des  Pedunculus  cerebri,  läuft  schief  nach  vorn 
und  aussen,  wird  von  der  obern  Wand  des  Sinus  cavernosus  aufgenommen, 
und  tritt  in  zwei  Aeste  getheilt,  durch  die  Fissura  orbilalis  superior  in  die 
Augenhöhle.  Der  obere  Ast  ist  kleiner,  und  versieht  bloss  den  M.  levator 
palpebrae  sup.  und  den  Rectus  superior;  der  untere  grössere  Ast  zerfällt  in 
drei  Zweige,  welche  den  Rectus  internus,  Rectus  inferior  und  Obliquus  in- 
ferior versorgen.  Letzterer  Zweig,  welcher  der  längste  ist,  gibt  die  kurze 
oder  dicke  Wurzel  des  Ciliarknotens  ab. 

Das  vierte  Paar,  der  Roll  nerve  (N.  trochlearis  s.  patheticus)  ent- 
springt aus  der  grauen  Gehirnklappe,  schlägt  sich  um  den  Processus  cere- 
belli  ad  corpora  quadrigemina  und  um  den  Pedunculus  cerebri  nach  vorn 
und  innen,  durchbohrt  die  harte  Hirnhaut  hinter  dem  Processus  clinoideus 
posterior,  und  tritt  durch  die  Fissura  orbitalis  sup.  in  die  Augenhöhle ,  wo 
er  an  der  obern  Wand  derselben  sich  nach  innen  wendet ,  und  im  obern 
schiefen  Augenmuskel  verzweigt. 

Das  sechste  Paar,  der  äussere  Au  genmuskel  n  er  ve  (N.  abdu- 
cens)  kommt  aus  der  Pyramide  des  verlängerten  Marks  und  geht  zur  hin- 
tern Wand  des  Sinus  cavernosus,  welche  er  durchbohrt.  Im  Sinus  caver- 
nosus nimmt  er  Fäden  vom  Plexus  caroticus  auf,  durchbohrt  dessen  vor- 
dere Wand,  und  geht  durch  die  Fissura  orb.  sup.  in  die  Augenhöhle,  wo  er 
zur  innern  Fläche  des  Rectus  exlernus  tritt,  um  sich  in  ihm  zu  verzweigen. 

Das  siebente  Paar  (N.  facialis)  versorgt  mit  seinen  Schläfen-  und 
Jochzweigen  den  M.  orbicularis  palpebrarum. 

Das  Ganglion  ciliare,  der  Blendungsknoten,  ist  ein  rund- 
lich-eckiges Knötchen  von  1'"  Durchmesser,  liegt  in  der  Augenhöhle  an 
der  äussern  Seile  des  N.  opticus ,  nimmt  am  hinlern  Umfange  seine  Wur- 
zeln auf,  und  gibt  am  vordem  Rande  seine  Aeste,  die  sogenannten  Ciliar- 
nerven ab.  Die  Wurzeln  desselben  sind:  a.  die  kurze  oder  motorische 
Wurzel  vom  N.  oculomotorius;  b.  die  lange  oder  sensitive  Wurzel  vom 
N.  naso-ciliaris ;  c.  die  sympathische  oder  trophische  Wurzel ,  welche  von 
dem  Plexus  caroticus  im  Sinus  cavernosus  herstammt.  Die  Aeste  des  Ciliar- 
knotens, die  Ciliarnerven,  laufen  10 — 16  an  der  Zahl  zur  hinlern  Periphe- 
rie des  Bulbus,  dessen  Sclerolica  sie  durchbohren,  um  zwischen  dieser  und 
der  Choroidea  nach  vorn  zum  Orbiculus  ciliaris  zu  verlaufen,  in  welchem 
sie  sich  zu  einem  Geflechte  auflösen,  aus  welchem  die  eigentlichen  Irisner- 
ven, und  die  kaum  sichtbaren  Hornhautnerven  entspringen.  Die  längeren 
Ciliarnerven,  zwei  an  Zahl,  verlaufen  nach  aussen  und  nach  innen  im  Quer- 
durchmesser des  Bulbus.    Sehr  feine  Ciliarnerven  sollen  sich  auch  in  der 


263 

Retina  verbreiten,  so  wie  deren  Gefässe  begleiten  (Ribes,  Foderaro,  Tie- 
demann).  > 

Die  drei. Nerven  der  Augenmuskeln  sind  vorzugsweise  motorischer 
x>Jatur.  Der  obere  Ast  des  Oculomolorius  enthält  Empfindungsfasern  durch 
Anastomosen  mit  dem  Ramus  nasociliaiis  oder  mit  Zweigen  der  langen 
Wurzel  des  BJendungsknotens ;  sein  unterer  Ast  ist  grösstenteils  automa- 
tisch und  enthält  nur  sensible  Fäden,  welche  durch  das  Ganglion  gedrun- 
gen sind.  Die  Thätigkeil  der  Muskeln  ,  welche  vom  untern  Aste  des  Ocu- 
lomotorius  versehen  werden,  ist  enge  verbunden  mit  der  Irritabilität  der 
Retina  und  des  Nervus  opticus;  daher  bei  verminderter  Energie  desselben 
die  Thätigkeil  jener  Muskeln  nachlässt.  Die  fünf  Muskeln,  welche  vom 
N.  oculomolorius  versorgt  werden ,  haben  ausgesprochene  Tendenz  zur 
Milbewegung,  denn  wenn  in  Einem  Auge  einer  dieser  Muskeln  thätig  wird, 
erfolgt  dieselbe  Wirkung  des  gleichnamigen  Muskels  im  andern  Auge. 
Starke  und  anhaltende  Bewegungen  der  Augenmuskeln,  welche  vom  gemein- 
samen Augenmuskelncrven  belebt  werden ,  rufen  ein  schmerzhaftes  Gefühl 
von  Spannung  in  diesen  Muskeln  selbst  hervor,  welches  Gefühl  von  Affec- 
lion  der  beigemischten  Empfindungsfasern  herrührt. 

Die  Iris  erhält  zweierlei  Nerven,  nämlich  cerebrale,  welche  vom  Ocu- 
lomolorius herstammen  und  durch  die  kurze  Wurzel  des  Blendungskno- 
tens ins  Auge  gelangen,  und  spinale,  welche  durch  eine  Portion  des  Sym- 
pathicus und  Vagus  am  Halse  in  das  oberste  Halsganglion  des  Sympalhi- 
cus  eintreten,  von  wo  sie  durch  das  carotische  Geflecht  in  das  Ganglion 
ciliare  gelangen.  Die  Muskellhäligkeit  der  Iris,  welche  von  den  Cerebral- 
nerven abhängt,  ist  entgegengesetzt  jener,  welche  durch  die  Spinalnerven 
bedingt  ist;  erstere  bewirken  Verengerung,  letztere  Erweiterung  der  Pu- 
pille. Reizung  des  Oculomotorius  ,  vorzüglich  der  Fasern  seines  untern 
Astes  (nicht  der  des  obern  Astes  allein)  bedingt  Verengerung,  Lähmung 
des  Oculomotorius  jedoch  Erweiterung  der  Pupille.  Bei  Reizung  der  Ner- 
ven, die  der  Spinalquelle  angehören  ,  daher  des  Rückenmarks ,  des  Sym- 
pathicus,  erweitert  sich  die  Pupille;  sie  wird  jedoch  enge  bei  Lähmung  der 
Spinalquelle,  weil  dann  die  cerebralen  Nerven  der  Iris  keine  Antagonisten 
mehr  haben.  Es  scheint  daher  vom  Rückenmarke  und  vom  Sympathicus 
ein  expandirendes  Princip  auszugehen.  Nach  der  Durchschneidung  der 
Cervicalportion  des  Vagus  und  Sympathicus  verengte  sich  die  Pupille, 
mehr  noch  nach  Exstirpation  des  obersten  Halsganglions  des  Sympathicus; 
so  wie  man  auch  nach  Durchschneidung  und  Trennung  des  Rückenmarkes 
am  ersten  Wirbel  Pupillenverengerung  beobachtete. 

Die  Pupille  wird  um  so  mehr  verengt,  je  stärker  der  Eindruck  ist, 
den  das  ins  Auge  fallende  Licht  vermittelst  des  Sehnerven  auf  das  Gehirn 


264 

macht,  sie  wird  um  so  mehr  erweitert,  je  schwächer  dieser  Eindruck  ist. 
Die  Stärke  dieses  Eindruckes  hängt  sowohl  von  der  Menge  des  einfallenden 
Lichtes ,  als  auch  vom  Zustande  der  Sensibilität  des  Sehnerven  und  des 
Gehirns  ab,  Die  Retina  wird  mehr  gereizt  nahe  an  ihrer  Axe ,  als  weiler 
davon  entfernt,  weil  sie  dort  mehr  Nervenendigungen  besitzt.  In  sehr  selte- 
nen Fällen  wird  durch  das  einfallende  Licht  eine  Erweiterung  der  Pupille 
hervorgerufen.  Die  Pupille  wird  enger,  wenn  die  Augen,  um  nahe  Gegen- 
stände zu  unterscheiden,  convergiren  ;  sie  wird  weiter,  wenn  sie  entfernte 
Gegenstände  betrachten,  und  es  scheint  diese  Bewegung  der  Pupille  mehr 
von  dem  Grade  der  Convergenz  der  Augenachsen  abzuhängen,  als  von  der 
Stärke  der  Differenz  der  Lichtstrahlen,  welcher  die  Augen  angepasst  wer- 
den 'sollen.  Die  Verengerung  und  Erweiterung  der  Pupille  hängt  nicht 
von  der  Stellung  der  Augen  zu  einander,  sondern  von  dem  Winkel  ab,  den 
die  Achsen  einschliessen.  Hieraus  gehl  hervor,  dass  die  Veränderung  der 
Pupille  bei  Veränderung  der  Augenachsen  nicht  durch  einen  mechanischen 
Vorgang  bedingt,  sondern  vom  Gehirne  aus  eingeleitet  wird,  indem,  wie 
durch  nur  in  Ein  Auge  fallendes  Licht  beide  Pupillen  verengt  werden,  auch 
bei  Bewegung  nur  Einer  Achse  eine  Verengerung  oder  Erweiterung  beider 
Pupillen  Statt  findet. 

Die  Bewegungen  der  Iiris  erfolgen  zwar  automatisch,  ohne  dass  wir 
es  wissen,  allein  wir  sind  vermöge  des  durch  die  Bewegungswurzel  des 
Augenknolens  hergestellten  Zusammenhanges  zwischen  diesem  und  dem 
gemeinsamen  Augenmuskelnerven  im  Stande,  die  Iris  willkührlich  zu  bewe- 
gen; d.  h.  zu  bewirken,  dass  sie  sich  sympathisch  mitbewege,  wenn  der 
Willenseinfluss  auf  den  gemeinsamen  Augenmuskelnerven  wirkt.  Nicht 
nur  der  zum  innern  Augenmuskel  gehende  Zweig  hat  einen  sympathi- 
schen Einfluss  auf  die  Irisbewegung,  sondern  vorzüglich  der  zum  untern 
schiefen  Augenmuskel  gehende,  da  gerade  von  diesem  Zweige  die  Bewe- 
gungswurzel für  den  Augenknoten  abgeht,  Der  untere  schiefe  Augenmus- 
kel wälzt  das  Auge  so  um  sich  selbst,  dass  die  Pupille  nach  oben  und  innen 
zu  stehen  kommt;  führt  man  diese  Bewegung  willkührlich  aus,  so  veren- 
gert sich  die  Pupille  bedeutend.  Dasselbe  findet  auch  unwillkührlich  beim 
Einschlafen  Statt,  während  des  Schlafes  selbst,  im  Zustande  der  Trunken- 
heil und  bei  manchen  Nervenzufällen. 

Am  stärksten  erweitert  und  endlich  unbeweglich  gemacht  wird  die 
Pupille  durch  Einwirkung  des  Saftes  der  Belladonna  und  einiger  anderer 
Pflanzen.  Wird  die  Belladonna  nur  in  ein  Auge  gebracht,  so  erweitert  sich 
nur  die  Pupille  dieses  Auges,  wird  sie  aber  von  den  Blutgefässen  aufge- 
nommen, so  folgt  Erweiterung  beider  Pupillen.  Die  Fasern,  welche  die 
Pupille  umgeben  und  sie  verengern,  werden  dadurch  erschlafft, 


265 

Die  Funetionsstörungen  in  den  einzelnen  Nervenbezirken  am  Auge 
werden  sich  auf  verschiedene  Weise  kund  geben :  die  Nervenkrankheiten 
des  Auges  und  seiner  Nebentheile  werden  demnach  denselben  gemäss 
gesondert  werden  müssen. 

Zur  Classe  der  Nervenkrankheiten  rechnen  wir  nicht  nur  jene  Krank- 
heitsformen, in  welchen  die  Abweichungen  der  Energie  einzelner  oder  meh- 
rerer Nerven  von  der  gewohnten  Norm  ohne  entsprechende  anatomische 
Veränderungen  auftreten,  sondern  auch  jene,  in  welchen  die  Störungen  in 
den  Verrichtungen  der  Nervenbezirke  die  einzigen  oder  wenigstens  die  auf- 
fallendsten Erscheinungen  darbieten. 

Dem  zu  Eolge  unterscheiden  wir  am  Auge  und  dessen  Umgebungen 
Sensibilitätsneurosen  oder  Störungen  in  den  Verrichtungen  sensibler  Ner- 
ven, Motilitätsneurosen  oder  Anomalien  in  der  Function  der  motorischen 
Nerven ,  und  endlich  Neurosen  des  specifischen  Sinnesnerven.  Es  treten 
jedoch  die  Erkrankungen  nicht  immer  einzeln  für  sich  als  Störungen  der 
Function  nur  eines  Nerven  oder  einer  zusammengehörenden  Nervengruppe 
auf,  sondern  das  Leiden  erstreckt  sich  bisweilen  auf  mehrere  in  ihrer  Ver- 
richtung verschiedene  Nerven,  oder  hat  auf  die  nalurgemässe  Thätigkeit 
eines  oder  mehrerer  andern  einen  mehr  weniger  störenden  Einfluss.  So 
kann  eine  Erkrankung  von  sensitiven  oder  motorischen  Nerven  der  Func- 
tion des  specifischen  Sinnesnerven  nachtheilig  werden,  so  wie  auch  ande- 
rerseits ein  Leiden  des  letzleren  Anomalien  im  Bezirke  der  Empfindungs- 
oder Bewegungsnerven  im  Gefolge  haben  kann. 

Was  den  Sitz  der  Nervenkrankheilen  betrifft ,  so  ist  hier  vor  Allem 
der  peripherische  und  der  centrale  zu  unterscheiden.  Peripherisch  ist  aber 
der  Nerve  von  der  Stelle,  wo  seine  Fasern  vom  Centralorgane  abtreten, 
bis  an  die  äussersle  Gränze  ihres  Laufes;  central  ist  er  in  seiner  Verbrei- 
tung innerhalb  der  Ganglien  ,  innerhalb  des  Gehirns  oder  Rückenmarks. 
Der  Sitz  der  Krankheit  kann  demnach  bei  den  Nervenkrankheiten  des  Auges 
sowohl  im  Gehirn  oder  Rückenmarke,  als  auch  an  verschiedenen  Stellen 
des  peripherischen  Verlaufes  der  Nerven  innerhalb  der  Schädelhöhle  ,  in 
oder  ausserhalb  der  Orbita,  im  Augapfel  selbst  sein.  Abnormitäten  benach- 
barter Organe,  welche  auf  Nerven  oder  deren  Ausbreitung  (wie  es  die  Retina 
im  Augapfel  ist)  drücken,  oder  deren  Leilungsvermögen  wie  immer  hemmen 
oder  unterbrechen,  können  Veranlassung  zum  Entstehen  einer  Neurose  geben. 

So  wie  der  Sitz  der  Neurosen  verschieden  ist ,  so  ist  es  noch  mehr 
die  Quelle  derselben.  Die  ätiologischen  Verhältnisse  sind  bei  diesen  Krank- 
heiten oft  sehr  schwierig  zu  erforschen;  Vieles  wird  noch  lange  Zeit  ver- 
hüllt bleiben.  Manche  Augenneurosen  sind  angeboren,  und  entweder  durch 
fehlerhafte  Entwicklung  oder  durch  Krankheiten  während  des  Fötalzustan- 


266 

des  beding!.  Bei  gewissen  Individuen  beobachtet  man  eine  besondere 
Anlage,  die  durch  das  Alter,  Geschlecht  oder  auch  durch  erbliche  Disposi- 
tion verursacht  wird.  Jedoch  lassen  sich  in  dieser  Beziehurg  keine  allge- 
mein gültigen  Grundsätze  aufstellen,  und  es  wird  daher  bei  den  einzelnen 
Krankheitsformen  auf  diese  Verhältnisse  hingewiesen.  Aeussere  Schädlich- 
keilen haben  nicht  selten  dadurch,  dass  sie  die  Function  eines  oder  meh- 
rerer Nerven  unterbrechen,  hemmen  oder  gänzlich  aufheben,  Nervenkrank- 
keilen zur  Folge.  Hieher  gehören  Verwundungen  aller  Art,  Quetschun- 
gen, Erschütterungen.  Zufällige  krankhafte  Zustände  einzelner  Theile  des 
Auges  oder  seiner  Nebengebilde  sind  zunächst  als  Ursachen  von  Neurosen 
zu  nennen ,  weil  solche  Organtheile  entweder  in  unmittelbarer  Nähe  von 
Nervengebilden  liegen  oder  mit  ihnen  in  näherer  Beziehung  stehen.  Die 
mannigfaltigsten  Krankheiten  des  Centralorgans ,  von  welchem  die  Nerven 
ausgehen,  sind  aus  einleuchtenden  Gründen  mit  Störungen  der  Verrichtun- 
gen der  Nerven  verbunden.  Eine  sehr  ergiebige  Quelte  der  Neurosen  des 
Auges  liegt  endlich  in  dem  Einflüsse  anderer  Organe  auf  dasselbe.  Es 
ist  hier  daran  zu  erinnern,  dass  das  Auge  mit  vielen  andern,  selbst  entfern- 
ten Organen  in  einem  nähern  Consense  steht,  welcher  grösstenteils  durch 
Nervenverbindungen  vermittelt  wird;  dass  es  daher  selbst  an  den  verschie- 
denen Erkrankungen  jener  Organe  häufig  Theil  nehmen  wird,  welche  Theil- 
nahme  sich  namentlich  gerne  durch  Störungen  in  den  Nervenbezirken  aus- 
spricht. Letztere  lassen  sich  theils  auf  sympathischem ,  theils  auf  anta- 
gonistischem Wege  nach  physiologischen  Grundsätzen  deuten.  Daher  beob- 
achten wir  Neurosen  am  Auge  und  seinen  Nebentheilen  bei  Krankheilen 
der  allgemeinen  Decke,  besonders  in  der  Nähe  der  Augen  und  am  Kopfe} 
bei  Krankheiten  der  Schleimhäute  und  des  Drüsensystems;  daher  kommen 
bei  AfTectionen  der  Alhmungs-  und  Kreislaufsorgane  nicht  selten  wichtige 
und  umfangsrciche  Störungen  des  Nervensytems  am  Auge  vor;  daher 
lässt  sich  bei  letztem  die  Grundursache  desselben  häufig  im  Unterleibe,  in 
Erkrankungen  der  Verdauungs-  und  Geschlechtsorgane  auffinden.  Von  gröss- 
ter  Wichtigkeit  ist  endlich  der  Zustand  des  Gesammtorganismus,  die  Menge 
und  Beschaffenheit  der  Blutmasse  auf  die  Energie  der  verschiedenen  Ner- 
ven des  Auges,  so  dass  nur  bei  genauer  Berücksichtigung  aller  dieser 
verschiedenen  physiologischen  und  pathologischen  Verhältnisse  die  Ätio- 
logie dieser  Krankheitsciasse  sich  fruchtbringend  bearbeiten  lässt. 

Die  krankhaften  Zustände  der  einzelnen  Organe,  welche  man  bei  den 
Störungen  in  der  Nerventhätigkeit  antrifft,  sind  sehr  verschieden,  mit- 
unter ganz  entgegengesetzt.  Hyperämien  und  Anämien,  so  wie  die  ver- 
schiedenen Ernährungsstörungen  (Hypertrophien,  Atrophien,  Schrumpfun- 
gen, Ausdehnungen),  Zersetzung  der  Gewebe ,   Ergüsse  von  Blut  oder  von 


267 

pathologischen  Flüssigkeiten  kommen  theils  in  den  Centralorganen,  theils 
im  Augapfel  oder  dessen  Umgebungen,  (Augenlidern,  Orbita)  vor.  After- 
gebilde der  verschiedensten  Art  und  Genese ,  die  sich  theils  im  Cenlralor- 
gane,  theils  im  peripherischen  Verlaufe  eines  oder  mehrerer  Nerven  einla- 
gerten,  bieten  nicht  selten  die  während  des  Lebens  oft  schwer  zu  ergrün- 
dende, oft  gänzlich  unbekannte  anatomische  Störung  dar. 

Die  Phänomenologie  der  Nervenkrankheiten  des  Auges  beruht  theils 
auf  Erscheinungen,  welche  objeetiv  durch  die  Sinnesorgane  des  Arztes  auf- 
zufassen sind,  theils  auf  Funclionsstörungen,  zu  deren  Erkenntniss  die  An- 
gabe des  Kranken  nolhwendig  ist.  Erstere  verdienen  um  ^so  mehr  Ver- 
trauen, und  sind  daher  um  so  sorgfältiger  zu  eruiren,  als  bei  den  subjeeti- 
ven  Symptomen  nicht  selten  irrthümliche  Darstellungen,  theils  willkührlich, 
theils  unwillkührlich  Statt  finden.  Daher  kommen  auch  simulirte  Krank- 
heitszustände  nirgends  so  häufig  vor,  als  gerade  in  der  Classe  der  Nerven- 
krankheiten, was  in  der  Diagnose  wohl  zu  beachten  ist. 

Die  Functionsstörungen  der  Nerven  selbst  sind  verschieden  nach  dem 
Sitze  der  Erkrankung  in  den  verschiedenen  Bezirken.  Es  kann  demnach 
in  den  Empfindungsnerven  die  Energie  derselben  entweder  krankhaft  ge- 
steigert (Hyperästhesien)  oder  verändert  oder  ganz  aufgehoben  sein  (Anäs- 
thesien). Dasselbe  gilt  auch  von  dem  speeifischen  Sinnesnerven,  dessen 
Thätigkeit  entweder  krankhaft  erhöht ,  oder  alienirt  oder  vermindert,  ja 
selbst  ganz  aufgehoben  sein  kann.  In  den  motorischen  Nerven  kann  die 
Verrichtung  derselben  entweder  krankhaft  erhöht  und  alienirt  (Hyper- 
cinesis)  oder  vermindert  und  erloschen  sein  (Acinesis).  Der  Grad  des  Lei- 
dens kann  ein  verschiedener,  dessen  Ausbreitung  mehr  oder  weniger  be- 
gränzt  sein.  Vom  höchsten  Belange  ist  die  Entscheidung,  ob  in  der  Ener- 
gie des  betreffenden  Nerven  blosser  Torpor  oder  wirkliche  Erschöpfung  der- 
selben vorhanden  sei.  Da  im  erslern  Falle  nach  Entfernung  des  Hinder- 
nisses der  normalen  Nerventhätigkeit  der  Nerve  wieder  zu  seiner  Energie 
gelangen  kann,  im  letzteren  Falle  derselben  häufig  unwiederbringlich  ver- 
lustig wurde,  so  hat  dieser  Umstand  auf  die  Stellung  der  Prognose  und 
Einleitung  der  Therapie  einen  bedeutenden  Einfluss. 

Die  in  der  Physiologie  des  Nervensystems  geltenden  Gesetze  der  iso- 
lirten  Leitung,  der  Irradiation  der  Empfindungen  und  Bewegungen  und  der 
excentrischen  Erscheinung  sind  in  der  Auffassung  der  Phänomene  genau 
zu  würdigen  ,  und  daher  die  Erscheinungen  überhaupt  soviel  als  möglich 
auf  physiologische  Grundsätze  zu  basiren. 

Neben  den  Symptomen,  durch  welche  sich  die  gestörte  Nervenfunc- 
tion selbst  offenbart,  treten  auch  nicht  selten  Störungen  anderer  Organe 
und  ihrer  Verrichtungen  ein.    Hieher  sind  Anomalien  der  Circulation,  hyper- 


268 

ämische  und  exsudative  Vorgänge ,  Secretionsslörungen  und  Beeinträchti- 
gung der  Ernährung  der  ursprünglich  betroffenen  oder  benachbarten  Ge- 
bilde zu  rechnen,  Erscheinungen,  die  nicht  selten  im  Gefolge  von  Nerven- 
leiden auftreten. 

Schon  durch  das  so  eben  Gesagte  ist  es  klar,  dass  der  Einfluss  der 
Functionsstörung  in  den  Nerven  auf  andere  Theile  ein  wichtiger  sei.  Der- 
selbe gibt  sich  auch  dadurch  kund,  dass  bei  Affection  eines  Nervenbezirkes 
im  Auge  auch  andere  Nerven  dieses  Organs  in  ihrer  Verrichtung  gehemmt 
oder  beeinträchtigt  werden.  Das  Sehvermögen  kann  z.  ß,  durch  ein  Lei- 
den des  Trigeminus  oder  eines  motorischen  Nerven  mehr  oder  weniger 
gestört  sein.  Die  Rückwirkung  der  erkrankten  Nervensphäre  im  Auge  hat 
jedoch  auch  auf  das  Befinden  anderer  Organe  des  Körpers  oder  des  Totalorga- 
nismus Einfluss,  so  dass  somit  Symptome  an  verschiedenen  Körperregio- 
nen das  ursprüngliche  Nervenleiden  am  Auge  begleiten.  Insbesondere  ist  es 
aber  auch  der  Geist,  welcher  an  dem  pathischen  Zustande  des  Auges  Theil 
nehmend  in  gemülhlicher  und  intelleclueller  Beziehung  bisweilen  erkrankt. 
So  kann  der  enge  Kreis  von  Symptomen  im  Anfange  einer  Nervenkrank- 
heit des  Auges  nach  und  nach  immer  weiter  gezogen  werden. 

Die  Diagnose  einer  Störung  in  der  Verrichtung  einzelner  Nerven  des 
Auges  ist  bei  deutlich  ausgeprägter  Symptomengruppe  keinen  Schwierig- 
keiten unterworfen.  Jedoch  müssen  hier  etwaige  Täuschungen  von  Seile 
des  Kranken  den  Arzt  in  seinem  Urtheile  nicht  irre  führen.  Intelligente 
Kranke  fassen  oft  die  krankhaften  Erscheinungen  auf  eine  physiologisch 
richtige  Weise  auf.  Nicht  so  leicht  ist  es  in  einzelnen  Fällen,  bei  Erkran- 
kung mehrerer  Nervenbezirke  den  ursprünglichen  Sitz  des  Uebels  zu 
entdecken,  secundäre  Erscheinungen  von  den  primären  genau  zu  sondern. 
Der  schwierigste  Punct  in  der  Diagnose  bleibt  jedoch  immer  die  Ergrün- 
dung  der  nächsten  Ursache,  der  Quelle  des  Leidens.  In  dieser  Beziehung 
können  nur  eine  sorgfältige  Erhebung  der  anamnestischen  Momente,  die  ge- 
naueste Erforschung  der  krankhaften  Symptome  und  ihrer  Ausbreitung, 
der  Einfluss  verschiedener  Umstände  auf  die  Steigerung  oder  Verminde- 
rung der  krankhaften  Zufälle  und  selbst  experimentale  Nachweise  dem 
Ziele  näher  führen. 

Die  Dauer  der  Nervenkrankheilen  des  Auges  ist  im  Allgemeinen  chro- 
nisch; manche  derselben  bestehen  zeitlebens.  Im  Verlaufe  ist  nicht  selten 
Periodicität  bemerkbar;  die  Krankheit  erscheint  in  Ausbrüchen  mit  Inter- 
vallen von  längerer  oder  kürzerer  Dauer,  mit  festem  oder  unslätem  Typus. 
Manche  Neurosen  bestehen  jedoch  in  gleicher  Weise  ohne  Intermissionen 
und  selbst  ohne  Remissionen  fori. 

Die  Prognose  ist  in  den  einzelnen  Affectionen  höchst  verschieden. 


269 

Gewöhnlich  gehören  jedoch  die  Augenneurosen  zu  den  hartnäckigen  Lei- 
den. Als  allgemeine  prognostische  Grundsätze  lassen  sich  folgende  ange- 
ben: Der  peripherische  Sitz  des  Leidens  gewährt  bessere  Hoffnung  als  der 
centrale,  der  acute  typische  Verlauf  bessere,  als  der  chronische  atypische. 
Wo  die  Ursache  des  Leidens  bekannt  und  deren  Entfernung  möglich  ist, 
lässt  sich  ein  günstigerer  Ausgang  hoffen,  als  bei  unergründeter  oder  nicht 
zu  beseitigender  Ursache;  je  mehr  der  Kreis  der  Erkrankung  ausgebreitet 
ist,  woraus  sich  mitunter  auf  die  Erkrankung  der  Centralorgane  schliessen 
lässt,  desto  misslicher  ist  der  Fall.  Die  Körperbeschaffenheit,  so  wie  die 
individuellen  Verhältnisse  des  Kranken  sind  ebenfalls  bei  der  Stellung  der 
Prognose  nicht  ohne  Einfluss, 

In  der  Behandlung  der  Augenneurosen  ist  die  causale  Indication  von 
der  höchsten  Wichtigkeit,  und  wo  es  immerhin  möglich  ist,  die  nächste 
Ursache  des  Leidens  hinwegzuräumen,  ist  damit  der  Anfang  zu  machen. 
Es  muss  jedoch  hiebei  bemerkt  werden,  dass  die  nächste  Ursache  (die  patho- 
logische Bedingung)  der  Krankheit  nicht  dasselbe  mit  dem  occasionellen 
Momente  ist.  Wo  die  palhische  Grundlage  unbekannt  ist,  oder  nicht 
beseitigt  werden  kann ,  ist  die  Energie  des  erkrankten  Nerven  zur  Norm 
zurückzuführen,  was  nach  Verschiedenheit  des  Leidens  durch  die  verschie- 
denen innerlich  und  äusserlich  angewendeten  Mittel  geschieht.  Dabei  ist 
die  Einwirkung  der  Mittel  sorgfältig  zu  überwachen,  um  durch  zu  Viel  nicht 
zu  schaden.  Zu  den  äusserlichen  Mitteln  bei  den  Augenneurosen  gehören 
auch  die  in  neuerer  Zeit  vielfach  empfohlene  Anwendung  der  Electricität, 
des  Galvanismus,  des  Magnetismus,  sowie  die  Kaltwasserkur.  Umsichtig 
gewählt  und  mit  Consequenz  durchgeführt  wird  eine  solche  Behandlung 
zuweilen  von  dem  schönsten  Erfolge  gekrönt.  Die  Beziehung  des  erkrank- 
ten Nerven  zu  andern  Apparaten  des  Organismus  kann  bei  der  Behandlung 
oft  zweckmässig  benützt  werden,  da  man  unmittelbar  auf  den  kranken  Ner- 
venbezirk einzuwirken  nicht  oft  im  Stande  ist.  Die  Wirksamkeit  der  anta- 
gonistischen Methode  hat  sich  bei  Behandlung  von  Nervenleiden  oft  erprobt. 
Endlich  ist  bei  dem  häufig  unheilbaren  Zustande  mancher  Nervenkrankhei- 
len des  Auges  nur  der  symptomatischen  Heilmethode  ein  wenn  auch  nur 
geringer  Wirkungskreis  gegönnt. 

A.  Krankheiten  der  Enipfiiidungsnerveii« 

Da  der  Augenast  des  Quintus  der  Empfindungsnerve  des  Auges  und 
seiner  Nebentheile  ist,  so  werden  die  Sensibililätsneurosen  im  Bereiche  der 
Verzweigungen  desselben  auftreten,  und  sich  entweder  als  Hyperästhesien 
oder  Anästhesien  manifesliren. 


270 

1.  Die  erhöhte  Erregbarkeit  und  gesteigerte  Erregung  des  Quintüs 
spricht  sich  als  Hyperästhesie  desselben,  als  Neuralgie  aus.  Nach  den 
Ausstrahlungen  und  Verzweigungen  dieses  Nerven  erscheint  die  Neuralgie 
des  Auges  entweder  als  Neuralgia  supra-  oder  infraorbitalis,  wenn  die  ent- 
sprechenden Aeste  des  Quintus  Sitz  der  Affection  sind,  oder  als  Neuralgia 
ciliaris,  wenn  die  im  Innern  des  Auges  sich  verbreitenden  Zweige  des 
genannten  Nerven,  die  Ciliarnerven  nämlich,  eine  krankhaft  erhöhte  Ener- 
gie beurkunden. 

Die  Neuralgia  supraorbitalis  kommt  viel  häufiger  vor,  als 
die  Neuralgia  infraorbitalis.  Bei  der  ersteren  tritt  der  Schmerz  meistentheils 
plötzlich,  anfallsweise  auf,  und  zwar  am  obern  Augenhöhlenrande,  schiesst 
aufwärts  nach  der  Stirn  oder  den  Augenbrauen,  nach  einem  Augenwinkel 
oder  in  die  Thränenkarunkel,  und  verbreitet  sich  von  da  sehr  bald  in  das 
Innere  des  Auges.  Zuweilen  gehen  zuckende,  spannende  oder  kribbelnde 
Empfindungen  am  Gesichte  oder  in  der  Stirngegend  dem  heftigen  Anfalle 
vorher.  Der  Schmerz  ist  sehr  heftig,  stechend,  reissend,  bohrend,  gleich- 
sam in  den  Knochen  wüthend,  selten  auf  eine  Stelle  beschränkt.  Durch 
die  starke  Reizung  des  Empfindungsnerven  entstehen  Reflexbewegungen, 
nämlich  Verengerung  der  Pupille ,  krampfhafte  Contractionen  der  Augen- 
lider. Während  des  Schmerzanfalles  treten  auch  in  den  trophischen  Func- 
tionen des  Auges,  in  der  Circulation  und  den  Absonderungen  Veränderun- 
gen ein.  Die  Hitze  in  der  Umgegend  des  Auges  und  am  Augapfel  selbst 
wird  erhöht,  zuweilen  zeigt  sich  ein  rother  Streifen  nach  dem  Verlaufe  des 
Nerven,  die  Arterien  pulsiren  stärker,  das  Auge  röthet  sich  und  wird  licht- 
scheu, die  Thränensecretion  ist  vermehrt.  Die  sogenannte  Ophthalmia  inter- 
miltens  ist  öfters  nichts  anders,  als  eine  die  intermillircnde  Neuralgie  des 
ersten  Quintusastes  begleitende  Injeclion  der  Conjunctiva.  Die  Schmerz- 
anfälle sind  verschieden  lang;  sie  dauern  von  V«  bis  zu  4  bis  6  Stunden, 
und  kehren  nach  kürzeren  oder  längeren  Intervallen  zurück.  Leichte  ober- 
flächliche Berührung,  gelindes  Betupfen,  Anstreifen  der  Stelle,  selbst  leichte 
Berührung  der  Haare  kann  den  Anfall  hervorrufen,  während  ein  angebrach- 
ter stärkerer  Druck  es  nicht  vermag,  oft  sogar  Erleichterung  verursacht. 
Der  Anfall  endigt  meistens  mit  einem  copiösen  Thränenflusse,  und  hinter- 
lässt  für  eine  Zeit  lang  Empfindlichkeit  des  Auges.  Der  Vertauf  der  Krank- 
heit ist  periodisch,  und  zeigt  entweder  stätigen  oder  unstäten  Typus* 
gewöhnlich  den  Quotidian-,  seltener  den  Tertiantypus.  Gerne  treten  die 
Anfälle  des  Nachts,  oder  in  den  Morgenstunden  ein.  Die  Krankheit  dauert 
oft  Monate,  ja  selbst  Jahre  lang,  und  ist  überhaupt  sehr  hartnäckig;  wäh- 
rend der  Dauer  anderer  intercurrirender  acuter  Krankheiten  kann  sie  auch 
pausiren. 


271 

Nach  dem  Tode  fand  man  bei  Individuen,  welche  lange  Zeit  an  der 
Neuralgie  des  Quinlus  gelitten  haben,  zuweilen  Hypertrophien  oder  andere 
krankhafte  Veränderungen  der  Schädel-  oder  Gesichtsknochen,  Verdickun- 
gen des  Slirn-,  Sieb-  und  Keilbeins,  Exfoliationen  der  processus  alveol.  der 
Zähne,  Exfoliation  eines  Knochenslücks  der  Hyghmorshöhle,  Exostose  eines 
Zahnes,  oder  mancherlei  krankhafte  Geschwülste,  die  einen  Druck  auf 
Zweige  des  Quinlus  ausüben. 

Die  Neuralgia  supra-  und  infraorbitalis  kommt  vorzugsweise  bei  Er- 
wachsenen und  altern  Individuen  vor,  fast  niemals  bei  Kindern.  In  Mala- 
ria-Gegenden kommt  sie  endemisch  vor,  und  wird  nebst  intermittirenden 
Fiebern  häufiger  beobachtet.  Metastatische  Vorgänge,  besonders  in  den 
dem  Gehirne  nahe  gelegenen  Schleimhäuten  und  Drüsen,  unterdrückte 
Calarrhe,  Ohrenflüsse,  Exutorien  und  Geschwüre  können  zuweilen  als  Ursa- 
chen nachgewiesen  werden.  Auch  gichtische  und  impetiginöse  Dyscrasien 
Anaemie  und  Rheumatismen  scheinen  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Entwick- 
lung der  Krankheit,  wozu  auch  atmosphärische  Verhältnisse  zu  rechnen 
sind,  da  Zugluft,  Wind,  starke  Hitze  oder  Kälte,  Feuchtigkeit  und  electri- 
sche  Spannung  die  Anfälle  leicht  hervorrufen.  Bisweilen  gehen  solche 
Neuralgien  dem  Glaucome  oder  andern  innern  Augenenlzündungen,  beson- 
ders den  gichlischen  voraus. 

Die  Neuralgia  ciliaris  hat  ihren  Sitz  in  den  Ciliarnerven.  Das 
Hauptsymptom  ist  Schmerzgefühl  im  Auge,  angeregt  und  gesteigert  durch 
den  Einfluss  der  Lichtstrahlen  und  des  Sehens.  Dabei  ist  Lichtscheu  im 
höheren  Grade  vorhanden,  und  die  Augenlider  schliessen  sich  durch  Reflex 
von  den. sensiblen  Quinlusfasern  auf  die  motorischen  des  Facialis;  die  Pu- 
pille ist  contrahirt.  Der  Schmerz  verbreitet  sich  nicht  selten  nach  Kopf 
und  Stirn  und  hat  Röthe  des  Auges  und  Thränenfluss  zu  Begleitern.  Zur 
Ciliarneuralgie  gibt  vorzugsweise  Scrofulosis  Anlass,  ferner  Säfteverlust, 
(durch  Onanie,  Masturbation)  Helminthiasis,  Anaemie,  Hysterie,  Entwicklung 
der  Pubertät,  vorausgegangene  Exantheme,  Masern  und  Scharlach,  Malaria, 
übermässige  Anstrengung  der  Augen  bei  grellem  Lichte;  besonders  aber 
Verletzungen  derselben,  wenn  Theilchen  des  fremden  Körpers  im  Auge 
zurückgeblieben  sind.  Auch  Operationen  können  bei  sehr  sensiblen  Indivi- 
duen zur  Entstehung  des  Leidens  Veranlassung  geben ;  besonders  solche, 
bei  denen  einzelne  Ciliarnerven  getroffen  und  verletzt  werden  können.  Die 
Krankheit  gesellt  sich  auch  sehr  häufig  zur  Hemicranie,  und  ist  daher  bei 
hysterischen  Frauen  keine  seltene  Erscheinung. 

Zuweilen  sind  Individuen  mit  einer  krankhaften  Empfindlich- 
keit der  Augen  behaftet,  welche  mehr  in  der  Oberfläche  des  Auges  ihren 
Sitz  hat.     Hierbei  tritt  öfters  unwillkürliches  und  länger  anhaltendes  Blin- 


272 

zeln  ein,  die  Thränensecretion  ist  etwas  vermehrt,  das  Auge  lichtscheu, 
und  rüthet  sich  bei  der  geringsten  Anstrengung-,  besonders  beim  künstli- 
chen Lichte,  worauf  die  Kranken  ein  Brennen  in  den  Lidern  und  an  der 
Oberfläche  des  Augapfels  verspüren  und  demnach  von  ihrer  Beschäftigung, 
besonders  vom  Lesen,  Nähen  und  dergl.  abzustehen  gezwungen  sind. 
Dieser  Zustand  ist  sehr  häufig  eine  Folge  vorausgegangener  Ophthalmien, 
und  wird  öfter  bei  Frauen,  als  Männern,  überhaupt  bei  sogenannten  nervö- 
sen Individuen  beobachtet.  Anaemie  begleitet  nicht  selten  diese  Erschei- 
nung, und  scheint  auf  die  Entwicklung  derselben  einen  nicht  unwesent- 
lichen Einfluss  zu  haben.  Sie  besteht  in  einer  übermässigen  Empfindlich- 
keit der  feineren  Endzweige  des  Quintus,  welche  sich  an  der  Oberfläche 
des  Augapfels  verbreiten. 

Gegen  die  Neuralgien  des  Quintus  hat  man  verschiedene  Mittel  em- 
pfohlen, welche  jedoch  den  Arzt  oft  im  Stiche  lassen.  Tritt  die  Neuralgie 
mit  deutlichem  intermittirenden  Characler  auf,  so  bietet  die  Anwendung 
des  Chinins  oder  des  Arseniks  (Tinct.  Fowleri,  zu  4  —  6  Tropfen  pro  dosi) 
die  sicherste  Aussicht  auf  Erfolg.  Unter  den  specifischen  Mitteln  verdienen 
Erwähnung  das  kohlensaure  Eisen  in  der  Gabe  von  5  — 10  Gran  3  mal 
täglich,  das  Stramonium  (das  Extr.  zu  % —  1  Gr.  pro  dosi)  und  das  Coniin. 
Unter  den  örtlichen  Mitteln  wurden  versucht  Einreibungen  narcotischer 
Mittel,  die  endermatische  Anwendung  des  Morphins,  Einreibungen  einer 
Veratrinsalbe  (20  Gran  auf  eine  Unze  Fett)  oder  einer  Salbe  aus  Aconitin 
(1  Gran  auf  1  Drachme  Fett),  das  Streichen  und  Auflegen  von  Magnel- 
sliiben,  die  örtliche  Anwendung  der  Kälte,  flüchtige  Vesicatore,  Einathmun- 
gen  des  Aethers  und  Chloroforms ,  oder  Bestreichen  der  Umgebung  des 
Auges  mit  letzterm,  die  Anwendung  des  Galvanismus  und  Eleclromagne- 
tismus,  die  Compression.  Auch  die  Durchschneidung  des  leidenden  Ner- 
ven wurde  versucht,  kann  aber  dort  keinen  Erfolg  haben ,  wo  der  Sitz  der 
Erkrankung  der  Peripherie  des  Nerven  mehr  entrückt  ist.  Auf  bestehende 
Dyscrasien  oder  Leiden  des  Gesammtorganismus  ist  in  der  Radicalbehand- 
lung  grosse  Rücksicht  zu  nehmen,  daher  der  Gebrauch  geeigneter  Ther- 
men (Carlsbad,  Marienbad,  Gaslein),  der  Seebäder,  die  anhaltende  Anwen- 
dung kalter  Waschungen  und  Douchen  oft  von  dauerndem  Erfolg  ist.  — 
Bei  der  Ciliarneuralgie  werde  der  Lichleindruck  durch  Schirme,  Verdunk- 
lung des  Zimmers,  graue  oder  blaue  Gläser  gemildert.  Bei  plethorischem 
Zustande  sind  örtliche  Blutentleerungen,  wo  scrofulöse  Anlage  vorhanden 
ist,  Sool-  und  Seebäder  und  Oleum  jecorisAselli,  wo  schwächende  Einflüsse 
vorausgingen,  eisenhaltige  Mittel,  kalte  Bäder  und  Begiessungen  anzuwen- 
den. Von  innern  Mitteln  verdienen  das  Chinin  und  Coniin  die  meiste  Be- 
achtung.   Die  übermässige  Empfindlichkeit  der  Augen  (Conjunclivalerethis- 


273 

mus)  weicht  meistens  der  Anwendung-  eines  narcolischen  Wassers,  z.  B. 
Aq.  Laurocer.  dr.  1  auf  4  Unz.  Aq.desl.  oder  der  Aq.  destill.  Opii,  der  kalten 
Augendusche..  Auch  hier  muss  auf  das  Allgemeinbefinden  viele  Rücksicht 
genommen  werden,  und  wo  schwächende  Einflüsse  vorausgingen,  oder 
anämischer  Zustand  das  Leiden  unterhält,  ist  oft  nur  durch  eine  consequent 
durchgeführte  Kaltwasserkur  nebst  zweckmässiger  Bewegung ,  Anwen- 
dung-  von   Eisenpräparaten,    Eisenbädern    eine   Heilung   zu   erzielen. 

2.  Die  Anaesthesie  des  Quintus  äussert  sich  durch  Unempfind- 
lichkeit  der  von   ihm    versorgten  Partien ,    und    durch  andere  krankhafte 
Erscheinungen  im  Bereiche  der  Ernährung,   der  Bewegung  und  Sinnesthä- 
tigkeit.    Betrifft  die  Anästhesie  den  Ramus  ophthalmicus ,   so  ist  die  Con- 
juncliva,  sowie  die  Haut  der  Augenlider  und  ihrer  Umgebung  unempfind- 
lich  gegen  Berührung  und    selbst  gegen  Verletzung.    Reizung   derselben 
verursacht  kein  Blinzeln.     Die  Bindehaut    ist    sehr  geröthet ,    die  Cornea 
milchweiss  getrübt,  etwas  verdickt,  breiig  aufgelockert,   zuletzt  bilden  sich 
in  ihr  liefere  Geschwüre,  welche  zur  Perforation  derselben  führen.    Die  vor- 
dere Kammer  füllt  sich  mit  Exsudaten  (Hypopyon),   die  Secretion  der  Con- 
junctiva  ist  vermehrt.    Die  Bewegungen  des  Gesichtes  erleiden  auf  der  Seite, 
wo  der  Quintus  gelähmt  ist,  einen  Stillstand,   das  Blinzeln  der  Augenlider 
hört  auf.    Aus  dem  Aufhören  des  Augenlidschlages ,   sowie  der  aufgehobe- 
nen Empfindlichkeit  der  Conjunctiva  lässt  es  sich  zum  Theile  erklären,  dass 
fremde  Körper  leichter  auf  das  Auge  einwirken ,    dass   die  Cornea  nicht  so 
vollkommen  gereinigt  wird,   und  dadurch  entzündliche  Zufälle  am   Auge, 
Trübungen  und  Geschwüre  der  Cornea  erfolgen.   Vorzüglich  beruhen  jedoch 
diese  Erscheinungen   auf    dem  gehemmten  Einflüsse  des   Quintus  auf  die 
Ernährungsthätigkeit  (s.  pag.  261).    Es  gibt  Fälle,  wo  zugleich  Schmerzen 
in  den  unempfindlichen  Theilen  zeitweise  auftreten,   und  durch  Sprechen, 
Singen    oder   Kaubewegungen   hervorgerufen  werden.    Diess  erklärt  sich 
daraus,    dass  der  Nerve  an  einer  Stelle,  wo  er  für  den  Eindruck  noch  em- 
pfindlich ist,  gereizt,  der  Sitz  des  dadurch  erregten  Schmerzes  jedoch  nach 
der  bekannten  Norm  centripetaler  Action  in  die  peripherischen  Endigungen 
des  Nerven  versetzt  wird,   obwohl  diese  selbst  von  der  Anästhesie  befallen 
sind.    Eine  solche  Empfindung  tritt  häufig  als  Formication  in  der  Haut  auf. 
Je  nachdem  verschiedene  Fasern  des  Quintus  afficirt  sind,  sind  die  Erschei- 
nungen etwas  verschieden.    Wo  Störungen  in   den  trophischen  Functionen 
auftreten,  ist  das  Ganglion  Gasseri  oder  der  Quintus  in  seiner  Nähe  Sitz  der 
Krankheit.    Wo  die  motorische  Wurzel  des  Quintus  mit  afficirt  ist ,    tritt 
auch  masticatorische  Lähmung  in   der  entsprechenden  Gesichtshälfte  ein. 
Die  Ursachen  sind  verschieden.    Wo  bloss   einzelne  Zweige  des  Quintus, 
die  sich  in  der  Haut  verbreiten,  der  Sitz  der  Erkrankung  sind,   wurde  die- 

M  *■-  y  r  ,  Augenheilkunde.  l§ 


274 

selbe  häufig  durch  äussere  Verletzungen ,  besonders  durch  Erschütterung, 
Quetschung,  Fall  hervorgerufen.  Ist  der  Sitz  des  Leidens  in  der  Schädel- 
höhle, so  sind  Geschwülste,  tuberculöse,  fungöse  etc.  und  Extravasate,  blu- 
tige und  albuminöse,  am  häufigsten  die  Ursachen.  In  solchen  Fällen  neh- 
men auch  andere,  sowohl  sensible,  als  auch  motorische  Hirnnerven  an  der 
Leitungsunfähigkeit  Antheil. 

Die  Cur  dieses  Leidens  ist  äusserst  schwierig,  in  einzelnen  Fällen 
wohl  unmöglich.  Dass  durch  Naturthätigkeit  allein  Heilung  von  Anästhesie 
erfolgen  könne ,  haben  sowohl  Erfolge  von  chirurgischen  Operationen,  als 
auch  Experimente  erwiesen.  Partielle  Anästhesien  in  der  Umgebung  des 
Auges,  besonders  die  nach  Erschütterung  oder  Quetschung  dieser  Gegend 
entstandenen  können  noch  am  ehesten  von  selbst  verschwinden,  oder  durch 
geeignete  Mittel  gehoben  werden.  Am  meisten  Empfehlung  verdienen  zu 
diesem  Zwecke  belebende  und  restaurirende  Reize,  Frictionen  mit  aroma- 
lischen Tincturen  und  Salben,  flüchtigen  Stoffen,  die  Wärme,  der  Wasser- 
dampf, heisse  Bäder,  Gastein ;  der  Magnetismus,  die  Electricität ,  und  der 
Galvanismus  (Galvanopunctur).  Innerlich  versuche  man  stärkende  Mittel, 
die  China ,  die  tonischen  Metalle ,  das  valeriansaure  Zink.  Der  fortschrei- 
tenden Malacie  der  Cornea  begegne  man  durch  Ueberschläge  mit  Lösun- 
gen von  Alaun,  Nitras  argenti  oder  schwachen  Gaben  von  Sublimat. 


B.  Krankheiten  des  Sehnerven. 

1.   Hyperästhesia  optica. 

Die  gesteigerte  Reizbarkeit  des  Sehnerven  und  der  Retina  äussert 
sich  durch  abnorme  Licht-  und  Farbenempfindungen  (subjective  Lichter- 
scheinungen). Höchst  mannigfaltig  sind  diese  Lichterscheinungen.  Man 
bezeichnet  sie  als  Photopsie,  wo  vorzüglich  funken-,  flammen-  und  blitz- 
ähnliche Gestalten,  als  Chromopsie  oder  Chrupsie,  wo  Farbenerscheinun- 
gen, als  Myodesopsie ,  wo  dunklere  kügelchen-  oder  mückenartige  Gestal- 
ten dem  Gesichtssinne  vorschweben.  Wo  die  Retina  den  Sitz  des  Leidens 
abgibt,  bieten  sich  die  einzelnen  Bilder  in  scharfer  Begränzung  dar,  und 
mit  solcher  Deutlichkeit,  dass,  da  die  Retina  in  einem  solchen  Zustande 
sich  selbst  empfindet,  einzelne  Parthien  derselben,  ihre  Blutgefässe,  sogar 
die  Bewegung  der  Blutkörperchen  sich  erkennen  lassen.  Häufig  treten 
Lichterscheinungen  auf,  welche  ihren  Anfangspunkt  im  Umfange  des  Seh- 
nerven haben,  eine  halbmondförmige  oder  kreisförmige  Gestalt  mit  gezack- 
ter, silber-  oder  goldglänzender  farbiger  Begrenzung  haben.  Diese  Zick- 
zacken erscheinen  gewöhnlich  auf  einem  Auge,  seltener  auf  beiden,  folgen 


275 

den  Bewegungen  des  Auges  und  nehmen  bei  der  Accomodalion  für  ferne 
Objecte  an  scheinbarer  Grosse  zu  und  an  Intensität  ab.  Sie  verharren  kurze 
Zeit  in  derselben  Grösse,  dann  dehnen  sie  sieh  mehr  aus,  und  rücken  mehr 
zur  Seite  und  nach  rückwärts.  Mit  dem  Forlrücken  bis  zum  Ciliartheile  hört  die 
Erscheinung  auf,  weil  hier  keine  Nervenfasern  der  Retina  mehr  liegen.  Die 
Dauer  eines  solchen  Eindruckes  ist  verschieden ,  einige  Minuten  bis  stun- 
denlang. Bei  geschlossenen  Augen  ist  diese  Erscheinung  heller  und  deut- 
licher. Die  Sehkraft  ist  dabei  nicht  afficirt,  indem  man  auch  während  des 
Bestehens  der  Erscheinung  die  nicht  in  die  Zickzacken  fallenden  Objecto 
deutlich  und  begränzt  sieht.  Heftiger  Kopfschmerz,  Schwindel,  ein  Gefühl 
von  Spannen  und  Drücken  im  Auge  ,  zuweilen  Brechneigung  folgen  dem 
Anfalle.  Wo  der  Centralapparat  des  Sehnerven  Sitz  der  Affection  ist,  da 
sind  die  Lichlerscheinungen  undeutlicher,  den  Traumbildern  ähnlich,  sie 
erscheinen  da  in  flächenhafler  Ausbreitung  aus  dem  Bereiche  menschlicher 
und  thierischer  Formen.  Sie  können  daher  auch  da  auftreten,  wo  den  Licht- 
strahlen derZulritt  zur  Retina  versperrt  ist,  selbst  bei  Atrophie  und  Destruc- 
tion  des  peripherischen  Opticus. 

Die  Ursachen  der  optischen  Hyperästhesie  sind  theils  solche,  die  auf 
die  Netzhaut,  theils  solche ,  die  auf  den  Cenlralapparat  des  Sehorgans  ein- 
wirken. Zu  den  ersteren  gehören  Ueberreizung  der  Retina  durch  zu  grelles 
Licht,  Gaslicht,  Ansehen  der  Sonnenscheibe,  fortgesetzte  microscopische 
Arbeilen;  Blutüberfüllung  der  Netzhaut  nach  Erhitzung,  anstrengende  Arbei- 
len. Zu  den  letzteren  sind  zu  rechnen  manche  Gehirnkrankheiten ,  wie 
Delirium  tremens,  Schwindel,  Hypochondrie,  Ecstasis.  Congestion  der 
Gehirntheile,  narcotische  (Opium,  Digitalis,  Cannabis  indicaetc.)  und  andere 
dem  Blute  mitgetheilte  Stoffe,  besonders  die  Einathmung  des  Stickstoff- 
oxyds haben  ähnliche  Erscheinungen  zur  Folge. 

Der  Verlauf  ist  gewöhnlich  chronisch.  Das  Leiden  endet  sehr  häufig 
in  Anästhesie  der  Netzhaut,  Amblyopie  und  Amaurose;  so  wie  es  auch 
seine  Rückwirkung  auf  die  Seelenthäligkeit  äussert.  Denn  so  wie  solche 
Lichterscheinungen  einerseits  als  Symptome  psychischer  Störungen  betrach- 
tet werden  (als  wahre  Vesania  visus),  so  können  sie  auch  andererseits  zu 
andauernder  Hypochondrie  und  zu   wirklichem  Irrsinne  den  Grund  legen. 

In  der  Behandlung  suche  man  jeden  Reiz  auf  die  Retina  zu  entfer- 
nen. Vermeidung  aller  das  Sehorgan  in  Anspruch  nehmenden  Arbeilen, 
und  Ruhe  bilden  daher  die  Grundprincipien  der  Behandlung.  Der  Licht- 
reiz werde  durch  Schirme  und  graue  oder  blaue  Schulzgläser  gemildert. 
Oft  nützt  antagonistische  Erregung  der  Magennerven  durch  Anwendung 
kleiner  Gaben  von  Brechweinstein.  Wo  ein  Gehirnleiden  zu  Grunde 
liegt,  muss  gegen  dasselbe  durch  angemessene  Mittel  gewirkt  werden  ;  ins- 

18* 


276 

besondere  suche  man  der  Congestion  des  Blutes  zum  Gehirne  durch  ablei- 
tende Mittel,  kühlende  Getränke,  Brausepulver,  vegetabilische  Säuren  etc 
entgegenzuwirken. 


2.  Anästhesia  optica. 
Die  Amaurose,   der  schwarze   Staar. 

Der  Begriff  Amaurose  (schwarzer  Staar)  schliesst  jene  Krankheitsfor- 
men des  Auges  in  sich,  in  welchen  eine  bedeutende  Gesichtsschwäche  oder 
totale  Aufhebung  des  Sehvermögens  durch  Anästhesie  des  Sehnervenge- 
bildes besteht.  Da  jedoch  die  Function  der  Netzhaut  durch  verschiedene 
krankhafte  Zustände,  welche  theils  auf  sie  selbst,  theils  auf  den  Sehnerven 
und  die  entsprechenden  Gehirntheile  einwirken,  beeinträchtigt  oder  aufge- 
hoben werden  kann ,  so  kann  die  nächste  Ursache  der  Amaurose ,  die  ihr 
zu  Grunde  liegende  Erkrankung  sehr  mannigfaltig  sein,  und  entweder  im 
Auge  selbst  oder  weiter  davon  entfernt  liegen.  Der  schwarze  Staar  ist 
demnach  keine  selbständige  Krankheit ,  sondern  nur  ein  Symptom  ander- 
weitiger Störungen  und  krankhafter  Affectionen  des  Auges,  des  Gehirns 
oder  des  Totalorganismus.  Die  hohe  Bedeutung  dieses  Symptoms  rechtfer- 
tigt es  jedoch,  dass  man  der  Amaurose  eine  eigene  Abhandlung  widmet, 
und  leitende  Grundsätze  bei  der  Erkenntniss ,  Natur  und  Behandlung  der- 
selben entwickelt. 

Da  die  der  Amaurose  zu  Gründe  liegenden  Krankheiten  sehr  ver- 
schieden sind,  so  wird  auch  der  Symptomencomplexbeim  schwarzen  Staare 
nicht  immer  derselbe  sein.  Einige  der  sogleich  zu  betrachtenden  Symptome 
können  bei  der  Amaurose  ganz  fehlen ,  während  andere  auch  bei  nicht 
amaurotischen  Affectionen  vorkommen  können.  Zu  den  Symptomen,  welche 
man  bei  den  Amaurosen  beobachtet,  gehören  folgende: 

1.  Die  wichtigste  Erscheinung  ist  die  Abnahme  oder  der  Ver- 
lust des  Sehvermögens.  (Dysopie ,  Amblyopie).  Der  Kranke  sieht 
bei  hellem  Lichte  die  Gegenstände  undeutlich,  wie  in  Schatten  oder  Nebel 
gehüllt.  Die  Umrisse  der  Gegenstände  erscheinen  nicht  nur  undeutlich, 
sondern  auch  oft  unterbrochen  und  dadurch  verunstaltet.  Die  Flamme  des 
Kerzenlichtes  ist  wie  zerrissen,  es  fehlen  ihm  beim  Lesen  einzelne  Sylben, 
Worte  oder  Zeilen,  und  der  Kranke  muss  sie  mit  dem  Auge  durch  gewisse 
Bewegungen  und  Stellungen  des  Kopfes  und  des  Körpers  nachsuchen.  Der 
Verlust  des  Sehvermögens  beschränkt  sich  zuweilen  auf  einzelne  Stellen, 
auf  die  obere  oder  untere,  die  rechte  oder  linke  Hälfte,  die  Peripherie  oder 
die  Mitte  des  Gegenstandes.    Manche  Kranke  können  den  Gegenstand  nur 


277 

dann  erblicken  oder  etwas  deutlicher  sehen,  wenn  er  sich  in  einer  bestimm- 
ten Stellung  zum  Auge  befindet;  bei  der  geringsten  Bewegung  des  Kopfes 
oder  Auges  jedoch  entschwindet  er  ihnen  aus  dem  Gesichtsfelde.  Andere 
sehen  kleinere  Gegenstände  nur  dann  ,  wenn  sie  selbe  längere  Zeit  fixiren 
und  das  Auge  anstrengen.  Der  Zustand  des  Sehvermögens  ist  bisweilen 
besser,  bisweilen  jedoch  schlechter.  Einfluss  darauf  nimmt  nicht  nur  der 
verschiedene  Körper-  oder  Gemüthszustand  des  Leidenden  (aufregende  oder 
beruhigende  Einflüsse,  Speisen,  Getränke,  die  verschiedene  Lage  und  Stel- 
lung des  Körpers  und  des  Kopfes ,  Ruhe  oder  Bewegung ,  erregende  oder 
deprimirende  Gemülhsaffecte),  sondern  auch  die  Menge  und  Intensität  des 
Lichtes,  die  Beschaffenheit  der  Atmosphäre.  Nach  dem  Grade  der  Abnahme 
des  Sehvermögens  unterscheidet  man  mehrere  Abstufungen  der  Amaurose, 
und  man  bezeichnet  als  ersten  Grad  des  Leidens  die  amaurotische 
Amblyopie,  wenn  der  Kranke  grössere  Gegenstände  noch  undeutlich 
ausnimmt,  als  zweiten  Grad  die  unvollkommene  Amaurose  (A.  imper- 
fecta), wenn  das  Sehvermögen  bis  auf  die  blosse  Lichtempfindung  verloren 
ging,  und  als  dritten  Grad  die  A  m  a u  r  o  s  i  s  p  e  r  f  e  c  t  a,  wen n  auch  die  Licht- 
empfindung gänzlich  mangelt. 

Von  der  amaurotischen  Gesichtsschwäche  ist  die  Asthenopie 
(Schwachsichtigkeit,  Hebetudo  visus,  Kopiopie)  wohl  zu  unterscheiden. 
Diese  Krankheit  besteht  in  dem  Unvermögen,  die  Augen  längere  Zeit  auf 
kleinere  und  nahe  Gegenstände  zu  richten,  indem  dieselben  sehr  bald  dun- 
kel oder  verworren  erscheinen,  und  sich  in  den  Augen  ein  Gefühl  von  Mat- 
tigkeit, oder  von  Spannung  und  Schwere  mit  Hitze ,  Thränen  ,  zuweilen 
auch  Doppeltsehen  einstellt,  bei  fortgesetzter  Anstrengung  der  Augen  jedoch 
auch  Benommenheit  des  Kopfes,  Schmerz  im  Auge  und  den  Umgebungen, 
zuweilen  auch  Ueblichkeiten  eintreten.  Die  eben  genannten  Erscheinun- 
gen, welche  im  Freien  oder  bei  Betrachtung  entfernter  oder  grösserer  Ge- 
genstände nicht  eintreten ,  kommen  je  nach  der  Constitution  des  Kranken 
und  dem  Grade  des  Uebels ,  nach  verschiedenen  Zeiträumen,  z.  B.  nach 
mehreren  Stunden ,  zuweilen  schon  nach  wenigen  Minuten,  verschwinden 
jedoch,  wenn  die  Augen  einige  Zeit  hindurch  ruhen  ,  oder  auf  entferntere 
Objecte  gerichtet  werden.  Es  gibt  auch  Individuen ,  bei  denen  das  Uebel 
nach  einer  durch  mehrere  Tage  fortgesetzten  Beschäftigung,  z.  B.  in  den 
letzten  Tagen  der  Woche  einzutreten  pftegt.  Vor  dem  Eintritte  desselben 
sehen  die  damit  Behafteten  selbst  sehr  kleine  Gegenstände  leicht  und  di- 
stinct;  allein  es  mangelt  die  Ausdauer  beim  Fixiren  derselben.  Beim  Anfall 
zeigt  sich  eine  geringe  Erweiterung  der  Pupille  ;  Schmerz,  Lichtscheu  und 
Thränenfluss  stellt  sich  ein,  wenn  die  Augen  nach  Eintritt  des  Anfalls  noch 
angestrengt  werden.     Werden   die   Augen    fortwährend  beträchtlich  ange- 


278 

strengt,  so  treten  die  Anfälle  von  Schwäche  und  Ermattung  des  Sehver- 
mögens häufiger  ein  und  dauern  jedesmal  länger.  Die  Krankheit  schleicht 
sich  langsam  ein,  und  kann  sehr  lange  dauern.  Sie  kommt  besonders  bei 
jungen  Leuten  vor,  welche  sich  anhaltend  mit  kleinen  Gegenständen  be- 
schäftigen. Als  entferntere.  Ursachen  sind  zu  betrachten  übermässige  Anstren- 
gung der  Augen  neben  grosser  Beschränkung  des  Schlafes,  eine  verkehrte 
Erziehungsart,  frühere  Augenentzündungen,  Verletzung  der  Aeste  des  fünf- 
ten Paares  in  der  Nähe  der  Augenhohle,  Hirnleiden,  Masturbation,  Ueber- 
mass  im  Geschlechtsgenusse.  Ueberhaupt  sind  schwächende  Einflüsse  eine 
Hauptursache  dieses  Uebels ,  daher  man  es  so  häufig  bei  den  sogenannten 
nervösen  Individuen,  bei  anämischen  oder  chlorotischen  Frauenspersonen 
beobachtet.  Andererseits  wird  es  auch  durch  Hyperämie  und  Congeslion 
zum  Kopfe  und  zu  den  Augen  nicht  selten  hervorgerufen.  Die  nächste  Ur- 
sache ist  Schwäche  der  motorischen  Nerven  des  Auges,  daher  in  Folge  des 
geschwächten  Nerveneinflusses  die  Accommodation  des  Auges  nur  unvoll- 
kommen vor  sich  geht.  Das  Leiden  bietet  hinsichtlich  der  Hebung  dessel- 
ben gerade  keine  günstige  Prognose  dar,  geht  aber  fast  niemals  in  Amblyo- 
pie oder  Amaurose  über.  Bei  der  Behandlung  ist  vorzüglich  die  möglichste 
Verhütung  der  Gelegenheitsursachen  zu  berücksichtigen.  Sobald  sich  ver- 
worrenes Sehen  einstellt,  soll  die  Arbeit  sogleich  unterbrochen  werden  ; 
der  mit  diesem  Uebel  Behaftete  gönne  sich  überhaupt  öftere  Ruhepuncte 
bei  seiner  Beschäftigung,  richte  die  Augen  auf  entferntere  Gegenstände, 
und  wasche  sie  öfters  mit  kaltem  Wasser.  Kann  er  die  Anstrengung  nicht 
länger,  als  !/t  Stunde  hindurch  vertragen,  so  soll  er  die  Beschäftigung  mit 
kleinen  nahen  Gegenständen  lieber  eine  Zeit  lang  vermeiden.  Bei  robuster 
Körperbeschaffenheit  und  örtlichem  Blutandrange  sind  örtliche  Blutentziehun- 
gen, kühlende  Purganzen  und  überhaupt  ein  antiphlogistisches  Regimen 
sehr  nützlich.  Wo  dem  Leiden  schwächende  Einflüsse  zu  Grunde  liegen, 
oder  dasselbe  bei  schwächlichen  Individuen  auftritt,  leistet  die  Anwendung 
von  tonischen  Mitteln,  insbesondere  von  Eisen  (Carbonas  oder  lactas  ferri) 
oder  Chinin,  die  Waschung  der  Umgebung  des  Auges  mit  Valeriana-  oder 
Arnicatinctur,  Kölnerwasser  oder  Pyrmonterwasser,  die  kalte  Douche  auf 
Stirn,  Schläfe,  Hinterhaupt  und  Rückgrath  nebst  Bewegung  im  Freien  bes- 
sere Dienste.  Das  Tragen  von  schwachen  Convexbrillen  gewährt  palliative 
Hülfe.  Von  den  beruhigenden  Mitteln  empfiehlt  Mackenzie  die  Tinct.  Bel- 
ladonnae  3  mal  täglich  zu  5 — 15  Tropfen,  welche  die  Neigung  zur  Ermat- 
tung der  Augen  mindern  soll. 

2.  Dem  Eintritte  der  Amaurose  gehen  häufig  kurze  Zeit  die  Erschei- 
nungen der  optischen  Hyperästhesie  voraus.  Diese  besteht  in  sub- 
jecliven  Empfindungen  von  Licht ,  Blitzen  oder  Funken   (Photopsia),  von 


279 

verschiedenen  Farben  (Chromopsie  oder  Chrupsie)  oder  von  hellerleuchte- 
ten Phantasmen.  Die  Hyperästhesie,  die  der  amaurotischen  Erblindung 
vorausgeht,  äussert  sich  meistens  auf  folgende  Art:  Hat  der  Patient  ein 
Paar  Minuten  lang  unverwandt  auf  einen  massig  erleuchteten  Gegenstand 
geblickt,  und  schliesst  dann  die  Augen,  oder  löscht  das  Licht  aus,  so  bemerkt 
er  ein  ziemlich  deutliches,  etwas  verkleinertes  Bild  (Spectrum).  Oft  durch- 
läuft es  eine  Reihe  von  Farbenveränderungen,  bevor  es  verschwindet.  Es 
ist  10 — 15"  vom  Augapfel  entfernt  und  bewegt  sich  in  entgegengesetzter 
Richtung  mit  dem  Auge.  Es  entsteht  durch  krankhaft  gesteigerte  Reizbar- 
keit der  Netzhaut ,  welche  die  Eindrücke  des  Lichtes  länger  festhält ,  als 
im  gesunden  Zustande.  Beim  Tage  hat  der  Kranke  sehr  häufig  ein  dumpfes 
schweres  Gefühl  in  der  Stirne,  Abends  beim  Lesen  und  Schreiben  die  unan- 
genehme Empfindung,  als  ob  sich  die  Augenhöhlen  erweiterten  ,  die  Augen 
thränen,  und  die  Augenlider  zucken  und  schwirren  häufig.  Man  fühlt  helle 
Blitze  und  Funken,  wenn  man  die  Augen  auch  noch  so  sanft  berührt  oder 
reibt,  so  auch  ohne  Berührung  beim  Schlafengehen.  Diese  Symptome  dau- 
ern Wochen,  Monate  lang  oder  über  ein  Jahr,  dann  treten  die  Symptome 
der  Abstumpfung  der  Netzhaut  ein.  Das  Funkensehen  tritt  zuweilen  nur 
nach  vorausgegangenen  aufregenden  Einflüssen  auf,  oder  selbst  ohne  eine 
bemerkenswerthe  Ursache.  Häufiger  erscheint  es  im  Dunkeln,  so  auch  bei 
geschlossenen  Augen.  Es  ist  der  congesliven  Form  der  Amaurose  mehr 
eigen,  und  fehlt  bei  der  torpiden  Form  meist  gänzlich,  daher  auch  bei  Auf- 
regung der  Gefässlhätigkeit  dieses  Symptom  häufig  hervorgerufen  wird. 
3.  Der  Amaurotische  ist  nicht  im  Stande,  die  einzelnen  Farben  genau 
zu  unterscheiden.  Meistenteils  erscheinen  ihm  die  Farben  dunkler ,  eine 
weisse  Fläche  hält  er  oft  für  grau  oder  bestäubt.  Das  Unvermögen ,  be- 
stimmte Farben  zu  unterscheiden,  wird  Achromatopsie  oder  Dalto- 
nismus  genannt,  und  kommt  auch  bei  einzelnen  Individuen  vor,  welche 
sonst  ein  ganz  gutes  Sehvermögen  haben.  Dieser  Zustand  zeigt  hinsicht- 
lich der  Ausdehnung  grosse  Mannigfaltigkeit.  Der  Daltonismus  erstreckt 
sich  fast  niemals  auf  die  gelbe  Farbe ,  indem  diese  meistens  unterschieden 
wird.  Je  zwei  Ergänzungsfarben  stehen  stets  in  gleichem  Verhältnisse; 
wer  für  Roth  unempfindlich  ist,  kann  auch  grün  nicht  unterscheiden.  Ueber 
die  nächste  Ursache  der  Achromatopsie  bestehen  für  jetzt  bloss  Hypothe- 
sen. Die  Ursache  des  Fehlers  liegt  wahrscheinlich  nicht  in  einer  Unempfind- 
lichkeit  der  Netzhaut  für  Lichtstrahlen  von  gewisser  Brechbarkeit,  sondern 
in  einem  Defecl  des  Sensoriums,  wodurch  ihm  das  Urlheil  über  jene  Diffe- 
renzen der  Strahlen,  von  denen  die  Farben  abhängen,  unmöglich  wird. 
Man  hat  diesen  Zustand  seltener  bei  Frauen ,  als  bei  Männern  beobachtet. 
Durch  die  geeignete  Anwendung  gefärbter  Gläser  lässt  sich  der  Verwechs- 


280 

lung  gewisser  Farben  oft  zum  grössten  Erstaunen  der  Betheiligten  abhel- 
fen, aber  sie  ersetzt  freilich  nicht  die  mangelnde  Fähigkeit,  verschiedene 
Nuancen  einer  und  derselben  Farbe  zu  unterscheiden.  Der  Fehler  ist  ange- 
boren und  wird  auch  vererbt. 

4.  Nicht  selten  kommt  bei  Amblyopien  und  beginnenden  Amaurosen 
das  Sehen  von  kleinen,  dunklen  Flocken  oder  Fäden  oder  schlangenarti- 
gen Gestalten  vor,  welches  Symptom  man  als  Mückensehen,  Myodes- 
opsie,  (Scotopsie,  Muscae  volitantes)  bezeichnet.  Diese  Flocken,  Sco- 
tome  genannt,  sind  verschieden  nach  Bewegung,  Form,  Grösse,  Farbe,  Zahl 
und  Beleuchtung,  und  erscheinen  als  bewegliche  schwarze  Puncte,  Linien, 
Bläschen ,  Klümpchen  und  schlangenförmige  Gestalten.  Sie  sind  nur  zum 
Theile  zu  den  subjectiven  Lichterscheinungen  zu  rechnen ;  da  ihnen  auch 
zuweilen  im  Auge  selbst  befindliche  Gegenstände  zu  Grunde  liegen.  Letz- 
tere kommen  schon  im  physiologischen  Zustande  bei  manchen  Individuen 
vor  und  sind  dann  als  kein  amaurotisches  Symptom  zu  betrachten  ,  somit 
ohne  besondere  Bedeutung.  In  vielen  Augen  befinden  sich  in  den  bre- 
chenden Medien  solche  Stellen,  welche  den  regelmässigen  Gang  der  Licht- 
strahlen stören.  Sind  solche  undurchsichtige  oder  das  Licht  anders  bre- 
chende Körperchen  der  Retina  zu  nahe,  als  dass  sie  direct  gesehen  werden 
könnten,  so  können  sie  doch  durch  den  Schlagschatten ,  welchen  sie  wer- 
fen, wahrgenommen  werden.  Sie  erscheinen  gewöhnlich  als  rosenkranz- 
oder  perlenschnurartig  gruppirte ,  kleine,  kreisförmige  Scheibchen  mit  hel- 
lem Innern  und  dunklen  Ringen,  welche  in  ihrer  gegenseitigen  Lage  und 
Stellung  eine  grosse  Veränderlichkeit  zeigen.  Andere  Scotome ,  die  eben- 
falls im  physiologischen  Zustande  auftreten  ,  rühren  von  der  natürlichen 
Benetzung  der  Hornhaut,  namentlich  von  der  ungleichmässigen  Verkei- 
lung der  Thränenfeuchtigkeit  her.  Sie  bestehen  in  wolkigen,  unbestimmt 
begrenzten,  lichtem  oder  dunklern  Stellen  oder  in  wassertropfenähnli- 
chen,  hellen  Puncten,  welche  sich  beim  Oeftnen  des  Auges  meist  sehr  rasch 
im  Zerstreuungsfelde  nach  abwärts  bewegen.  Das  im  physiologischen  Zu- 
stande auftretende  Mückensehen  ist  kein  gefährliches  Symptom.  Es  kommt 
häufiger  bei  Individuen  vor,  welche  anhaltend  mit  dem  Sehen  durch  Micro- 
scope  und  Fernröhre  beschäftigt  sind.  Ein  gewisser  Reizungszustand  der 
Retina  begünstigt  sodann  das  Auftreten  der  Scotome. 

Auch  die  durch  pathologische  Zustände  hervorgerufene  Scotopsie  hat 
nicht  immer  eine  amaurotische  Bedeutung.  Zuweilen  rührt  sie  nämlich  von 
einwärtsgekehrten  Wimpern,  von  abgestossenenEpithelialzellen  und  Schleim- 
partikelchen auf  der  Hornhaufläche  (bei  catarrhalischen  Entzündungen), 
von  partiellen  Trübungen  der  vordem  Kapsel,  der  Linse  oder  selbst  der  Cor- 


281 

nea  her.  Sie  zeigen  einen  hohen  Grad  von  Unveränderliehkeit,  wenn  sie 
von  partiellen  Trübungen  der  durchsichtigen  Medien  herrühren.  Zuweilen, 
jedoch  selten  inögen  auch  in  der  vordem  Augenkammer  flotlirende  Gebilde, 
oder  selbst  Binnenthiere  in  derselben  (Sömmering ,  Logan)  zum  Mücken- 
sehen Veranlassung  geben. 

Eine  amaurotische  Bedeutung  haben  jene  Scolome ,  welche  eine  Er- 
krankung der  Retina  als  Grundursache  anerkennen.  Sie  sind  theils  beweg- 
lich, theils  fix,  bestehen  in  der  Dunkelheit  grösslentheils  fort,  und  zeigen 
sich  als  schwärzliche,  runde  oder  unregelmässige,  grossere  oder  kleinere 
Flecken,  Filamente  oder  Netze.  Einige  Scolome,  die  man  auch  als  inflam- 
matorische bezeichnet,  treten  bei  Aufregung  des  Gefäss-  und  Nervensystems 
leichler  und  im  höhern  Grade  auf,  bestehen  in  der  Dunkelheil  fort,  und  sind 
häufig  mit  Lichlerseheinungen,  glänzenden  Flecken,  Funken  ,  Blitzen  und 
Flammen  verbunden.  Die  Phänomene  nehmen  eine  schwarze  Färbung  an,  so- 
bald der  Kranke  die  Augen  öffnel  und  sie  dem  hellen  Tageslichte  aussetzt.  Par- 
tielle temporäre  Dilatation  der  Choroidealgefässe,  wie  sie  bei  Individuen  mit 
Anomalien  der  Circulalion  und  mit  gastrischen  Störungen  nicht  selten  eintre- 
ten, geben  zu  beweglichen,  vorübergehenden  Scotomen  Veranlassung; 
permanente  Ausdehnungen  der  Choroideal-  und  Retinalgcfässe  (bei  chro- 
nischen Hyperämien  und  Entzündungen  der  Aderhaut)  veranlassen  zuwei- 
len fixe  Scotome.  Partielle  Lähmung  der  Retina  ist  ferner  eine  Ursache 
der  Scolome.  Eine  solche  Unempfindlichkeit  und  Abstumpfung  der  Retina 
wird  öfters  durch  übermässige  Reizung  derselben  hervorgerufen,  wozu 
grosse  und  anhaltende  Anstrengung  der  Augen  ,  besonders  im  künstlichen 
Lichte  oder  bei  unzureichender  Beleuchtung  Veranlassung  gibt.  Ihr  gehen 
zuweilen  die  Phänomene  der  optischen  Hyperästhesie  vorher.  Treten  end- 
lich die  Symptome  der  Abstumpfung  der  Netzhaut  ein ,  so  bemerkt  der 
Kranke  meistens  bei  Betrachtung  eines  Gegenstandes  einen  kleinen  undeut- 
lichen, dunklen  Fleck  zwischen  sich  und  dem  Objecte  in  der  Luft.  Will  er 
ihn  schärfer  ins  Auge  fassen,  so  verschwindet  er.  Auf  weissem  Grunde 
erscheint  der  Fleck  beinahe  schwarz ,  auf  orangefarbenem  oder  gelbem 
Grunde  schmutzig  blau  oder  violett.  Die  Ränder  sind  verwaschen,  die  Form 
daher  unregelmässig.  Anfangs  sieht  der  Kranke  nur  ein  solches  Scotom, 
dann  mehrere,  öfters  und  zwar  undurchsichtige;  sie  bleiben  allmälig  auch 
länger  sichtbar.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  ist ,  dass  einzelne  Stellen 
der  Netzhaut  gegen  die  Einwirkung  der  Lichtsirahlen  unempfindlich  gewor- 
den sind  und  daher  als  dunkle  Flecken  percipirl  werden.  Anfangs  bemerkt 
der  Kranke  diese  Mouches  volantes  nur  von  einer  Zeit  zur  andern,  oft  nur 
in  Zwischenzeilen  von  mehreren  Tagen  und  nach  vorausgegangener  An- 
strengung.    Ihre  Dauer  ist  höchst  vorübergehend.     Ihre  Bewegung  folgl 


282 

häufig  einer  bestimmten  Regel,  und  zwar  den  Bewegungen  des  Auges,  so 
dass  sie  entweder  plötzlich  in  die  Höhe  steigen,  oder  sich  langsam  herun- 
tersenken. Uebrigens  kann  auch  das  wechselweise  Auftreten  und  Ver- 
schwinden der  Scotome  an  verschiedenen  Stellen  ihre  scheinbare  Bewe- 
gung veranlassen.  Den  zuletzt  beschriebenen  Scotomen  gesellt  sich  end- 
lich ein  dumpfer  Kopfschmerz ,  ein  Gefühl,  als  ob  die  Augenhöhlen  sich 
erweiterten,  sobald  der  Kranke  einen  Gegenstand  anzublicken  versucht,  ein 
pelzartiger  Nebel,  der  die  Gegenstände  umhüllt,  hinzu,  und  sie  geben  sich 
dadurch  als  ein  gefahrdrohendes  Symptom  zu  erkennen. 

Von  organischen  Krankheiten  der  Netzhaut  können  Neurome  und 
inelanolische  Ablagerungen  auf  derselben  zur  Entstehung  von  Scotomen 
Veranlassung  geben. 

Die  prognostische  Bedeutung  der  Myodesopsie  ist  demnach  sehr  ver- 
schieden. Jene  Mouches  volantes,  welche  auf  kleinen  Unvollkommenhei- 
len im  Glaskörper  beruhen,  durchscheinend  sind,  besser  am  Tage  und  im 
hellen  Lichte,  als  in  der  Dunkelheit  auftreten,  beim  Schliessen  der  Augen 
verschwinden,  ohne  Kopfschmerz  und  ohne  gleichzeitige  Abnahme  des  Seh- 
vermögens erscheinen,  sind  ein  ungefährliches  Symptom,  und  lassen  weder 
die  Entstehung  einer  Cataract  oder  einer  Amaurose  befürchten.  Gefährli- 
cher sind  die  Scotome,  welche  von  Erkrankung  der  Retina  herrühren.  Von 
besonders  übler  Bedeutung  ist  es,  wenn  im  Gesichtsfelde  ein  fixer  schwar- 
zer Fleck  erscheint,  der  nach  und  nach  am  Umfange  zunimmt.  Auch  das 
Sehen  von  Blutkügelchen,  welches  stets  mit  bedeutender  Schwächung  des 
Sehvermögens  einhergeht,  ist  ein  ungünstiges  Symptom. 

Der  Myodesopsie  reihen  sich  gewisser  Massen  auch  die  Hallucina- 
tionen  des  Gesichtssinnes  an ,  welche  bei  der  Hyperästhesia  optica  auftre- 
ten, vorzüglich,  wenn  diese  im  Centralapparate  des  Gesichtssinnes  im  Ge- 
hirne ihren  Sitz  hat.  Solche  subjective  Gesichtserscheinungen  (Phantasmen) 
haben  auf  das  Seelenorgan  einen  bedeutenden  Einfluss,  und  können  eben  so 
gut  Ursache  von  physischen  Störungen  werden ,  als  sie  auch  Symptome 
solcher  Krankheiten  darstellen. 

5.  Die  Unempfindlichkeit  der  Netzhaut  ergreift  bisweilen  nur  eine 
Hälfte  derselben;  es  tritt  Halbsehen  (Hemiopie)  ein.  Der  Kranke  sieht 
entweder  nur  die  obere  oder  untere,  oder  eine  seitliche  Hälfte  des  Objec- 
tes,  und  während  er  sich  bemüht,  die  andere  aufzufassen,  verschwindet  die 
bereits  gesehene.  Die  Affection  besieht  zuweilen  nur  auf  einem  Auge, 
öfters  auf  beiden.  Ihre  Ursachen  sind  wenig  bekannt.  Eine  plötzliche 
Störung  der  Circulaüon,  Indigestionen,  Gemüthsaffecte,  besonders  heftiger 
Zorn,  Betrübniss  und  Kummer  können  sie  veranlassen  ;  sie  hält  unter  sol- 
chen Umständen  nicht  lange,  nur  einige  Stunden  an,  und  geht  sodann  ohne 


283 

weitere  Beeinträchtigung  des  Sehvermögens  vorüber;  zuweilen  folgt  ihr 
nur  ein  Kopfschmerz.  Die  Amaurosis  dimidiata  beider  Augen  entsteht  auch 
aus  einer  Lähmung  der  einen  Wurzel  des  Chiasma,  oder  des  Gehirntheils 
jener  Seite,  aus  welcher  der  Sehnerve  entspringt.  Das  Halbsehen  kommt 
symptomatisch  auch  bei  Amaurosen  vor,  und  deutet  dann  eine  halbseitige 
Lähmung  der  Retina  an.  Bisweilen  ist  die  Mitte  des  Sehfeldes  dunkel,  der 
Kranke  sieht  nur  nach  oben  und  unten  oder  zu  beiden  Seiten  (Visus  inter- 
ruptus). 

6.  Eine  Folge  des  Torpors  der  Retina  ist  auch,  dass  der  Kranke  die 
zu  betrachtenden  Gegenstände  dem  Auge  mehr  nähern  muss.  Diese  Art 
der  Myopie  (Myopia  spuria)  unterscheidet  sich  von  der  wahren  durch  feh- 
lerhafte Brechung  der  Lichtstrahlen  hervorgerufenen  dadurch,  dass  Con- 
cavbrillen  das  Sehvermögen  nicht  verbessern ,  was  jedoch  häufig  durch 
Convexbrillen,  welche  die  Thätigkeit  der  Netzhaut  anregen,  geschieht,  und 
dass  der  Kranke  bei  Myopia  spuria  eine  grössere  Lichlmenge  bedarf,  wäh- 
rend der  wahre  Kurzsichtige  selbst  in  der  Dämmerung  ziemlich  gut  sieht. 
Auch  erscheinen  bei  der  Amaurose  zuweilen  die  Gegenstände  kleiner  (Mi- 
cropie)  und  mit  verminderter  Schärfe,  nur  selten  grösser,  als  sie  wirklich 
sind  (Megalopie). 

7.  Manche  Erscheinungen  der  Amaurose  hängen  von  der  Theilnahme 
anderer  in  und  am  Auge  befindlicher  Nerven  ab.  Die  Energie  der  sensi- 
blen Nerven,  welche  sich  sowohl  durch  Empfindung,  als  durch  Reflexein- 
fluss  auf  die  motorischen  Nerven  offenbart,  kann  krankhaft  gesteigert  sein, 
so  dass  mehr  oder  minder  heftige  Schmerzen  die  Amaurose  öfters  beglei- 
ten. Auch  dauert  dann  die  Reaction  gegen  das  Licht  als  Reizpotenz  fort. 
Beispiele  von  Hyperästhesie  der  Ciliarnerven,  von  schmerzhafter  Lichtscheu, 
so  dass  die  Pupille  sich  zusammenzieht,  und  die  Augenlider  sich  schliessen, 
sind  zwar  selten  bei  Amaurotischen,  kommen  jedoch  bei  erelhischem  Zu- 
stande zuweilen  vor.  Am  häufigsten  aber  zeigt  sich  Anästhesie  der  Ciliar- 
nerven ,  so  dass  der  Erblindete  die  Sonnenstrahlen  mit  seinem  Auge  auf- 
fangen kann,  ohne  davon  schmerzhaft  afficirt  zu  werden,  eine  Erscheinung, 
welche  man  gewöhnlich  Lichthunger  nennt,  weil  man  wähnt,  der  Kranke 
suche  das  Licht,  um  sehen  zu  können. 

8.  Die  Unbeweglichkeit  der  Pupille  rührt,  wo  sie  in  der 
Amaurose  vorhanden  ist,  von  dem  unterbrochenen  Kreise  der  Reflexaction 
her,  die  überhaupt  die  Irisbewegungen  bedingt.  Die  Leitungsfähigkeit  des 
Opticus  ist  aufgehoben ,  und  so  kann  der  Reflexeinfluss  auf  den  N.  oculo- 
molorius  nicht  mehr  Statt  finden.  Jedoch  kann  bei  Amaurose  nur  eines 
Auges  der  Reflexeindruck  von  den  Nerven  des  gesunden  Auges  die  Pupille 
des  kranken  zusammenziehen.    Selten  sind  jene  Fälle,  wo  eine  unwillkühr 


284 

liehe  abwechselnde  Contraction  und  Dilatation  der  Pupille,  die  vom  Licht- 
einflusse unabhängig  ist,  (Hippus)  besteht.  Die  Pupille  ist  meistens  starr, 
erweitert,  rund  oder  winklich,  eckig ,  verzogen  entweder  in  horizontaler 
oder  aufrechter  Stellung.  Bisweilen  ist  die  Pupille  bei  Amaurosen  verengt, 
und  dann  kann,  bei  Amaurose  eines  Auges,  dieselbe  sich  erweitern,  wenn 
man  das  gesunde  Auge  schliessl. 

9.  Die  motorische  Synergie  des  Sehnerven  ist  in  der  Amaurose  beein- 
trächtigt, daher  der  Stand  des  Augapfels  öfters  vor  der  Sehaxe  abweicht,  ge- 
wohnlich nach  aussen.  Derlei  Erscheinungen  von  Lähmung  der  muskulösen 
Gebilde ,  wozu  auch  eine  Senkung  des  obern  Augenlides  gehört ,  haben 
jedoch  auch  öfters  in  dem  Fortschreiten  des  Krankheitsprocesses  auf  die 
motorischen  Nerven  des  Auges  ihren  Grund,  so  wie  auch  durch  gleichzei- 
tige Affection  des  Trigeminus  eine  Neuralgia  supra-  oder  infraorbitalis  oder 
eine  Anästhesie  des  Quintus  die  Amaurose  begleiten  kann. 

10.  Das  Doppeltsehen  (Diplopia)  ist  nur  zuweilen  ein  amauroti- 
sches Symptom.  Das  Doppellsehen  besteht  entweder  nur,  wenn  der  Kranke 
mit  beiden  Augen  sieht  (Diplopia  biocularis)  oder  auch,  wenn  er  nur  ein 
Auge  zum  Sehen  verwendet  (Diplopia  monocularis).  Erstere  Art  des  Dop- 
peltsehens, welche  viel  häufiger  ist,  als  die  Diplopia  monocularis,  beruht 
darauf,  dass  die  Sehaxen  beider  Augen  sich  nicht  auf  einem  Puncte  des 
Objectes  kreuzen,  und  auf  differenten  Nelzhautslellen  die  Bilder  der  Gegen- 
stände entworfen  werden.  Es  begleitet  daher  sehr  oft  Krankheiten  der 
Muskeln  und  motorischen  Nerven  des  Auges,  namentlich  den  Strabismus 
und  die  Luscitas,  die  Lähmung  der  Bewegungsnerven.  Die  Doppelbilder 
treten  oft  nur  innerhalb  einer  gewissen  Distanz  auf,  und  treten  bei  grösse- 
rer Entfernung  der  Objecte  vom  Auge  mehr  auseinander.  Eines  der  Dop- 
pelbilder ist  meistens  undeutlicher.  Sie  sind  entweder  nebeneinander  ge- 
stellt, oder  über  einander  verschoben.  Eine  ziemlich  häufige  Form  der 
Diplopia  biocularis  wird  durch  eine  rheumatische  Affection  einzelner  Mus- 
keln in  der  Orbita  bedingt ,  welche  keine  auffallende  Abweichung  in  der 
Stellung  beider  Augäpfel  bewirkt,  und  mit  reissenden,  herumziehenden 
Schmerzen  in  der  Umgebung  des  Auges  und  geringer  Röthung  desselben 
verbunden  ist.  Sie  beruht  darauf,  dass  eine  Hyperämie  oder  Exsudalion  in 
die  fibröse  Hülle  eines  oder  mehrerer  Augenmuskeln  erfolgte,  wodurch 
eine  geringe  krankhafte  Contraction  oder  ein  paralytischer  Zustand  in  dem- 
selben veranlasst  wurde.  Das  Doppeltsehen  mit  einem  Auge  ist  meistens 
durch  abnorme  Brechung  der  Lichtstrahlen  bedingt,  und  wird  dem  zu  Folge 
bei  winkliger  Biegung  (Facettirung)  der  Cornea ,  bei  einer  Doppelpupille, 
beim  beginnenden  grauen  Staare  zuweilen  beobachtet.  Bei  Amaurosen  ist 
das  Doppeltsehen   mit   beiden  Augen  meistens  durch  eine  geringe  Abwei- 


285 

chung  des  Augapfels  veranlasst,  die  monoculare  Diplopie  hingegen,  welche 
bei  Hysterischen  und  Hypochondern  zuweilen  vorkommt,  ist  rein  nervös 
und  kann  durch  abnorme  Reizung  des  Nervensystems,  heftigen  Zorn, 
Schrecken  u.  s.  w.  entstehen. 

Weichen  die  Sehaxen  nur  um  ein  sehr  Weniges  von  der  normalen 
Stellung  ab,  so  dass  die  Doppelbilder  sich  nicht  vollständig  von  einander 
trennen,  sondern  sich  theilweise  decken,  so  bemerkt  man  oft  nicht  deut- 
lich, dass  es  die  Erscheinung  des  Doppeltsehens  ist,  und  glaubt  die  Objecte 
hätten  eine  andere  Gestalt,  wären  verschoben,  wobei  sie  oft,  wegen  der 
nicht  constanten  Neigung  der  Sehaxen  zu  einander  zu  schwanken  scheinen. 
So  erklärt  sich  bisweilen  die  Erscheinung  der  Metamorphopsie,  des 
Ungestaltsehens. 

11.  Das  Ansehen  des  Auges  hat  bei  vollkommener  Amaurose 
etwas  Fremdartiges,  ist  matt,  glanzlos.  Der  Blick  ist  stier,  das  Lebendige, 
Seelenvolle  desselben  ging  verloren.  Diess  beruht  darauf,  dass  die  regel- 
mässigen, dem  Zwecke  des  Sehens  entsprechenden,  harmonischen  Bewe- 
gungen der  Augen  aufhören,  dass  die  Augen,  bei  dem  Unvermögen  zu 
sehen,  in  den  ursprünglichen  Parallelismus  der  Sehaxen  zurücksinken. 
Amaurotisch  Erblindete  gehen  meistens  mit  nach  aufwärts  gewandtem 
Blicke,  ziemlich  keck  einher,  und  unterscheiden  sich  dadurch  auffallend 
von  cataractös  Erblindeten.  Die  Sclerotica  ist  zuweilen  bläulich  getüncht, 
von  varicösen  Gefässen  durchzogen.  Die  Iris  ist  bei  der  congestiven  Form 
der  Amaurose  voll,  strotzend,  nach  vorne  gewölbt,  in  andern  Fällen  schlaff, 
welk.  Im  Hintergrunde  des  Augapfels  zeigt  sich  bisweilen  eine  scheinbare 
Trübung  von  rauchiger ,  schwarzgrauer  oder  bleichgrauer  Färbung.  Die 
Ernährung  des  Auges  wird  zuweilen  beeinträchtigt,  die  Cornea  erscheint 
matt,  flacher,  die  Conjunctiva  trockener,  dabei  in  der  Umgebung  des  Auges 
ein  Gefühl  von  Kälte,  Taubheit  oder  Unempfindlichkeit. 

12.  Zuweilen  entwickeln  sich  die  Geisteskräfte  auffallend;  der  Tast- 
sinn und  auch  der  Gehörsinn  erlangen  eine  ausserordentliche  Feinheit,  was 
die  Erziehung  der  Blinden  wesentlich  erleichtert.  Indessen  wird  auch  in 
andern  Fällen  die  Thätigkeit  anderer  Sinne  durch  die  der  Amaurose  zu 
Grunde  liegende  Krankheil  vermindert  oder  aufgehoben.  Das  Gemüth  der 
Kranken  ist  oft  während  des  Erblindens  sehr  beunruhigt  und  ängstlich ; 
nach  vollständiger  Erblindung  tritt  jedoch  meistens  eine  ruhigere  Gemüths- 
stimmung  und  Resignation  ein. 

Da  die  Amaurose  durch  mannigfache  Erkrankungen  bedingt  sein  kann, 
so  versteht  es  sich  von  selbst,  dass  es  eine  allgemeine  Symptomatologie 
derselben  kaum  gebe,  und  dass  die  angeführten  Symptome  theils  fehlen, 
theils  bedeutend  modificirt  sein  können,    so  wie  nach  der  Art  der  Erkran- 


kung  nichl  selten  noch  andere  Symptome  von  Functionsstörung  in  gewis- 
sen Organen  und  Theilen  des  Körpers  auftreten. 

Sowohl  organische  Krankheiten  als  auch  functionelle  Störungen  ge- 
wisser Organe  und  Systeme  des  Körpers  können  eine  Amaurose  hervor- 
rufen. Je  nachdem  die  Function  des  Sehnerven  und  der  Retina  entweder 
durch  krankhafte  Zustände  im  Auge  und  im  peripherischen  Verlaufe  des 
Opticus  vermindert  oder  aufgehoben  wird,  oder  je  nachdem  Erkrankungen 
des  Centraltheils  des  Gesichtssinnes  (des  Gehirnes)  der  Amaurose  zu  Grunde 
liegen,  unterscheidet  man  peripherische  und  centrale  Amaurosen. 

1.  Zu  den  peripherischen  Amaurosen  rechnen  wir  folgende 
Formen  : 

a.  Amaurose  durch  primäre  Erkrankung  (Lähmung)  der 
Netzhaut.  Sie  entsteht  durch  Ueberreizung  der  Netzhaut  in  Folge  eines 
grellen  Lichteinflusses  (durch  Insolation,  grellen  Lichlreflex ,  Blitzstrahl, 
plötzliche  Einwirkung  des  Sonnenlichtes  nach  einer  Sonnenfinsterniss), 
und  kann  bei  krankhaft  empfindlicher  Netzhaut  um  so  leichter  eintreten, 
was  bei  Individuen  öfters  der  Fall  ist,  welche  lange  Zeit  im  Finstern  waren, 
und  plötzlich  ans  helle  Licht  gebracht  wurden.  Diese  Art  der  Amaurose 
entsteht  meistens  plötzlich  und  ist  entweder  vollkommen  oder  partiell  (Halb- 
sehen). Sie  beruht  auf  Lähmung  der  Netzhaut.  Wenn  sie  sich  jedoch  lang- 
sam entwickelt,  so  liegt  ihr  gewöhnlich  ein  Congestions-  oder  Entzündungs- 
zustand im  Innern  des  Auges  zu  Grunde. 

b.  Amaurose  durch  Congestiv-  oder  entzündlichen  Zu- 
stand im  Innern  des  Auges  (Amaurosis  congestiva).  Die  Congestion  findet 
gewöhnlich  zur  Aderhaut  oder  Netzhaut  Statt,  wodurch  die  Faserlage  der 
letzteren  einen  Druck  erleidet.  Uebermässige  Anstrengung  der  Augen  bei 
Arbeiten  mit  kleinen  und  glänzenden  Gegenständen,  plethorischer  Zustand, 
unterdrückte  Secrelionen  oder  Blulflüsse  sind  die  gewöhnlichsten  Gelegen- 
heitsursachen. Individuen  mit  dunkelbraunen  Augen  sind  mehr  dazu  ge- 
neigt. Gefühl  von  Völle  und  Spannung  im  Augapfel ,  Turgescenz  und  trä- 
gere Bewegung  der  Iris,  Anfangs  verengerte,  später  erweiterte  Pupille^ 
Nebelsehen,  zuweilen  Mückensehen  gehören  zu  ihren  Erscheinungen,  wel- 
che meistens  langsam  zunehmen.  Zuweilen  führt  ein  plötzlicher  Anfall 
vollkommenen  Gesichtsverlust  herbei.  Die  Art  der  Diät  und  des  Regimens, 
so  wie  die  Lage  'des  Körpers  haben  Einfluss  auf  die  Steigerung  oder  Ver- 
minderung der  Erscheinungen,  da  durch  reizende  Diät,  geistige  Getränke, 
durch  gebückte  Stellung,  oder  Rückenlage  mit  abhängigem  Kopfe,  durch 
Anstrengung  und  Erhitzung  die  Gesichtsschwäche  zunimmt.  Die  Entzün- 
dung der  Netzhaut ,  welche  unter  heftiger  Photopsie,  grosser  Lichtscheu 
und  Verengerung  der  Pupille  totale  Erblindung  herbeiführt,  ist  sehr  selten. 


287 

Sehr  häufig-  sind  es  jedoch  acute  und  chronische  Entzündungen  der 
Choroidea,  welche  Amblyopie  oder  Amaurose  in  ihrem  Gefolge  haben, 
da  die  Entzündungsproducte  auf  die  Netzhaut  drücken  und  ihre  Function 
stören.  In  solchen  Fällen  sind  die  Symptome  den  so  eben  erwähnten  ähn- 
lich; am  Auge  selbst  beobachtet  man  die  durch  Choroideitis  und  ihre  Aus- 
gänge bedingten  Erscheinungen.  Atrophie  des  Auges  ist  ein  nicht  seltener 
Ausgang.  Auch  eine  deprimirte  Staarlinse  kann  durch  Druck  auf  die  Re- 
tina Amaurose  veranlassen, 

c.  Lange  Unthätigkeit  der  Netzhaut,  bei  Menschen,  welche 
lange  Zeit  in  dunklen  Kerkern,  Bergwerken  etc.  sich  aufhalten,  oder 
wenn  ein  Auge  zum  Sehen  nicht  verwendet  werden  kann  ,  wie  bei  Stra- 
bismus, lange  bestehender  Cataract,  hat  öfters  theilweise  oder  gänzliche 
Anästhesie  der  Netzhaut  zur  Folge  (Amaurosis  ex  anopsia).  Dabei  besteht 
öfters  Verminderung  des  Accomodationsvermögens  des  Auges  für  nahe 
Objecte,  ferne  werden  deutlicher  unterschieden.  Die  Iris  bewegt  sich  frei, 
wenn  das  gesunde  Auge  offen  ist,  allein  die  Pupille  erweitert  sich  bei  der 
Schliessung  des  gesunden  Auges,  und  die  Irisbewegungen  erfolgen  nur 
sehr  träge  oder  gar  nicht.  Auch  solche  Individuen,  welche  immer  nur  ein 
und  dasselbe  Auge  zum  Sehen  verwenden,  sind  dieser  Art  der  Amblyopie 
unterworfen. 

d.  Die  durch  Verletzung  oder  Erschütterung  des  Aug- 
apfels entstandene  Amaurose  (A.  traumatica)  erfolgt  in  vielen  Fällen 
plötzlich  und  ist  entweder  partiell  oder  total.  Feurige,  blitzähnliche  Erschei- 
nungen zeigen  sich  anfänglich.  Der  Blick  des  Auges  ist  stier:  oft  ist  Stra- 
bismus vorhanden.  Die  Iris  ist  unbeweglich,  die  Pupille  erweitert  und  ge- 
wöhnlich verzogen,  zuweilen  ganz  nach  einer  Seile  ,  so  dass  die  Iris  da- 
selbst ganz  zu  fehlen  scheint  (durch  Lähmung  der  Ciliarnerven).  Zuweilen 
geht  das  Sehvermögen  nicht  sogleich  nach  der  Verletzung  verloren ,  son- 
dern es  entwickelt  sich  mehrere  Wochen  darauf  eine  chronische  Entzündung 
der  innern  Gebilde  des  Augapfels  (Choroidea,  Retina),  das  Gesicht  schwin- 
det gänzlich,  und  der  Augapfel  gehl  in  Folge  der  verminderten  Ernährung 
der  Atrophie  entgegen  (Vergl.  Entzündung  der  Choroidea).  Die  traumati- 
sche Einwirkung  ist  zuweilen  unbedeutend,  z.  B.  ein  Schlag  mit  dem  Ende 
einer  Peitsche  ins  Auge.  Die  Verletzung,  sei  es  Erschütterung,  Zerrung, 
Quetschung,  kann  den  Augapfel  selbst,  oder  seine  Umgebung  treffen.  Hier- 
bei wird  ein  besonderes  Gewicht  auf  die  Supraorbilalgegend  gelegt,  und 
eine  Sympathie  zwischen  N.  supraorbitalis  und  opticus  angenommen.  Schon 
aus  Hippocrales  Schriften  und  einem  Commenlare  Platner's,  (de  vulneribus 
superciliis  illatis,  cur  coecitalem  inferant,  ad  locum  Hippocratis  cet.)  citirle 
man  die  Gefahr  der  Erblindung  nach   Verwundungen  jener  Gegend.    Der 


288 

berühmte  Ophthalmologe  Beer  schrieb  geradezu  der  Affection  des  Stirnner- 
ven  diejenige  Amaurose  zu,  die  sich  später  nach  der  Verletzung  bei  schlech- 
ter Narbenbildung  einfindet,  und  will  sogar  dieselbe  in  zwei  Fällen  durch 
starke  bis  auf  den  Knochen  dringende  Einschnitte  in  der  Nähe  des  Foramen 
supraorbitale,  wodurch  die  gezerrten  Filamente  des  Nerven  durchschnitten 
wurden,  geheilt  haben.  Da  indessen  die  Durchschneidung  des  Stirnnerven 
nicht  sogleich  Amaurose  herbeiführt,  so  dürfte  in  solchen  Fällen  die  Amau- 
rose lediglich  als  Folge  von  Commotio  bulbi  oder  gleichzeitiger  Verletzung 
des  Gehirns  betrachtet  werden.  In  manchen  Fällen  tritt  sie  später  in  Folge 
einer  schleichenden  Entzündung  des  Augapfels  ein  ,  und  es  wird  derselbe 
durch  Störung  der  Ernährung ,  die  sich  aus  dem  aufgehobenen  oder  ver- 
minderten Einflüsse  des  N.  supraorbitalis  erklären  lässt,  atrophisch. 

Die  Leitungsfähigkeit  des  Sehnerven  kann  gleichfalls  durch  Erschüt- 
terung und  Verletzung  desselben  aufgehoben  werden  Das  verletzende 
Werkzeug  kann  entweder  bloss  den  Sehnerven  in  der  Orbita  treffen,  oder 
durch  dieselbe  in  die  Schädelhöhle  eindringen,  wovon  Larrey  einen  merk- 
würdigen Fall  mitgelheilt  hat.  In  diesem  war  die  Spitze  eines  Rappiers 
unter  der  Augenbraue  und  an  der  innern  Seite  der  Orbita  durch  das  Augen- 
lid hindurch  tief  in  den  Schädel  eingedrungen.  Es  bestand  bloss  Halbsehen 
mit  dem  rechten  Auge ,  und  die  Section  wies  eine  Verletzung  der  Wurzel 
des  rechten  Sehnerven  an  ihrem  Ursprünge  und  unterhalb  der  arteria 
cerebri  nach.  Exostosen  des  Keilbeins  können  ähnliche  Erscheinungen  her- 
vorrufen. Beer  fand  bei  einem  amaurotischen  Knaben,  der  kurze  Zeit  vor 
dem  Tode  in  Manie  verfallen  war,  einen  beträchtlich  langen  Knochensta- 
chel an  der  Seite  der  sella  turcica,  welcher  die  Sehnerven  an  der  Kreu- 
zungsstelle durchbohrt  hatte. 

e.  Jeder  Druck  auf  den  Sehnerven  in  seinem  Verlaufe  ,  wel- 
cher durch  Blutextravasate,  Exsudate,  Geschwülste  in  der  Orbita,  mögen 
sie  von  den  Weichtheilen  oder  von  den  Knochen  ausgehen  ,  von  aneurys- 
matischen  Ausdehnungen  der  Gefässe  ausgeübt  wird,  kann  Amblyopie  oder 
Amaurose  veranlassen.  Dessgleichen  beträchtliche  Zerrung  des  Sehnerven 
beim  Exophthalmus.  Die  sogenannte  Amblyopia  congestiva  rheu- 
matica,  welche  nach  plötzlichen  Verkühlungen  des  zuvor  erhitzten  Kör- 
pers oder  Kopfes  einzutreten  pflegt ,  hat  meistens  in  einem  Congestivzu- 
stande  oder  Exsudationsprocesse  in  der  harten  Scheide  des  Sehnerven,  und 
in  den  fibrösen  Gebilden  der  Orbita  ihren  Sitz.  Daher  beobachtet  man  bei 
dieser  Form  ausser  dem  sehr  geschwächten  Sehvermögen  (Nepheliopia  con- 
gestiva rheumatica)  oder  gänzlicher  Blindheit,  meistens  ziehende  oder  reis- 
sende Schmerzen  in  der  Umgebung  des  Augapfels,  sowie  in  der  entspre- 
chenden Kopfhälfte,  etwas  verengerte,   unbewegliche  oder  trägere  Pupille, 


289 

und  massige  Hyperaemie  der  Conjunctiva  bulbi  in  der  Umgebung  der  Cor- 
nea.   Bildung  von  Cataracta  erfolgte   nicht  selten    nach  derlei  Amaurosen. 

f.  Amaurose  durch  Reizung  desN.  quintus.  Es  sind  Fälle 
bekannt,  wo  Reizung  dieses  Nerven  durch  einen  fremden  Körper  oder 
Druck  auf  denselben  durch  Geschwülste  Blindheil  bedingte.  Auch  die  in 
der  Dentitionsepoche  entstehende  Amaurose  gehört  einiger  Massen  hieher. 
Symptome  von  Hyperästhesie  des  Quintus,  Irritation  und  Hyperämie  des 
Auges,  verengerte  Pupille,  Lichlscheu  u.  s.  w.  sind  gewöhnliche  Symp- 
tome. 

2.  Zahlreich  sind  jene  Fälle,  wo  die  Amblyopie  oder  Amaurose  durch 
Störung  der  Gehirnfunction  hervorgerufen  wird.  Man  pflegt  sie  als  c  e  n- 
trale  Amaurosen  zu  bezeichnen.  Zunächst  liegen  ihr  entweder  func- 
tionelle  Störungen  im  Gehirne,  meistens  Circulationsfehler,  deren  Quelle 
wieder  in  entfernteren  Organen  liegen  kann,  oder  organische  Erkrankun- 
gen des  Gehirnes  zu  Grunde. 

a.  Störung  der  Circul  atio  n  i  m  Gehirne  und  dadurch  be- 
dingte Hyperämie  desselben  ist  bei  vielen  Kranken  die  Ursache  des 
geschwächten  oder  aufgehobenen  Sehvermögens.  Die  Amaurose  hat  den 
congestiven  Character,  ist  nur  selten  complet  oder  vollkommen,  (zuweilen 
nur  Halbsehen),  selten  von  Mückensehen,  dagegen  meistens  von  Kopf- 
schmerz, Druck  und  Schwere  in  der  Slirngegend,  von  Schwindel,  Ohren- 
sausen, Appetitmangel,  Ueblichkeiten  und  allgemeinem  Unwohlsein  beglei- 
tet. Gastrische  und  gallige  Zustände  begleiten  oft  die  Amblyopie ,  so  wie 
auch  Verdauungsstörungen  häufig  dazu  Veranlassung  geben.  Alle  Krank- 
heiten, auch  die  entfernter  Organe,  welche  zur  Circulationsstörung  Anlass 
geben,  und  besonders  den  Rückfluss  des  venösen  Blutes  vom  Kopfe  hem- 
men, sind  als  Ursachen  zu  betrachten.  Daher  treffen  wir  diese  Form  der 
Amaurose  bei  organischen  Herzkrankheiten  (Hypertrophie  mit  Dilatation), 
bei  der  Apoplexie,  bei  scrofulösen  Drüsengeschwülsten  am  Halse,  bei  ver- 
schiedenen Krankheiten  des  Unterleibes,  bei  sparsamer  oder  unterdrückter 
Menstruation  ,  in  der  Schwangerschaft  (besonders  der  zweiten  Hälfte  der- 
selben) und  nach  der  Entbindung,  so  wie  auch  in  der  Trunkenheit  zuwei- 
len an. 

Einige  besondere  Arten  von  Amaurosen  können  hieher  gerechnel 
werden,  und  zwar: 

oc.  Die  Amaurose ,  welche  man  bei  einem  acuten  Catarrhe  des  Fron- 
talsinus (Stockschnupfen)  bisweilen  beobachtet,  Amaurosis  calarrha- 
lis.  Die  Sympathie  zwischen  Nasenschleimhaut  und  dem  Augapfel  durch 
Gefäss-  und  Nervenverbindung  ist  hinlänglich  bekannt ,  um  sich  die  bei 
Stockschnupfen  eintretende  Hyperämie  des  Gehirnes  und  Auges  und  die 

Mey  r  ,  Augenheilkunde.  19 


290 

Anaesthesie  der  Netzhaut  erklären  zu  können.  Heftiger,  drückender  ode 
pochender  Schmerz  in  der  Stirngegend,  Trockenheit  der  Nase,  erweiterte, 
unbewegliche  Pupille  und  Turgescenz  des  Augapfels  sind  ihre  gewöhn- 
lichen Symptome. 

ß.  Die  Amblyopie  oder  Amaurose  durch  Irritation  der  verschie- 
denen Zweige  des  Sympathicus.  Sie  wird  am  häufigsten  durch  Krank- 
heiten der  Unterleibsorgane,  des  Uterus,  Wurmleiden  veranlasst.  Ausser 
den  dem  Grundübel  eigenthümlichen  Phaenomenen  beobachtet  man  am  Auge 
meistens  erweiterte,  ziemlich  reine  Pupille,  Störungen  der  motorischen  Thä- 
tigkeiten  (Augenlidkrampf,  Strabismus),  Funkensehen.  Die  Amaurose  kommt 
manchmal  plötzlich,  und  zeigt  öfters  Veränderungen  in  ihrem  Verlaufe,  da 
zuweilen  Besserung  odeT  Verschlimmerung  eintritt. 

y.  Die  Amaurosis  narcotica  wird  durch  Einwirkung  mehrerer 
narcotischer  Stoffe  herbeigeführt;  auch  ihr  scheint  eine  venöse  Congestion 
zum  Gehirne  zu  Grunde  zu  liegen,  wodurch  die  Leitungsfähigkeit  der  Nerven 
herabgeslimmt  wird.  Sie  erfolgt  durch  Vergiftung  mit  Belladonna,  Hyos- 
cyamus,  Stramonium,  Opium,  Digitalis,  Alcohol  und  Tabak.  Die  Pupille  ist 
dabei  gewöhnlich  sehr  erweitert  und  starr,  die  venösen  Gefässe  des  Aug- 
apfels turgescirend,  das  Sehvermögen  sehr  schwach,  wie  in  einen  dichten 
Bauch  und  Nebel  gehüllt,  dabei  Phaenomene  von  Turgescenz  der  Hirnge- 
fässe.  Die  Amaurose  durch  Bleu  ntoxication  (Amaurosis  saturnina) 
tritt  ein,  nachdem  schon  öfters  andere  Krankheiten  durch  Bleivergiftung, 
z.  B.  Bleicolik,  vorausgingen,  und  erfolgt  meistens  plötzlich.  Gewöhnlich 
werden  beide  Augen  befallen,  in  demselben  oder  in  verschiedenem  Grade. 
Die  Pupille  ist  erweitert  und  ganz  unbeweglich.  Bei  den  meisten  Kranken 
der  Art  gingen  der  Amaurose  andere  Störungen  des  Nervensystems  voraus, 
nämlich  Schmerzen  in  den  Armen,  Krämpfe,  beginnende  Lähmung  am  Hand- 
gelenke, epilepsieartige  Anfälle,  Delirien  u.  s.  w.  Zuweilen  ist  Aufgelrie- 
benheit  der  venösen  Gefässe  der  Conjunctiva  und  Sclerotica  mit  Empfindung 
von  Völle  im  Augapfel  zu  beobachten.  Sie  gehl  meistens  nach  kurzer  Zeit 
wieder  vorüber,  ihre  Dauer  ist  von  einigen  Stunden  bis  zu  mehreren  Mona- 
ten. In  den  meisten  Fällen  verschwindet  sie  wieder  nach  Behandlung  und 
Hebung  der  Bleivergiftung. 

b.  Amaurose  durch  entzündliche  Vorgänge  im  Gehirne. 
Am  häufigsten  sind  es  serös-albuminöse  Exsudate  an  der  Grundfläche  des 
Gehirns,  die  das  Chiasma  comprimiren,  und  meistenteils  Folge  von  Menin- 
gitis sind.  Die  wichtigsten  Anlässe  zu  solchen  entzündlichen  AfTectionen 
der  Gehirnhäute  und  des  Gehirns  sind  :  Erschütterungen  oder  andere  Ver- 
letzungen des  Kopfes,  Reizung  durch  schweres  Zahnen  bei  Kindern,  durch 
Störung  der  Verdauungsorgane,  fieberhafte  Krankheiten,  insbesondere  acute 


291 

Exantheme  (Scharlach,  Masern),  heftige  Gemüthsbewegungen,  habitueller 
Genuss  spiriluöser  Getränke,  die  Insolation,  unterdrückte  Blutungen  oder 
andere  Ausscheidungen,  z.  B.  die  der  Menstruation,  der  Hämorrhoiden,  der 
Milch,  plötzliche  Heilung  von  Geschwüren,  welche  stark  secernirten,  oder 
von  chronischen  Hautkrankheiten,  Verkühlung  und  unterdrückte  Hautaus- 
dünslung,  grosse  und  übermässige  Anstrengung,  besonders  mit  geistigen 
Arbeilen  nebst  Entbehrung  des  nöthigen  Schlafes. 

c.  Organische  Veränderungen  im  Gehirne  sind  öfters  die 
Grundursache  der  amaurotischen  Erblindung.  Comprimirende  Geschwülste 
(Tuberkeln,  Hydatiden,  Krebs),  Erweichung,  Bluterguss,  Ansammlung  serö- 
ser Flüssigkeit  sind  bei  Amaurotischen  nicht  selten  aufgefunden  worden. 
Den  Sitz  der  organischen  Veränderung  findet  man  in  den  lhalamis  opticis, 
den  Vierhügeln,  der  Varolsbrücke,  am  luber  cinereum,  im  kleinen  Gehirn, 
an  den  Hemisphaeren  des  grossen  Gehirnes  u.  s.  w.  Bekannt  ist  die  amau- 
rotische Erblindung  beim  acuten  und  chronischen  Hydrocephalus.  Die 
Symptome  sind  sehr  verschieden  nach  dem  Sitze,  der  Natur  und  der  Aus- 
dehnung der  krankhaften  Veränderung.  Die  Iris  ist  bisweilen  noch  thätig. 
Die  Blindheit  tritt  gewöhnlich  langsam  ein;  ihre  Vorläufer  sind  heftiger 
Kopfschmerz  und  Schwindel.  Anfangs  leidet  nur  Ein  Auge,  später  kann 
auch  das  zweite  ergriffen  werden.  Im  Beginne  der  Krankheit  ist  das  Ge- 
sichtsfeld nicht  gleichmässig  verdunkelt.  Theilnahme  anderer  Nerven  oder 
Sinnesorgane  tritt  gewöhnlich  hinzu,  daher  diese  Art  der  Amaurose  häufig 
Lähmung  der  Augenlider  oderdes  Bulbus  (Affectionen  des  dritten  oder  sechs- 
ten Gehirnnerven),  Doppeltsehen,  Neuralgia  supraorbitalis  oder  facialis 
(Affectionen  des  Quinlus),  Taubheit,  Verlust  des  Geruches,  psychische  Stö- 
rungen, Convulsionen  (Amaurosis  epileptica),  Paralyse  der  motorischen  Ner- 
ven des  Gesichtes,  der  Zunge,  der  Rumpfglieder  in  ihrem  Gefolge  hat. 

d.  Amaurose  durch  Erkrankung  des  Rückenmarkes.  Es 
besteht  entweder  primäre  oder  secundäre  Spinalirritation.  Die  Symptome, 
welche  ihr  angehören,  beurkunden  einen  erethischen  Zustand,  nämlich 
Lichtscheu,  Lidkrampf,  temporäre  Injection  der  Ciliargefässe,  enge  Pupille, 
Hippus,  nebst  anderen  nervösen  Zufällen.  Das  Uebel  schwindet  oft  plötz- 
lich wieder,  wie  es  gekommen  ist,  zuweilen  macht  es  einzelne  Anfälle, 
oder  zeigt  selbst  einen  intermittirenden  Charakter.  Hysterische  Frauenzim- 
mer sind  ihr  insbesonders  unterworfen.  Auch  zur  Tabes  dorsalis  gesellt 
sich  zuweilen  die  Amaurose,  und  die  Amblyopie  geht  der  Lähmung  dei 
untern  Extremitäten  als  erstes  Zeichen  voraus,  oder  sie  entsteht  erst  später 
im  Verlaufe  der  Krankheil.  In  der  Regel  erreicht  die  Erblindung  nicht  dio 
höchste  Stufe,  und  bleibt  als  mehr  oder  minder  bedeutende  Amblyopie 
stehen. 

19* 


292 

e.  Amaurose  durch  schwächende  Einflüsse.  Hieher  ge- 
hören plötzlicher  und  starker  Blutverlust,  und  anhaltender  Säfteverlust 
durch  langwierige  Diarrhoeen,  lange  fortgesetztes  Säugen,  Masturbation, 
erschöpfende  Krankheiten,  wie  Cholera,  Typhus.  Plötzlicher  und  schneller 
Säfteverlust  beding!  häufiger  Amaurose,  als  langsame  und  allmälige  Schwä- 
chung". Auch  jene  Schwäche  des  Sehvermögens,  welche  bei  Krankheiten 
mit  veränderter  Zusammensetzung  des  Harnes  vorkommt,  ist  als  eine  Folge- 
erscheinung des  allgemeinen  Schwächezustandes,  der  durch  diese  Krank- 
heiten herbeigeführt  wurde,  zu  betrachten.  Die  Amaurose  tritt  daher  erst 
nach  längerem  Bestehen  des  Leidens  auf.  Man  beobachtete  sie  bisher  bei 
Albuminurie,  Glykosurie  (Zuckerharnruhr),  Hippurie,  Benzurie.  Es  entsteht 
die  Frage,  ob  nicht  bei  allen  Krankheiten  mit  fehlerhafter  Harnmischung 
eine  eigenthümliche  Affection  der  Centralorgane  des  Nervensystems  zu 
Grunde  liege.  Bei  allen  Formen  der  Amaurose  durch  schwächende  Einflüsse 
findet  man  nebst  den  Erscheinungen  der  allgemeinen  Schwäche  (Blässe  des 
Gesichtes,  Torpor  der  Bewegungsorgane,  Zittern)  eine  sehr  erweiterte, 
starre  Pupille,  wüslen  Kopfschmerz,  Gefühl  von  Kälte  in  der  Augenbrauen- 
gegend etc.  Die  Kranken  sehen  oft  nur  kurze  Zeit  oder  in  bestimmter  Rich- 
tung, wenn  die  Blindheil  nicht  vollständig  ist.  Es  entsteht  ein  Schmerzge- 
fühl im  Auge,  sobald  der  Kranke  sich  anstrengt  etwas  zu  sehen.  Aufre- 
gende Einflüsse,  Rückenlage  des  Körpers,  der  Genuss  geistiger  Getränke 
und  guter  Nahrung  führen  Besserung  des  Sehvermögens  herbei. 

Bei  der  Untersuchung  amaurotischer  Augen  nach  dem  Tode  lassen 
sich  in  der  Retina  bisweilen  die  microscopischen  Elemente  derselben  nicht 
mehr  unterscheiden.  Ihre  Primitivfasern  sind  sehr  häufig  verdünnt,  die 
grauen  Belegkügelchen  fehlen  gänzlich.  Die  Nervenfasern  sind  zuweilen 
von  einer  sehr  grossen  Anzahl  Exsudatkörperchen  (Körnchenzellen)  be- 
deckt; zwischen  den  Bündeln  der  Primitivfasern  sind  in  einzelnen  Fällen 
zahlreiche,  erweiterte  Blutgefässe  angetroffen  worden.  Bestand  die  Amau- 
rose mehrere  Jahre  fort,  so  erblasst  der  gelbe  Fleck  allmälig  und  schwindet 
endlich.  War  die  Amaurose  das  Resultat  von  Congestiv-  und  entzündlichen 
Zuständen  der  Aderhaut,  so  trifft  man  in  dem  Auge  auch  die  Entzündungs- 
producle  und  die  dadurch  hervorgerufenen  Veränderungen,  wie  sie  bereits 
bei  der  Besprechung  der  Choroidealentzündung  angedeutet  wurden.  Der 
Sehnerve  zeigt  sich  bei  amaurotisch  Erblindelen  sehr  häufig  in  einem  Zu 
stände  von  Erweichung  oder  Atrophie.  Die  Erweichung  beruht  zuweilen 
auf  einem  entzündlichen  Vorgange,  Hyperaemie  und  Ablagerung  von  Enl- 
zündungsprodueten  (Exsudat-  und  Eilerzellen),  wodurch  eine  Lockerung 
des  Gewebes  entsteht;  die  neurilemalische  Hülle  ist  sodann  getrübt  und 
blutreich,  die  Nervenmasse  von  gallertartigem  Ansehen  und  gleicher  Con- 


293 

sistenz,  von  weingelber  Farbe.  Die  Atrophie  oder  der  Schwund  der  Seh- 
nerven ist  oft  so  bedeutend,  dass  sie  bis  auf  blosse  Hülsen  des  Neurilems 
redueirt  sind.  Erstreckt  sich  die  Atrophie  bis  zum  lhal.  opt.,  so  wird  dieser 
niedriger,  schmaler,  flacher,  grauer,  der  Marksubslanz  verlustig;  zuweilen 
ist  auch  der  gegenüberstehende  grösser  und  voluminöser  als  im  normalen 
Zustande.  In  einigen  Fällen  war  das  hinter  dem  Chiasma  gelegene  Stück 
des  Opticus  und  der  Sehhügel  derselben  Seite  betheiligl,  in  andern  der  der 
entgegengesetzten  Seite,  während  in  noch  andern  beide  Optici  hinter  dem 
Chiasma  und  beide  Sehnervenhügel  an  der  Atrophie  Theil  nahmen.  Selbst 
in  den  Vierhügeln  hat  man  Atrophie  gefunden.  Die  Entscheidung,  ob  das 
Schwinden  des  Nerven  als  Ursache  oder  Wirkung  der  Anaesthesie  zu  be- 
trachten sei,  ist  schwierig,  da  schon  die  blosse  Unthäligkeit  des  Nerven  eine 
Atrophie  desselben  hervorbringt. 

Die  Amaurose  ist  zuweilen  angeboren.  Unvollkommene  Entwick- 
lung einzelner  Gehirntheile,  daher  auch  eigenlhümliche  Formation  des 
Kopfes  trifft  man  in  solchen  Fällen.  Mit  der  angebornen  Amblyopie  oder 
Amaurose  besieht  meistenlheils  Nystagmus. 

Unter  den  p  r  ae  d  i  sp  oniren  den  U  rsa  ch  e  n  sind  zu  erwähnen: 
Erblichkeit  (daher  die  Amaurose  zuweilen  bei  allen  oder  mehreren  Mitglie- 
dern einer  Familie  in  einem  gewissen  Lebensalter  auftritt),  minieres  Lebens- 
alter, beim  weiblichen  Geschlechte  vorzüglich  die  Periode  der  IVienostasie, 
Pighientbildung:  graue  und  blaue  amaurotische  Augen  sind  seltener  im 
Vergleiche  zu  denen  mit  dunkler  Iris. 

Die  Gelegenheitsur sachen  lassen  sich  schon  aus  den  angeführ- 
ten der  Amaurose  zu  Grunde  liegenden  Krankheiten  abnehmen.  Die  ge- 
wöhnlichsten sind  :  Anstrengung  der  Sehkraft,  Arbeiten  bei  blendendem 
oder  zu  sparsamen  Lichte,  das  Anschauen  der  Sonne,  Reisen  über  Schnee- 
flächen, zu  plötzlicher  Wechsel  von  Licht  und  Dunkelheit,  anhaltendes  Wei- 
nen, langer  Aufenthalt  im  Finslern,  Verkühlungen,  Störungen  der  Ver- 
dauung und  gastrische  Reize,  Unterdrückung  von  Blulflüssen  und  anderen 
Secrelionen  und  andere  bereits  erwähnte  Einflüsse»  Gemüthsaffecle  wirken 
theils,  wie  deprimirende  Einflüsse,  theils  als  erregende,  oder  durch  Störung 
der  Function  der  Verdauung. 

Der  Verlauf  der  Amaurose  ist,  mit  Ausnahme  der  A.  saturnina,  sel- 
ten acut,  gewöhnlich  chronisch,  auf  eine  Reihe  von  Jahren,  auf  ein  halbes 
Lebensalter  und  darüber  ausgedehnt.  Als  Folgewirkung  der  amaurotischen 
Blindheit  tritt  zuweilen  hartnäckige  Schlaflosigkeit  ein. 

Der  Typus  ist  meistentheils  anhaltend,  selten  intermittirend.  Als 
eine  inlermitlirende  Amaurose  ist  die   vom  Stande  der  Sonne  abhängige 


294 

Anaesthesie  des  Sehnerven  zu  betrachten,  welche  man  Coecitas  diurna 
und  nocturna  genannt  hat.  Das  Sehvermögen  schwindet  mit  dem  Unter- 
gange der  Sonne,  und  stellt  sich  mit  dem  Aufgange  der  Sonne  wieder 
ein.  Diese  Krankheit  heisst  Hemeralopie  oder  Nyctamblyopie 
(Nachtblindheit,  Nachtnebel,  Hühnerblindheit).  Der  Zustand  findet  sich  fast 
immer  auf  beiden  Augen  und  variirt  dem  Grade  nach.  Die  von  diesem 
Uebel  befallenen  Personen  sehen  gewöhnlich  bei  dem  Eintritte  der  Dämme- 
rung die  Objecte  mit  einem  grauen  Nebel  bedeckt,  der  sich  allmälig  in  eine 
dicke  Wolke  verwandelt,  welche  sich  zwischen  ihren  Augen  und  den  Ob- 
jecten  ausbreitet.  Zuweilen  gehen  reissendc  Schmerzen  in  den  Gliedern 
voraus,  welche  mit  dem  Eintritte  der  Krankheil  schwinden,  und  in  der  Um- 
gebung des  Auges  wieder  auftreten.  Die  Pupillen  sind  erweitert  und  träge, 
selten  enge  und  reizbar.  Dabei  besteht  zuweilen  Gefühl  von  Mattigkeit,  in 
einzelnen  Fällen  sogar  momentaner  Verlust  der  Beweglichkeit  der  Glied- 
massen, dumpfer  Kopfschmerz,  Betäubung  und  Verdauungsstörungen.  Die 
Krankheit  kommt  öfters  mit  intermitlirendem  Fieber  vor.  In  Waisenhäusern 
beobachtete  man  sie  endemisch  in  gewissen  Jahreszeiten,  auch  epidemisch 
wurde  sie  beobachtet  in  Verbindung  mit  Scorbut.  Erkältung,  Schlafen  an 
feuchten  Stellen  (daher  bei  bivouakirenden  Soldaten),  Sumpfluft,  Seeluft 
(daher  auf  Schiffen  bei  Malrosen),  und  ausschliesslicher  Genuss  grober  vegeta- 
bilischer Kost  sind  als  Ursachen  nachgewiesen  worden.  In  Russland  kommt 
die  Nachtblindheit  während  der  grossen  Fasten  bei  Aermeren  in  grosser 
Ausbreitung  vor,  auch  in  Indien  bei  Individuen,  die  sich  bloss  von  Reis 
nähren.  Häufiger  befällt  das  Uebel  Männer,  als  Frauen;  auch  ist  es  zuwei- 
len angeerbl,  und  man  hat  Beispiele  von  Familien,  bei  denen  es  sich  durch 
eine  lange  Reihe  von  Jahren  in  einzelnen  Mitgliedern  derselben  fortpflanzte. 
Die  Hemeralopie  erscheint  zuweilen  angeboren,  und  scheint  in  diesen  Fäl- 
len auf  einer  angebornen  Schwäche  des  Sehnervengebildes  zu  beruhen. 
Die  Hemeralopia  spuria  kommt  vor  bei  torpider  Amblyopie,  weil  da  die 
Kranken  ein  intensiveres  Licht  zur  Erregung  der  Netzhaut  brauchen,  so 
auch  bei  grossem  Kräfteverfall  nach  Blut-,  Eiter-  und  Schleimflüssen. 

Die  Nyctolopie  (Tagblindheit)  ist  viel  seltener  und  beruht  gröss- 
tentheils  auf  einer  Hyperaesthesie  des  Auges  mit  heftiger  Lichtscheu,  so 
dass  das  gewöhnliche  Tageslicht  nicht  vertragen  wird.  Die  mit  diesem  Uebel 
Behafteten  sind  während  des  Tages  fast  ganz  blind,  während  sie  im  Dunkel 
der  Nacht  ziemlich  gut  sehen.  Als  Ursachen  beobachtete  man  Ueberreizung 
der  Retina  durch  grelle,  reflectirte  Lichtstrahlen  (auf  glänzenden  Schnee- 
flächen) oder  langen  Aufenthalt  im  Dunkeln.  Auch  soll  die  Nyctalopie  en- 
demisch in  manchen  heissen  Ländern  (Siam,  Ostindien,  Afrika)  vorkommen. 
Die  Behandlung  richtet  sich  nach  dem  Zustande,  in  dem  das  Auge  sich  be- 


295 

findet;  gewöhnlich  erfordert  die  Hyperaesthesie  die  Milderung  des  Lichtes 
durch  Anwendung  von  Flor,  von  grauen  oder  blauen  Gläsern  etc. 

Die  genaue  Diagnose  des  schwarzen  Staares  ist  oft  mit  grossen  Schwie- 
rigkeiten verbunden.  Die  sichersten  Anhaltspunkte  gewähren  eine  sorg- 
fältige Erhebung  aller  objeetiven  und  subjeetiven  Krankheitssymptome  aa 
den  Augen,  im  Kopfe  und  in  den  übrigen  Organen  und  Systemen  des  Kor- 
pers, Berücksichtigung  der  Ausbreitung  der  Symptome  auf  die  mannigfachen 
Gebiete  des  Nervensystems,  der  Einfluss  der  Diät,  des  Regimens,  der  auf- 
rechten oder  horizontalen  Lage  des  Körpers,  der  Bewegung  und  der  einge- 
leiteten Behandlung  auf  die  Steigerung  oder  Verminderung  des  Uebels- 
Sehr  nothwendig  ist  ferner  die  Erhebung  der  vorausgegangenen  Krankhei- 
ten und  krankhaften  Disposition,» der  Beschäftigung  des  Kranken,  die  Er- 
forschung der  Ursache,  und  ob  diese  plötzlich  oder  langsam  einwirkte ,  ob 
die  Krankheit  plötzlich  oder  allmälig  sich  entwickelte,  welchen  Verlauf  sie 
bisher  nahm,  ob  sie  ein  Auge  oder  beide  zugleich  afficirle  etc. 

Die  Amaurose  wird  auch  bisweilen  von  einigen  Leuten  behufs  eines 
bestimmten  Zweckes  simulirt,  z.B.  von  Conscriplionspflichligen,  Bett- 
lern, welche  desshalb  die  Pupillen  künstlich  zu  erweitern  pflegen.  Eine  ge- 
naue Erforschung  aller  etwaigen  Symptome,  öfters  gestellte  Fragen,  längere 
Beobachtung  und  Ueberwachung  des  Individuums,  so  wie  die  plötzliche  un- 
vermuthete  Annäherung  eines  Gegenstandes,  z.  B.  eines  schneidenden  In- 
strumentes, gegen  das  Auge  werden  den  Arzt  grösstentheils  in  den  Stand 
setzen,  den  Betrug  zu  entdecken. 

Die  Prognose  ist  im  Allgemeinen  sehr  ungünstig;  die  Zahl  der 
gelungenen  Heilungen  ist  gering.  In  vielen  Fällen  ist  eine  Hemmung  der 
Krankheit,  so  dass  sie  auf  der  Stufe  der  Amblyopie  stehen  bleibt,  das  Ein- 
zige, was  sich  erreichen  lässt.  Der  Erfolg  ist  abhängig  von  der  Ursache; 
ist  diese  bekannt,  und  lässt  sie  sich  entfernen,  so  ist  bessere  Aussicht  vor- 
handen ;  ist  sie  unbekannt,  so  ist  die  Behandlung  ohnehin  viel  schwieriger 
und  unsicherer.  Ist  sie  bekannt,  jedoch  nicht  zu  entfernen,  so  schwindet 
ebenfalls  jede  Hoffnung.  Auch  die  Dauer  der  Krankheit  hat  grossen  Ein- 
fluss, indem  sich  mehr  erwarten  lässt,  wenn  Hülfe  zeilig  genug  in  Anspruch 
genommen  wird;  besteht  jedoch  die  Amaurose  schon  Monate  oder  Jahre 
lang,  so  wird  die  Besserung  nur  höchst  selten  gelingen.  Die  Prognose 
richtet  sich  ferner  nach  der  Complication  der  Krankheit.  Je  ausgebreiteter 
die  Erkrankung  durch  die  Symptomengruppc  sich  darstellt,  je  mehr  nervöse 
Bezirke  zugleich  affreirt  sind,  je  bedeutendere  organische  Veränderungen 
im  Augapfel  auftreten,  desto  unsicherer  ist  die  Aussicht  auf  einen  günsti- 
gen Erfolg.  Minder  abhängig  ist  die  Prognose  vom  Grade  der  Krankheit ; 
es  gibt  vollkommene  Amaurosen,  welche  glücklich  gehoben  werden  können, 


296 

während  manche  Amblyopien  höchst  hartnäckig  sind,  und  unaufhaltsam  in 
totale  Erblindung  übergehen.  Wenn  durch  die  Einwirkung  eines  zu  grellen 
Lichtes  oder  durch  Erschütterung  oder  Verletzung  die  Function  der  Retina 
völlig  aufgehoben  wurde,  so  dass  auch  keine  Lichtempfindung  besteht,  so 
ist  der  Fall  gewöhnlich  hoffnungslos. 

Die  Behandlung  ist  sehr  verschieden,  da  die  der  Amaurose  zu 
Grunde  liegenden  Krankheilen  sehr  mannigfaltig  sind.  Hieraus  leuchtet 
schon  die  Nutzlosigkeit  gepriesener  Specifica  ein. 

Als  leitende  Grundsätze  der  Behandlung  gelten  die  Causalindica- 
tion  mit  gleichzeitiger  Berücksichtigung  der  Individualität  des  Kranken  und 
des  Characlers  der  Krankheit.  Der  Character  der  Amaurose  ist  aber  ent- 
weder der  congestive  (sthenische)  oder  torpide  (asthenische). 

1.  Die  congestive  (s  thenis  che)  Amaurose  zeigt  gewöhnlich 
erhöhten  Turgor  des  Augapfels,  überfüllte  und  erweiterte  Gefässe  der  Con- 
juncliva  oder  der  lieferen  Gebilde,  eine  dunkle  turgescirende,  daher  nach 
vorne  gewölbte  Iris,  erweiterte  Pupille,  und  hinter  ihr  eine  rauchige,  grau- 
liche Trübung.  Dabei  sind  Symptome  von  Druck  und  Völle  im  Auge? 
häufige  Scotome,  drückende  Kopfschmerzen  in  der  Stirn-  oder  Hinterhaupts- 
gegend, Schwindel,  Ohrensausen  u.  s.  w.  vorhanden.  Nach  jeder  Aufregung 
des  Gefässsystems  durch  reizende  Diät,  spirituöse  Getränke,  heftige  Bewe- 
gung oder  Gemüthsaffecte,  so  wie  bei  der  horizonlalen  und  abhängigen  Lage 
des  Körpers  tritt  Verschlimmerung  ein.  Sie  entsteht  entweder  langsam 
oder  plötzlich  durch  alle  Ursachen,  welche  Congestionen  zum  Kopfe  oder 
zu  den  Augen  bedingen,  demnach  durch  erregende  Einflüsse,  Anstrengung 
der  Augen,  unterdrückte  Blutflüsse  oder  Secretionen. 

Besteht  die  Krankheit  in  der  acuten  Form  mit  den  Symptomen  eines 
heftigen  Blutandranges  zum  Kopfe,  so  isl  ein  rasches  und  entschiedenes 
Eingreifen  nothwendig.  Blutentziehungen  durch  Aderlässe  und  Blutegel 
oder  blutige  Schröpfköpfe  am  Nacken  stehen  hier  oben  an.  Sie  müssen 
wiederholt  werden,  wo  die  Krankheit  nicht  bald  oder  nur  unvollständig 
gehoben  wurde.  Auch  kann  die  Ansetzung  von  Blutegeln  an  die  Schleim- 
haut der  Nase  von  Erfolg  sein.  Innerlich  reicht  man  kühlende  Purgantia, 
unter  Vorausschickung  eines  Clysma,  um  den  Mastdarm  zu  entleeren.  Eis- 
überschläge auf  den  Kopf  passen  bei  heftigem  Kopfschmerzen  oder  andern 
Symptomen,  die  eine  Affeelion  des  Gehirns  oder  seiner  Häute  befürchten 
lassen.  Reizende  Fussbäder  mit  Senfmehl  oder  Salz  und  Asche,  Sinapismen 
auf  die  unteren  Extremitäten  können  hilfreich  sein.  Wenn  nach  einigen 
Tagen  die  Krankheit  noch  nicht  gehoben  ist,  reicht  man  das  Calomel  inner- 
lich und  lässt  das  Unguent.  hydr.  ein.  in  der  Umgegend  des  Auges  einrei- 


297 

ben.  Sind  die  Congestiverscheinungen  gehoben,  so  kann  man  fliegende 
Vesicatore  in  die  Stirn-  und  Schläfengegend  applieiren,  innerlich  ein  schwa- 
ches Reizmittel,  z.  ß.  ein  Infusum  arnicae,  reichen. 

Bei  der  chronischen  Form  ist  viel  Ausdauer  und  Geduld,  weniger 
energisches  und  rasches  Einschreiten  erforderlich.  Es  kommt  vorzüglich 
darauf  an,  das  Hauplsymplom,  die  Congestion  zu  beseitigen,  wobei  man 
sich  vorzüglich  nach  der  veranlassenden  Ursache  zu  richten  hat.  Blutent- 
leerungen durch  Schröpfküpfe  oder  Blutegel  sind  auch  hier  angezeigt.  Bei 
Haemorrhoidalzuständen  setzt  man  die  Blutegel  an  das  Mitlelfleisch  zu  wie- 
derholten Malen,  und  reicht  innerlich  Purganlia,  Mine.alwässer  (Seidschütz, 
Püllna,  Marienbader  oder  Carlsbader),  oder  Pillen  aus  Aloe  mit  Schwefel 
oder  Pulver  aus  Cremor  tartari  mit  Magnesia  und  Sulfur.  Auf  ähnliche 
Weise  verfährt  man  bei  solchen  Amblyopien  und  Amaurosen,  welche  durch 
Krankheiten  der  Unterleibsorgane  (sogenannte  Stasen  im  Pfortadersystem) 
bedingt  sind.  Bei  unterdrückter  oder  sparsamer  Menstruation  ist  die  Appli- 
cation von  Blutegeln,  Schröpfköpfen  oder  Sinapismen  an  die  innere  Fläche 
der  Schenkel,  ziehende  Fussbäder  und  der  innere  Gebrauch  der  Emme- 
nagoga  gerechtfertigt.  Bei  gastrischen  Störungen  (Sordes  im  Magen  und 
Darmcanale)  passen  Emetica  und  Purgantia,  bei  Wurmleiden  die  Anthe!- 
minthica.  Haben  unterdrückte  Secretionen  zur  Entstehung  der  Amaurose 
Veranlassung  gegeben,  so  suche  man  sie  wieder  herzustellen,  beseitige  je- 
doch vor  Allem  den  Congestionszustand  zum  Kopfe  durch  antiphlogistische 
und  ableitende  Mittel.  Es  wäre  z.  B.  sehr  nachtheilig,  wenn  man  bei  einer 
durch  plötzliche  Verkühlung  entstandenen  Congestivamaurose  sogleich 
schweisstreibende  Mittel  geben  wollte,  um  die  Transpiration  der  Haut  zu 
erregen.  Bei  organischen  Herzkrankheilen  oder  stürmischer  Herzlhätigkeil 
reicht  man  die  Digitalis  nebst  andern  ableitenden  Mitteln,  um  die  Circulation 
zu  beruhigen.  Ein  entsprechendes  Regimen  und  eine  geeignete  Diät  müssen 
die  Behandlung  unterstützen.  Der  Kranke  verhalte  sich  sehr  ruhig,  ver- 
meide grelleren  Lichteinfluss  und  jede  Anstrengung  der  Augen,  jede  nur 
etwas  ermüdende  Arbeit,  besonders  das  viele  Bücken,  die  Beschäftigung 
beim  Feuer,  in  der  Sonnenhitze,  alle  aufregenden  Speisen  und  Getränke, 
Thee,  Caflfee,  Bier,  Wein,  so  wie  die  Fleischnahrung.  Oertlich  nützen, 
wenn  der  Kranke  nicht  zu  Rheumatismen  disponirt  ist,  häufige  Fomentatio- 
nen  der  Stirn-,  Schläfen-  und  Augengegend  mit  kaltem  Wasser,  die  kalte 
Douche,  Einreibungen  der  Supraorbitalgegend  mit  Ungt.  hydr.  ein.,  wel- 
chem man  Belladonna-Extract  zusetzen  kann,  wenn  zugleich  Photophobie 
besteht.  Bei  übermässiger  Reizbarkeit  der  Augen  kann  man  schwachblaue 
oder  graue  (Neutral)  Gläser  tragen  lassen,  welche  jedoch  der  Kranke  nur 
im  grelleren  Lichte,  nie  jedoch  zu  Beschäftigungen  verwenden  darf, 


298 

Die  Amaurose,  welche  in  Verbindung  mit  dem  Stockschnupfen  vor- 
kommt, erfordert  die  antiphlogistische  Behandlung  zur  Hebung  der  Con- 
gestion  nach  dem  Kopfe,  demnach  Blutegel  oder  Schröpfköpfe,  Purgantia, 
Calomel  und  nebstbei  erweichende  Dämpfe  in  die  Nase,  Einreibung  von 
Ungt.  hydr.  ein.  um  die  Nasenwurzel  und  in  der  Stirngegend.  Hat  sich  ein 
Empyem  in  den  Stirnhöhlen  gebildet,  so  ist  für  die  Entleerung  des  Eiters 
auf  angemessenem  Wege  Sorge  zu  tragen. 

Die  rheumatische  Amblyopie  und  Amaurose  wird,  da  ihr  immer  ein 
Congeslions-  oder  Entzündungszustand  zu  Grunde  liegt,  nach  den  voraus- 
geschickten Grundsätzen  behandelt.  Bei  der  Nepheliopia  rheumatica  sind 
zu  empfehlen  Blutentziehungen  durch  Blutegel  oder  blutige  Schröpfköpfe, 
kühlende  Purganzen  oder  kühlende  Mittel,  wie  Nilrum,  Cremor  tartari,  die 
Plumer'schen  Pulver  mit  Aconit,  das  Vinum  sem.  Colchici;  Einreibung  der 
Mercurialsalbe  mit  Opium  in  der  Stirngegend,  Ableitung  auf  die  Haut  durch 
Vesicantia.  Eine  gleiche  Behandlung  ist  auch  gegen  die  rheumatische 
Diplopie  von  Erfolg. 

Bei  der  Cur  der  Hemeralopie  ist  ein  vorhandener  Congestivzusland 
zu  beseitigen  und  einem  gastrischen  Zustande  durch  ein  Brechmittel  aus 
lpecacuanha  oder  ein  Purgans  abzuhelfen  Pillen  aus  Tarl.  em.  mit  etwas 
Rheum,  Abends  ein  diaphoretischer  Thee,  bei  deutlicher  Intermittenz  das 
Chinin,  örtlich  Dunstbäder  am  Auge  (Dämpfe  der  gekochten  Ochsen-  odei 
Schafleber  sind  Volksmittel),  in  hartnäckigen  Fällen  die  Gondret'sche  Am- 
moniaksalbe und  innerlich  Kampfer  haben  sich  wirksam  erwiesen. 

Liegt  ein  entzündliches  Augenleiden  der  Amaurose  zu  Grunde,  so  is* 
sie  nach  den  bei  Choroideitis  entwickeilen  Grundsätzen  zu  behandeln.  Eine 
consequent  durchgeführte  Cur  durch  Mercurial-  und  Jodpraeparate  und  con- 
stanle  Gegenreize  können  in  einzelnen  Fällen  das  Uebel  ganz  oder  wenig- 
stens zum  Theile  heben.  In  solchen  Fällen  hat  der  Sublimat  mit  gehöriger 
Vorsicht  und  Ausdauer  innerlich  gereicht  bisweilen  günstige  Resultate 
erzielt. 

Bei  entzündlichen  Krankheiten  und  Exsudaten  in  der  Schädelhöhle 
nimmt  die  Behandlung  dieses  Grundleidens  die  Aufmerksamkeit  des  Arztes 
in  Anspruch.  Antiphlogislica,  Mercurial-  und  Jodpraeparate  können  auch 
hier  zuweilen  günstige  Resultate  erzielen.  Bei  organischen  Leiden  des  Ge- 
hirns gelingt  es  selten  auch  nur  eine  Besserung  zu  erzielen.  Es  kommt 
hierbei  darauf  an,  1.  die  Turgeseenz  der  Gefässe  zu  beseitigen,  2.  eine  wei- 
tere Congestion  oder  Turgeseenz  zu  verhüten  und  3.  die  Absorption  der 
krankhaften  Deposite  durch  Mercurialia,  Jod  oder  Gegenreize  zu  befördern. 
In  manchen  Fällen  bleibt  nichts  übrig,  als  palliativ  zu  verfahren,  die  Schmer- 
zen durch  Narcotica  zu  lindern. 


299 

Ist  die  Amaurose  Folge  einer  Verletzung,  so  wird  Anfangs  wenigstens 
die  antiphlogistische  Behandlung  zur  Verhütung  oder  Hebung  eines  ent- 
zündlichen Zustandes  nöthig  werden.  Später,  wenn  nur  Phaenomene  des 
Torpors  vorhanden  sind,  suche  man  die  Anaesthesie  der  Retina  durch  Reiz- 
mittel zu  heben,  wie  bei  der  asthenischen  Form  der  Amaurose  erörtert 
werden  wird. 

Wenn  nach  Beseitigung  des  Congestivzustandes  noch  ein  Torpor  der 
Retina  zurückbleibt,  so  müssen  gegen  diesen  aufregende  Mittel  angewendet 
werden,  doch  mit  der  nülhigen  Vorsicht,  dass  sie  nicht  von  Neuem  Con- 
gestionen  bewirken.  Am  zweckmässigsten  wirken  hier  fliegende  Vesicatore 
nach  dem  Verlaufe  des  Nervus  frontalis  gesetzt,  oder  Einreibungen  geistiger 
Mittel.  Innerlich  kann  man  ein  schwaches  Infusum  arnicae  reichen.  Zweck- 
mässiger Gebrauch  von  kalten  Bädern,  auch  Seebädern  und  Erholungsreisen 
bei  Vermeidung  jeder  anstrengenden  Beschäftigung  können  viel  zur  Besse- 
rung beitragen. 

2.  Die  torpide  (asthenische)  Amaurose  äussert  sich  durch 
Abwesenheit  von  Congestionserscheinungen  nach  den  Augen  und  dem 
Kopfe;  es  besteht  undeutliches  und  Nebelsehen  oder  gänzliche  Erblindung; 
im  erstem  Ealle  verbessert  ein  helleres  Licht  oder  Convexgläser  das  Sehen; 
ebenso  Einflüsse,  welche  die  Thätigkeit  des  Nervensystems  erhöhen,  so 
auch  ruhige  Rückenlage.  Dunkle  Fäden,  Flocken  oder  Wolken  schweben 
vor  den  Augen,  dabei  besteht  ein  Gefühl  von  Kälte,  die  Pupille  ist  erwei- 
tert oder  enge,  unbeweglich.  Die  Ursachen  bestehen  in  schwächenden 
Einflüssen.  Uebrigens  kann  auch  jede  congestive  Amblyopie  oder  Amaurose 
in  die  torpide  Form  übergehen. 

Rei  der  Behandlung  dieser  Form  ist  zu  erwägen,  dass  bisweilen  noch 
Congestionen  zum  Auge  (eine  passive  Hyperaemie)  die  Anwendung  von 
ableitenden  Mitteln  durch  trockene  Schröpfköpfe,  Purgantia  etc.  nöthig 
machen.  Man  darf  übrigens  die  Ursache  des  Leidens  nie  aus  dem  Gesichte 
verlieren.  Zur  Erregung  der  Thätigkeit  der  Netzhaut  passen  innerliche 
und  äussere  Mittel. 

Bei  deren  Anwendung  ist  grosse  Vorsicht  und  Aufmerksamkeit  nöthig, 
um  nicht  etwa  durch  zu  heftiges  Eingreifen,  durch  Ueberreizung,  völliges 
Erlöschen  der  Empfindlichkeit  oder  eine  Entzündung  hervorzurufen. 

Unter  den  erstem  werden  gewöhnlich  die  Tonica,  Gentiana,  Quassia, 
China,  Eisen  (ferrum  carbonicum),  ferner  die  Excitanlia,  Helleborus  niger, 
Arnica,  Phosphor,  Slrychnin  versucht  und  haben  in  einzelnen  Fällen  ge- 
holfen. Häufiger  werden  die  erregenden  Potenzen  äusserlich  angewendet. 
Hier  sind  zu  erwähnen : 

1.  Die  N  i  e  se  mittel,  bei  unterdrückter  Secretion  der  Conjunctiva 


300 

und  der  Nasenschleimhaut  (Spaniol,  Marum  verum,  Helleborus,  Turpethum 
minerale,  CalomeJ  u.  s.  w.).  Sie  werden,  da  sie  gewöhnlich  erfolglos  sind, 
selten  angewendet. 

2.  Stimuli r ende  und  reizende  Mittel,  welche  in  der  Su- 
praorbital- und  Stirngegend  mehrere  Male  des  Tages  eingerieben  werden. 
Sie  wirken  dadurch,  dass  sie  die  Endzweige  des  Nervus  quinlus  reizen, 
die  Vegetationslhäligkeit  des  Auges  beleben,  und  dadurch  die  Thäligkeit 
der  Retina  anregen.  Sie  passen  daher  vorzüglich  bei  gesunkener  Vitalität 
des  Auges.  Man  wählt  hierzu  spirituöse  Mittel  (Aether  sulfuricus,  Spiritus 
Lavandulae,  Rorismarini,  Tinctura  Valerianae  oder  Arnicae.  die  Aqua  foeni- 
culi,  Kornbranntwein  oder  Kölnerwasser  mit  Wasser  vermischt),  den  Bal- 
samus  peruvianus,  Phosphor  mit  ätherischen  Oelen,  ammoniacalische  Lini- 
mente. Gondret's  Ammoniaksalbe  ist  zu  diesem  Zwecke  ein  sehr  gutes 
Mittel,  wenn  sie  vorsichtig  angewendet  wird;  man  bereitet  sie  aus  4  Drach- 
men frischen  Schweinfettes  und  einer  halben  bis  ganzen  Drachme  Hammel- 
fett, welche  man  in  einem  Fläschchen  mit  weiter  Oeffnung  im  heissen 
Wasser  schmelzen,  dann  wieder  etwas  kalt  werden  lässt,  worauf  man 
4  Drachmen  Liquor  Ammonii  caustici  hinzugiesst,  und  nun  die  Masse  tüch- 
tig schüttelt.  Will  man  die  Haut  bloss  reizen,  so  streicht  man  die  Salbe  auf 
die  Haut  und  macht  leichte  Frictionen  durch  einige  Secunden,  worauf  man 
die  Salbe  sogleich  wegwischt.  Ist  die  Salbe  10 — 15  Minuten  mit  der  Haut 
in  Berührung,  so  verursacht  sie  Blasenbildung;  durch  eine  halbe  Stunde 
angewendet  wirkt  sie  als  Aelzmittel  und  macht  einen  Schorf.  Treten  Kopf- 
schmerzen ein,  so  muss  der  Gebrauch  dieses  Linimentes  ausgesetzt  werden. 
Zu  den  stimulirenden  Mitteln  gehört  auch  die  Einwirkung  stimulirender 
Dämpfe  von  Naphthen,  Balsamus  Fioraventi,  Schwefeläther,  Blausäure, 
ätzenden  Salmiakgeist.  Diese  Mittel  werden  auf  der  Handfläche  verrieben 
und  die  Dämpfe  gegen  die  Augen  geleitet.  Sie  sind,  da  sie  das  Auge  heftig 
reizen,  nur  mit  der  grössten  Vorsicht  anzuwenden. 

3.  Als  Stimulans  wirkt  auch  das  kalte  Augen- Spritz-  und  Douche- 
bad,  welches  allmälig  verstärkt  auf  die  Stirn-  und  Augengegend  eine  be- 
stimmte Zeitlang  (5 — 6  Minuten  lang)  angewendet  wird. 

4.  Fliegende  Vesicatore  in  der  Umgegend  des  Auges.  Man  setzt  sie 
(gewöhnlich  2)  von  der  Grösse  eines  Zwanzigerstückes  in  der  Stirn-  oder 
Schläfengend,  hinter  die  Ohren  oder  am  Nacken;  wenn  die  Stellen  abtrock- 
nen, setzt  man  wieder  frische.  Haben  solche  fliegende  Vesicatore  keinen 
Erfolg,  so  kann  das  Strychnin  endermatisch  angewendet  werden,  welches 
vorzüglich  bei  torpiden  Amaurosen  durch  lange  Llnthätigkeit  der  Netzhaut 
gelobt  wird.  Man  streut  nämlich  täglich  auf  die  von  Epidermis  entblösste 
Stelle  Imal  V$  Gran  auf  und  kann  allmälig:  auf  '/8  bis  1  Gran  steigen,  bis 


301 

Kopfschmerzen,  kitzelnde  oder  siechende  Schmerzen  über  den  ganzen  Kör- 
per, Zittern,  convulsivische  Bewegungen,  Erscheinungen  von  Irritation  und 
Congestion,. Schlaflosigkeit,  Schmerzen  im  Auge  oder  Röthe  in  der  Binde- 
haut auftreten.  Sollten  gefährliche  Zufälle  eintreten,  so  wischt  man  das 
noch  etwa  auf  der  Wunde  befindliche  Slrychnin  ab,  und  streuet  1 — 2  Gran 
Morphium  murialicum  auf.  Verlegh  löst  1  Gran  Slrychnin  in  2  Tropfen 
Wasser  auf  und  impft  mittelst  einer  Lanzette  diese  Flüssigkeit  um  das  Auge 
herum  ein. 

5.  Der  Eleclromagnetismus  (mittelst  des  Rotationsapparales)  und  die 
galvanische  Electricität  werden  in  einzelnen  Fällen  von  torpider  Amaurose  in 
dem  speciellen  Falle  angemessener  Stärke  angewendet.  Der  eine  Conduc- 
tor  wird  gewöhnlich  auf  die  Zweige  des  fünften  Paares,  auf  die  vorher  ge- 
schorene Scheitelgegend  oder  Hinterhauplsgegend  angewendet,  während 
den  andern  der  Kranke  in  der  Hand  halt.  Auch  bei  der  Anwendung  dieser 
Agenlia  muss  genau  die  Einwirkung  derselben  beobachtet  werden,  um 
nicht  durch  übermässige  Reizung  zu  schaden.  Es  sind  mehrere  Fälle  von 
Heilung  von  Amblyopien  und  unvollkommenen  Amaurosen  durch  die  Elec- 
tricität bekannt. 

6.  Die  Anwendung  von  Revulsivmilleln  ist  in  der  asthenischen  Form 
der  Amaurose  sehr  häufig  und  von  grossem  Nutzen.  Zu  diesen  gehören 
die  Ammoniaksalbe,  die  Authenriethische  Salbe,  der  Seidelbast,  reizende 
Pflaster,  welche  entweder  in  der  Scheitelgegend  oder  im  Nacken  mittelst 
eines  gefensterten  Heftpflasters  angewendet  werden.  Auch  Aetzmiltel,  das 
Cauterium  actuale  und  polenliale,  die  Moxa,  das  Haarseil,  wurden  bei  tor- 
piden Amaurosen  oftmals  angewendet,  aber  auch  häufiger  Missbrauch  mit 
diesen  Mitteln  gelrieben.  Die  geeignetsten  Stellen  sind  der  abgeschorene 
Scheitel,  die  Nackengrube,  die  Gegend  hinler  dem  Warzenfortsatze. 

7.  Ein  sehr  wichtiges  Mittel  ist  endlich  die  Concentralion  der  Licht- 
strahlen auf  die  Retina  durch  Anwendung  von  Convexgläsern,  mit  welchen 
man  sodann  Uebungen  anstellt,  und  nach  und  nach  zu  schwächeren  über- 
gehl. Bei  jener  Form  der  Amaurose,  die  durch  Mangel  an  Uebung,  Ver- 
nachlässigung des  Auges  entsteht,  ist  diese  Behandlung,  die  fortgesetzte 
Uebung  des  Auges  durch  angemessene  Zeilräume,  nebsl  gleichzeitiger  An- 
wendung gelind  erregender  Mittel  (Aqua  foeniculi,  spir.  Anlhos)  die  wirk- 
samste Behandlungsweise. 

Gegen  die  Amblyopia  erelhistica  bei  Spinalirrilation  werden  Land- 
aufenthalt, die  Seebäder,  die  kalte  Douche  (vorsichtig  begonnen  und  mit 
Ausdauer  fortgesetzt),  innerlich  Eisenpräparate,  Castoreum,  Lactucarium 
empfohlen. 

Sind    schwächende  Einflüsse,  Blutverlust,    prolrahirle  Entleerungen 


302 

u.  s.  w.  vorausgegangen,  so  kann  durch  kräftige  und  leicht  verdauliche 
Nahrung,  massigen  Genuss  von  gutem  Wein,  innerliche  Verabreichung  von 
Valeriana,  China,  Eisen,  die  Blindheit  gehoben  werden.  Auch  die  Anwen- 
dung von  Strychnin  kann  in  solchen  Fällen  viel  leisten. 

Bei  der  durch  Narcotica  entstandenen  Amaurose  ist  vor  Allem  der 
venöse  Turgor  und  die  Congestion  nach  dem  Kopfe  zu  beseitigen.  Nebst- 
bei  nützen  innerlich  Acida  vegetabilia,  Limonade,  äusserlich  Umschläge  von 
Essig  und  Wasser  etc.,  bei  torpidem  Zustande  der  Gebrauch  von  Valeriana, 
Arnica.  Gegen  die  durch  Bleiinloxication  entstandene  Amaurose  werden 
von  Tanquerel  Drastica,  der  endermatische  Gebrauch  von  Strychnin  und 
die  Electricität  als  besonders  erfolgreich  empfohlen. 


C.  Krankheiten  der  Bewegungsnerven. 

Die  krankhafte  Thätigkeit  in  den  motorischen  Nerven  des  Auges  und 
seiner  Nebentheile  äussert  sich  entweder  durch  spastische  Contraction  der 
von  ihnen  versorgten  Muskeln,  oder  durch  verminderte  oder  ganz  aufgeho- 
bene Bewegung  derselben,  daher  die  Motilitaets-Neurosen  in  die  Krämpfe 
und  in  die  Lähmungen  zerfallen. 

I.  Krämpfe. 

Krampfhafte  Affectionen  kommen  theils  an  den  Augenlidern,  theils 
am  Augapfel  vor. 

1.  Die  häufigste  Form  des  Au  gen  lidkram  pf  es  ist  der  Blepha- 
rospasmus, welcher  durch  eine  gesteigerte  Energie  der  Augenlidzweige 
des  N.  facialis  bedingt  isl.  Dieser  Krampf  erscheint  entweder  als  ein  Zittern 
und  Zucken  des  Orbicularmuskels,  selbst  nur  einzelner  Fasern  desselben, 
besonders  derer,  die  den  Tarsus  des  untern  Lides  bedecken,  oder  als  ein 
schnell  aufeinander  folgendes  Oeffnen  und  Schliessen  des  Auges  (krank- 
haftes Blinzeln,  Nictitatiomorbosa),  oder  als  ein  starres,  gewalt- 
sames Zusammenkneifen  der  Lider  (Blepharospasmus  tonicus).  Der 
Krampf  ist  entweder  bloss  auf  die  Augenlider  beschrankt,  oder  mit  mi- 
mischem Gesichtskrampfe  (Chorea  facialis)  verbunden,  wenn  sich  die  Affec- 
tion  auf  das  gesammle  Muskelgebiet  des  Facialis  erstreckt. 

Die  Ursachen  des  Leidens  sind  nicht  immer  genau  zu  erkennen.  Zu- 
weilen isl  der  Einfluss  starker  Kälte  oder  des  Luftzuges  nachzuweisen  (rheu- 
matischer Krampf),  in  welchem  Falle  häufig  reissende  Schmerzen  in  der 
Umgebung  des  Auges,  so  wie  im  Kopfe  den  Krampf  begleiten.    Am  häufig- 


303 

sten  wirkt  als  Ursache  der  Reflexreiz,  von  Irrilalion  der  Verzweigungen 
des  N.  quintus,  daher  der  Lidkrampf  jede  stärkere  Lichtscheu  begleitet,  und 
namentlich  bei  scrofulösen  Kindern  eine  sehr  häufige  Erscheinung  ist.  Zu- 
weilen liegt  dem  Blepharospasmus  eine  Verletzung,  oder  die  Anwesenheit 
eines  fremden  Körpers  zwischen  den  Lidern  zu  Grunde,  in  welchem  Falle 
der  Krampf  die  Entfernung  des  fremden  Körpers  oft  erschwert  oder  unmög- 
lich macht.  Menschen,  deren  Augen  wegen  dünner  Brauen  und  blassgefärb- 
ter oder  ausgegangener  Wimpern  starkem  Lichtreize  ausgesetzt  sind,  sind 
häufig  mit  Niclitalio  behaftet.  Tn  andern  Fällen  hat  die  krampfhafte  Affec- 
tion  ihren  Heerd  im  entfernteren  Organen,  namentlich  im  Darme;  die  Hel- 
minthiasis  hat  im  kindlichen  Alter  nicht  selten  den  Blepharospasmus  zur 
Folge.  Bei  erwachsenen  Individuen  ist  das  öfters  eintretende  Zucken  in 
den  Augenlidern  häufig  in  Haemorrhoidalzufällen  und  dadurch  bedingter 
Circulationsstörung  und  Congestion  des  Blutes  zum  Kopfe  begründet.  Auch 
von  der  Gebärmutter  verbreitet  sich  zuweilen  der  Reiz,  daher  bei  hysteri- 
schen weiblichen  Individuen  krampfhafte  Zuckungen  der  Augenlider  nicht 
selten  eintreten. 

Die  Datier  des  Augenlidkrampfes  ist  höchst  verschieden.  Krampfhafte 
Zuckungen  der  Augenlider  gehen  oft  sehr  schnell  vorüber,  und  stellen  sich  bis 
weilen  nach  längeren  Intervallen  wieder  ein.  Der  Blepharospasmus  lonicus 
kann  jedoch  sehr  lange  Zeil  anhalten,  und  ist  oft  ein  sehrharlnäckiges  Leiden. 
Der  gewöhnliche  Ausgang  des  Leidens  ist  der  in  Genesung.  Durch  sehr  lange 
Zeil  bestehende  krampfhafte  Verschliessung  der  Lidränder  kann  jedoch  or- 
ganische Verkürzung  der  Muskelfasern  des  Orbicularis,  muldenförmige  Ver- 
krümmung des  Tarsus  und  dadurch  Entropium,  Einwärlskehrung  der  Augen- 
wimpern, Verengerung  der  Lidspalte  mit  ihren  Folgen  herbeigeführt  wer- 
den. Der  durch  Veilelzung  bedingte  Krampf  hat  häufig  eine  mehr  oder 
minder  heflige  Entzündung  des  Auges  zur  Folge,  der  durch  rheumatischen 
Anlass  erzeugte  endet  nicht  selten  in  unvollkommene  oder  vollkommene 
Lähmung  der  afficirten  Muskeln. 

Bei  der  Behandlung  verdient  die  Causalindication  die  meiste  Berück- 
sichtigung. Bei  der  Verschiedenheit  der  Ursachen  ist  demnach  das  Verfah- 
ren in  den  einzelnen  Fällen  höchst  verschieden.  Wo  Reflexreiz  stattfindet, 
muss  die  centripetale  Quelle  ermittelt  werden.  Ist  dieselbe  in  einer  Hyper- 
aesthesie  des  Quintus  (Lichtscheu)  gelegen,  so  ist  gegen  letzlere  auf  die 
bereits  bekannte  Weise  zu  wirken.  Bei  traumatischen  Anlässen  sucht  man 
durch  Ruhe  und  antiphlogistische  Behandlung  (kalte  Ueberschläge,  Blutegel, 
Purganlia)  dem  Eintritte  einer  Entzündung  zuvorzukommen;  der  Krampf 
wird  meistens  dann  bald  gehoben.  Wurde  ein  fremder  Körper  aufgefunden, 
so  ist  die  Entfernung  desselben  indicirt.    Der  rheumatische  Blepharospasmus 


304 

weicht  der  Anwendung:  geeigneter  innerer  Mittel  (Tart.  em.  refr.  dosi,  Pulv. 
Plummeri,  Aconit,  Vin.  sem.  Colch.,  diaphoretischer  Mittel),  der  Application 
von  Senfteigen  und  Vesicatoren  an  der  Austrittsstelle  des  Facialis  zwischen 
Kieferwinkel  und  Warzenfoitsatz,  nebst  dem  endermatischen  Gebrauche  des 
Morphins,  wo  Schmerzhaftigkeit  der  Gesichtsfläche  stattfindet.  Bei  Haemor- 
rhoidalzufällen,  Wurmleiden,  Hysterie  muss  gegen  diese  Grundleiden  die 
zweckmässige  Therapie  eingeleitet  weiden.  Auch  die  etwa  zu  Grunde  lie- 
gende Dyscrasie,  z.  B.  die  scrofulüse,  werde  berücksichtigt.  Wo  die  Ur- 
sache nicht  aufgefunden  wurde,  und  wo  eine  gesteigerte  Reizbarkeit  des 
Nervensystems  besteht,  suche  man  die  Affeclion  der  Nerven  durch  äussere 
Anwendung  beruhigender  Mittel,  Fomentationen  mit  Boraxsolution  (1  —  2 
Dr.  auf  4  Unzen  aq.  dest.),  Einreibungen  narcotischer  Mittel  (Ol.  hyoscyami 
pr.  dr.  2  Extr.  hyosc.  gr.  6;  —  Ol.  amygd.  dulc.  rec.  dr.  2  Extr.  Opii  aq. 
gr.  8;  —  Ol.  amygd.  dulc.  rec.  dr.  2  Acct.  Morph,  gr.  2 — 4)  in  der  Umge- 
bung des  Auges,  durch  den  inneren  Gebrauch  der  Zinkblumen,  der  Herb. 
Chenopodii  ambros.,  folia  aurant.  etc.  zu  heben,  oder  wenigstens  zu  be- 
schwichtigen. Tn  hartnäckigen  Fällen  kann  man  die  galvanische  Eleclrici- 
täl  oder  den  Eleclrornagnetismus  versuchen. 

2.  Zu  den  krampfhaften  Affectionen  des  Augapfels  gehört  die  unwill- 
kürliche Bewegung  desselben,  welche  durch  einen  abwechselnd  verschie- 
dene Muskeln  erfassenden  Krampf  bedingt  ist,  und  Nystagmus  genannt 
wird.  Der  Bulbus  ist  fortwährend  unstät  herumirrend,  gewöhnlich  in  hori- 
zontaler, seltener  in  verticaler  Richtung,  zuweilen  in  einem  Halbkreise  ro- 
tirend.  Die  schiefen  Augenmuskeln,  als  die  der  unwillkürlichen  Bewegung 
grösstenteils  dienenden,  sind  meistentheils  afficirt,  jedoch  auch  die  gera- 
den Muskeln  nehmen  an  der  unstäten  Bewegung  Theil.  Die  Kranken  sehen 
die  Gegenstände  meistentheils  ruhig,  nicht  in  Bewegung.  Das  Uebel  kommt 
vorzüglich  bei  Individuen  vor,  welche  in  früher  Kindheit  theilweise  oder 
ganz  erblindet  sind,  und  lässt  sich  dadurch  erklären,  dass,  da  das  Auge 
zum  gegenständlichen  Sehen  wenig  oder  gar  nicht  geeignet  ist,  die  regulirte 
Bewegung  der  Augenmuskeln,  welche  sonst  der  Zweck  des  genauen  Sehens 
beherrscht,  nicht  durch  Uebung  angeeignet  wurde,  und  diese  somit  in  un- 
släte,  unwillkürliche  Bewegung  gerathen.  Man  trifft  dieses  Uebel  somit  am 
häufigsten  bei  Centralkapsel-  und  Linsenstaar,  bei  unvollkommener  Amau- 
rose, so  wie  bei  Synchysis  mit  beginnender  Atrophie  des  Auges,  Das  Lei- 
den ist,  da  alle  angewendeten  Mittel  gewöhnlich  nutzlos  sind,  kein  Gegen- 
stand der  Behandlung.  Auch  die  Durchschneidung  einzelner  Muskeln 
führte  zu  keinem  Ziele. 

3.  An  die  bisher  besprochenen  Affectionen  der  motorischen  Nerven 
des  Auges  schliesst  sich  auch  die  Lehre  vom  Schielen  an. 


305 

Unler  Schiel  en  (Strabismus)  versieht  man  den  gänzlichen  oder 
theilweisen  Verlust  der  accomodaliven  Bewegung*  beider  Augen,  wodurch 
das  Zusammentreffen  der  Sehaxen  in  einer  bestimmten  Richtung  verhindert 
wird.  Die  Grundbedingung  zur  Realisirung  der  Bewegungen  der  Augen- 
muskeln ist  zusammengesetzt  aus  mehreren  Momenten  :  aus  der  normalen 
Beschaffenheit  des  Centralorganes,  der  Retina  und  des  Nervus  opticus,  aus 
der  der  motorischen  Nerven  und  der  Muskeln  selbst.  Wird  nun  eines  dieser 
Momente  abnorm,  so  lässt  der  nothwendige  Consensus  der  Augenmuskeln 
nach,  die  Sehaxen  kreuzen  sich  nicht  mehr  in  dem  fixirten  Punkte  des  Ob- 
jeetes,  und  es  tritt  jene  abnorme  Richtung  des  Blickes  ein,  die  wir  als 
Schielen  bezeichnen. 

Diess  tritt  entweder  als  einseitiges  Schielen  (Str.  monocularis) 
auf,  wobei  stets  die  Sehaxe  desselben  Auges  richtig  gegen  den  betrachteten 
Gegenstand  steht,  während  das  andere  stets  schielt,  und  nur  den  assoeiir- 
ten  Bewegungen  des  gesunden  Auges  folgt.  Nur  so  lange  das  gesunde 
Auge  geschlossen  oder  verdeckt  wird,  vermag  das  abgewichene  in  der 
richtigen  Stellung  zu  verharren,  indem  die  Willkür  und  der  schwache  Re- 
flexeinfluss  des  Sinnesnerven  nur  bei  aufgehobener  Reflexwirkung  vom 
Sinnesnerven  des  gesunden  es  in  die  richtige  Stellung  zu  bringen  vermö- 
gen. Dadurch  unterscheidet  sich  das  bewegliche  Schielen  von  dem  unbe- 
weglichen, so  wie  von  Luscitas,  Schiefstehen  des  Augapfels.  Das  Schie- 
len mit  beiden  Augen  wird  gewöhnlich  Wechselschielen  (Str.  alter- 
nans)  genannt,  da  bei  demselben  bald  das  eine,  bald  das  andere  Auge  zum 
Fixiren  gebraucht  wird. 

Die  Veranlassungen  zum  Schielen  können  von  verschiedenen  Bezir- 
ken ausgehen.    Sie  sind  folgende: 

1.  Anatomische  Fehler  der  Muskeln.  Ein  Muskel  kann  zu 
kurz,  zu  lang,  zu  stark  oder  zu  schwach  sein,  eine  fehlerhafte  Insertion 
(zu  weit  nach  vorwärts  oder  rückwärts)  haben,  oder  er  kann  ganz  fehlen, 
wobei  der  Antagonist  das  Auge  in  die  entgegengesetzte  Richtung  zieht. 
Man  kann  diese  Art  des  Schielens  das  mechanische  Schielen  nennen. 

2.  I  nn  ervat  io  n  sf  ehl  er.  Die  abnorme  Innervation  kann  a.  von 
den  motorischen  Nerven  selbst  ausgehen,  und  ist  entweder  zu  stark  wie 
bei  krampfhaften  Affectionen  derselben,  bei  Verletzungen,  bei  Rheumatis- 
men der  Muskelhüllen  u.  s.  w.,  oder  zu  schwach,  wie  bei  den  Lähmungs- 
zuständen  der  Nerven.  Der  Unterschied  des  krampfhaften  Schielens  vom 
paralytischen  besteht  darin,  dass  bei  jenem  die  willkürliche  Bewegung  des 
Augapfels  nach  andern  Richtungen  hin,  obschon  minder  leicht,  doch  nicht 
aufgehoben  ist,  wie   man  sich  bei  verdecktem  gesunden  Auge  überzeugen 

Meyr,  Augenheilkunde  20 


306 

kann,  während  bei  dem  letzteren  die  Bewegung-  durch  den  gelähmten  An- 
tagonisten gar  nicht  mehr  zu  Stande  kommen  kann. 

b.  In  einem  innigen  Reflexzusammenhange  steht  der  Opticus  und 
dessen  Ausbreitung,  die  Retina,  zu  den  Augenmuskelnerven.  Daher  das 
Schielen  sehr  häufig  eintritt,  wenn  die  Sehkraft  eines  Auges  vermindert 
wird  (das  optische  Schielen).  Augenenlzündungen,  partielle  Trübungen 
der  durchsichtigen  Gebilde  (der  Cornea,  des  Kryställkörpers) ,  Gesichts- 
schwäche, Amblyopie  und  Amaurose  eines  Auges  bei  normalem  Zustande 
des  andern  haben  häufig  Schielen  zur  Folge,  besoders  wenn  die  genannten 
Ursachen  in  der  Kindheit  einwirkten.  Bei  Kindern  sind  es  ursprünglich  die 
Reflexbewegungen,  welche  vorwiegend  den  Blick  lenken  ;  allmälig  gewinnt 
der  Willens-  und  der  Reflexeinfluss  auf  die  Erregung  der  Augenmuskeln 
immer  gleicheren  Anlheil,  und  der  Blick  erhält  mehr  Ausdruck.  Das  Schie- 
len erfolgt  durch  die  genannten  Zustände,  weil  der  Sinnesnerve  des  seh- 
kräftigen Auges  durch  Reflex  auf  die  Bewegungsnerven  seines  Organs  einen 
mächtigeren  Einfluss  ausübt,  als  derjenige  ist,  der  primär  vom  Gehirn  auf 
die  Bewegungsnerven  des  andern  Auges  ausgeht,  den  wir  den  willkürlichen 
nennen,  und  weil  das  schwächere  Auge  abgewendet  wird,  um  die  Störung 
zu  verhüten,  welche  das  in  ihm  erzeugte,  weniger  deutliche  Bild  beim  Sehen 
hervorruft.  —  Ungleiche  Sehweite  beider  Augen  kann  Wcchselschielen  ver- 
anlassen, indem  das  kurzzichtige  Auge  bei  der  Betrachtung  ferner,  das  fern- 
sichtige bei  der  Betrachtung  naher  Gegenstände  eine  abweichende  (schie- 
lende) Bewegung  annimmt. 

c.  Der  Reflexeinfluss  macht  sich  bei  R  eil un  g  naher  oder  entfernter 
sensibler  Nerven  geltend;  besonders  des  fünften  Nerven  und  des  Sym- 
pathicus  magnus.  Dadurch  erklärt  sich  das  Schielen  in  der  Dentitionspe- 
riode,  das  durch  Darmreizungen,  besonders  Helminthiasis,  bewirkte,  das 
bei  Hysterie,  in  der  Schwangerschaft,  bei  Krankheilen  des  Uterus  auftre- 
tende Schielen. 

d.  Die  fehlerhafte  Innervation  gehl  auch  häufig  vom  Gehirne  aus. 
Hier  sind  zunächst  psychische  Einflüsse  zu  erwähnen.  Durch  Geislesaufre- 
gungen können  schon  im  normalen  Zustande  der  Augen  Modificalionen  des 
Blickes  eintreten.  Affecte  veranlassen  das  krampfhafte  Schielen,  so  wie 
sie  auch  den  durch  andere  Bedingungen  vorbereiteten  Strabismus  hervor- 
rufen können.  Es  haben  daher  manche  Kranke  es  in  ihrer  Macht,  die  fal- 
sche Stellung  ihres  Auges  willkürlich^zu  mindern  oder  nicht  eintreten  zu 
lassen.  Bei  manchen  Gehirnkrankheiten  (Hydrocephalus,  Geschwülsten  in 
der  Schädelhöhle)  ist  das  Schielen  ein  Symptom  derselben.  Bei  Verletzun- 
gen gewisser  Hirntheile  lebender  Thiere,  nämlich  am  CerebeJlum,  am  Klein- 


307 

hirnschenkel,  an  der  Varolsbrücke  und  am  Processus  restiformis  des  ver- 
längerten Markes  zeigte  sich  Schielen.  Dass  auch  durch  krankhafte  Zu- 
stände des  Rückenmarkes  Schielen  entstehen  könne,  ist  durch  einzelne 
Beobachtungen  sehr  wahrscheinlich. 

Man  nennt  den  durch  Krankheiten  des  Gehirns,  Rückenmarkes  oder 
des  Sympathie us  magnus  veranlassten  Strabismus  auch  das  symptomatische 
Schielen. 

Das  Schielen  heissl  beweglich,  wenn  der  Augapfel  noch  willkürlich 
in  eine  andere  Richtung  gebracht  werden  kann,  was  schon  dadurch  ge- 
schieht, dass  man  das  richtig  blickende  Auge  verdeckt:  unbeweglich, 
wenn  diess  nicht  geschehen  kann,  wie  bei  Lähmung  oder  Mangel  eines 
oder  mehrerer  Muskeln. 

Wird  der  Augapfel  durch  fehlerhafte  Beschaffenheit  der  Orbita,  durch 
Geschwülste  in  derselben  oder  in  benachbarten  Höhlen  in  eine  fehlerhafte 
Richtung  gebracht,  aus  der  er  durch  den  Willen  des  Kranken  nicht  ge- 
bracht werden  kann,  so  heisst  dieser  Zustand  Luscitas  (Schiefstehen 
des  Auges). 

Das  Schielen  ist  hinsichtlich  der  Entstehung  entweder  angeboren 
oder  erworben.  Zum  angebor nen  Schielen  können  Missbildungen  in 
dem  Muskelapparate  des  Augapfels,  eine  angeborne  fehlerhafte  Stellung 
der  Pupille,  vielleicht  schiefe  Lage  der  Krystalllinse  oder  angeborne  fehler- 
hafte Identität  der  beiden  Sehfelder  (Strabismus  incongruus)  Veranlassung 
geben.  Das  erworbene  Schielen  wird  durch  die  verschiedenen  oben 
citirten  Ursachen  herbeigeführt.  Das  sogenannte  Gewohnheitsschielen  tritt 
durch  vernachlässigte  Hebung  eines  Auges,  wenn  das  andere  vorzüglich 
oder  ausschliesslich  zum  Sehen  verwendet  wird,  bei  Kindern  und  jungem 
Individuen  ein;  z.  B.  beim  Gebrauche  nur  eines  Augenglases.  So  kann  in 
Folge  langwieriger  Entzündung  eines  Auges,  besonders  scrofulöser,  wobei 
dasselbe  wegen  heftiger  Lichtscheu  zum  Sehen  gar  nicht  verwendet  werden 
kann,  ein  Schielen  zurückbleiben.  Das  automatische  Schielen  nennt 
man  jenes,  welches  durch  mancherlei  krankhafte  Zustände  erzwungen 
wird,  damit  das  Auge  noch  zum  Sehen  verwendet  werden  könne.  Hieher 
gehören  das  partielle  Ankyloblepharon  und  Symblepharon,  partielle  Trichia- 
sis,  Trübungen  und  Narben  der  Cornea,  vordere  Synechien  und  Verziehun- 
gen der  Pupille,  excentrische  Stellung  derselben.  Das  Schielen  tritt  in  sol- 
chen Fällen  namentlich  dann  ein,  wenn  das  eine  Auge  mit  einem  der  ge- 
nannten Zustände,  der  das  Sehen  nur  in  einer  bestimmten  Richtung  möglich 
macht,  behaftet,  das  andere  jedoch  zum  Sehen  gar  nicht  brauchbar  ist.  So 
können  demnach  Hornhauttrübungen  das  Schielen  auf  eine  doppelte  Weise 
veranlassen ;  in  dem  einen  Falle  weicht  das  damit  behaftete  Auge  von  der 

20* 


308 

normalen  Stellung  ab,  damit  es  die  Function  des  gesunden  nicht  störe,  in 
dem  andern  Falle  jedoch,  damit  dasselbe  zum  Sehen  geeigneter  werde. 
Auch  nach  Pupillenbildungen  kann  aus  demselben  Grunde  ein  derartiges 
Schielen  eintreten.  Zum  automatischen  Schielen  rechnet  man  auch  jenes, 
welches  durch  angeborne  fehlerhafte  Idenditäl  beider  Sehfelder  bedingt 
sein  soll. 

Hohe  Grade  des  einseitigen  Schielens  sind  meistens  mit  einer  secun- 
dären  falschen  Neigung  des  richtig  blickenden  Auges  verbunden,  welche 
auf  den  Gesetzen  der  assocciirlen  Bewegungen  der  Augen  beruht,  und  das 
consensuelle  Schielen  genannt  wird.  Um  in  einem  solchen  Falle 
das  ursprünglich  schielende  Auge  zu  entdecken,  halte  man  dem  Kranken 
einen  Gegenstand,  z.  B.  einen  Finger,  vor,  und  entferne  ihn  vom  Auge 
nach  einer  oder  der  andern  Richtung,  und  man  wird  sodann  entnehmen, 
mit  welchem  Auge  er  das  Object  fixirt,  indem  die  Sehaxe  des  schielenden 
Auges  entweder  vor  oder  hinter  dem  Objecte  vorbeischiesst.  In  Beziehung 
auf  das  Object  der  Fixation  hat  in  demselben  Momente  immer  nur  die  Seh- 
axe eines  Auges  eine  unrichtige  Stellung;  ein  Schielen  mit  beiden  Augen 
zu  gleicher  Zeit  kann  es  daher  eigentlich  nicht  geben.  Doch  gibt  es  Kranke, 
welche  bald  mit  dem  einen,  bald  mit  dem  andern  Auge  schielen  (Wechsel- 
schielen). Das  Sehvermögen  beider  Augen  ist  bei  dieser  Art  des  Schielens 
nicht  beträchtlich  verschieden,  so  dass  der  Sinnesnerve  jedes  Auges  auf 
die  motorischen  Nerven  noch  Einfluss  hat,  jedoch  unter  gewissen  Bedingun- 
gen der  Reflexeinfluss  bald  in  diesem,  bald  in  jenem  Auge  starker  hervor- 
tritt, während  das  andere  in  eine  schielende  Stellung  gerathet.  Bestim- 
mungsgrund zum  Gebrauche  des  einen  oder  des  andern  Auges  ist  hier  theils 
der  "Wille  des  Kranken,  theils  die  Lage  und  Richtung  des  Gegenstandes, 
theils,  wie  bei  ungleicher  Sehweite  beider  Augen,  die  verschiedene  Ent- 
fernung der  Gegenstände. 

Dem  Grade  nach  besteht  das  Schielen  entweder  nur  in  einer  gerin- 
gen Abweichung  der  Sehaxe,  welche  man  den  falschen  Blick  nennt,  der 
nur  zeitweise  durch  Affecte  u.  dgl.  veranlasst  wird,  oder  in  höherem  Grade. 
Im  höchsten  Grade  des  Schielens  verbirgt  .sich  die  Hornhaut  selbst  in  einem 
Augenwinkel,  so  dass  nur  das  Weisse  des  Auges  sichtbar  wird. 

Der  Form  nach  unterscheidet  man  :  a.  den  Strabismus  con  vergens  (Ein- 
wärtsschielen), welches  viel  häufiger,  als  die  andern  Arten,  vorkommt,  wegen 
der  stärkern  Thätigkeit  der  innern  Augenmuskeln,  da  die  Adaptationsmuskeln 
von  den  nächstliegenden  Gegenständen  kräftiger  und  andauernder  zur  Thätig- 
keit angespornt  werden;  b.  das  Auswärtsschielen  (Str.  divergens), welches  mei- 
stens dadurch  zu  Stande  kommt,  dass  bei  Abnahme  der  Sensibilität  der  Netz- 
haut der  innere  Muskel  den  zur  Accomodation  nöthigenReiz  nicht  erhält  und 


309 

daher  in  seiner  Thäligkeil  nachlässt.  Das  Auswärlsschielen  hat  daher  mehr 
eine  paralytische  Natur,  daher  auch  der  Augapfel  bei  demselben  nicht  sel- 
ten eine  geringe  Hervortreibung  zeigt;  c.  auch  ein  Auf-  und  Abwärlsschie- 
len  (Str.  sursum  et  deorsum  vergens) ,  so  wie  auch  d.  der  Strabismus  hor- 
rendus,  Schielen  mit  Rollbewegung  durch  Affection  der  schiefen  Muskeln, 
werden  als  Arten  des  Schielens  angeführt. 

Hinsichtlich  der  Dauer  des  Schielens  unterscheide!  man  das  tempo- 
päre  oder  zeilweise  Schielen,  welches  nur  dann  eintritt,  wenn  in  Folge  feh- 
lerhafter Innervation  unter  gewissen  Verhältnissen  ein  Auge  abweicht,  der 
Reiz  jedoch  vorübergehend  wirkte;  und  das  permanente  Schielen,  welches 
grösstenteils  eine  Folge  anatomischer  Veränderungen  ist,  oder  durch  fort- 
bestehende abnorme  Innervation  erzeugt  wird.  So  kann  ein  Schielen,  wel- 
ches im  Anfange  nur  temporär  war,  nach  und  nach  durch  Verkürzung  des 
IMuskels  permanent  werden.  Endlich  wurden  auch  Fälle  beobachtet,  wo 
das  Schielen  einen  deutlichen  inlermitlirenden  Typus  zeigte,  und  den  Pa- 
roxysmus  intermittirender  Fieber  ersetzte. 

Ausser  der  Deformität,  welche  das  Schielen  verursacht,  führt  es  noch 
andere  krankhafte  Zustände  herbei,  nämlich: 

a.  Kurzsichtigkeit.  Der  mit  beiden  Augen  convergirend  Schie- 
lende kann  nur  nahe  Gegenstände  deutlich  und  einfach  auf  längere  Zeit 
sehen,  während  er  ferne  Objecle  entweder  nur  auf  kurze  Zeit  deutlich  und 
einfach,  oder  gar  nicht  mehr  zu  erkennen  vermag.  Auf  diese  Weise  wird 
der  Schielende  durch  Gewöhnung  kurzsichtig. 

b.  Schwachsichtigkeit  (Hebetudo  visus)  kommt  in  schielenden 
Augen  um  so  häufiger  vor,  als  bei  ihnen  wegen  verminderler  Adaptations- 
kraft um  so  eher  in  den  motorischen  Nerven  ein  willkürlich  nicht  zu  besei- 
tigender Nachlass  eintreten  kann. 

c.  Gesichtsschwäche  (Amblyopia)  ist  durch  gesunkene  Vitali- 
tät des  schielenden  Auges  bedingt,  welche  von  Mangel  an  Uebung  herrührt. 
Convexgläser  verbessern  daher  durch  Anregung  der  Netzhaut  diese  Ge- 
sjehtsschwäche,  welche  bei  langem  Bestehen  eines  hochgradigen  Schielens 
bis  zur  Amaurose  sich  steigern  kann.  Die  Gesichtsschwäche  des  schielen- 
den Auges  kann  daher  sowohl  Ursache  als  auch  Folge   des  Schielens  sein. 

d.  Doppeltsehen  kommt  beim  Strabismus  bisweilen  vor  und  hängt 
vom  gleichmässigen  Grade  der  Erregung  ab,  die  in  den  abnorm  gegen  ein- 
ander gerichteten  Augen  stattfindet.  Die  Bedingungen  zur  Wahrnehmung 
der  Doppelbilder  sind:  1.  Ein  nicht  zu  hoher  Grad  des  Schielens,  da  bei 
zu  starker  Abweichung  des  schielenden  Auges  zu  wenig  reizbare  Stellen 
der  Netzhaul  afficirt  werden,  als  dass  ein  genug  deutliches  Bild  entstehen 
könnte.    2.  Normale  oder  nur  wenig  geschwächte  Sehkraft  des  schielenden 


310 

Auges,  weil  bei  zu  sehr  geschwächter  Sehkraft  kein  Bild  mehr  percipirt 
wird.  So  kann  die  Steigerung  der  Sehkraft  durch  die  Operation  des  Schie- 
lens das  Auftreten  von  Doppelbildern  nach  ihr  bedingen.  3.  Aufmerksam- 
keit des  Kranken  auf  die  Doppelbilder.  Hieraus,  wie  auch  aus  dem  frühe- 
ren Punkte  erklärt  es  sich,  warum  das  Doppellsehen,  welches  den  Strabis- 
mus häufig  Anfangs  begleitete,  sich  später  verliert,  weil  nämlich  die  Kran- 
ken ihre  Aufmerksamkeit  davon  ablenken,  und  die  Vitalität  der  Netzhaut 
stets  abnimmt. 

Bei  der  Behandlung  des  Schielens  leitet  vorzüglich  die  Ursache.  Mit 
Entfernung  der  gastrischen,  Dentitions-  oder  anderer  Reize  schwindet  mei- 
stens das  davon  abhängige  Schielen.  Entzündliche  Afleclionen  im  Gehirne 
erfordern  die  ihnen  angemessene  Behandlung.  Gegen  die  als  Folge  des 
Krampfes  zurückbleibende  Verkürzung  des  schielenden  Muskels  ist  der 
Muskel-  oder  Sehnenschnitl  (Myotomia  ocularis)  indicirt.  Contrain- 
dicirt  ist  die  Operation  beim  automatischen  Schielen  in  Folge  einer  partiel- 
len Lähmung  der  Retina  oder  von  Trübungen,  beim  Strab.  incongruus  durch 
fehlerhafte  Identität  der  Sehfelder,  beim  Strabismus  durch  Fehlen  oder  Läh- 
mung eines  Muskels,  bei  hohem  Grade  von  Luscilät  (durch  fehlerhafte  Be- 
schaffenheit der  Orbila),  beim  symptomatischen  Schielen  durch  Erkrankung 
des  Gehirns,  Sympathicus  u.  s.  w. 

Bei  Kindern  unter  dem  12.  Lebensjahre  ist  die  Operation  zu  wider- 
rathen,  da  eine  andauernde  orthopädische  Behandlung  bei  ihnen  nicht  aus- 
führbar ist.  Die  Durchschneidung  des  gleichnamigen  Muskels  in  beiden 
Augen  ist  nur  bei  höheren  Graden  des  consensuellen  Schielens,  wo  auch 
im  andern  Auge  eine  secundäre  Verkürzung  des  gleichnamigen  Muskels 
eingetreten  ist,  nothwendig,  da  ein  geringerer  Grad  desselben  nach  dem 
einseitigen  Muskelschnilte  gehoben  werden  kann. 

Zur  Operation  braucht  man  eine  gut  fassende  anatomische  Pinzette 
(oder  zwei  feine  Häkchen),  um  die  Conjunctiva  in  eine  Falte  zu  erheben, 
eine  Louis'sche  Augenscheere,  einen  stumpfen  Haken  (Muskelfixator),  und 
für  einzelne  Fälle  zwei  Pellier'sche  Lidhaller  oder  den  federnden  Snowden- 
schen  Lidhalter.  Das  nicht  zu  operirende  Auge  wird  verbunden.  Die  hin- 
reichende Enlblossung  des  Bulbus  besorgt  am  zweckmässigslen  der  hinter 
dem  Kranken  stehende  Gehülfe,  welcher  beide  Lider  auseinander  zieht,  und 
den  Kopf  des  Kranken  zugleich  fixirl.  Die  Anwendung  von  Lidhaltern  ist 
für  die  Kranken  stets  lästiger.  Der  Operateur  erhebt  die  Conjunctiva  in  der 
Nähe  der  Cornea,  nicht  weil  von  der  Insertionsslelle  des  zu  durchschnei- 
denden Muskels  entfernt,  mittelst  der  Pinzette  in  eine  Querfalle,  oder  er 
bildet  eine  solche  durch  Einhaken  der  beiden  feinen  Häkchen  in  die  Con- 
junctiva,  deren   eines  er   sodann   dem  Gehülfen  zum  Festhalten  übergibt. 


311 

Hierauf  schneidet  er  diese  Falte  mittelst  der  Louis'schen  Scheeie  ein.  Ist 
die  Wunde  nicht  hinreichend  weit,  so  soll  sie  durch  nachträgliche  Schnitte 
erweitert  werden,  soll  jedoch  nie  zu  gross  sein.  Man  sucht  hierauf  mit  dem 
Haken  den  Muskel  zu  erfassen,  indem  man  die  stumpfe  Spitze  desselben 
oberhalb  des  Niveaus  des  Muskels  auf  die  blossgelegle  Sclera  anlegt,  und 
sie  soweit  nach  rückwärts  schiebt,  bis  man  die  Inserlionsstelle  des  Mus- 
kels überschritten  hat.  sich  stets  mit  der  stumpfen  Spitze  an  die  Sclera  hal- 
tend. Hierauf  bewegt  man  schnell  die  Spitze  des  Muskelfixators  nach  ab- 
und  vorwärts,  um  sie  zwischen  Muskel  und  Sclera  durchzuführen.  Man 
sucht  hierauf  den  erfassten  Muskel  mittelst  der  geschlossenen  Scheere  vom 
umgehenden  Zellgewebe  so  viel  als  nöthig  ist  zu  trennen,  Öffnet  hierauf  die 
Scheere,  um  den  Muskel  (oder  dessen  Sehne)  zwischen  die  geöffneten  Blätter 
desselben  schieben  zu  können,  worauf  dieser  mit  einem  Scheerenschlage 
durchlrennl  wird.  Das  vordere  vom  Muskelbauche  g-etrennle  Schnenende 
wird  mit  der  Pinzette  gefassl  und  mit  der  Scheere,  deren  Convexitäl  gegen 
den  Bulbus  gerichtet  ist,  abgetrennt.  Die  geringe  Blutung  wird  durch  kleine 
in  kaltes  Wasser  getauchte  Schwämme  gestillt. 

Ung-ü  nslige  Ereignisse  während  der  Operation  sind  :  1 .  Krampf- 
hafte Contraction  des  Orbicularis ;  man  gönne  dem  Kranken  Ruhe  und  ent- 
ferne besonders  die  Lidhaller.  2.  Ausreissen  der  gefasslen  Conjunctiva; 
man  wende  in  diesem  Falle  statt  der  Häkchen  die  Pinzette  an.  3.  Schwe- 
res Erfassen  des  Muskels  wegen  zu  starker  Contraction  desselben  oder 
zu  liefer  Lage  des  Auges;  man  suche  das  Auge  auf  die  entgegenge- 
setzte Seile  zu  ziehen.  Das  Fortbestehen  des  Schielens  nach  der  Operation 
ist  entweder  durch  unvollkommene  Durchschneidung  des  Muskels  bedingt, 
(daher  man  sich  jederzeit  durch  wiederholtes  Einführen  des  Hakens  von 
dem  Erfolge  der  Operation  zu  überzeugen  hat),  oder  beruht  beim  Einwärts- 
schielen auf  der  Contraction  der  innern  Fasern  des  rectus  superior  und  in 
ferior,  wesshalb  bei  höheren  Graden  des  Schielens  auch  die  Scheide  des 
Muskels  nach  auf-  und  abwärts  eingeschnitten  werden  soll.  Zuweilen  ist  das 
Fortbestehen  des  Schielens  durch  eine  consensuelle  Conlraclion  des  gleich- 
namigen Muskels  des  andern  Auges  bedingt,  und  wird  erst  nach  Durch- 
schneidung desselben  gehoben.  Das  Schielen  auf  die  entgegengesetzte 
Seite  beruht  auf  zu  starker  Contraction  des  Antagonisten;  sie  wird  in  der 
Folge  grösstenteils  gehoben,  da  der  durchschnittene  Muskel  an  die  Scle- 
rotica  anheilt,  und  wieder  Contractionskraft  gewinnt. 

Die  N  achbeha  n  dl  un  g  besteht  in  der  Anwendung  kaller  Ueber- 
schläge,  mit  denen  man  ein  gelind  antiphlogistisches  Verfahren  verbindet. 
Selten  sind  die  traumatischen  Folgen  der  Operation  bedeutend;  selten  ent- 
steht Entzündung,  noch  seltener  Erbrechen  in  Folge  von  Verletzung  äusserer 


312 

Nerven  der  Sclera.  Die  wulstigen  Wucherungen  an  der  Operationsslelle, 
welche  sich  meistens  dann  entwickeln,  wenn  das  vordere  abgetrennte  Stück 
der  Sehne  oder  des  Muskels  am  Augapfel  sitzen  blieb,  werden  später  durch 
Touchirung  mit  der  Opiumlinetur  beseitiget,  am  zweckmässigsten  jedoch 
an  ihrer  Basis  mit  der  Scheere  abgetragen. 

Der  Erfolg  der  Myotomie  ist  nicht  immer  der  erwünschte.  Vollkom- 
mene Heilung  erfolgt  nur  dann,  wenn  keine  Lahmung  des  Antagonisten 
besteht,  und  wenn  die  Sehkraft  des  schielenden  Auges  mit  der  des  gesun- 
den sich  wieder  ins  Gleichgewicht  setzt.  Ist  das  Auge  lange  Zeit  nach  in- 
nen gestellt  gewesen,  so  hat  der  reclus  ext.  eine  andauernde  Ausdehnung 
zu  erdulden  gehabt,  welche  sein  Conlraclionsvermögen  so  sehr  geschwächt 
haben  kann,  dass  es  unmittelbar  nach  der  Myotomie  nicht  energisch  genug 
auftritt,  um  dem  Bulbus  die  erwünschte  Stellung  zu  geben.  Tritt  die  Ver 
narbung  des  durchschnittenen  Muskels  vor  dem  Wiedererwachen  der  Kraft 
des  Antagonisten  ein,  so  ist  der  Erfolg  der  Operation  vereitelt.  Daher  ist 
auch  die  orthopädische  Behandlung  des  openrlen  Auges  von  der  höchsten 
Wichligkeil,  und  nur  durch  eine  gehörige  Verbindung  des  Sehnenschnitles 
mit  derselben  lässl  sich  ein  günstiger  Erfolg  der  Schieloperalion  erzielen, 
welcher  in  der  Regel  nicht  in  der  Beseitigung,  sondern  in  der  Verminde- 
rung der  falschen  Stellung  des  Auges  besteht.  Der  Operirle  wird  nämlich 
in  den  Stand  gesetzt,  den  Mangel  der  gleichzeitigen  Thätigkeit  beider 
Augen  durch  den  willkürlichen  Wechsel  im  Gebrauche  derselben  auszu- 
gleichen, und  dadurch  die  geschwächte  Sehkraft  des  schielenden  Auges  zu 
heben.  Dieser  Einfluss  der  Myotomie  auf  die  Hebung  und  Verbesserung 
des  Sehvermögens  gibt  ihr  einen  hohen  Werlh.  Zweckmässige  Uebung 
des  operirten  Auges  ist  daher  unumgänglich  nothwendig,  was  durch  zeit- 
weiliges Verbinden  des  nicht  operirten  Auges  auf  leichte  Weise  erreicht 
wird.  Sollte  die  gut  verrichtete  Operation  erfolglos  geblieben  sein,  so  könnte 
man  durch  das  Ausschneiden  einer  hinreichend  grossen  ßindehautfalte  an 
der  dem  durchschnittenen  Muskel  entgegengesetzten  Stelle  und  durch  das 
Anlegen  der  Knopfnaht  die  Herstellung  der  normalen  Richtung  versuchen. 

Man  hat  die  Myotomia  ocularis  noch  verrichtet: 

1.  Zur  Bildung  eines  künstlichen  Strabismus,  um  bei  manchen  Horn- 
hauttrübungen oder  nach  künstlichen  Pupillenbildungen  dem  Auge  eine 
solche  Richtung  zu  geben,  dass  die  Pupille  in  die  Mitte  der  Lidspalte  kommt; 
so  wie  auch  die  Natur  in  solchen  Fällen  durch  Erzeugung  eines  automati- 
schen Schielens  dem  Sehvermögen  des  Kranken  zu  Hülfe  kommt. 

2.  Zur  Hebung  des  Nystagmus.  Die  Operation  (Durchschneidung  der 
schiefen  Muskeln)  wird  jedoch  hier  nur  vom  geringen  Erfolge  sein. 

3.  Bei  gewissen  Arten  von  Myopie,  jenen  nämlich,  welche  auf  einer 


313 

zu  energischen  Wirkung  oder  fehlerhafter  Kürze  der  Augenmuskeln  beruhen, 
ßonnel  durchlrennte  in  solchen  Fällen  den  M.  obliquus  inferior,  Guerin  em- 
pfahl gegen  die  mechanische  Myopie  die  subconjunclivate  Durchschneidung 
des  zu  kurzen  oder  conlrahirlen  Muskels.  Der  Erfahrung  gemäss  hatte 
diese  Operation  wenig  Erfolg. 

4.  Krampf  des  musc.  orbicularis,  welcher  sehr  lange  anhält,  könnte  die 
subcutane  Durchtrennung  der  Sehne  dieses  Muskels  indiciren. 

Durch  gehörige,  anhaltend  fortgesetzte  Hebung  des  schielenden  Auges 
lässt  sich  auch  ohne  Operalion  ein  massiger  Grad  des  Schielens  zuweilen 
beseitigen.  Böhm  hat  zu  diesem  Zwecke  die  Anwendung  einer  Brille  em- 
pfohlen, welche  mit  einem  je  nach  dem  Grade  der  Verschiedenheit  der 
Sehkraft  mehr  oder  weniger  stark  blau  gefärbtem  Glase  für  das  gesunde, 
und  mit  einem  ungefärbten  für  das  kranke  Auge  versehen  ist,  um  dadurch 
einen  gleichstarken  Reflexeinfluss  auf  die  entsprechenden  Muskeln  in  bei- 
den Augen  und  mithin  eine  richtige  Stellung  beider  Augen  zu  bewirken. 
Er  findet  diese  Brille  angezeigt  in  Fällen,  wo  das  Auge  einer  vorübergehen- 
den Sehstörung  halber  abweicht,  oder  wo  die  Abweichung  auf  einer  durch 
Mangel  an  Hebung  bedingten  Anaesthesie  der  Netzhaut  heruht. 

II   Lähmungen. 

Gehemmte  Beweglichkeit  oder  gänzliche  Immobilität  der  Muskeln 
der  Augenlider  und  des  Augapfels  kann  durch  mancherlei  pathologische 
Verhältnisse  bedingt  werden.  Eine  Volumszunahme  der  beweglichen  Ge- 
bilde, wie  sie  so  häufig  durch  seröse  und  plastische  Infiltrationen  bei  Ent- 
zündungen, durch  Entwicklung  krankhafter  Geschwülste,  durch  Blutextra- 
vasate  u.  s.  w.  herbeigeführt  wird,  zieht  gewöhnlich  verminderte  oder  auf- 
gehobene Beweglichkeit  nach  sich.  Ausserdem  wiid  die  Thätigkeit  ein- 
zelner Muskeln  durch  Verwachsungen  benachbarter  Gebilde,  durch  Erwei- 
terung und  Ausdehnung  von  gewissen  Cavitälen  ,  durch  krankhafte  Aus- 
wüchse und  Bildung  von  Geschwülsten  in  manchen  den  Muskeln  nahe- 
gelegenen Gebilden  zuweilen  in  hohem  Grade  beschränkt  oder  ganz  unmög- 
lich gemacht.  Endlich  haben  Verletzungen  oder  Desorganisationen  der 
Muskeln  durch  mancherlei  pathische  Processe  theilweise  oder  totale  Auf- 
hebung der  Function  derselben  zur  Folge.  Wir  sehen  demnach  vermin- 
derte oder  aufgehobene  Beweglichkeit  der  Augenlider  beim  acuten  und 
chronischen  Oedeme  derselben,  bei  hochgradigen  Entzündungen  derselben 
und  der  in  ihnen  befindlichen  Drüsen ,  bei  der  Tarsomalacie,  bei  Blepharo- 
und  Ophthalmoblennorrhoeen,  bei  bedeutenden  Eechymosen  und  krankhaften 
Geschwülsten  der  Lider,  beim  Ankyloblepharon  und  Symblepharon,  bei 
der  Phimosis  palpebrarum,  bei  Ectropien  ,   so  wie  bei  Caries  und  Necrose 


314 

der  Orbitalknochen.  Wir  begegnen  einer  Beschränkung  der  Bewegungen 
des  Bulbus  oder  einer  gänzlichen  Unbeweglichkeit  desselben  in  Folge  von 
Verletzungen  der  Gebilde  der  Orbita,  von  fremden  in  derselben  befindlichen 
Körpern,  durch  Entzündungen  und  Eiterungen,  oder  durch  Entwicklung  von 
Altergebilden  in  der  Augenhöhle,  beim  Exophthalmus  u.  s.  w.  So  wird 
auch  die  Bewegung  eines  muskulösen  Gebildes  im  Augapfel,  nämlich  der 
Iris,  durch  krankhafte  Verwachsungen  derselben  mit  benachbarten  Organen, 
durch  Ausfüllung  der  Pupille  mit  Exsudaten  theilweise  oder  vollständig 
beeinträchtigt.  Da  in  allen  diesen  Fällen  die  verminderte  Beweglichkeil 
oder  Immobilität  der  muskulösen  Apparate  nur  ein  Symptom  der  bereits 
früher  beschriebenen  pathologischen  Zustände  darstellt,  so  haben  wir  hier 
nur  jene  Krankheiten  zu  erörtern,  bei  welchen  die  Schwäche  oder  das  Auf- 
hören der  Muskelcontraclion  durch  Abnahme  oder  Verlust  der  Leitungs- 
fähigkeit des  motorischen  Nerven  bedingt  ist,  welche  wir  mit  dem  Namen 
der  Lähmungen  (Paralyses)  bezeichnen. 

Was  die  Ursachen  derselben  betrifft,  so  kann  der  Mangel  der  unmit- 
telbaren Nervenreize  eine  Schwäche  der  Bewegung  und  Immobilität  ver- 
anlassen ,  die  bei  längerer  Dauer  in  Verlust  der  motorischen  Leilungsfähig- 
keit  übergehen  kann.  Hieher  gehört  vor  Allem  der  Mangel  cerebraler 
Erregung.  Höchst  wichtig  ist  auch  der  Mangel  sensibler  Erregung.  Am 
Auge  und  dessen  Nebengebilden  hal  nicht  nur  die  Anästhesie  des  Quintus, 
sondern  auch,  und  zwar  vorzüglich  die  optische  Anästhesie  in  Folge  von 
Mangel  des  belebenden  Einflusses  der  Sinneserregung  auf  motorische  Ner- 
ven Störungen  in  den  muskulösen  Apparaten  zur  Folge.  Die  Leilungs- 
fähigkeil  der  Nerven  wird  ferner  durch  Verletzung,  Erschütterung,  Druck 
auf  dieselben  und  durch  verschiedene  krankhafte  Zustände  ihrer  Scheiden 
oder  der  Gebilde,  an  denen  sie  vorüberziehen,  gehemmt.  In  allen  Fällen 
ist  sorgfältig  zu  unterscheiden,  ob  die  Thätigkeil  eines  motorischen  Nerven 
bloss  unterdrückt,  oder  ob  sie  erschöpft  sei.  Es  ist  diese  Berücksichtigung 
von  hoher  Bedeutung  für  die  Prognose  und  Therapie. 

Unter  den  Erscheinungen  der  Lähmungen  beobachtet  man  ausser  der 
Unbeweglichkeil  eines  Muskels  oder  einer  Muskelgruppe  noch  bisweilen 
Oscillation  in  den  gelähmten  Muskelbündeln,  Contraction  des  Antagonisten 
oder  des  symmetrischen  Muskels  der  gesunden  Seite,  so  wie  Atrophie  des 
betroffenen  Muskels.  Die  Sensibililäl  ist  in  den  der  Bewegung  verlustigen 
Theilen  entweder  abnorm  gesteigert,  oder  vermindert  oder  erloschen.  Der 
Einfluss  der  Lähmung  motorischer  Nerven  auf  die  Function  des  Sehnerven- 
gebildes,  so  wie  auf  die  Ernährung  des  Auges  wird  bei  den  einzelnen 
Krankheilsformen  besonders  hervorgehoben  werden. 

Die  Lähmungen  befallen  entweder  den  Muskelapparal  der  Augenlider, 


315 

oder  den  des  Augapfels  oder  beide  zugleich.  Da  jedoch  diese  von  verschie- 
denen motorischen  Nerven  versorgt  werden  ,  so  wird  sich  das  Krankheits- 
bild verschieden  darstellen ,  je  nachdem  dieser  oder  jener  Nerve ,  in  seinen 
einzelnen  Zweigen  oder  in  seinem  Stamme  ergriffen  ist. 

1.  Die  Lähmung  des  N.  facialis  äussert  sich  durch  Unthätigkeit 
der  Gesichtsmuskeln  und  des  Orbicularis  palpebrarum.  Der  Kranke  ist 
ausser  Stande,  die  Stirn  zu  runzeln,  welche  daher  glatt  aussieht;  die  Augen- 
braue lässt  sich  nicht  in  die  Höhe  ziehen  und  steht  etwas  tiefer ,  die  Lider 
können  nicht  geschlossen  werden,  und  haben  ihre  blinzelnde  Bewegung 
eingebüsst.  Die  gelähmte  Backe  schwillt  beim  Sprechen  und  bei  andern 
exspiratorischen  Aclionen  auf;  das  Ausspeien ,  Blasen,  Pfeifen  ist  wenig 
möglich,  der  Speichel  und  genossenes  Getränk  träufeln  aus.  Die  symmetri- 
schen Muskeln  der  gesunden  Gesichlshälfte  sind  contrahirl,  daher  daselbst 
der  Mundwinkel  höher  steht;  die  Thätigheit  des  Levator  palpebrae  sup.  ist 
gesteigert.  Da  die  Lidspalte  bei  dieser  Krankheit  offen  steht,  so  nennt  man 
sie  auch  Lagophthalmus  paralyticus*).  Die  Thränenleitung  wird 
gehemmt ,  da  die  Thränenpuncte  ihre  normale  Richtung  verlieren ;  die 
Thränen  sammeln  sich  an  und  träufeln  über  die  Wange  herab.  Aeussere 
Einflüsse  können  leichter  auf  das  offenstehende  Auge  schädlich  einwirken, 
und  da  gleichzeitig  die  Cornea  durch  den  Lidschlag  nicht  gehörig  gefegt 
und  gereinigt  wird,  so  entstehen  Trübungen  und  Geschwüre  derselben, 
nebst  Entzündung  und  Auflockerung  der  Conjunctiva  als  secundäre  Folgen. 
Bei  alten  Lähmungen  entsteht  auch  durch  Hinabsinken  des  untern  Augen- 
lides leicht  eine  Auswärtsstülpung  desselben  (Ectropium) ;  das  Auge  tritt 
sogar  bisweilen  mehr  hervor,  indem  der  gelähmte  Schliessmuskel  der  Lider 
den  schiefen  Augenmuskeln,  welche  den  Bulbus  nach  vorne  ziehen  können, 
in  der  That  nicht  mehr  Widerstand  leistet. 

Sehr  selten  ist  die  Lähmung  bloss  in  jenen  Zweigen  des  Facialis, 
welche  denOrbicularmuskel  versorgen.  DieUrsachen  sind  theils  peripherische, 
theils  centrale.  Zu  den  erstem  gehören  äussere  Verletzungen  und  chirurgi- 
sche Operationen   an  der  Gesichtsfläche ,   vorübergehender  oder  dauernder 


*)  Der  Name  Lagophthalmus  (Ha  seil  äuge)  bezeichnet  überhaupt  das 
Offenstehen  der  Lidspalte,  mit  der  Unmöglichkeit  die  Augenlider  vollständig  zu 
schlicssen.  Es  beruht  dieser  Zustand  entweder  auf  Formfehlern  der  Augenlider, 
nämlich  regelwidriger  Kürze,  Au.wärtskehrung  oder  Verwachsung  derselben  mit 
benachbarten  Gebilden  (z.  B.  des  Lidrandes  mit  dem  Orbitalrande,  wie  beim  Ec- 
tropium durch  Substanzverlust  der  Haut),  oder  er  ist  durch  aufgehobene  Beweg- 
lichkeit des  untern  Augenlides  bedingt,  welches  demnach  vermöge  seiner  Schwere 
herabsinkt.  Ein  Krampf  des  M.  levator  palpebrae  sup.  würde,  wenn  er  je  vor- 
kommt, das  kramplhaftc  Hosenauge  (Lagophthalmus  spasticus)  hervorrufen. 


316 

Druck  auf  den  Nerven  durch  angeschwollene  Drüsen,  Narben  u.  s.  w  ,  der 
Einfluss  der  Kälte  oder  Zugluft  auf  das  erhitzte  Gesicht,  Fissuren  und  Frac- 
luren  des  Os  petrosum,  Necrose  des  Felsenbeins  durch  Tuberculosis  oder 
Scrofulosis;  zu  den  centralen  Ursachen  gehören  Exsudate  und  Geschwülste 
in  der  Nähe  der  Varolsbrücke ,  Hämorrhagie  und  Erweichung  des  Gehirns. 
Unter  den  Dyscrasien  geben  die  scrofulöse,  syphilitische  und  carcinomatöse 
öfters  Veranlassung.  Oefters  treten  nach  Erkältung  der  schwitzenden  Ge- 
sichtshälfte Schmerzen  und  Geschwulst  mit  Fieberbewegungen  ein,  welche 
einen  oder  ein  Paar  Tage  anhalten,  und  worauf  die  Lähmung  zurückbleibt. 
In  der  Mehrzahl  der  Fälle  ist  die  Ursache  der  Lähmung  eine  peripherische. 

2.  Unter  den  motorischen  Nerven  des  Augapfels  kommt  die  Lähmung 
am  häufigsten  am  N.  oculomolorius  vor.  Die  Lähmung  betrifft  entwe- 
der bloss  die  Fasern  ,  welche  sich  im  Levalor  palpebrae  superioris  verbrei- 
ten ,  wobei  die  Krankheit  als  Blepharoplegic  oder  B  1  epharoptosis 
paralytica  erscheint*).  Das  obere  Lid  hängt  zum  Theil  oder  ganz  über 
dem  Auge  herab,  und  kann  durch  blossen  Willenseinfluss  des  Kranken  nicht 
gehoben  werden.  Wird  es  mit  dem  Finger  erhoben,  und  wieder  losgelas- 
sen, so  sinkt  es  schlaff  herab.  Die  Fähigkeit  des  Orbicularis,  durch  wech- 
selnde Conlraclion  und  Erschlaffung  die  Lidspalle  fester  zu  schliessen  und 
wieder  zu  erschlaffen,  dauert  fort. 

Wenn  der  Stamm  des  Oculo  m  o  l  o  r  i  u  s  gelähmt  ist ,  so  erstreckt 
sich  die  Unbeweglichkeit  auch  auf  den  Augapfel.  Das  obere  Augenlid 
hängt  schlaff  herunter,  der  Augapfel  verharrt  in  seiner  Stellung  nach  aussen, 
wegen  der  überwiegenden  Thätigkeit  des  rectus  exlernus.  Die  einzige 
Richtung,  in  welcher  sich  der  Augapfel  noch  bewegen  kann,  ist  die  nach 
unten  und  aussen,  durch  die  Wirkung  des  obliquus  superior.  Da  jedoch 
der  M.  rectus  ext.  viel  stärker  ist,  als  der  obliq.  sup  ,  so  lässt  die  Contrac- 
tion  des  erstem  bald  wieder  nach  und  der  Augapfel  nimmt  die  Richtung 
nach  aussen  an.  Es  entsteht  daher  unbewegliches  Schielen  nach  auswärts 
(Strabismus   paralyticus).     Wenn    das   Augenlid    gehoben  wird,    und   der 


*)  Der  Name  Bleph  ar  o  p  t  osis  bedeutet  den  Vorfall  des  obern  Au- 
genlides. Er  ist  nicht  stets  durch  Lähmung  des  Augeulidhebers  bedingt,  son- 
dern beruht  zuweilen  auf  Erschlaffung  der  äussern  Haut,  wie  bei  alten  Individuen, 
auf  Verdickung  und  Infiltration  des  Lides,  auf  Verlängerung  und  Vergrößerung 
des  Tarsus,  was  zuweilen  eine  Folge  von  blennorrhoischen  oder  scrofulösen  Ent- 
zündungen ist  (Tarsomalacie),  auf  Verdickung  des  Lidrandes  durch  bedeutende 
nnltration  der  Haarzwiebeldrüsen  (Tylosis)  oder  auf  Entwicklung  von  Geschwül- 
sten in  dem  Augenlide.  In  allen  diesen  Fällen  muss  das  Uebel  auf  eine  der 
Ursache  desselben  angemessene  Weise  beseitiget  werden ,  was  bei  den  betref- 
fenden Krankheitsformen  schon  cröitert  wurde. 


Kranke  das  Auge  zum  Sehen  benutzen  kann,  ist  Doppeltsehen  vorhanden. 
Die  Pupille  ist  erweitert  und  unbeweglich,  da  die  Lähmung-  auch  die  mo- 
torischen Zweige  des  Ciliarganglions  betrifft.  Das  Sehvermögen  ist  gestört, 
wegen  der  Weile  der  Pupille,  daher  die  Kranken  besser  sehen,  wenn  sie 
durch  eine  kleine  Oeffnung  in  einem  Kartenblatte  von  dem  Durchmesser  der 
normalen  Pupille  sehen ;  ferne  Gegenstände  werden  deutlicher  ausgenom- 
men, als  naheliegende,  weil  die  Adaptation  des  Auges  für  nahe  Gegen- 
stände wenig  oder  gar  nichl  vor  sich  gehen  hann.  Da  das  Auge  vom  Thrä- 
nenquell  nicht  gehörig  benetzt  wird ,  so  können  Entzündungen  und  Trü- 
bung der  Cornea  entstehen.  Eine  andere  Folge  ist  Conlraclur  des  Anta- 
gonisten des  gelähmten  Muskels.  Insbesondere  besieht  bei  veralteten  Läh- 
mungen des  Oculomolorius  eine  verstärkte  Thätigkeit  des  Augen  lidschliess- 
muskels,  in  Folge  deren  ein  geringer  Grad  von  Entropium  bewirkt  wird. 

Je  nachdem  vollkommene  oder  unvollkommene  Lähmung  besteht, 
wird  das  Uebel  Paralysis  oder  Paresis  genannt. 

Die  Lähmung  des  Nervus  abducens  ist  in  Vergleich  mit  den 
früher  angegebenen  Lähmungen  ziemlich  selten.  Es  besteht  dabei  starkes 
Einwärtsschielen  in  Folge  der  continuirlichen  Contraction  des  innern  gera- 
den Augenmuskels.  Der  Kranke  kann  das  Auge  wohl  nach  oben  und  nach 
unten,  jedoch  nicht  nach  aussen  richten;  eine  Bewegung  des  Auges  bis 
gegen  die  Mitte  der  Lidspalte  isl  zuweilen  durch  die  Wirkung  der  äussern 
Fasein  des  Reclus  superior  und  Rectus  inferior  möglich.  Dabei  besieht 
Doppellsehen,  wenn  der  Kranke  in  der  Richtung  des  gelähmten  Muskels 
blickt.  Die  starken  Verbindungen  des  äussern  geraden  Augenmuskelnerven 
mit  dem  Sympalhicus  erklären  uns  ferner,  warum  bei  Entziehung  oder  Ver- 
lust des  von  der  sympathischen  Quelle  ausgehenden  Impulses  die  Energie 
des  M.  rect.  extern,  geschwächt  wird,  und  eine  Erschlaffung  desselben  ein- 
tritt, so  wie  andererseits  die  Thätigkeit  des  äussern  Augenmuskels  durch 
Reizung  von  Organen,  die  unter  sympathischem  Einflüsse  stehen  (wie  bei 
Helminlhiasis,  Hysterie  u.  s.  w.)  krankhaft  erhöht  wird. 

Die  Paralyse  des  vierten  Gehirn  nerven,  das  Patheticus, 
kommt  isolirt  sehr  selten  vor,  häufiger  in  Verbindung  mit  Lähmungen  an- 
derer motorischer  Nerven.  Es  tritt  bei  dieser  Lähmung  keine  auffallende 
Veränderung  in  der  Bewegung  und  Stellung  beider  Bulbi  hervor;  die  Be- 
wegungen der  Pupillen  und  der  geraden  Augenmuskeln  gehen  ungestört 
vor  sich;  allein  die  Rotationsbewegung  hört  in  dem  afficirten  Auge  auf, 
so  dass,  wenn  man  dem  Kranken  bei  unverwandtem  Blicke  den  Kopf  nach 
der  rechten  oder  linken  Schulter  neigt,  das  afficirte  Auge  fixirt  bleibt,  und 
den  Bewegungen  des  Kopfes  folgt.     Lassl  man   den  Kranken   einen  fixen 


318 

Punkt  in  gerader  Richtung  vor  ihm  betrachten,  so  beobachtet  man  in  einigen 
Fällen  sogleich,  dass  die  Cornea  des  afficirlen  Auges  etwas  tiefer  steht. 
Dabei  besteht  Doppeltsehen  mit  übereinander  geschobenen  Bildern,  und 
zwar  immer,  wohin  auch  der  Kranke  den  Blick  richten  mag.  Es  verschwin- 
det nur,  wenn  der  Kranke  den  Kopf  auf  die  der  Paralyse  entgegengesetzte 
Seile  neigt  (z.  B.  nach  rechts,  wenn  der  linke  Obliquus  sup.  gelähmt  ist). 
Bei  der  Neigung  des  Kopfes  nach  jener  Seile,  wo  die  Lähmung  besteht, 
treten  die  Doppelbilder  mehr  auseinander.  Eingenommenheit  des  Kopfes, 
Kopfschmerz,  Ohrensausen  geht  diesen  Erscheinungen  öfters  voraus,  sowie 
auch,  insbesondere  bei  nervösen  Individuen,  Ueblichkeiten  und  Brechrei- 
zung in  Folge  des  Doppeltsehens  nicht  selten  eintreten. 

Die  Lähmung  der  Iris  gibt  sich  durch  Unbeweglichkeit  der  Pupille 
bei  Einwirkung  des  Lichtreizes  kund,  entweder  mit  Erweiterung  derselben 
(Mydriasis)  oder  mit  Verengerung  (Myosis).  Zuweilen  beobachtet  man  ein 
Schwanken  der  gelähmten  Iris  von  vor-  nach  rückwärts  (Iridodonesis). 

Die  Mydriasis  (Plalycoria)  ist  eine  permanente,  widernatürliche 
Erweiterung  der  Pupille,  wobei  die  Iris  ihre  Beweglichkeit  bei  dem  ver- 
schiedenen Grade  des  Lichtreizes  mehr  oder  weniger  eingebüsst  hat.  Die 
Pupille  ist  dabei  schwarz,  nur  bei  genauer  Betrachtung  sieht  man  in  der 
Tiefe  des  Auges  eine  leichte  neblige  Trübung,  welche  durch  die  Reflexion 
der  vielen  ins  Auge  gelangenden  Lichtstrahlen  bedingt  ist.  Die  Erweiterung 
der  Pupille  kann  so  bedeutend  sein,  dass  die  Iris  nur  als  schwärzlicher, 
linienförmiger  Kreis  erscheint-  Lichtscheu  besteht  häufig  im  Anfange  des 
Leidens,  verliert  sich  jedoch  später  allmälig.  Das  Sehvermögen  ist  etwas 
getrübt,  jedoch  sehen  die  Kranken  bei  massiger  Beleuchtung  besser,  so  wie 
auch,  wenn  sie  durch  ein  kleines  Loch  in  einem  Karlenblatte  die  Gegen- 
stände betrachten.  Indessen  sehen  manche  mit  Mydriase  behaftete  Perso- 
nen vollkommen  gut. 

Die  Mydriasis  isl  entweder  idiopathisch  oder  symptomatisch.  Erslere 
entweder  angeboren  oder  erworben.  Die  erworbene  Mydriasis  wird  zu- 
weilen durch  Verletzungen  des  Auges  und  seiner  Umgebung  (wohin  selbst 
ein  leichlerer  Schlag  auf  die  Sclerotica  oder  Cornea  gehört)  durch  Einwir- 
kung einiger  narcotischer  Substanzen  (Belladonna,  Hyoscyamus,  Slramo- 
nium),  durch  Lähmung  des  N.  oculomotorius,  oder  durch  langen  Aufenthalt 
im  Finslern  herbeigeführt.  Symptomatisch  kommt  die  Mydriase  vor  bei 
Entzündung  der  Choroidea,  beim  Glaucom,  bei  der  Amaurose,  bei  Neural- 
gien in  den  Verzweigungen  des  Nervus  trigeminus,  bei  organischen  Krank- 
heiten und  Lähmungen  des  Gehirns,  Blul-,  Eiter-  oder  Wassererguss  in 
dasselbe,  bei   organischen  Krankheiten  der  Augenhöhle,  wodurch  die  mit 


319 

dem  Ciliarganglion  in  Verbindung  stehenden  Nerven  in  ihrer  freien  Thälig- 
keilsäusserung  gehemmt  werden,  so  wie  bei  Reizungen  des  sympathischen 
Nervensystems  (Wurmleiden,  Gaslromalacie,  Onanie),  daher  auch  bei  Kin- 
dern, wo  das  vegetative  Leben  vorherrscht,  die  Pupille  gewöhnlich  weit  ist. 

Die  Mydriase  geht  selten  in  Amaurose  über;  diess  kann  jedoch  durch 
den  Uebergang  der  Krankheil  vom  Ciliarnervensystem  auf  die  Retina  und 
den  Sehnerven,  so  wie  durch  zu  starke  Einwirkung  des  Lichtes  auf  die 
Retina  geschehen. 

Die  Myosis  ist  eine  permanente  Verengerung  der  Pupille,  welche 
bei  den  verschiedenen  Graden  der  Beleuchtung  in  diesem  Zustande  ver- 
harrt. Das  Sehvermögen  kann  dabei  im  guten  Zustande  bestehen,  häufig 
ist  es  jedoch  schwächer.  Die  Myosis  ist  entweder  angeboren,  oder  durch 
Reizung  des  Nervensystems  (bei  Hysterie,  Hypochondrie)  bedingt.  Sie  kann 
durch  Anstrengungen  der  Augen  bei  hellem  Lichte  und  bei  Betrachtung 
kleiner,  glänzender^Gegenslände  herbeigeführt  werden,  so  auch  nach  inneren 
Augenenlzündungen  zurückbleiben;  doch  ist  sie  hier  von  Verengerungen 
der  Pupille  durch  Exsudalionen  wohl  zu  unterscheiden.  Bei  vermindertem 
Einfluss  des  Sympalhicus,  bei  Unterleibs-  und  Rückenmarkslähmung,  beim 
Torpor  des  Unterleibes  mit  hartnäckiger  Verstopfung,  bei  Reizung  und  Ent- 
zündung des  Gehirns,  bei  entzündlichem  Fieber,  so  wie  im  hohen  Alter  bei 
verminderter  Vegetalionsthätigkeit  des  Auges  pflegt  ebenfalls  die  Pupille 
enger  zu  sein. 

Die  Ursachen  und  Symptome  der  Lähmungen  sind  verschieden,  je 
nachdem  die  cerebrale  oder  die  refleclorische  Leitung  der  Nerven  gehemmt 
oder  aufgehoben  ist.  Im  erstem  Falle  sind  Zeichen  von  Erkrankung  des 
Gehirns  vorhanden.  Die  Ursachen  wirken  entweder  auf  die  peripherische 
oder  centrale  Bahn  der  Nerven  ein.  Zu  den  erstem  gehören:  1.  Der  rheu- 
matische Anlass  hat  entweder  Lähmung  des  Levalor  oder  des  ganzen  Ocu- 
lomolorius  zur  Folge.  Solche  Lähmungen  entstehen  oft  plötzlich  nach  vor 
ausgegangen  Erkältungen  oder  Durchnässungen.  2.  Aeussere  Verletzun- 
gen in  der  Nähe  des  Augenlides  haben  öfters  Blepharoplegie  zur  Folge. 
3.  Geschwülste  in  der  Orbila  comprimiren  zuweilen  die  Augenmuskelner- 
ven. 4.  Sehr  häufig  sind  es  serös  -  albuminöse  Ezsudate  und  Blutergüsse 
an  der  Basis  des  Gehirns,  welche  die  Lähmung  bedingen.  Gewöhnlich  sind 
dann  die  Symptome  einer  Hirnaft'ection  gleichzeitig  vorhanden  oder  voraus- 
gegangen. Auch  ist  die  Blepharoplegie  bisweilen  Vorläufer  des  Schlagflusses. 
Hugh  Ley  sah  in  mehreren  Fällen  bei  Exsudaten  an  der  Basis  der  vordem  Lap- 
pen und  bei  Verdickung  der  Membranen  desGehirns  die  Lähmung  auf  den  Leva- 
tor  und  obem  geraden  Augenmuskel  beschränkt,  und  bemerkt,  dass  die  Fasern 


a*0 

<U-s  Oculomotorius,  welch«  diese  Muskeln  versorgen,  vom  Stamme  des 
Nerven  abgehen,  ehe  derselbe  die  durs  maier  durchbohrt,  und  wegen  der 
Feinheil  und  Diinnheil  ihres  Neurilemm!  durch  einen  Druck  beeinträchtigt 
werden  könne?),  welcher  für  den  dickern  Stamm  unzureichend  ist.  Zu  den 
centralen  Ursachen  gehören  Haemorrhagien,  Erweichungen  des  Gehirns, 
der  chronische  Hydrocephalus,  Geschwülste  verschiedener  Art,  die  sich  im 
Gehirne  entwickeln.  Je  nachdem  auch  andere  Nerven  in  das  Bereich  der 
Erkrankung  hineingezogen  werden,  sind  die  Symptome  etwas  verschieden. 
Verbreitet  sich  die  Affection  vom  Oculomotoriui  zugleich  auf  den  Abdocens, 
so  tritt  scheinbar  eine  bessere  Stellung  des  Augapfels  ein,  welcher  mehr  in 
die  Mitte  zurückkehrt,  aber  unbeweglich  daselbst  verharrt  (Ophlhalmople- 
gia  totalis).  Wird  der  Ouinlus  al'ficirt,  so  ist  der  Fall  entweder  mit  Fiichi- 
pfindlichkeit  der  Oberfläche  de*  Auges  und  der  Slirngegend,  oder  mit  Neu- 
ralgien in  den  verschiedenen  Bezirken  dieses  Nerven,  bei  Aflection  des 
Opticus  mit  Amblyopie  oder  Amaurose  complicirl. 

In  dem  Verlaufe  der  Augenlid-  und  Augapfel lähmun gen  zeigt  sich 
grüiilenthejla  Beharrlichkeit  der  Erscheinungen.  Nur  wo  die  Bedingung 
der  Lähmung  Veränderungen  unterworfen  isl,  treten  auch  die  paralytischen 
Symptome  bald  mehr,  bald  weniger  hervor,  so  wie  auch  bei  eintretender 
Besserung  der  kräftige  Wille  des  Kranken  bisweilen  einige  Beweglichkeit 
herbeizuführen  im  Stande  ist.  Die  Dauei  der  Lähmungen  ist  gewöhnlich 
chronisch;  am  schnellsten  geht  noch  die  durch  rheumatischen  Anlass  her- 
beigeführte vor  ober, 

pie  Prognose  ist  sehr  verschieden  und  richtet  sich  hauptsächlich 

nach  dem  Sitze  und  der  Ursache  der  krankhallen  Allcclion,  so  wie  nach 
der  Dauer  des  Qebels.  Wo  der  Sitz  der  Erkrankung  ein  centraler  ist,  Jässl 
sich  weniger  erwarten,  als  bei  peripherischem  Sitze  des  Frhels ;  daher 
auch  die  Prognose  sich  um  so  mehr  trübl,  auf  je  mehrere  nervöse,  Bezirke 
die  Lähmungserscheinungen  ausgebreitet  sind.  Complicationeo  der  Läh- 
mung steigern  aus  demselben  Grunde  die  Gefahr.    Die  rheumatische  L&b« 

mung  l.isst,  wenn  sie  nicht  lange,  besteht,  noch  am  ehesten  eine  Heilung 
hoffen  ;  diese  kann  auch  eintreten,  wenn  ein  der  Resorption  fähiges  Exsu- 
dat oder  Blut  extravasal  als  Ursache  der  Lähmung  erkannt  wird.  Sehr  un- 
günstig isi  die  Prognose,  wo  Desorganisationen  oder  Altergebilde,  welche 
nicht  zu  entfernen  sind,  der  Paralyse  zu  Grunde  liegen  In  solchen  Fällen 
ist  selbst  das  Leben  Öfters  gefährdet,  wohin  auch  die  durch  cariöse  Zerstö- 
rung des  Felsenbeins  bedingte  Lähmung  des  Nervus  facialis  gehört.  Je 
länger  eine  Paralyse  bereite  besteht,  desto  weniger  lässi  sich  bei  übrigens 
gleichen  Verhältnissen  ein  günsligei   Erfolg  hoffen.    Bei  gewissen  Arten 


321 

von  Lähmungen,  besonders  bei  den  rheumatischen,  erfolgt  dir»  Heilung-  öfters 
spontan,  ohne  Zulhun  der  ärztlichen  Knnst. 

Bei  der  Behandlung  ist  zunächst  die  Causalindication  zu  erfüllen, 
d.  h.  die  Entfernung  der  die  Lähmung  veranlassenden  und  unterhaltenden 
krankhaften  Affection.  Wo  daher  hyperaemische  und  Congestivzuslände. 
oder  entzündliche  Exsudate  der  Lähmung  zu  Grunde  liegen,  ist  die  anti- 
phlogistische Methode  in  Anwendung  zu  bringen  (Blutentleerungen  durch 
Aderlässe,  Blutegel  oder  blutige  Schröpfköpfe  im  Nacken,  Beförderung  der 
Stuhlentleerung  und  dadurch  erzielte  Ableitung  vom  Kopfe,  kühlende  Mit 
tel).  Insbesondere  ist  diess  bei  rheumatischen  Lähmungen  wohl  zu  beach- 
ten, bei  welchen  anfänglich  häufig  ein  congeslivcr  oder  entzündlicher  Zu- 
stand besteht.  Erst  nachdem  dieser  gehoben  ist,  kann  man  die  Hautthätig- 
keit  durch  Diaphorelica  in  Anspruch  nehmen,  innerlich  sehweisstreibende 
Getränke,  das  Aconit  oder  vinum  sem.  Colchici,  äusserlich  Vesicatore  an 
die  Nackengegend  oder  zwischen  Kieferwinkel  und  processus  mastoideus 
appliciren.  Sind  Symptome  von  Exsudation  an  der  Basis  cranii  vorhanden, 
so  passen  nebst  der  antiphlogistischen  Methode  die  Mercurialpräparate  (Ca. 
lomel)  oder  das  Jodkali.  Haben  unterdrückte  Blutungen  (Menstruation, 
Haemorrhoiden)  zur  Lähmung  Veranlassung  gegeben,  so  ist  in  der  Behand- 
lung darauf  Rücksicht  zu  nehmen,  nach  Beseitigung  des  etwa  vorhandenen 
congestiven  oder  entzündlichen  Zuslandes.  Wo  Drüsengeschwülste  oder 
Aftergebilde  durch  Druck  die  Leitung  motorischer  Nerven  (z.  B.  des  Facialis) 
hemmen,  können  resolvirende  Mittel,  nach  Umständen  auch  die  Exstirpation 
der  Aftergebilde  einen  günstigen  Erfolg  haben.  Auch  Dyscrasien  sind,  wo 
sie  als  Ursachen  der  Lähmungen  bestehen,  so  viel  als  möglich  zu  tilgen. 
So  kann  in  Fällen,  wo  syphilitische  Exostosen  und  Hyperostosen  als  wahr- 
scheinliche Ursachen  bestehen,  eine  consequent  durchgeführte  Mercurial- 
oder  Jodcur,  oder  der  Gebrauch  von  Sarsaparilla  Erfolg  haben.  Bei  Knochen- 
caries  mit  Otorrhoe  kann  das  Oleum  jeeoris  Aselli,  oder  das  Jodeisen  nebst 
dem  Gebrauche  von  Soolbädern  versucht  werden. 

Bleibt  jedoch  nach  Erfüllung  der  Causalindication,  oder  wo  diese  von 
Anfang  an  auszuführen  unmöglich  war,  der  torpide  Zustand  in  den  motori- 
schen Nerven  zurück,  so  besteht  die  Tndication,  die  Nerven-  und  Muskel- 
thätigkeit  wieder  anzuregen.  Wir  sind  kaum  im  Stande,  die  Erregung  von 
den  Centralorganen  aus  wieder  herzustellen,  da  wir  wenige  Mittel  ken- 
nen, welche  unmittelbar  auf  diese  wirken.  In  dieser  Beziehung  ist  wohl 
auch  die  psychische  Intention,  nämlich  die  Willenskraft  des  Kranken  in 
Anspruch  zu  nehmen.  Mittelbar  durch  das  Blut  wirken  bei  Lähmungszufäl- 
len die  Arnica,  die  Nux  vomica  und  insbesondere   das  Slrychnin.    Von  er- 

M  ey  r,  Augenheilkunde,  21 


322 

sterer  wird  das  Extr.  nuc.  vom.  spirit.  V3 — 1 — 2  gr.,  von  letzlerem  das  reine 
Alealoid  zu  !/8  ~  V-i  Br-  zwei-  bis  dreimal  täglich  gereicht. 

Auch  der  Reflexreiz  wird  durch  Erregung  sensibler  Nerven  in  An- 
spruch genommen;  am  Auge  sucht  man  namentlich  auf  die  Endäste  des 
Quintus  einzuwirken.  Man  erreicht  diess  durch  Frictionen  in  der  Umgebung 
des  Auges,  durch  Einreibung  von  aromalischen,  ätherischen  und  Spirituosen 
Flüssigkeiten  (Tinct.  Valerianae,  #Tinct.  Arnicae,  Bals.  vit.  Hofmanni,  Ol. 
Cajeputi,  Aether  sulfur.,  Ungt.  nervinum,  Spir.  Lavand.,  Rorismarini,  Tinct. 
Cantharidum),  durch  Anwendung  fliegender  Vesicatore  in  der  Umgebung 
des  Auges  oder  hinler  dem  Warzenforlsalze,  Einreibung  der  Ammoniak- 
salbe, durch  endermatische  Anwendung  des  Strychnins,  selbst  durch  An- 
wendung der  Glühhitze.  Auch  kann  eine  Reaction  durch  zweckmässige 
Anwendung  des  kalten  Wassers  (Waschung,  Uebergiessung,  Douche)  zu- 
weilen erzielt  werden.  Zu  den  wirksamsten  Agenlien  gehört  jedoch  die 
Anwendung  des  Magnetismus  und  der  Electricität  (als  Electro-  und  Gal- 
vanopunetur,  oder  mittelst  des  magneto-eleclrischen  Rotations-  oder  des 
galvano-electrischen  Apparates),  durch  welche  bei  beharrlicher  Anwendung 
günstige  Resultate  erlangt  werden.  Doch  hüte  man  sich,  dass  man  nicht 
durch  zu  kräflige  Anwendung  derselben  die  Erregbarkeit  vielleicht  gänz- 
lich erschöpfe,  sondern  moderire  den  Grad  der  Einwirkung  jedesmal  nach 
dem  der  Reizempfänglichkeit  des  Individuums.  Die  Einwirkung  des  elec- 
trischen  Fluidums  ist  um  so  wirksamer  in  den  Fällen,  wo  auch  eine  Mus- 
kclaffcclion  (Erschlaffung  derselben)  als  R.esiduum  der  Lähmung  zurückge- 
blieben ist.  Auch  kräflige  Ableitungen  auf  die  äussere  Haut  durch  Exulo- 
rien  (Empl.  vesic.  perpel.  oder  empl.  tart.  emel.)  vermögen,  zumal  bei 
rheumatischer  oder  dyscrasischcr  Ursache,  zuweilen  die  Nervcnlhäligkeit 
wieder  zu  wecken. 

Bei  geringer  Abweichung  des  Auges  in  der  einen  oder  andern  Rich- 
tung, so  wie  bei  der  nach  Lähmungen  zurückgebliebenen  Erschlaffung 
eines  Muskels  können  zweckmässig  angestellte  Ucbungen  im  Sehen,  bei 
verbundenem  gesunden  Auge,  die  Thäligkeit  des  gcschwächlen  Muskels 
wieder  mehr  anregen  (vergl.  Sirabismus).  Man  hat  auch  in  solchen  Fällen 
die  Cauterisirung  der  Conjuncliva  mitNitras  argenli  an  der  der  Abweichung 
des  Bulbus  entgegengesetzlen  Stelle  empfohlen,  zu  dem  doppellen  Zwecke, 
um  die  geschwächten  Nerven  zu  Stimuli ren,  und  um  eine  leichte  Verkür- 
zung der  Conjuncliva  zu  bewirken,  welche  jedoch  den  Strabismus  zu  ver- 
bessern im  Stande  ist. 

Bei  der  Mydriasis  ist  vor  allem  der  dieselbe  bedingende  pathologische 
Zustand   zu   eruiren    und  wo   möglich   zu   heben.    Gegen   die  idiopathische 


323 

Mydriasis  wurden  Waschungen  mit  Essig-,  Einreibungen  und  Vcrdunstun- 
stungen  flüchtiger  Mitlel  in  die  Umgebung  des  Auges,  die  Instillation  eines 
Infusums  von  Tabaksblättern  ins  Auge,  das  Mutterkorn  oder  ableitende  Mit- 
tel auf  den  Darmkanal,  endlich  die  Caulerisation  der  Conjuncliva  oder  der 
Cornea  mit  Lapis  in  f.  empfohlen.  Die  durch  Verletzung  entstandene  Myd- 
riasis erfordert  vor  Allem  eine  kräftige  antiphlogistische  Behandlung,  vor- 
züglich, um  dem  Eintritte  einer  heftigen  Entzündung  vorzubeugen.  Bei  an- 
geborner  Mydriasis  ist  gewöhnlich  jede  Behandlung  fruchtlos.  Auch  die 
Behandlung  der  Myosis  ist  meistens  erfolglos.  Man  hat  gegen  dieselbe 
krampfslillende  Mittel  innerlich,  so  wie  Einreibungen  von  Salben  aus  Hyos- 
cyamus  oder  Belladonna  in  die  Umgebung  der  Augen  empfohlen. 


21 


LITERATUR 


Ueber  Anatomie  des  Auges  schrieb : 

Brücke,  E.,  Prof.,  Anat.  Beschreibung-  des  menschlichen  Augapfels.  Mit 
1  Kupferlafel.    Berlin  1847.    4. 

Die  Physiologie  des  Auges  ist  einzusehen  in  Ruete's  Lehrbuch  der  Oph- 
thalmologie,   so  wie  in  Wagner's  Handwörterbuch    der  Physiologie. 
14.  Lieferung.    Artikel  Sehen  von  Prof.  Volkmann. 
Ueber  die  Pflege  der  Augen  handeln: 

M.  E  u  1  e  n  b  u  r  g,  die  Pflege  der  Augen  im  gesunden  und  kranken  Zustande 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  den  Gebrauch  der  Augengläser.  Berlin 
1841.    8. 

James  Hunter,  über  den  nachtheiligen  Einfluss  der  künstlichen  Beleuch- 
tung auf  das  Auge,  so  wie  über  einige  Mittel,  durch  welche  sich  die 
Nachlheile  der  Lampen  vermeiden  oder  vermindern  lassen.  Weimar  1841. 
8.  (Die  wahrheitsgetreue  Schilderung  und  die  practische  Tendenz  er- 
höhen das  Interesse  dieser  kleinen,  werlhvollen  Schrift.) 

A  r  1 1,  C.  F.,  Dr.  Die  Pflege  der  Augen  im  gesunden  und  kranken  Zustande, 
nebst  einem  Anhange  über  Augengläser.  Prag  1846.  8.  (Enthält  ins- 
besondere treffliche  Winke  über  die  Wahl  und  Gebrauchsweise  der 
Brillen.) 

Vollständige  Werke  über  Pathologie  und  Therapie  der  Augen- 
krankheiten : 

Jos.  Georg  Beer,  Lehre  von  den  Augenkrankheiten.  Mit  illuminirten 
Kupfern.    Wien  1813—1817.    8.    2  Theile. 

Ant.  Rosas,  Prof.  Dr.,  Handbuch  der  theoretischen  und  praclischen  Augen- 
heilkunde.   3  Bände  mit  2  Kupfern.    Wien  1830.    8. 

Ant.  Rosas,  Prof.,  Lehre  von  den  Augenkrankheiten,  zum  Gebrauche 
für  practische  Aerzle  und  Wundärzte,  wie  auch  zur  Benutzung  beim  klin. 
Unterrichte.    Wien  1834. 

W.  Mackenzie  a  practical  treatise  on  the  diseases  of  the  eye.  London 
1835.    2d.  ed.  8. 


325 

J.  Chr.  J  ü  ngk  e  n,  die  Lehre  von  den  Augenkrankheiten.  Mit  einer  dia- 
gnostischen Tabelle  der  Augencnlzündungen.  3.  Auflage.  Berlin 
1842.    8. 

W.  Lawrence,  a  treatise  on  the  diseases  of  the  eye.    London  1842.    8. 

Max.  Jos.  Chelius,  Handbuch  der  Augenheilkunde  zum  Gebrauche  bei 
seinen  Vorlesungen.    2  Bände.    Stuttgart  1839  —  1843- 

Carl  H  i  m  1  y,  die  Krankheiten  und  Missbildungen  des  mensch).  Auges 
und  deren  Heilung.  Herausgeg.  von  E.  A.  W.  H  i  m  1  y.  Mit  Titelkupf. 
und  5  Taf.    Berlin  1843.    4.    2  Bände.    (Reich  an  Literatur.) 

C.  G.  Theodor  Ruele,  Lehrbuch  der  Ophthalmologie  für  Aerzle  und  Stu- 
dierende. Mit  Holzschnitten.  Braunschweig  1845.  8.  (Die  physiolo- 
gischen Verhältnisse  des  Sehorgans  und  der  Augenkrankheiten  sind  in 
diesem  Werke  besonders  gewürdigt.) 

August  Andreae,  Grundriss  der  gesammten  Augenheilkunde.  2  Theile. 
3.  Auflage.    Leipzig  1846.    (Enthält  eine  vollständige  Literatur.) 

Cappelletti,  G.,  le  Malaltie  dell'  occhio  e  delle  sue  dipendenze.  Triesle 
1845—1851  (4  Bände). 

Hasner  Jos.  Edl.  v.  Artha,  Entwurf  einer  anatomischen  Begründung 
der  Augenkrankheiten.    Mit  1  lilhogr.  Tafel.    Prag  1847.    8. 

L.  A.  D  esm  ar  res,  Traile  theorique  et  pralique  des  maladies  des  yeux. 
Avec  78  figures  intercales  dans  le  texte.    Paris  1847. 

Ph.  Fr.  v.  Walther,  Augenheilkunde.  Freiburg  im  Breisgau  1848.  8. 
Bildet  den  3-  und  4.  Band  von  dessen  System  der  Chirurgie. 

Arlt,  Dr.  Ferd.  Prof.,  die  Krankheiten  des  Auges.  Prag  1851.  Erschienen 
ist  bisher  der  1.  Band,  enthaltend  die  Krankheiten  der  Binde-  und  Horn- 
haut.   Mit  einer  lilhogr.  Tafel. 

Ueber  besondere  Krankheiten  handeln: 

Burkhard  Eble,  über  den  Bau  und  die  Krankheiten  der  Bindehaut  des 
Auges  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  conlagiose  Augenentzündung. 
Wien  1828.    8. 

J.  F.  Piringer,  die  Blennorrhoe  im  Menschenauge.  Eine  gekrönte  Preis- 
schrift.   Gratz  1841.    8. 

Sei  dl,  Dr.  Emman.,  die  granulöse  Ophthalmie  oder  die  sogenannte  egyp- 
tische  Augenentzündung.    Wien  1850.    8. 

Gulz,  Dr.  Ignaz,  die  sogenannte  egyptische  Augenentzündung  oder  der 
Catarrh,  die  Blennorrhoe  und  das  Trachom  der  Bindehaut.  Wien 
1850.    8. 

Rau,  Wilh.,  die  Krankheiten  und  Bildungsfehler  der  Regenbogenhaut.  2 
Bände.    St.  Gallen  1844—45.    8. 

Höring,  über  den  Sitz  und  die  Natur  des  grauen  Slaares.  Eine  von  der 
Redaction  der  Annales  d'Oculistique  in  Brüssel  gekrönte  Preisschrift. 
Heilbronn  1844.    8. 

Warn  atz,  Gust.  Heinr.,  über  das  Glaucom.  Preisschr.  von  der  Redact.  der 
Ann.  d'oeulist.  in  Brüssel.    Leipzig  1844.    8. 

Bert  hold,  das  Myopodiorlhoticon  oder  der  Apparat,  die  Kurzsichtigkeit 
zu  heilen.    Mit  1  lithogr.  Tafel.    Göltingen  1840. 

Will.  White  Cooper,  practical  remarks  on  near  sight,  aged  sight  and 
impaired  vision.    London  1847.    8. 


326 

.loh.  Ad.  Schmidt,  über  die  Krankheiten  des  Thranenorgans.  Wien 
1803. 

Jos.  Hasner  v.  Art  ha,  Beiträge  zur  Physiologie  und  Pathologie  des  Thrä- 
nenleitungsapparates.    Prag  1850.    8.  • 

Böhm,  Ludw.,   das  Schielen   und  der  Sehnenschnilt  in  seinen  Wirkungen 
auf  Stellung  und  Sehkraft  der  Augen.    Mit   1   Kupfer  und   32   Holzsehn. 
Berlin  1845.    8-    (Die  beste  Monographie  über  das  Schielen.) 
Ueber  Nervenkrankheiten  des  Auges  sind  einzusehen: 

Rom  berg,  M.  H.,  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten  des  Menschen.  2  Bde. 
Zweite  Auflage.    Berlin   185t.    8. 

H.  Gerold,  die  Lehre  vom  schwarzen  Slaare.    Magdeburg  1846.    8. 

Hocken,  Treatise  on  Amaurosis  and  amaurolic  affeelions.  London  1840.  8. 

Deval,  Traile  de  l'Amaurose  ou  de  la  goutte  sereine,  ouvrage  eonlenant 
des  faits  nombreux  de  guerison  de  cette  maladie  dans  des  cas  de  cecite 
complete.    1.  vol.  in  8.    Paris  1851. 

Ueber  Augeninslrumente  handelt: 

C.  Kanka,  Beschreibung  und  Abbildung  der  für  sämmtliche  Augenopera- 
tionen   nothwendigen  Instrumente   mit  besonderer  Rücksicht  auf  die   in 
der  Wiener  Augenklinik  gebräuchlichen.    Mit  1  Kupfer.    Wien  1842.   8- 
Ueber  Augen  Operationen: 

C.  Chr.  Jüngken,  die  Lehre  von  den  Augenoperalionen.  Mit  4  Kupfer- 
lafeln.    Berlin  1829- 

G.  J.  Guthrie,  Lectures  on  the  operative  surgery  of  the  eye.  With  plales. 
3.  ed.  London  1830. 

C.  Deval,  Chirurgie  oculaire,  ou  traue  des  Operations  chirurgicales,  qui  se 
pratiquent  sur  l'oeil  et  ses  annexes;  avec  un  expose  succinl  des  difleren- 
tes  alterations  qui  les  reclament.  Ouvrage  contenant  la  pratique  opera- 
loire  de  A.  Rosas  et  Fr.  Jaeger  etc.    Paris  1843.    Avec  6  planches. 


REGISTER. 


Seite 

Abrasio  corneae                ...  156 

Accomodations-Vermögen    .     .  13 

Achlys 152 

Achromalopsie 279 

Adiaphanosis      ....  142 

Acgilops 113 

Aftergcbilde,  gutartige    .     .     .  229 

„             bösartige   .     .  244 

Albinismus 144 

Albugo 152 

Amaurosis 276 

Amaurosis,  anatom.  Befund  bei 

derselben      ......  292 

Amaurosis,  angebome    .  293 

„           asthenische   .     .     .  299 

„           catarrhalis     .     .     .  289 

centralis  ....  289 

congestiva    .     .     .  286,  296 
»                „       rheumatica  288 
erethistica     .     .     .  291,  301 
„           durch    Herzkrank- 
heiten .          289 

Amaurosis,   durch   Entzündung 

des  Gehirns       ....  290 
Amaurosis  durch  Hydrocephalus         291 
»             »       organ.     Ver- 
änderungen im  Gehirne      .  291 
Amaurosis    durch    Erkrankung 

des  Rückenmarks       .     .     .  291 
Amaurosis  durch  Irritation  des 

Quintus     .          289 

Amaurosis  durch  Irritation  des 

Sympalhicus 290 

Amaurosis  durch  Wurmleiden  .  290 
„             „       schwächende 

Einflüsse 292 

Amaurosis  durch  Harnruhr  292 


Seite 


Amaurosis  bei  Schwangeren 

289 

„          ex  anopsia     .     . 

287 

„          hysterica    .     .     . 

291 

,,          narcotica   .     .     . 

290 

peripherica     .     . 

286 

saturnina    .     . 

290 

„          simulirte    .     .     . 

295 

„          sthcnische      .     . 

296 

„          traumalische  .     . 

287 

„          torpide      .     .     .     . 

299 

„          Charactcr  derselben 

296 

„          Diagnose 

295 

„          Behandlung     „ 

296 

„          Prognose 

295 

Typus 

293 

„          Ursachen         „ 

293 

„          Verlauf            „ 

293 

Amaurotisches  Katzenauge  . 

248 

Amblyopie 

276 

Anaesthesie  des  Quintus 

273 

„            des  opticus  .     . 

276 

Anchylops 

113 

Aneurysma  in  der  Orbita    . 

243 

Ankyloblepharon    .... 

198 

Anophlhalmie 

144 

Arcus  senilis 

152 

Asthenopie 

277 

Atherom 

232 

Atonia  corneae 

74 

„        sacci  lacrymalis    .     . 

207 

Atresia  pupillae      .... 

93,200 

Atrophie  des  Augapfels         .     . 

74,  111 

„                  secundäre 

105 

„         der  Bindehaut    .     . 

73 

Aufrechtsehen 

14 

Augapfelentzündung    .     .     . 

110 

Augapfelkrampf      .... 

304 

328 


Augapfelkrebs    .    . 

Auge,  Beziehung  desselben  zu 
den  übrigen  Organen 

Auge,  künstliches  .     . 

Augenaxen     ... 

Augenbewegungen 

Augenbrauenwunden  . 

Augenentzündung  .     , 

„             arthri  tische 
„             exanthematische 
„             rheumatische 
„             scrofulose 
„             specifische     . 
„             syphilitische 
„             variolöse  . 
„             Behandlung  der 
selben 

Augenentzündung,   Eintheilung 
derselben 

Augenfell 

Augengläser 

Augenhöhlen 

Augenkammern       .... 

A  ugenkrankenexamen 

Augenlider 

Augenlidabscess      .... 

Augcnliddrüsenentzündung  . 

Augenlidauswärtskehrung     . 

Augenlidein  wärtskehrung     . 

Augenliderentzündung 

Augenlideczem  .     .     . 

Augenlidkrampf 

Augenlidgeschwülste  . 

Augenlidlähmung   .     . 

Augenlidrauhigkcit 

Augenlidrothlauf     .     . 

Augenlidschwiele   .     . 

Augenliderverletzung 

Augenmuskeln   .     .     . 

Augenschirmc    .     .     . 

Augentripper      .     .     . 

Augenwassersucht 

Augenwimpern  .     . 


Balggeschwülste  der  A  ugenlider 

„  in  der  Orbita 

Balkenstaar 

Bewegungsnerven,  Krankheiten 

derselben 

Bindehaut 

ßindehauteatarrh    .... 

„  acuter  .     .     . 

„  chronischer   . 

Bindehautblcnnorrhoe      .     . 
Bindehautentzündung       .     . 

„  genuine     .     . 

„             exanthematische 
Bindehaut,    Hyperämie   dersel- 
ben       


Seite 

247 

15 

140 

10 

10 

23 

iO 

126 

129 

125 

120 

118 

127 

130 

II 

43 

78 

45,  149 

9 

6 

16 

7 

49 

51 

215 

222 

47 

48 

302 

229 

315,316 

71 

47 

53 

22 

9 

45 

69 

87,  106 


231 
239 
157 

302 

3 

60 

61 
62 
64 
55 
56 
59 

55 


Bindehauttrachom        .     . 
Blendungsknoten    .     .     . 
Blennorrhoe ,     chronische 
Bindehaut     .... 
Blennorrhoe  ,     chronische    des 

Thränensackes  .     .     . 
Blepharoadenitis      .     .     . 

„  scrofulosa 

Blepharitis  erysipelatosa 
„  phlegmonosa 

Blepharoblennorrhoe  .     . 
„  scrofulose 

Blepharoplastik  nach  Frike 

„  nach  Dieffenbach 

Blepharoplegie   .     .     . 
Blepharoptosis    .     .     . 

paralytica 
Blepharospasmus    .     . 
Blinzeln ,  krankhaftes 

Blutauge 

Brillen 

„       Wahl  derselben 


Canalis  Fontanae   .     . 

„         Schlemmii 
Petiti    .     .     . 

„         lacrymo-nasaJis 
Carbunkel  der  Augenlider 
Caries  ossis  unguis 

„       orbitae     .     .     . 
Cataracta 

„         adereta      .     . 

„         arida  siliquata 

„         cholestearina 

„         congenita 

„         corticalis 

„         cystica 

„         dehiscens 

glaueomatosa 
gypsea      . 

„         hydatoidca 

„         lymphatica 

„         membransfeea 

„         natans 

„         nigra    .     . 

„         nuclearis   . 

„         senilis  .     . 

„         stellata 

„         traumatica 

„         tremulans 

„         viridis  . 

„         Diagnose  derselben 

„         Genesis  derselben 
Calarrh  der  Bindehaut 
Centralkapselstaar  .     . 
Chalazion       .... 

Chemosis 

Choroidea       ... 

„         Hyperaemie  derselben 


Seite 

71 

262 

66 

207 

52 

122 

47 

49 

64 

122 

217 

219 

316 

49 

316 

302 

302 

27 

149 

150 

3 

3 

7 

8 

50 

209 

116 

156 

158, 165 

160 

105 

168 

159 

160 

159 

159 

160 

160 

93,  167 

160 

160,  165 

161 

161 

170 

159 

169 

160,  165 

159 

162 

168 

60 

157 

229 

57 

4 

99 


329 


Seite 

Choroidea,  Entzündung  dersel- 
ben         99 

Choroidea,  Entzündung  dersel- 
ben, acute 100 

Choroidea,  Entzündung  dersel- 
ben, chronische     ....  100 

Chromopsie 279 

Chrupsie 279 

Ciliarband 4 

Ciliarkorper 4 

,,       Entzündung  desselben  98 

Cilien 7 

Cirsophthalnius 107,254 

Clavus 135 

Coloboma  palpebrarum   .     .     .  143 

iridis 29,  144 

Conjunctiva 3 

Conjunctivalerethismus     .     .     .  272 

Cornea 2 

Cornea  conica 88 

Coremorphosis 201 

Crithe 51 

Crusta  laclea  palpebrarum   .     .  48 

Cyclopie 143 

Dacryocystitis 113 

Dacryocystoblennorrhoea      .     .  207 

Dacryocystoblennostasis  .     .     .  209 

Dacryocystotomia 114 

Dacryops 206 

Dacryostagon 207 

Daltonismus 279 

Decrepiditaet  des  Auges      .     .  148 

Depressio  cataractae    ....  186 

,,             ,,     perscleroticam  186 

,,             ,,     per  corneam    .  188 

Depressionsnadel 186 

Discissio  cataractae      ....  188 

,,             ,,     per  corneam    .  189 

,,             ,,     perscleroticam  190 

Discissionsnadel      .     .     ,     .     .  189 

Diplopie 284 

Distichiasis 226 

Doppeltsehen      ......  284,309 

Drehpunkt  des  Auges      ...  10 

Disopie 276 

Ecchymosis  palpebrarum     .     .  23 

,,           conjunctivae     .     .  27 

Ectopien 215 

Ectropium 215 

Einfachsehen 13 

Eiterauge 93 

Eiterstaar        159 

Emphysem  der  Lider       ...  24 
Empfindungsnerven,   Krankhei- 
ten derselben 269 

Empfindlichkeit,  krankhafte  der 

Augen 271 


Seite 

Encanthis 236 

Encephaloid 247 

Enchondrom  der  Orbita  238 

Entozoen  im  Auge      ....  39 

Entropium 222 

Epicanthus 143 

Epiphora 112 

Epithelialkrebs 245 

Epithclialtrübung  der  Hornhaut  151 

Erethismus  scrofulosus          .     .  121 
Erosionsgeschwüre      .     .     .     .     61,    77 

Erysipelas  palpebrarum   ...  47 

Exostosis  orbitae 238 

Exophthalmus 115,237 

,,       mit  Struma  und  Herz- 
leiden    243 

Exophthalmia 237 

,,       fungosa 235 

Exstirpatio  bulbi 235 

Farbenerkennungsvermögen  , 

Mangel  desselben  ....  279 

Fasergeschwülste  der  A  ugenlider  235 

Fensterstaar 157 

Fernsichtigkeit 147 

Fettfleck 235 

Fistula  orbitae 116 

,,        sacci  lacrymalis   .     .     .  209 

Flügelfell 233 

Fötalstaar 168 

Fremde  Körper  im  Auge          .  33 

Fungus  cellulosus  conjunctivae  235 

,,           orbitae     .     .  238 

haematodes     ....  248 

,,       medullaris       ....  247 

,,       melanodes      ....  253 

Ganglion  ciliare 262 

Gerontoxon 152 

Gerstenkorn 51 

Geschwüre  der  Hornhaut     .     .  131 
Gesichtsempfindungen, 

unvermittelte  1 

,,                vermittelte    .  14 

,,                subjeetive     .  15 

Gesichtsschwäche,  amaurotische  102 

Glaskörper     7 

Granulation  der  Bindehaut  .     .  66 

Greisenbogen 152 

Greisenstaar 170 

Gypsstaar 160 

Haarzwibeldrüsen 7 

Hagelkorn 229 

Halbsehen 282 

Hallucinationen    des    Gesichts- 
sinnes    282 

Hasenauge 315 

Hautkrebs 245 


;3o 


Seite 

Haemophthalmus  ...     27,   29 

Hebeludo  visus       277 

Hemeralopie             .          .  294 

Hemiopie            282 

Hernia  choroidcae 28 

,,       sacci  lacrymalis   .     .  209 

Herpes  ciliaris 53 

Hippus 19,284 

Hordeolum 51 

Hornhaut .  2 

Hornhaulabscess     .....  81 

Hornhautentzündung   ....  76 

,,             pustulosa      .     .  76 

,,             pannöse  ...  78 

,,             parenchymatöse  81 

Hornhautexanlhem       ....  76 

Hornhautfistel 134 

Hornhaulgeschwüre    ....  131 

Hornhautnarbe   ......  133,152 

Hornhautschnitt       .....  181 

Hornhautstaphylom     ....  135 

Hornhautstich 185 

Hornhauttrübung     .....  151 

Horopter 14 

Hühnerblindheit 294 

Humor  aqueus 6 

Hydatide  der  Thränendrüse  257 

Hydromenyngitis 85 

Hydrophthalmus  anterior     .     .  87 

,,               posterior   .  106 

Hyperaesthesie  des  Quintus  270 

,,  des  N.  opticus  274,  278 

Hydrorrhoe 64 

Hyperkeratosis 88 

Hypopyon 93 

,,        spurium      ....  83 

Insolation 286 

Irideclomia 203 

Irideremia 144 

Iridodonesis 19,105,318 

iridodialysis 204 

Iridoencleisis 204 

Iridotomie 202 

Iris 4 

,,  Bewegung  derselben       .     .  263 

,,  Colobom  derselben    .     .     „  144 

,,  Lähmung  derselben  .     .     .  318 
,,  Lostrennung  derselben  vom 

Ciliarbande 30 

,,  Nerven  derselben       .     .     .  263 

,,  Vorfall  derselben       ...  134 

Iritis 89 

,,    chronica 97 

„    syphilitica 128 

Kapselstaar,  vorderer      ...  156 

,,            hinterer       ...  158 

Kapsellinsenstaar 157 


Seite 

Keratitis 76 

',,        scrofuiosa       ....  122 

Keratokele 133 

Keratoplastik 156 

Kerectasia 67,    79 

Kercctomia 156 

Kopiopie 277 

Krämpfe 302 

Krampf  der  Augenlider  .          .  302 

,,         des  Augapfels     .     .     .  304 

Krebs  der  Augenlider      .     .     .  245 

,,       des  Augapfels        .          .  247 

,,       der  Thränendrüse      .     .  257 

der  Orbita    .....  257 

Krystallkörpcr 6 

,,           Trübung  desselben  156 

Künstliche  Augen 140 

Kurzsichtigkeit 145 

Lähmungen 313 

Lähmung  der  Iris 318 

,,     des  Nervus  abducens   .  317 

,,      ,,        ,,       facialis  .     .     .  315 

,,       ,,        ,,       oculomotorius  316 

,,      ,,        ,,       patheticus       .  317 

Lähmungen,  Prognose  derselben  320 

Therapie          ,,  321 

,,            Ursachen         ,,  319 

Läuse  am  Auge 39 

Lagophthalmus 50,  116 

,,              paralylicus   .     .  315 

Leucoma  corneae 152 

Leucosis 144 

Licht  hunger 283 

Lichtscheu 41,283 

Lichlsehen 271 

Lidhalter 310 

Ligamentum  canthi  int.  et  ext.  8 

,,           Suspensorium  lentis  7 

Linse 6 

Linsen  staar 158 

Linse,  Wiedererzeugung  ders.  .  197 

Lippiludo 61 

,,          senilis 62 

Lorgnetten 151 

Luscitas 307 

Lymphstaar 93,  167 

Macula  corneae  152 

Madarosis  ciliaris 53 

Malacia  corneae 131 

Marasmus  des  Linsensystems  .  1.6Ü 

Margarita 152 

Mariotte's  Versuch       ....  12 

Markschwamm 247 

Megalopie      ...          .     .     .  283 

Meibomische  Drüsen   .     . 

Melanosis 253 

Meliceris 232 


331 


Seite 

Menibraaa  Descemet!   ...  3 
,,             ,,         Entzündung 

derselben 85 

Melamorphopsie 285 

Micropic 283 

Milchstaar 159 

Milien 231 

Microphlhalnius  144 

Missbildungen,  angeborne    .  143 

Monophthalmie 143 

Mückenkopf 135 

Mückensehen 280 

Muscae  volitanles 280 

Muskeln  des  Auges     ...  9 

Muskelschnitt 310 

Musculus  Horneri 9 

,,         tensor  choroideae  4 

Mydriasis 28,318,322 

Myodesopsia 280 

Myokephalon 135 

Myopia 145 

,,      spuria     .....  283 

Myopodiorthoticon       ....  147 

Myosis .  319,323 

Myotomia  oculaiis       ....  310 

Nachstaar      .     , 197 

Nachtblindheit    ......  294 

Nachtnebel 294 

Nagelkopf 135 

Nasenwinkelgeschwulst    ...  113 

Nasen  winkelgeschwür      ...  113 

Necrosis  orbitae 116 

,,        ossis  lacrymalis      .     .  209 

Necrosirung  der  Cornea  .     .  131 

Nepheliopie .  288 

Nephelium 152 

Nervus  lacrymalis 260 

,,       lacrymonasalis      .     .     .  260 

,,       oculomolorius      .     .     .  262 

,,       opticus 259 

trigeminus 260 

,,       abducens 262 

facialis 262 

patheticus 262 

,,       trochlearis 262 

Netzhaut 5 

Netzhautbildchen 10 

,,         Dauer  desselben  .     .  12 

,,         Deutlichkeit  dess  13 

,,         Grösse  dess.    ...  12 

Neuralgia  ciliaris 271 

,,         supraorbitalis  .     .     .  270 

Neurosen 259 

,,       Phaenomenologie  ders.  267 

Prognose  dere.    .          .  268 

Sitz  ders.  .     .               .  265 

Therapie  ders.     ...  269 

,,       Ursachen  ders.    .          .  265 


Seite 

Nictilatio  morbosa 

302 

Nubecula    .     . 

152 

Nyctalopie 

294 

Nyctamblyopie 

294 

Nystagmus     .... 

153,304 

Ocdema  frigidum  palpebr.  . 

48 

Onyx 

83 

Operation  des  Coloboms      .     . 

143 

,,     des  Ectropiums  und  La- 

gophthalmus 

21S 

,,      ,,       ,,  nach  Sanson 

219 

,,      ,,       ,,  nach  Adams 

220 

,,      ,,       ,,  nachDiefTcnbach 

219 

,,      ,,  Entropiums    nach 

Crampton      .     . 

223 

,,      ,,       ,,  nach  Celsus  .     . 

223 

,,      ,,       ,,  nach  Jacsche 

224 

,,      ,,  Epicanthus  .... 

143 

,,      ,,  grauen  Staarcs     .     . 

175 

,,      ,,  Homhautstaphyloms 

139 

,,      ,,  Hydrophthalmuspost. 

110 

,,      ,,  Schielens     .     .     .     . 

310 

,,    der  Thränensackiistel 

210,313 

,,  Trichiasis     .... 

226 

Ophthalmia 

40 

„          aegyptiaca      .     .     . 

68 

,,          arthritica    .     .     .     . 

126 

,,          sxanthematica 

129 

,,          intermittens    .     . 

270 

,,          rheumalica     .     .     . 

125 

,,          scrofulosa 

120 

,,          speeifica     .     .     .     . 

118 

,,          syphilitica      .     .     . 

127 

,,           variolosa    .     .     . 

130 

Ophthalmitis       

110 

Ophthalmoblennorrhoe    .     .     . 

64 

,,             der  Neugcbornen 

68 

,,             Einimpfung  ders. 

76 

Ophthalmophlebitis     ... 

111 

Ophlhalmoplegia  totalis  .     .     . 

320 

Ophthalmoptosis 

26, 237 

Ophthalmophthisis       .     .     .     . 

112,138 

Ophlhalmoslaten 

179 

Orbita ,     . 

9 

,,      Entzündung  ders.       .     . 

115 

,,      Caries  und  Necrose  ders. 

116 

Orbitalabscess 

115 

Orbitalaneurysma   ..... 

243 

Orbitalgeschwülste      ... 

236 

Orthopaedie  des  Auges   .     .     . 

312 

Osteoid,  bösartiges      .... 

258 

Pannus 

74,    78 

Paracentesis  bulbi       .... 

71,    97 

Paralysen 

313 

Periorbitis      .     .               ... 

116 

Perioslosis  orbitae       .... 

238 

Perla 

152 

332 


Seite 

Perlenstaar 157 

Phacomalacie 158 

Phacosclerom 160 

Phlegmatorrhoe 64 

Phlegmone  palpebrarum       .     .  49 

Photophobie       271 

Photopsie 278 

Phthisis  corneae  et  bulbi    .     .  138 

Pigmentstaar 158 

Pigmentkrebs 253 

Pinquecula 235 

Pladaroma  palpebrarum  ...  48 

Platycoria 318 

Polyopia         172 

Presbyopia 147 

Prolapsus  iridis 134 

Prothesis  ocularis 140 

Pseudoplasmen 228 

Psorophthalmia 53 

Pterygium 233 

Pupillarbewegung 11,263 

Pupillenbildung,  künstliehe      .  201 

Pupillensperre 200 

Pupillenunbeweglichkcit  .     .     .  283 

Pupillenvercngerung   ....  93 

Pustula  maligna  palpebrarum   .  50 

Pustularophthalmie     ....  59 

Pyorrhoe       64 

Pyramidenstaar 157 

Regenbogenhaut    4 

Resorptionsgeschwüre      ...  131 

Retina 5 

Rhinorrhaphie *  143 

Rhyas 236 

Sanson's  Experiment      ...  163 

Saitenkur  bei  Thränenleiden    .  211 

Schiefstehen  des  Auges  .     .     .  307 

Schielen 305 

Schleimpolypen 235 

Schwachsichtigkeit      ....  277 

Scleritis 125 

,,      gonorrhoica    ....  129 

Scleronyxis 186,  190 

Sclerotica 2 

Scotome 280 

Scotopsie  ........  280 

Scorbut  am  Auge 130 

Sehnenschnitt 310 

Sensibilitätsneurosen  ....  269 

Sichelnadel 189 

Sinus  venosus  Hovii  .     .     ,     .  3 

Speckgeschwulst  der  Lider      .  233 

Sphacelescenz  der  Cornea  .     .  131 

Staar,  grauer 156 

.,          ,,  angeborner      .     .     .  168 

,,         ,,  beginnender    .     .     .  172 
,,         ,,  flüssiger      ....   159,164 


Seit,. 

Staar,  grauer,  häutiger     .     .     .158,160 

,,         ,,  halbharter       .     .     .  161 

,,  harter    ,     .     .     .     .  160 

,,  seeundärer      ...  197 

,,         ,,  trockenhülsiger    .     .  160 

„         ,,  weicher      ....  159 

,,         .,  Complication  dess.  .  166 

,,         ,,  Diagnose            ,,      .  162 

„         ,,  Depression         ,,      .  186 

,,         ,,  Dislocation         ,,      .  186 

,,         ,,  Discission           ,,      .  188 

*,,         ,,  Genesis              ,,  168 

,,         ,,  Naturheilung     ,,      .  174 

,,         ,,  Prognose           ,,  173 

Staarbrillen 197 

Staarextraction 179 

,,  mit  dem  Hornhautschnitl 

nach  oben 185 

,,  mit  dem  Horuhautstich   .  185 

,,  nach  Antyllus  Methode  .  185 

Staarmesser 180 

Staamadeln 186,189 

Staaroperation 175 

,,  Contraindicalion  ders.      .  176 

,,  Nachbehandlung     ...  192 

,,  übleEreignisse  nach  ders.  194 

„  Vorbereitung  dazu      .     .  177 

,,  Werth  der  Methoden       .  191 

Staar,  schwarzer 276 

Slaphylom  der  Hornhaut     .     .  135 

,,     Iris     ....  137 

,,             ,,     Sclerotica    .     .  107 

Staphyloma  racemosum  ...  137 

,,            corneae  pellucidum  88 

Schwimmstaar 160,165 

Sternstaar 159 

Stillicidium  lacrymarum       .     .  207 

Stirnnerve 260 

Strabismus 305 

Streifenstaar 157 

Sleatome  der  Lider     .     .     .     ,  233 

Sycosis 53 

Symblepharon 199 

Synchysis           105 

Syndesmitis  catarrhalis    ...  61 

,,             granulosa     ...  71 

Synechia  anterior 134 

,,          posterior     ....  93 

Synicecis 201 

Tarsomalacie 54,122 

Teleangiectasie  der  Augenlider  232 

Tinea  palpebrarum      ....  53 

Thränencarunkel 8 

Thränenkanälchen       ....  8 
,,     Verengerung  und  Ver- 
wachsung derselben  .     .     .  206 

Thränendrüse 8 

,,     Entzündung  derselben  112 


333 


Seite 

Thränendrüse,  Fistel  derselben  112 
Thränenorgane,     Verengerung1 

und  Verwachsung  ders.  206 

Thränenschlauch 9 

Thränensack 8 

,,     Abscess  desselben  .     .  114 

,,     Entzündung  dess.    .     .  113 
,,     Eröffnung  dess.  .     .     .   114,210 

,,  chron.  Blennorrhoe  dess.  207 

,,  Verengerung  dess.    .     .  213 

Thränenfluss 112 

Thränensackfistel 209 

Thränenträufeln 207 

Thränenzellgeschwulst    .     .     .  206 

Trachom 71 

Traumen 22 

Transplantatio  corneae     .     .     .  156 

Trichiasis 225 

Trichosis  bulbi 226 

Triefauge 61 

Tylosis 53 

Unguis 83 

Verbrennung  des  Auges      .     .  33 

Vegetationsschwäche  des  Auges  148 

Verkalkung  der  Linse     .     .     .  160 

Verknöcherung  im  Auge     .     .  105 

Verletzungen 22 

Verletzung  des  Augapfels   .     .  27 

,,          der  Augenbrauen  .  23 


Seite 

Verletzung  der  Augenlider  . 

22 

„         des  CiJiarkörpers  und 

der  Choroidea  .     . 

30 

,,         der  Hornhaut     .     . 

28 

„          ,,    Iris    .     . 

29 

,,          ,,    Linse  und  Kapse 

30 

„          ,,    Orbita     .     .     . 

25 

,,          ,,    Retina    .     .     . 

31 

,,          ,,    Sclerotica   .     . 

28 

Visus  dimidiatus    .... 

282 

,,      interruptus   .... 

283 

Vielfachsehen 

172 

Vorfall  des  Augapfels       .     . 

237 

,,       der  Chorioidea     .     . 

.     30,  140 

,,       der  Iris 

134 

,,       des  obern  Lides    .     . 

317 

,,       der  Wasserhaut    .     . 

183 

,,       des  Krystallkörpers  . 

31 

Warzen  der  Augenlider 

230 

Wimpern 

7 

Wunden  des  Augapfels  .     . 

27 

,,         der  Augenlider 

22 

Würmer  im  Auge  .... 

39 

Xerophthalmus 


73 


ZellenschwammderConjunctiva  335 

„  Orbita   .     .  238 

Zitterslaar 160,165 

Zonula  Zinnii 7 


Berichtigung. 

S.  147,  Zeile  23,  statt  Bonnet  soll  es  heissen  Ruete. 


Druck  von  Keck  &  Pierer  in  Wien. 


ERKLÄRUNG  DER  ARRILDUNGEN. 


Fig.  T.  Sc  he  malische  Darstellung  eines  horizontalen  Durchschnittes  des  Antjes. 

1.  Conjunctiva  corneae. 

2.  Cornea. 

3.  Membrana  Descemet!. * 

4.  Sclerotien. 

5.  Irs. 

6.  Choroidea. 

7.  Musculus  tensor  Choroideae  (Ligam.  ciliare). 

8.  Corpus  ciliare. 

9.  Retina. 

10.  Capsula  lentis. 

11.  Membr.  hyaloidea. 

12.  Zonula  Zinnii  (lig.  suspensor.  lentis). 

13.  Nervus  opticus. 

a.  Camera  anterior. 

b.  Camera  posterior. 

c.  Lens  crystallina. 

d.  Corpus  vitreum. 

e.  Caiialis  Petili. 

f.  Ganalis  Schlemmii. 

Fig.  IT.    Darstellung  der  Augennerven. 

a.  Sehnerve. 

b.  Dreifach  gelheilter  Nerve  (N.  trigeminus). 

c.  Dessen  dritter, 

d.  dessen  zweiler, 

c.  dessen  erster  oder  Augenast. 

f.  Erster  Zweig  des  Augenasles  (Slirnncrve). 

g.  Zweiter  Zweig  des  Augenasles   (N.  nasociliaris). 

h.  Ciliarnerven,  welche  unmittelbar  vom  vorigen  abgehen. 

i.  Der  Thränenncrve. 

k.  Der  Rollncrve  (N.  pafhelicus). 

1.  Der  äussere  Augenmuskelnerve  (N.  abducens). 

m.  Eine  doppelte  Wurzel  des  Sympathicus,  wo  selbe  vom  N.  abducens 
abgeht. 

n.  Der  gemeinschaftliche  Augenmuskelnerve  (N.  oculomotorius) 

o.  Dessen  oberer  Ast  zum  Levator  und  Rectus  superior. 

p.  Dessen  unterer  Ast  zum  Rectus  internus  und  inferior. 

q.  Dessen  Ast  zum  N.  obliquus  inferior. 

r.  Der  Blendungsknoten  (Ganglion  ciliare). 

a.  Seine  kurze  motorische  Wurzel. 

ß.  Seine  lange  sensitive  Wurzel  vom  Nasenaste  des  Quintus. 

7.  Die  Ciliarnerven. 

3.  Verbindungszweige  der  letzteren  mit  den  Zweigen  (h) ,  die  unmittel- 
bar vom  N.  nasociliaris  abgehen. 


Fig.  I. 


Fig.  IL 


m$ 


k*Ot 


m 


5?^fEB4ft  »^SS^H^k  ■* 

rvtSfr-Su 

■HS 

IBBlsgBIgli^ 

£&£B 

mKm 

A'tttPfflb^fe  *' 

9kHwF«%&3 

^^^^^ 

StSjü^jJ 

«Mi 

KjBx^flK9^^»JS|^P<3^SSM 

w^t«a 


:Ard     > 


£.  p . 


->4 


•>,     \» 


"'  *£f  y*r 


r?sr 


. 


*» 


/ 


#w*